TE OGH 1983/5/5 13Os79/83

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Veröffentlicht am 05.05.1983
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 5.Mai 1983 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Veith als Schriftführers in der Strafsache gegen Christine A wegen des Vergehens des Betrugs nach § 146 StGB. über die von der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes gegen die Strafverfügung des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 5.Oktober 1982, GZ. 8 U 2421/82-3, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Schneider, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Strasser, zu Recht erkannt:

Spruch

I. Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und festgestellt, daß die Strafverfügung des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 5.Oktober 1982, GZ. 8 U 2421/82-3, die Bestimmung des § 146 StGB. verletzt.

Diese Strafverfügung und alle darauf beruhenden (weiteren) Verfügungen werden aufgehoben und es wird gemäß §§ 292, 288 Abs. 2 Z. 3 StPO. in der Sache selbst erkannt:

Das Strafverfahren 8 U 2421/82 des Bezirksgerichts Floridsdorf wird

gemäß §§ 90 Abs. 1, 447 Abs. 1 StPO.

eingestellt.

II. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Text

Gründe:

Die Tankstellenpächterin Anna B erstattete am 18.Februar 1982 Anzeige gegen die Lenkerin des Personenkraftwagens W ..., diese habe am 6.Februar 1982 ihren Wagen auftanken lassen, von dem Preis von 272 S jedoch, weil sie angeblich bloß 200 S bei sich gehabt habe, den Rest von 72 S unbeglichen gelassen und versprochen, denselben am nächsten Tag zu bezahlen, was aber nicht geschehen sei. Bei der Angezeigten handelt es sich um Christine A, die sich vor der Polizei dahin einließ, daß sie von vornherein ausdrücklich verlangt habe, Benzin um 200 S zu tanken. Der Mehrbetrag von 72 S sei ihr von der Tankwartin, die sie im Hinblick auf die vorangegangene Erklärung zur Rede gestellt habe, schließlich 'geschenkt' (also nachgelassen) worden.

Die Anzeigerin Anna B hinwider bestritt vor der Polizei die Richtigkeit der Angaben der Angezeigten über deren Verlangen, bloß um den Preis von 200 S tanken zu wollen, und über den angeblichen Nachlaß der Restschuld.

Die Zeugin bekundete ferner, daß sie, zumal sie nichts Gegenteiliges vernommen habe, zur Annahme gelangt sei, die Angezeigte wolle 'volltanken', bestätigte jedoch, daß diese bei Bekanntgabe des Preises von 272 S bereits behauptete, lediglich Benzin um 200 S verlangt zu haben.

Auf Grund der daraufhin vom Bezirkspolizeikommissariat Donaustadt erstatteten Anzeige beantragte der Bezirksanwalt beim Bezirksgericht Floridsdorf am 20.September 1982

die Bestrafung Christine A wegen des Vergehens des Betrugs nach § 146 StGB.

Am 5.Oktober 1982 erließ das Bezirksgericht Floridsdorf unter der GZ. 8 U 2421/82-3 gegen Christine A eine Strafverfügung, in welcher eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 60 S verhängt wurde, weil sie am 6.Feber 1982

in Wien 'mit Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Anna B durch die Behauptung, sie werde den fehlenden Betrag am nächsten Tag bezahlen, somit durch Täuschung über Tatsachen, zur Stundung der Schuld, sohin zu einer Handlung verleitet hatte, welche Anna B an ihrem Vermögen schädigte, wobei der Schaden S 5.000,- nicht überstieg'.

Rechtliche Beurteilung

Diese Strafverfügung, die nach der Zustellung an den Bezirksanwalt und an die Beschuldigte in Rechtskraft erwachsen ist, steht mit dem Gesetz nicht im Einklang, weil die Beurteilung des inkriminierten Verhaltens als Betrug (§ 146 StGB.) rechtirrig ist:

Die allenfalls durch die Vortäuschung, die Schuld am nächsten Tag zu bezahlen, veranlaßte Stundung konnte nämlich keinen Vermögensschaden mehr nach sich ziehen.

