Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Mai 1983 unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Reisenleitner und Dr. Felzmann als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Baumgartner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Dipl. Ing. Gerhard A wegen des Vergehens der Geschenkannahme durch Beamte nach § 304 Abs. 2 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 22. Juli 1982, GZ 1 c Vr 9789/81-26, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Felzmann, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Amhof und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Stöger, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 9. Juli 1928 geborene Bundesbeamte Dipl. Ing. Gerhard A des Vergehens der Geschenkannahme durch Beamte nach § 304 Abs. 2
StGB schuldig erkannt, weil er in Wien als Bauleiter (leitendes Bauaufsichtsorgan) bzw als Abteilungsleiter und Abteilungsleiter-Stellvertreter der Bundesgebäudeverwaltung I, sohin als Beamter, für die pflichtgemäße Vornahme von Amtsgeschäften von Margarethe B Vermögensvorteile angenommen hat, und zwar am 29.9.1976 16.000 S, am 8.9.1977
8.000 S, am 2.1978 10.000 S, am 5.12.1978 2.000 S und am 12.12.1979 1.000 S, sohin insgesamt 37.000 S. Gemäß § 20 Abs. 2 StGB wurde der Angeklagte verpflichtet, diesen Betrag der Republik Österreich zu bezahlen.
Rechtliche Beurteilung
Dieses Urteil ficht der Angeklagte mit einer auf die Z 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs. 1 StPO gstützten Nichtigkeitsbeschwerde an, der Berechtigung jedoch nicht zukommt.
Soweit mit der Verfahrensrüge vorgebracht wird, daß die nicht einverständlich erfolgte Verlesung des in einem anderen Strafverfahren eingeholten psychiatrischen Sachverständigengutachtens über Margarethe B schon wegen dessen zweifelhaften Beweiswertes unzulässig gewesen sei und das Erstgericht hieraus unrichtige Schlüsse gezogen habe, ist der Beschwerdeführer auf die von ihm selbst zugegebene Tatsache zu verweisen, daß ein formeller Beweisantrag auf persönliche Vernehmung des Sachverständigen nicht gestellt wurde. Der Verstoß gegen die Bestimmung des § 252 Abs. 1 Z 4 StPO kann aber für sich allein keine Nichtigkeit begründen (Mayerhofer-Rieder, Entscheidung Nr 124, 125 zu § 252 StPO). Es mangelt somit bereits an der formellen Voraussetzung für die Geltendmachung dieses angezogenen Nichtigkeitsgrundes. Soweit sich der Beschwerdeführer aber gegen die Richtigkeit der vom Erstgericht aus dem verlesenen Sachverständigengutachten abgeleiteten Schlüsse wendet, bekämpft er in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung. Sollte der Angeklagte aber unter dem Gesichtspunkt des, seinen Ausführungen vorangestellten Mottos, das Gericht habe in derartig schwierigen Strafverfahren alles zu tun, um die materielle Wahrheit zu erforschen, aus seiner in der Hauptverhandlung dargelegten Meinung, er könne nicht beurteilen, was im Gehirn einer Geisteskranken vor sich gehe (S 509/I.), die Verpflichtung des Vorsitzenden ableiten wollen, er hätte ihn zur Stellung entsprechender Beweisanträge anleiten müssen, verkennt er das Wesen und den Umfang der sich aus § 3 StPO ergebenden Manuduktionspflicht. Der Angeklagte hat nämlich keinerlei konkrete Beweismittel angeboten, die das von ihm angesprochene Beweisthema (Stichhältigkeit der Eintragungen im Kassabuch und in den 'schwarzen' Belegen) aufhellen hätten können; der Vorsitzende ist aber nicht verpflichtet, entlastende Umstände und allenfalls hiefür erst zu erkundende Beweismittel aus einem rechtsfreundlich vertretenen Angeklagten herauszuholen (Mayerhofer-Rieder, StPO Entscheidungen 24, 25 zu § 281 Abs. 1 Z 4). Die tatsächlich gestellten Beweisanträge hat das Erstgericht aber mit zutreffender Begründung abgewiesen, ohne Verteidigungsrechte des Angeklagten zu verletzen. Die Tatsache, daß der Angeklagte beim Projekt Ödenburgerstraße in seiner Eigenschaft als Bauleiter bzw Abteilungsleiter zumindest als unterstützendes Aufsichtsorgan (Oberbauleiter) tätig war, wird von ihm selbst zugestanden (S 25, 512/I., 18, 19/II) und von dem als informierten Vertreter der Bundesgebäudeverwaltung I vernommenen Zeugen Dipl. Ing. C, bestätigt (S 518/1), sodaß auf Grund dieser vorliegenden unbedenklichen Verfahrensergebnisse die Beweislage durch die Aufnahme weiterer Beweise nicht mehr entscheidend verändert hätte werden können (LSK 1979/82).
