Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Juni 1983
unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Steininger in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Hörburger, Dr. Reisenleitner und Dr. Felzmann als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Eier als Schriftführer in der Strafsache gegen Dipl.Ing.Konrad A (jun.) wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und 2 StGB. und eines anderen Deliktes über die von der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 12. Oktober 1982, GZ. 10 Vr 2.530/79-32, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, Verlesung der Rechtsmittelschrift der Staatsanwaltschaft und Anhörung der Ausführungen des Verteidigers Dr. Piesch sowie der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 27. September 1939 geborene nunmehrige Angestellte Dipl.Ing.Konrad A jun. von der Anklage, er habe in Klagenfurt I) in der Zeit von Mitte 1977 bis Februar 1979 in wiederholten Angriffen ein ihm anvertrautes Gut, nämlich der Fa. Dipl.Ing.Konrad A GesmbH von der Bauarbeiter-Urlaubskasse zu treuen Handen überwiesene und zur Auszahlung an ihre anspruchsberechtigten Arbeitnehmer bestimmte Urlaubsentgelte im Gesamtbetrag von 1,465.197,50 S sich mit dem Vorsatz zugeeignet, sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, II) als geschäftsführender Gesellschafter der Fa. Dipl.Ing.Konrad A GesmbH, die Schuldnerin mehrerer Gläubiger gewesen sei, fahrlässig 1) seit 1. Jänner 1976 die spätestens Ende 1977 eingetretene Zahlungsunfähigkeit seines Unternehmens dadurch herbeigeführt, daß er das in Schwierigkeiten befindliche Unternehmen ohne ausreichendes Eigenkapital und ohne entsprechende kaufmännische Erfahrung übernahm, leichtsinnig und unverhältnismäßig Kredit benützte und es unterließ, betriebswirtschaftlich notwendige Sanierungsmaßnahmen, insbesondere eine Senkung der Personalkosten herbeizuführen, 2) von Ende 1977 bis 22. März 1979 die Befriedigung seiner Gläubiger dadurch geschmälert oder vereitelt, daß er neue Schulden einging, Schulden bezahlte und die Eröffnung des Konkursoder Ausgleichsverfahrens nicht rechtzeitig beantragte, und er habe hiedurch zu I) das Verbrechen der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und 2 StGB. und zu II) das Vergehen der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs 1 Z. 1 und 2 StGB (in Verbindung mit § 161 StGB) begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Diesen Freispruch bekämpft die Staatsanwaltschaft, gestützt auf die Gründe der Z. 4 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO., mit Nichtigkeitsbeschwerde.
Zu Punkt I./ des Freispruchs wendet sich die Staatsanwaltschaft aus dem zuletzt bezeichneten Nichtigkeitsgrund gegen die Ansicht des Erstgerichtes, Veruntreuung liege nicht vor, weil die Fa. Dipl.Ing.Konrad A GesmbH über einen präsenten Deckungsfonds verfügt habe; im übrigen sei auf der inneren Tatseite dem Angeklagten zu Unrecht entschuldigender Rechtsirrtum zugebilligt worden.
Rechtliche Beurteilung
Eine Urteilsnichtigkeit gemäß der Z. 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO. haftet diesem Teil des freisprechenden Urteils jedoch nicht an. Die Staatsanwaltschaft läßt nämlich jene Urteilsfeststellungen unberücksichtigt, denen zufolge nicht der Angeklagte als der verantwortliche Geschäftsführer, sondern sein Vater, Dipl.Ing.A sen., bis zu seinem Ausscheiden aus der Firma am 31. Dezember 1978 das Unternehmen mit autoritativer Kraft geleitet und alle die Urlaubsgelder betreffenden Maßnahmen, insbesondere deren Abwicklung über das Kreditkonto bei der Bank für Kärnten getroffen hat, wogegen sich der Angeklagte fast ausschließlich der technischen Seite des Unternehmens gewidmet und auf die Richtigkeit der Anordnungen seines Vaters vertraut hat (vgl. S. 351 f d.A.). Damit hat das Erstgericht aber in Lösung der Tatfrage das Vorliegen eines Zueignungs- und Bereicherungsvorsatzes des Angeklagten verneint, ohne daß dies von der Staatsanwaltschaft (wozu der dem Angeklagten vorgehaltene Widerspruch zwischen seiner Verantwortung in der Hauptverhandlung und seiner Darstellung vor dem Untersuchungsrichter / vgl. S. 336 i. V.m. S. 20 d.A. / allenfalls Anlaß geboten hätte) unter dem Gesichtspunkt eines Begründungsmangels (§ 281 Abs. 1 Z. 5 StPO.) bekämpft worden wäre. So gesehen entbehrt die Rechtsrüge einer gesetzmäßigen Darstellung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes. Auf die Frage eines Rechtsirrtums des Angeklagten mußte das Erstgericht zufolge Verneinung seines für den Tatbestand der Veruntreuung erforderlichen Tatvorsatzes nicht eingehen.
