Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 5.Mai 1983 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Veith als Schriftführers in der Strafsache gegen Ing. Franz A wegen des Vergehens der Geschenkannahme durch Beamte nach § 304 Abs. 2 StGB. über die von der Staatsanwaltschaft und vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 3.November 1982, GZ. 6 e Vr 9811/81-27, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden sowie über die Berufung des Angeklagten nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Ringhofer und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Hauptmann, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird verworfen. Hingegen wird der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Folge gegeben und gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3
StPO. in der Sache selbst erkannt:
Gemäß § 20 Abs. 2 StGB. wird Ing. Franz A zur Zahlung eines Geldbetrags von 18.500 (achtzehntausendfünfhundert) Schilling verurteilt.
Der Berufung des Angeklagten wird nicht Folge gegeben. Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Der am 14.Dezember 1942 geborene Bundesbeamte Oberrevident Franz A wurde des Vergehens der Geschenkannahme durch Beamte nach § 304 Abs. 2 StGB. schuldig erkannt. Darnach hat er in Wien als leitendes Bauaufsichtsorgan der BUNDESGEBöUDEVERW*** I für die pflichtgemäße Vornahme von Amtsgeschäften von Margarete D Vermögensvorteile, und zwar am 27.Juli (richtig: Juni; siehe Bd. I S. 157) 1979 14.200 S und am 31.Oktober 1979 4.300 S angenommen. Eine Verurteilung zur Zahlung eines dem Wert der Zuwendungen entsprechenden Geldbetrags erachtete das Schöffengericht - ohne förmliche Abweisung des darauf abzielenden Antrags der Anklagebehörde (ON. 3) -
für unzulässig.
Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf § 281 Abs. 1 Z. 5 und 9 lit. a StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft begehrt aus der Z. 11, ihrem Verfallsantrag (§ 20 Abs. 2 StGB.) stattzugeben.
Zur Beschwerde des Angeklagten:
Als Begründungsmangel (§ 281 Abs. 1 Z. 5 StPO.) wird gerügt, daß das Erstgericht sich nicht mit auf eine psychotische Störung der Margarete D hinweisenden Eintragungen in deren Kassenbüchern auseinandergesetzt und nicht zureichend begründet habe, weshalb andere - den Angeklagten belastende - Eintragungen 'in Phasen, in welchen keine Depressionen vorlagen, erfolgt sein sollten' (Bd. II S. 5).
Der Beschwerde ist einzuräumen, daß mehrere Kassenbucheintragungen als Ausdruck einer geistigen Störung der Margarete D aufgefaßt werden könnten (siehe die Eintragungen vom 3.Juni 1976, Bd. I S. 33, vom 30.Mai 1978, Bd. I S. 109, vom 5.Dezember 1979, Bd. I S. 189). Diese Buchungen fallen aber zeitlich nicht mit den den Rechtsmittelwerber belastenden Eintragungen vom 27.Juni 1979 und 31.Oktober 1979 (Bd. I S. 157 und S. 177) zusammen. Die Urteilsannahme, daß die den Angeklagten belastenden Buchungen nicht auf eine Geisteskrankheit der Margarete D zurückzuführen sind, wurde vom Erstgericht aus dem phasenweisen Ablauf ihrer affektiven Psychose, aus dem Fehlen von Wahnäußerungen und Amnesien (in den Krankheitsintervallen) sowie aus der regelmäßigen Wiederholung der Eintragungen von Schmiergeldzahlungen, welche gegen einen Zusammenhang dieser Eintragungen mit (nach dem Akteninhalt nicht mit gleicher Regelmäßigkeit auftretenden) Depressionsphasen sprechen, abgeleitet (Bd. I S. 524). Diese Begründung ist weder (zufolge Unvereinbarkeit mit Denkgesetzen oder Erfahrungsgrundsätzen) unzureichend noch (mangels Erörterung wesentlicher gegenteiliger Verfahrensergebnisse) unvollständig. Angesichts der Verpflichtung des Gerichts zu einer gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs. 2 Z. 5 StPO.) bedurfte es auch eines Eingehens auf den Inhalt der bedenklichen Eintragungen (vom 3.Juni 1976, 30.Mai 1978 und 5.Dezember 1979) gar nicht.