Ähnlich verhält es sich mit den Anträgen auf Vernehmung des seinerzeitigen Lebensgefährten und nunmehrigen Ehegatten Walter D und auf Beiziehung eines Buchsachverständigen, wodurch bewiesen werden sollte, daß durch die Aufwendungen für ein Reihenhaus die vorhandenen Mittel der Margarethe B erschöpft waren und der aus den aktenkundigen Umsätzen erzielbare Gewinn nicht ausgereicht hätte, um alle (auch anderen Beamten angeblich zugekommenen) Schenkungen unterzubringen, und überdies ein konkreter Zusammenhang mit den einzelnen Projekten nicht herzustellen ist.
Wie das Erstgericht richtig erkannt hat, wären auch diese Beweisaufnahmen nicht geeignet, die bereits vorliegende, eindeutige Beweislage zugunsten des Angeklagten zu beeinflussen. Es darf nicht übersehen werden, daß auf Grund der bei Eröffnung der Schließfächer Nr 339 und 392 der E vorgefundenen Vermögenswerte von mehreren Millionen Schilling weder durch einen nachgewiesenen Aufwand für ein Reihenhaus von ca 700.000 S, noch durch ein allfälliges Ergebnis einer Nachkalkulation einzelner Aufträge, wonach kein oder nur ein geringer Gewinn erzielt wurde, die Urteilsannahme zu widerlegen wäre, daß der Angeklagte (aus welcher Quelle immer) für seine Tätigkeit bei der Ausführung der im Urteil genannten Projekte von Margarethe B Geldleistungen ausbezahlt bekommen und auch angenommen hat. Der zeitliche Konnex der einzelnen Zahlungen zur Abwicklung der beiden Bauvorhaben ergibt sich aber - wie das Erstgericht richtig ausführt -
aus den vorliegenden schriftlichen Unterlagen.
Was schließlich den Antrag auf Vernehmung des Zeugen Dipl. Ing. I anlangt, ist auf die im Sinne des Beweisthemas ohnehin getroffene eindeutige Feststellung des Erstgerichtes zu verweisen, daß dieser Auftrag tatsächlich mit einem vom Angeklagten unterfertigten Auftragsschreiben an die Fa I vergeben wurde, die ihrerseits die Firma B als Subunternehmen beauftragt hat (S 32/II). Der Angeklagte hat aber auch für diesen (nur mittelbar vergebenen) Auftrag einen Betrag von 1.000 S angenommen. Für die nunmehr aufgestellte Behauptung, der Beschwerdeführer habe diese Geldleistung ohne gedanklichen Konnex zu dem Bauvorhaben J angenommen, wurde der Zeuge nicht geführt und hätte hiezu auch keine Angaben machen können, weil unbestritten ist, daß die Zahlung nicht von ihm, sondern eben von Margarethe B geleistet wurde. Die nach Meinung des Beschwerdeführers durch die Vernehmung des Zeugen Dipl.Ing. I zu erhebenden näheren Umstände der Projektabwicklung sind aber - wie im Rahmen der Rechtsrüge auszuführen sein wird - für die rechtliche Beurteilung nicht erforderlich, sodaß es auch dieser Beweiserhebung nicht bedurfte.
Mit der Mängelrüge moniert der Angeklagte zunächst, daß dem erstgerichtlichen Urteil keine Begründung für den 'apodiktischen' Ausspruch, bei den vorgefundenen Unterlagen handle es sich um private, nicht für die Finanzbehörde bestimmte Aufzeichnungen, zu entnehmen sei, es sei vielmehr 'denkbar', daß die Aufzeichnungen gerade deshalb tatsachenwidrig angefertigt wurden, um der damaligen Rechtslage entsprechend absetzbare Betriebsausgaben glaubhaft machen zu können. Hiebei wird aber geflissentlich übersehen, daß das Erstgericht auch seine diesbezügliche Urteilsannahme ausdrücklich und schwergewichtig auf die Aussagen der Zeugin B vor dem Beamten des Bundesministeriums für Justiz, Mag Walter L, deren Inhalt sich aus dem Amtsvermerk ON 6 und dessen Zeugenaussage in der Hauptverhandlung (S 14 ff/II) ergibt, stützt, sodaß sich der Einwand (schon seiner Diktion nach) lediglich als unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung darstellt. Es widerspricht aber - entgegen den Behauptungen des Beschwerdeführers -
keineswegs den Gesetzen der Logik, wenn aus diesen (ursprünglichen) Aussagen der ständigen Geschäftspartnerin der Bundesgebäudeverwaltung I und deren 'schwarzen' Aufzeichnungen der Schluß gezogen wird, der Angeklagte habe die einzelnen Geldgeschenke für die pflichtgemäße Abwicklung der beiden Projekte angenommen, es wäre viel eher bedenklich, wollte man aus den vorliegenden Prämissen den vom Angeklagten gewünschten Schluß ziehen.