Des weiteren setzt sich die Staatsanwaltschaft vor allem über die Konstatierungen des Erstgerichtes hinweg, wonach der Firma bis Jänner 1979 Kontokorrentkredite der Villacher Sparkasse in der Höhe von 24 Mill S - zuzüglich einer zugesagten überziehungsmöglichkeit bis zu weiteren 5 Mill S - und ein Kontokorrentkredit der Bank für Kärnten in Höhe von 15 Mill S, mithin insgesamt ein Kreditrahmen von 44 Mill S zur Verfügung gestanden ist, über den das Unternehmen nach überzeugung des Schöffengerichtes jederzeit frei disponieren und den es, da die Bankverbindlichkeiten bis Ende 1978 jeweils erheblich unter dem Kreditrahmen lagen, auch für die Aus- bzw. Rückzahlung der Urlaubsentgelte verwenden konnte (vgl. S. 353 ff d.A.). Richtig ist zwar, daß in der bloßen Möglichkeit der Aufnahme oder überziehung eines Kredites ein präsenter Deckungsfonds nicht zu erblicken wäre, weil der Täter über diesen nicht unabhängig vom Willen oder der Zustimmung Dritter sogleich oder doch binnen weniger Tage frei verfügen könnte (vgl. ÖJZ-LSK. 1977/208, 1979/110 und 342). Das Erstgericht ist jedoch in tatsächlicher Hinsicht keineswegs davon ausgegangen, daß der Angeklagte (bloß) auf Bankkredite gehofft habe, um davon die veruntreuten Gelder zu ersetzen. Es hat vielmehr als erwiesen angenommen, daß dem Unternehmen ein Kreditrahmen vertraglich eingeräumt gewesen ist, der es ihm ermöglicht hat, daraus Forderungen kurzfristig und unabhängig vom Willen Dritter zu realisieren. Daß es sich nicht um Bankeinlagekonten, sondern um Kreditkonten gehandelt hat, mit deren Hilfe die anvertrauten Urlaubsentgelte ausgetauscht werden sollten, steht der Annahme eines präsenten Deckungsfonds nicht unbedingt entgegen;
wesentlich ist, daß eine Realisierung der Urlaubsentgeltforderungen mit Hilfe der vertragsmäßig gewährten und jederzeit verfügbaren Kontokorrentkredite - anders als bei einem bloß erhofften Kredit oder einer nur faktischen (tolerierten) überziehung eines Kredites - nicht von einer freiwilligen Leistung eines Dritten abhängig, sondern auf einen Rechtsanspruch gegründet gewesen ist (vgl. SSt. 50/34).
Das Vorhandensein eines präsenten Deckungsfonds schließt allerdings, wie der Vollständigkeit halber auszuführen ist, unrechtmäßige Bereicherung nur dann aus, wenn der Täter willens ist, das anvertraute Geld dem Berechtigten (alsbald) zu erstatten (vgl. SSt. 46/14). Dies hat das Erstgericht aber der Sache nach insoferne bejaht, als es angenommen hat, der Angeklagte habe damit rechnen können, daß 'die Ausbezahlung bzw. überweisung der Urlaubsgelder klaglos funktionieren werde' (vgl. S. 354 d. A.). Daß es an einem Erstattungswillen gefehlt habe, wird im übrigen von der Staatsanwaltschaft in ihrer Beschwerde nicht behauptet.
In Bekämpfung des Punktes II) des Freispruchs rügt die Anklagebehörde als Verfahrensmangel gemäß der Z. 4 des § 281 Abs. 1 StPO. die Abweisung ihres in der Hauptverhandlung gestellten Antrages, das Gutachten des Buchsachverständigen Dkfm.Franz Hafner zur Frage des Schuldenstandes der Firma Dipl.Ing.Konrad A GesmbH zum Ende der Jahre 1976, 1977 und 1978 und gleichzeitig zur Frage der Bezahlung der Schulden binnen einer angemessenen, branchenüblichen Zeit bei Fortführung des Betriebes ergänzen zu lassen (vgl. S. 343 d. A.). Durch dieses Zwischenerkenntnis sind indes keine Verfahrensgrundsätze verletzt worden, deren Beobachtung durch das Wesen eines die Strafverfolgung sichernden Verfahrens geboten ist:
Der dem Verfahren beigezogene Sachverständige, auf dessen Gutachten sich das Schöffengericht bei seinen Konstatierungen zum Tatbestand nach § 159 Abs. 1 Z. 1 und 2 StGB.
im wesentlichen stützt (vgl. S. 355 f. d.A.), hat in seinem Ergänzungsgutachten ohnehin die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens untersucht, den jeweiligen Schuldenstand zu den Bilanzstichtagen ermittelt (vgl. S. 307, 327 d.A.), eine eingehende Liquiditätsanalyse vorgenommen (vgl. S. 317 ff d.A.) und zu allen für den Eintritt und die Ursachen der Zahlungsunfähigkeit der Firma wesentlichen Fragen Stellung genommen. Konkrete Widersprüche oder Mängel seines Befundes und Gutachtens im Sinne der §§ 125, 126 StPO. wurden im Beweisantrag nicht behauptet und werden in der Beschwerde nicht aufgezeigt, sodaß auch der Verfahrensrüge ein Erfolg nicht beschieden sein kann.
Ob und inwieweit dem Angeklagten in einer - auch vom Sachverständigen aufgezeigten - unzweckmäßigen Betriebsorganisation und in einer durch verspätete Bilanzerstellung für das Wirtschaftsjahr 1977 bewirkten unzureichenden übersicht über die Betriebsentwicklung ein Verschulden zur Last fallen könnte, muß mangels einer in diese Richtung gehenden Anfechtung des erstgerichtlichen Urteils dahingestellt bleiben.
Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft war aus den angeführten Gründen zu verwerfen.
Anmerkung
E04233European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1983:0090OS00030.83.0607.000Dokumentnummer
JJT_19830607_OGH0002_0090OS00030_8300000_000