TE OGH 1983/5/5 13Os57/83

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Veröffentlicht am 05.05.1983
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 5.Mai 1983 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Veith als Schriftführers in der Strafsache gegen Jens (Peter) A wegen des Verbrechens des Betrugs nach §§ 197 ff. StG. 1945 über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 17. November 1982, GZ. 6 d Vr 6917/81-24, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Brustbauer, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Neubauer und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen, der Berufung nicht Folge gegeben.

Nach § 290 Abs. 1 StPO. wird aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde das angefochtene Urteil in seinem Ausspruch über die Vorhaft wie folgt ergänzt:

Gemäß § 38 Abs. 1 Z. 2 StGB. wird dem Angeklagten auch die Vorhaft vom 23.April 1977, 15,15 Uhr, bis 26.April 1977, 14,40 Uhr, auf die Strafe angerechnet.

Nach § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der österreichische Staatsbürger Jens (Peter) A des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Betrugs nach §§ 197, 199 lit. d, 200, 201 lit. a und d, 203 und 8 StG., zum Teil als Mitschuldiger nach § 5 StG., schuldig erkannt. Gegenstand dieses Schuldspruchs sind zahlreiche, vom 16. Juli 1973 bis 11.Februar 1974 in der Bundesrepublik Deutschland verübte Betrugshandlungen mit einem Gesamtschaden von weit über 100.000 S, wofür der Angeklagte mit Urteil des Landgerichts Kiel vom 26. November 1975, AZ. 4 Kls 5/74 (bestätigt vom Bundesgerichtshof am 19. August 1976), zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren verurteilt worden war. Die dazu in der Bundesrepublik Deutschland erlittene Haft - der gänzlichen Strafvollstreckung hat sich der Angeklagte anläßlich einer ihm gewährten Haftunterbrechung durch die Flucht nach Österreich entzogen - wurde gemäß § 66 StGB. auf die nunmehr verhängte Freiheitsstrafe angerechnet. Der Angeklagte erhebt eine auf die Z. 9 lit. b, 9 lit. c und 10 (inhaltlich auch 11) des § 281 Abs. 1

StPO. gestützte Nichtigkeitsbeschwerde. Er macht geltend, die Strafbarkeit der ihm angelasteten Taten sei gemäß § 228 StG. zufolge Verjährung erloschen. Zudem ergebe der Günstigkeitsvergleich nach § 61 StGB., daß nicht die Bestimmungen des Strafgesetzes, sondern jene des Strafgesetzbuchs in ihren Gesamtauswirkungen für ihn günstiger seien, weil gemäß § 65 Abs. 4 Z. 3 StGB. die Strafbarkeit infolge des Eintritts der Verjährung der Vollstreckbarkeit des Strafrests nach ausländischem Recht entfallen sei (§ 281 Abs. 1 Z. 9 lit. b StPO.). Auch hätte gemäß § 34 Abs. 2, letzter, nicht numerierter Fall, StPO. von der Verfolgung des Beschwerdeführers abgesehen werden müssen, weil er bereits im Ausland abgestraft worden und nicht anzunehmen gewesen sei, daß das inländische Gericht eine strengere Strafe verhängen werde;

es fehle darum die nach dem Gesetz erforderliche Anklage (§ 281 Abs 1 Z 9 lit c StPO). Auch habe das Gericht die im Ausland erlittene Haft (nicht: Vorhaft) irrig und inkonsequent nach § 66 StGB statt nach § 36 StG angerechnet (§ 281 Abs. 1 Z. 11 StPO.).

Rechtliche Beurteilung

Verjährung der Strafbarkeit kommt keinesfalls in Betracht: Hiefür fehlt auf Grund der Strafdrohung des § 147 Abs 3 StGB jedenfalls der Zeitablauf (§ 57 Abs 3 StGB: 10 Jahre). Nach den Bestimmungen des Strafgesetzes 1945 gebricht es dafür zunächst an der Wiedererstattung nach Kräften (§ 229 lit b StG); ferner daran, daß innerhalb der gemäß § 228 lit b StG fünfjährigen Verjährungsfrist der Angeklagte ab 8. September 1977 laufend als Beschuldigter vom Landesgericht für Strafsachen Wien auch zu urteilsgegenständlichen Taten vernommen (ON. 3 und 4) und überdies deswegen am 9.November 1977 (ON. 5) ein Rechtshilfeersuchen in die Bundesrepublik Deutschland abgefertigt wurde, womit die Verjährung unterbrochen war (§ 227 StG.). Es sind aber auch die Voraussetzungen des § 65 Abs 4 Z 3 StGB nicht erfüllt: Die vom ausländischen Gericht über den Angeklagten verhängte Strafe wurde zufolge seiner Flucht weder ganz vollstreckt noch erlassen; Vollstreckungsverjährung (des Strafrests) aber ist nach deutschem Recht (§ 79 Abs. 3 Z. 3 dStGB. im Zusammenhalt mit § 79 b dStGB. mindestens zehn Jahre ab Rechtskraft) bei weitem noch nicht eingetreten. Damit und mit dem Hinweis auf die Möglichkeit der Strafschärfung wegen Rückfalls nach § 39 StGB. fällt die Beschwerdebehauptung, das Recht des Strafgesetzbuchs sei in seiner Gesamtauswirkung im gegenständlichen Fall günstiger, in sich zusammen.