Es liegt aber auch kein innerer Widerspruch zwischen der im Rahmen der allgemeinen Schilderung der Motivation der Zeugin B getroffenen Feststellung, sie habe sich zur Sicherung der Geschäftsverbindung mit der Bundesgebäudeverwaltung das Wohlwollen der Beamten erhalten wollen (S 27/II) und der nach Konstatierung der einzelnen Zahlungen an den Angeklagten präzisierten Urteilsannahme, daß er für die pflichtgemäße Vornahme von Amtsgeschäften bei den Projekten Ödenburgerstraße und J diese Geldbeträge angenommen hat (S 29/II), vor, weil die eine Feststellung die andere nicht ausschließt, was aber Voraussetzung für die erfolgreiche Geltendmachung des reklamierten formellen Begründungsmangels wäre.
Soweit der Angeklagte aufbauend auf die zuletzt genannte Argumentation im Rahmen der Rechtsrüge vorbringt, es könne ihm in subjektiver Richtungrnicht vorgeworfen werden, für eine bestimmte Amtshandlung Geldleistungen angenommen zu haben, wenn Margarethe B die Zuwendungen nur gegeben habe, um sich sein Wohlwollen zu erhalten, negiert er die Gesamtheit der dargelegten Urteilsfeststellungen und bringt den angezogenen materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung.
Soweit er aber die konkrete Feststellung, daß er die Zuwendungen tatsächlich für die beiden Projekte bekommen hat, unterstellt, aber vermeint, daß damit noch keine bestimmte Amtshandlung im Sinne des § 304 StGB festgestellt sei, weil es der Feststellung konkreter 'Einzelschritte' der befaßten Beamten, wie Ausarbeitung des Planes, Berechnungen für die Ausführung, Einholung von Offerten, Vergabe von Aufträgen, Kontrolle und Abnahme des Werkes bedürfe, weshalb das Urteil an einem Feststellunsmangel leide, kann ihm nicht gefolgt werden. Bei einer derartigen, längere Zeit hindurch bestehenden (gleichsam geschäftsmäßigen) Verbindung, bedarf es keiner näheren Individualisierung der Amtshandlung, auf die sich die einzelnen (Teilbeträge der) Zuwendungen jeweils bezogen haben; die betreffenden amtlichen Tätigkeiten müssen nur der Art nach erkennbar sein (Leukauf-Steininger2, RN 6 zu § 304 StGB, 12 Os 44/80, 9 Os 168/82 ua). Das Erstgericht geht aber ausdrücklich davon aus, daß der Angeklagte beim Projekt Ödenburgerstraße als Oberbauleiter zur Einschulung des Bauleiters, Dipl. Ing. M tätig war (S 27/II) und - wie ebenfalls bereits ausgeführt -
den Auftrag bezüglich der Arbeiten in der J unterzeichnet hat. Damit hat es mit hinreichender Deutlichkeit den konkreten Konnex zwischen den Amtshandlungen und den Provisionsannahmen konstatiert. Darüber hinausgehender Feststellungen bedurfte es nicht.
Es war daher der Nichtigkeitsbeschwerde der Erfolg zu versagen. Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten nach § 304 Abs. 2 StGB unter Anwendung des § 37 Abs. 1 StGB eine Geldstrafe von 240 Tagessätzen a 400 S, im Nichteinbringungsfalle 120 Tage Freiheitsstrafe. Hiebei wurde als erschwerend die Wiederholung der Tathandlungen und als mildernd die bisherige Unbescholtenheit gewertet.
Der Angeklagte strebt mit seiner Berufung die Herabsetzung der (Anzahl der) Tagessätze an; dem Begehren kommt jedoch Berechtigung nicht zu.
Wenn der Berufungswerber dem Wesen des ihm zur Last liegenden Delikts entsprechend darauf hinweist, daß niemandem (Bedürftigen) ein Schaden erwachsen sei und auch nicht erwachsen sollte; überdies ein Unterschied zu machen sei, ob die Zuwendung für eine pflichtwidrige oder pflichtgemäße Amtshandlung angenommen wurde, übersieht er, daß dieser verschiedenen Wertung des kriminellen Unwerts die Abstufung der Strafdrohungen des Abs. 1 und Abs. 2 des § 304 StGB Rechnung trägt. Schutzobjekt aller Amtsdelikte ist die korrekte und saubere Amtsführung der Beamten, worauf nicht nur der Staat und seine Bürger im allgemeinen Anspruch haben, sondern bei der konkreten Fallgestaltung alle präsumtiven Mitbieter bei öffentlichen Aufträgen, denen durch derartige Praktiken schwerer (im nachhinein allerdings schwer feststellbarer) wirtschaftlicher Schaden zugefügt werden kann.
Da es sich beim Angeklagten um einen leitenden Beamten handelt, an dessen Pflichtbewußtsein höhere Ansprüche gestellt werden müssen, sieht sich der Oberste Gerichtshof nicht veranlaßt, die ohnehin unter Anwendung des § 37 Abs. 1 StGB in eine Geldstrafe umgewandelte Strafe noch weiter zu mildern, zumal gerade bei derartigen Verfehlungen auch den generalpräventiven Erfordernissen Genüge getan werden muß.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
Anmerkung
E04185European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1983:0090OS00038.83.0510.000Dokumentnummer
JJT_19830510_OGH0002_0090OS00038_8300000_000