Der Schaden war bei dieser Fallgestaltung schon durch die Abgabe der den Wert von 200 S übersteigenden Benzinmenge eingetreten. Betrug (§ 146 StGB.) fiele der Beschuldigten bei Zutreffen aller subjektiven Voraussetzungen bloß dann zur Last, wenn sie in objektiver Beziehung schon vor dem Auftanken oder während des Tankvorgangs durch eine Täuschungshandlung einen Irrtum der Anna B über ihre Zahlungsfähigkeit oder ihren Zahlungswillen betreffend den 200 S übersteigenden Betrag hervorgerufen hätte. Ebenso konnte in einem Zeitpunkt, in welchem die ganze Benzinmenge schon im Tank eingefüllt und damit die Bereicherung eingetreten war, der Vorsatz, 'sich unrechtmäßig zu bereichern' (§ 146 StGB.), weder sinnvoll gefaßt noch wirksam werden. Für die Annahme einer Täuschungshandlung vor dem Auftanken oder während des Benzineinfüllens (was dann auf den Bereicherungsvorsatz schon in diesem Geschehensabschnitt schließen ließe) fehlen aber - insbesondere nach den in der Strafverfügung enthaltenen, aktenmäßig gedeckten Feststellungen - Anhaltspunkte. Mangels Vorliegens der Tatbestandsmerkmale des Betrugs nach § 146 StGB. war die Strafverfügung aufzuheben und das Strafverfahren gemäß §§ 90 Abs. 1, 447 Abs. 1 StPO. einzustellen (vgl. dazu u.a. LSK. 1977/104; früher schon KH. 63).

Für einen - von der Generalprokuratur beantragten - Auftrag an das Bezirksgericht, das gesetzliche Verfahren einzuleiten, verbleibt nach den vorstehenden Darlegungen kein Raum. Insoweit die Generalprokuratur auch die Feststellung der Gesetzesverletzung in der Bestimmung des § 460 Abs. 1 StPO. mit der Begründung begehrt, die Polizeierhebungen hätten zur Beurteilung aller für die Entscheidung maßgebenden Umstände nicht ausgereicht, war die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zu verwerfen:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist § 460 StPO., sofern die in seinem Abs. 1

normierten formalen Voraussetzungen beachtet werden, nur dann verletzt, wenn dem Grundsatz des beiderseitigen Gehörs nicht Genüge getan ist. Diesem Grundsatz wurde hier Rechnung getragen. Die Frage, ob und welche Erhebungen ausreichen, d.h. vor der Erlassung der Strafverfügung durchzuführen sind, ist eine Ermessensentscheidung (EvBl. 1981/215 = RZ. 1982/23; ZVR. 1977/89 = LSK. 1977/16 = AnwBl. 1977 S. 182; 9 Os 187/76). Eine solche ist aber mit Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nicht anfechtbar, es sei denn, daß eine Ermessensentscheidung auf einer unrichtigen Rechtsansicht beruht (Foregger-Serini, Erl. I zu § 292 StPO.3, und die dort zitierte Judikatur).

Daß im vorliegenden Fall die Ermessensentscheidung, welche Erhebungen zur Beurteilung der maßgebenden Umstände ausreichen (§ 460 Abs. 1 StPO.), auf Grund einer falschen - prozessualen - Rechtsansicht gefällt worden wäre, trifft nicht zu. Der die rechtliche überprüfbarkeit des Erhebungsumfangs im Rahmen des § 460 Abs. 1 StPO. (über den o.a. Gehörszwang hinaus) behauptenden Ansicht der Generalprokuratur vermag der Oberste Gerichtshof, bezugnehmend auf die drei vorstehend aufgewiesenen Entscheidungen, abermals nicht zu folgen.

Anmerkung

E04190

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1983:0130OS00079.83.0505.000

Dokumentnummer

JJT_19830505_OGH0002_0130OS00079_8300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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