Der Vorwurf, die Rechnungsbeträge, welche die Grundlage für die Auszahlung einer zehnprozentigen 'Provision' bildeten, seien willkürlich herausgegriffen und addiert worden, erweist sich als unberechtigt: Wie in den Urteilsgründen (Bd. I S. 521 und 522) zutreffend ausgeführt, ist der Zusammenhang zwischen den Eintragungen der inkriminierten Zuwendungen und bestimmten, an die BUNDESGEBöUDEVER-W*** gelegten Rechnungen von Margarete D selbst dadurch kenntlich gemacht worden, daß sie auf den diese Zuwendungen betreffenden Schmierzetteln (Bd. I S. 269, 271) teils die eigene Rechnungsnummer, teils die Gebarungsfallnummer der BUNDESGEBöUDEVERW*** vermerkt hat. In diesen privaten Aufzeichnungen sind zudem sowohl der jeweilige Rechnungsbetrag (ohne Mehrwertsteuer) als auch die Höhe der Zahlung an den Angeklagten festgehalten; der rechnerische Zusammenhang zwischen den korrespondierenden Beträgen (die 'Provision' entspricht jeweils 10 % der auf volle Tausenderbeträge aufgerundeten Rechnungssumme) ist auch für den buchhalterischen Laien unschwer erkennbar. Die Motive der Margarete D für die Bezahlung einer Provision an den Angeklagten gerade in dieser prozentuellen Höhe bedürfen - ungeachtet des in der Beschwerde hervorgehobenen Umstands, daß nach den Urteilsfeststellungen ranghöhere Beamte mit geringeren Anteilen an der Rechnungssumme bedacht worden sein sollen (Bd. II S. 6) -
keiner weitwendigen Erörterung; geht doch aus dem Urteilssachverhalt (Bd. I S. 509 und 510) die besonders weitgehende faktisch Einflußmöglichkeit des Angeklagten auf die Auftragsvergabe hervor. Gerade diese Einflußmöglichkeit, nicht etwa der Rang des Bestochenen, ist naturgemäß bestimmend für die Zahlung von Schmiergeldern.
Einen Feststellungsmangel (§ 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO.) erblickt der Beschwerdeführer im angeblichen Unterbleiben von Konstatierungen darüber, ob die inkriminierten Zuwendungen an ihn für die pflichtgemäße Vornahme von Amtsgeschäften geleistet wurden und ob der Zusammenhang zwischen den Geschenken und der Amtstätigkeit vom Vorsatz des Angeklagten umfaßt war. Hiebei übergeht er allerdings nicht nur die Urteilsannahmen, wonach D vom Angeklagten mit jenen Arbeiten beauftragt worden ist, auf welche sich die gegenständlichen Rechnungen und 'Provisionsabrechnungen' beziehen (Bd. I S. 510 unten, 511);
er übersieht auch weitere (die subjektive Tatseite betreffende) Feststellungen, wonach er die Geldbeträge als Geschenke für die pflichtgemäße Vornahme der erwähnten Amtsgeschäfte (Auftragsvergaben) akzeptiert hat, 'obwohl er wußte, daß ihm die Annahme solcher Geldbeträge nicht erlaubt war' (Bd. I S. 514). Der rechtswidrige Zusammenhang zwischen der Amtstätigkeit und den Zuwendungen wurde darnach vom Angeklagten sogar in der (im § 304 Abs. 2
StGB. gar nicht vorausgesetzten) Vorsatzform der Wissentlichkeit (§ 5 Abs. 3 StGB.) erfaßt. Die Rechtsrüge, die insoweit nicht vom vollständigen Urteilssachverhalt ausgeht und dessen Unterstellung unter das Strafgesetz bekämpft, ist somit nicht prozeßordnungsmäßig ausgeführt. Gerade im vorliegenden Fall ist ferner die Zuordnung der Zuwendungen zu bestimmten Amtsgeschäften des Geschenknehmers ausdrücklich festgestellt worden (siehe oben), obgleich es einer solchen engen Individualisierung bei geschäftsmäßiger Verbindung nicht bedarf (SSt. XLI/3, LSK. 1980/194, 9 Os 38/70, 12 Os 44/80, 9 Os l68/82). Auch ein diesbezüglicher rechtlicher Beschwerdeeinwand geht daher fehl.
Schließlich hat das Erstgericht auch eindeutige Feststellungen über Zeit (Bd. I S. 507, 522, 523) und Art des Empfangs (Barzahlung; siehe Bd. I S. 510, 514) der inkriminierten Zuwendungen getroffen, wenngleich die Modalitäten der Geldübergabe selbst als nicht entscheidungsrelevant dahingestellt bleiben können (13 Os 128/82).
Rechtliche Beurteilung
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.
Zur Beschwerde der Staatsanwaltschaft:
Die Voraussetzungen für den Ausspruch des Verfalls nach § 20 Abs. 1 StGB. (und für die Auferlegung eines an dessen Stelle tretenden Geldbetrags: § 20 Abs. 2 StGB.) wurden vom Erstgericht mit der Begründung verneint, daß die Zuwendungen nicht für die Begehung der strafbaren Handlung gemacht worden seien, vielmehr die Annahme dieser Beträge das strafbare Verhalten selbst darstelle. Der Einwand der Staatsanwaltschaft (§ 281 Abs. 1 Z. 11 StPO.), daß das Gesetz einen Wertersatz (für den nicht durchführbaren Verfall) auch dann zwingend vorsehe, wenn das strafbare Verhalten in der Annahme der Zuwendung selbst besteht, ist berechtigt.