Den Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs. 1 Z. 11 StPO. erfüllt die Anrechnung oder Nichtanrechnung einer Vorhaft nur dann, wenn gegen § 38 StGB. (oder § 66 StGB.: LSK.

1979/134; oder gegen § 36 Abs. 2 StG.: Gebert-Pallin-Pfeiffer, E.Nr. 39 zu § 281 Z. 11 StPO.) verstoßen wird. Daß hingegen - bei gleicher Einrechnungsmöglichkeit - lediglich der Ausspruch über die zur Haftanrechnung angewendete strafgesetzliche Bestimmung unrichtig ist, könnte keinen Nichtigkeitsgrund herstellen (§ 260 Abs. 1 Z. 4 StPO.).

Bei dem Beschwerdeeinwand, es hätte von seiner weiteren Verfolgung im Inland gemäß § 34 Abs. 2, letzter, nicht numerierter Fall, StPO. abgesehen werden müssen, übersieht der Beschwerdeführer, daß sich diese Bestimmung (des III. Hauptstücks der StPO.: Von der Staatsanwaltschaft) ausschließlich an das Ermessen des Staatsanwalts als berechtigten Anklägers einer von Amts wegen zu verfolgenden strafbaren Handlung richtet; die Ausübung dieses Ermessens ist der überprüfung durch die Gerichte entzogen.

Da, zusammengefaßt, keiner der behaupteten Nichtigkeitsgründe durchgreift, war die Beschwerde zu verwerfen.

Deren Erledigung gab jedoch gemäß § 290 Abs. 1 StPO. Anlaß, die im Spruch angeführte Haft gemäß § 38 Abs. 1 Z. 2 StGB. (§ 323 Abs. 1 StGB.) im gegenständlichen Verfahren anzurechnen (siehe Seiten 25 und 35 im I. Band der Akten 28 a Vr 3067/79 des Landesgerichts für Strafsachen Wien und die Akten 9 Vr 837/62 des Jugendgerichtshofs Wien).

Das Schöffengericht verurteilte Jens A gemäß § 203 StG. zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren.

Erschwerend waren die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Vorstraftaten, das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen und die Fortsetzung der strafbaren Handlung durch längere Zeit, mildernd waren das Geständnis, daß die Tat schon vor längerer Zeit begangen wurde und sich der Angeklagte seither wohlverhalten hat, daß es teilweise beim Versuch geblieben ist, die teilweise untergeordnete Beteiligung sowie die seinerzeitigen Sorgepflichten im Zeitpunkt der Geltung des Strafgesetzes.

Gegen das Strafmaß sowie die Nichtgewährung bedingter Strafnachsicht wendet sich der Angeklagte mit Berufung.

Eine Strafherabsetzung kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil das Erstgericht den Milderungsgrund der Sorgepflicht, den das hier anzuwendende Strafgesetzbuch (siehe § 323 Abs. 1 StGB.) nicht kennt, fälschlich zugunsten des Angeklagten genannt und ersichtlich auch gewertet hat. Auch verliert das Wohlverhalten über einen längeren Zeitraum vorliegend an Bedeutung, weil in diesem nicht nur Strafverfahren (im In- und Ausland) gegen den Berufungswerber anhängig waren, sondern er sich sogar zeitweise in Haft befand. Die im Ausland erlittene Haft war zwar anzurechnen, kann aber - entgegen der Meinung des Rechtsmittelwerbers - nicht zugleich als schuldmildernd gewertet werden.

Auf Grund einer vom Obersten Gerichtshof eingeholten Strafregisterauskunft war gemäß § 31 StGB. auf das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 25.Jänner 1982, 6 d Vr 7076/78 (§§ 13, 11, 35, 38 FinStrG., § 223 StGB.:

Freiheitsstrafen von 6 Monaten und 3 Monaten, jeweils bedingt, 300.000 S Geldstrafe, ev. 3 Monate Ersatzfreiheitsstrafe, 6,897.942 S Wertersatz, ev. 9 Monate Ersatzfreiheitsstrafe) Rücksicht zu nehmen. Infolge des Kumulationsgrundsatzes des § 22 FinStrG. ist im Rahmen der §§ 31, 40 StGB. nur die dreimonatige bedingte Freiheitsstrafe wegen § 223 StGB. von Bedeutung. Eine richtig verstandene Beachtung der Vorschrift des § 40 StGB. kann indes das soeben gewonnene Ergebnis nicht ändern, gleicht sich doch eine über die Schuld- und Unrechtsabgeltung im Urteil vom 25.Jänner 1982 allenfalls hinausgehende strafmindernde Wirkung jedenfalls mit den beiden verfehlt angezogenen Milderungsgründen (siehe oben) aus. Für die Anwendung bedingter Strafnachsicht fehlen die besonderen Gründe (§ 43 Abs. 2 StGB.) allein deshalb, weil die Taten zum überwiegenden Teil während eines anderen Verfahrens (siehe S. 93) gesetzt wurden und damit ersichtlich bloße Strafandrohung den Angeklagten vor Rückfall nicht zu bewahren vermag, ganz abgesehen davon, daß die Flucht aus der Strafhaft gegen eine bereits erworbene Rechtstreue des Berufungswerbers spricht.

Anmerkung

E04157

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1983:0130OS00057.83.0505.000

Dokumentnummer

JJT_19830505_OGH0002_0130OS00057_8300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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