Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Wanke-Czerwenka als Schriftführers in der Strafsache gegen Reinhold A wegen des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand der vollen Berauschung nach § 287
(§§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1 und 15) StGB und einer anderen strafbaren Handlung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengerichtes vom 27. Jänner 1983, GZ. 1 e Vr 6.518/82-23, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 24. März 1938 geborene Reinhold A der Vergehen der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand der vollen Berauschung nach § 287 (§§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1, 128
Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1 und 15) StGB und des Betruges nach § 146 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, weil er sich fahrlässig durch den Genuß von Alkohol in einen die Zurechnungsfähgkeit ausschließenden Rauschzustand versetzte und in diesem Zustand in Gesellschaft des gesondert verfolgten Franz B als Beteiligten fremde bewegliche Sachen in einem 5.000 S übersteigenden Wert nachgenannten Personen durch Einbruch mit dem Vorsatz, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, A/ wegnahm, und zwar 1. am 25. September 1982 der Dr. Eleonore C zwei Biedermeiergipsfiguren in einem nicht mehr feststellbaren Wert; 2. in der Zeit zwischen 30. September und 2. Oktober 1982 der Dr. Eleonore C einen Koffer mit diversem Silberbesteck und Stoffresten, eine Pendeluhr, mehrere Kupferschalen, Teile eines Services in einem nicht mehr feststellbaren Wert und dem Johann D eine Gitarre im Werte von 2.400 S; B/ wegzunehmen versuchte, nämlich am 2. Oktober 1982 dem Felix E Wertgegenstände und Bargeld; II. mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Gastwirte durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die Vorspiegelung seiner Zahlungsfähigkeit, zur Ausfolgung von Getränken, mithin zu Handlungen verleitete, die sie am Vermögen schädigten, und zwar 1. am 16. Mai 1982 die Ludmilla F, Schaden 52 S; am 27. Mai 1982 den Leo G, Schaden 39 S.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diese Schuldsprüche unter Bezugnahme auf § 281 Abs. 1 Z. 5, 9 lit. a und 10 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt Berechtigung zu.
Zu den Fakten A/1. und 2. sowie B/:
Zu diesen Schuldsprüchen wegen des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand der vollen Berauschung stellte das Erstgericht fest, der Angeklagte sei zu den Tatzeiten jeweils volltrunken und daher nicht in der Lage gewesen, die Tragweite seines Handelns einzusehen. Es setzte sich hiebei nicht mit der eine völlige Willenslosigkeit des Angeklagten bekundenden Aussage des Zeugen Franz B (S. 101 f.) auseinander. Diese - vom Beschwerdeführer ausdrücklich gerügte - Unvollständigkeit ist aus folgenden Gründen entscheidungswesentlich:
Was einem nach § 287 StGB zu beurteilenden Volltrunkenen fehlt, ist die Dispositions- und Diskretionsfähigkeit, also das biologische Schuldelement, nicht jedoch die auf Herbeiführung des strafgesetzwidrigen Erfolges gerichtete Willensreaktion. Denn für die Zurechnung einer Rauschtat als Vergehen nach dem § 287 StGB ist erforderlich, daß hinter der im Rausch verübten, sich dem äußeren Geschehen nach als Verbrechen oder Vergehen darstellenden Tat ein entsprechender - wenngleich der Willensbildung eines nicht volltrunkenen Täters nicht gleichzusetzender - Wille des Berauschten steht, einen bestimmten strafgesetzwidrigen Erfolg herbeizuführen. Fehlt ein solcher Wille, mangelt es an der Strafbarkeit überhaupt (vgl. dazu u.a. SSt. 47/35 = LSK. 1976/290;
LSK. 1981/157; 1982/180; zuletzt 11 Os 52/83).
Der vorstehend aufgezeigte Begründungsmangel in Form einer Unvollständigkeit macht den in Rede stehenden Schuldspruch nichtig im Sinn des § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO. Es braucht daher auf das weitere Vorbringen zu diesem Nichtigkeitsgrund nicht mehr näher eingegangen zu werden. Bemerkt sei jedoch, daß - wie der Beschwerdeführer auch in diesem Belange zutreffend rügt - die (nur im Urteilsspruch aufscheinende) Annahme, das im Zustand voller Berauschung angeeignete bzw anzueignen versuchte Gut übersteige den Wert von 5.000 S (S. 106), ohne jede Begründung blieb, sodaß eine die (hinsichtlich des Grunddeliktes angenommene) Qualifikation des § 128 Abs. 1 Z. 4 StGB tragende mängelfreie Feststellung nicht gegeben ist. Aus der Summierung der feststellbaren Werte ergibt sich dieser Betrag nicht; ob er durch Hinzurechnung der nicht mehr feststellbaren Werte (in objektiver und subjektiver Hinsicht) erreicht wird, hätte auf der Basis der Verfahrensergebnisse einer Begründung bedurft (§ 270 Abs. 2 Z. 5 StPO).
Zu den Fakten II. 1. und 2.:
Auch diese Schuldsprüche sind mit Begründungsmängeln im Sinn des insoweit geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO behaftet.
Wie der Sachverständige Primarius Dr. Heinrich H in seinem - in der Hauptverhandlung verlesenen (S. 101) -
Gutachten (ON. 19) ausführte, hängt die Beurteilung des Alkoholisierungsgrades in erster Linie davon ab, ob der Angeklagte bereits bei Beginn der Zeche(n), also bei Bestellung der später nicht bezahlten Getränke, unter erheblichem Alkoholeinfluß stand oder nicht (S. 89). Das Schöffengericht, welches seine Feststellungen ua auf das eben erwähnte Gutachten stützte (s. S. 110), setzte sich mit dieser Frage nicht auseinander, nahm - ohne jedwede Begründung - (selbstverschuldete) volle Berauschung (§ 287 StGB) nicht an und sprach den Angeklagten wegen Betruges (§ 146 StGB) schuldig.
Des weiteren unterließ das Erstgericht zum Faktum II.2. eine Begründung für den von ihm angenommenen Betrugsvorsatz. Es überging in diesem Zusammenhang die Verantwortung des Angeklagten, er hätte bei dem Gastwirt Leo G - auch schon früher in Anspruch genommenen - Kredit gehabt (S. 100).
Mithin mußten auch diese Schuldsprüche der Aufhebung verfallen, sodaß auf die zu diesen Fakten erhobenen weiteren Rügen (Z. 9 lit. a und - der Sache nach - Z. 4 des § 281 Abs.1
StPO) nicht mehr einzugehen war.
Zusammenfassend zeigt sich, daß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist und eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst nicht einzutreten hat, sodaß der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten schon bei der nichtöffentlichen Beratung Folge zu geben war (§ 285 e StPO).
Anmerkung
E04179European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1983:0110OS00057.83.0504.000Dokumentnummer
JJT_19830504_OGH0002_0110OS00057_8300000_000