Wie der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat (LSK. 1980/134 = EvBl. 1981/13 = JBl. 1981, 160; 12 Os 109/82, 12 Os 116/82, 13 Os 128/82), ist auf den Verfall eines Geschenks oder einer anderen Zuwendung von Geldeswert (und damit gemäß § 20 Abs. 2 StGB. auf einen Wertersatz, falls der Täter die Zuwendung nicht mehr besitzt) nicht nur bei Entgegennahme durch den Täter für eine strafbare Handlung, sondern auch dann zu erkennen, wenn das strafbare Verhalten - wie im Fall des § 304
StGB. - in der Annahme einer Geldzuwendung selbst besteht. Dies folgt schon aus einem einfachen Größenschluß und bedeutet keineswegs eine unzulässige analoge Gesetzesanwendung. Es war daher in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft der Angeklagte gemäß § 20 Abs. 2 StGB. zur Zahlung eines Geldbetrags von 18.500 S zu verurteilen.
Zu den Berufungen:
Ing. A wurde nach § 304 Abs. 2 StGB. unter Anwendung des § 37 StGB. zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen (für den Fall der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 120 Tagen) verurteilt und der Tagessatz mit 150 S bestimmt. In ihrer Bemessung wurden erschwerend der zweifache Angriff, mildernd hingegen der bisher tadellose Lebenswandel des Angeklagten gewertet. Dessen mangelnde Schuldeinsicht bewog das Gericht, ihm aus spezialpräventiven Rücksichten die bedingte Strafnachsicht zu verwehren.
Mit seiner Berufung begehrt der Angeklagte eine Herabsetzung der Geldstrafe durch Reduzierung der Anzahl der Tagessätze und die Gewährung der bedingten Strafnachsicht.
Die Berufung scheitert an der Eigenart von Tat und Täter. Im Hinblick auf das spezielle Vertrauensverhältnis, in dem jeder Beamte steht und um dessentwillen er das Privileg der unkündbaren Anstellung (Pragmatisierung) genießt, kann, entgegen dem Berufungsvorbringen, nicht von einer besonders verlockenden Gelegenheit zur Tat gesprochen werden. Angesichts der verderblichen Auswirkungen der Korruption für die ökonomischen Strukturen - wird doch durch sie der freie Wettbewerb im Wirtschaftsleben zu Gunsten des unredlichen Konkurrenten verfälscht, der den ehrlichen Mitbewerber aus dem Feld schlägt - stehen neben spezialpräventiven Belangen sehr wohl die Erfordernisse der Generalprävention im Vordergrund. Der Gedanken der Generalprävention hat im neuen Strafgesetzbuch einen so deutlichen und kategorischen Niederschlag gefunden (siehe §§ 37, 42, 43, 46 StGB.), daß, wenn auch im allgemeinen die Spezialprävention prävalieren mag, dennoch die Generalprävention zuweilen, wie in diesem Fall, den Ausschlag geben kann (EvBl. 1982 Nr. 71, 13 Os 46/82, 13 Os 128/82); denn bei der Generalprävention kommt es auf deren Wirksamkeit in einem bestimmten Milieu, Berufsoder Lebenskreis an (LSK. 1979/2). Darum war gerade in der heutigen Zeit (siehe das Bundesgesetz vom 1.April 1982, BGBl. Nr. 205, mit dem die Bestimmungen des Strafgesetzbuchs zur Bekämpfung von Mißwirtschaft und Korruption geändert und ergänzt werden) der korrupte Beamte Franz A streng und unnachsichtig zu bestrafen.
In folgerichtiger Erkenntnis der dargelegten Präventionserfordernisse hat das Gericht ferner dem Angeklagten, den, wie erwähnt, ohnehin nur eine Geldstrafe trifft, die Rechtswohltat des bedingten Strafnachlasses versagt. Die im § 43 Abs. 1 StGB. ausdrücklich vorgeschriebene Rücksichtnahme darauf, ob es der Vollstreckung der Strafe bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken, verbietet in einem Kriminalfall wie dem gegenständlichen förmlich die Gewährung der angestrebten Rechtswohltat. Das haben die Tatrichter erkannt und ausgesprochen; der Oberste Gerichtshof hat dem nichts mehr hinzuzufügen.
Anmerkung
E04170European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1983:0130OS00060.83.0505.000Dokumentnummer
JJT_19830505_OGH0002_0130OS00060_8300000_000