TE OGH 1983/6/21 5Ob23/83

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Veröffentlicht am 21.06.1983
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Norm

WEG §9 Abs1
WEG §14

Kopf

SZ 56/102

Spruch

Auch der einzelne Teilhaber am Ehegattenwohnungseigentum ist zur Abwehr rechtswidriger Eingriffe Dritter in die Nutzungsrechte legitimiert

OGH 21. 6. 1983, 5 Ob 23/83 (KG Wels R 830, 831/82; BG Bad Ischl 2 C 331/80)

Text

Als die Klage erhoben wurde, waren der Erstkläger gemeinsam mit

seiner Ehefrau zu 197/10 000 Anteilen, der Zweitkläger gemeinsam mit

seiner Ehefrau zu 205/10000 Anteilen, der Drittkläger gemeinsam mit seiner Ehefrau zu 213/10 000 Anteilen und die Beklagte zu 296/10 000 Anteilen Eigentümer der Liegenschaft EZ 33 in der KG R mit dem Grundstück 133/3 Wohnhaus Nr. 123 in S. Mit diesen Mindestanteilen ist Wohnungseigentum an den Wohnungen Nr. 46 samt Garage Nr. 65, Nr. 25 samt Garage Nr. 56, Nr. 42 samt Garage Nr. 62 und Nr. 54 samt Garage Nr. 4 in dem Haus E Nr. 1 in Bad Ischl untrennbar verbunden. Die Klage ist darauf gerichtet, die Beklagte schuldig zu erkennen, die Dachfläche des Hauses, soweit sie nicht von der Wohnung Nr. 54 verbaut und mit räumlichen Umgrenzungen vor der Terrassentür dieser Wohnung (Penthouse) gelegen ist, für die Miteigentümer zugänglich zu machen und Vorkehrungen zu entfernen, die das Betreten der Dachfläche und des dort errichteten Duschraumes verhindern, den Abstellraum an der Garagenzeile im Erdgeschoß den Miteigentümern zugänglich zu machen und die im Waschküchen- und Trockenraum angebrachte Trennwand zu entfernen. Der Geschäftsführer der Beklagten benütze die Penthouse-Wohnung Nr. 54 und habe in allgemeiner Nutzung stehende Dachflächen in einen durch Mauern und Absperrungen abgegrenzten Dachgarten verwandelt. Er hindere die anderen Wohnungseigentümer am Betreten dieser Gemeinschaftsfläche und der zur allgemeinen Nutzung gedachten Sauna mit Duschraum, habe einen Abstellraum für Gartengeräte als Garage in Besitz genommen und durch eine Trennwand 16 m2 vom Waschküchenraum abgetrennt. Die Mehrheit der Miteigentümer habe die Kläger zur Erhebung der Klage ermächtigt.

Die Beklagte trat dem Begehren mit dem Einwand entgegen, der von ihr beanspruchte Teil der Dachterrasse sei stets der Penthouse-Wohnung Nr. 54 zugehörig gewesen. Jeder der Käufer habe gewußt, daß nur ein Teil der Dachterrasse der Allgemeinheit zugänglich sei. Die Sauna und der Duschraum stunden im Wohnungseigentum der Beklagen, die Benützung von Abstellraum und Trockenraum der Waschküche durch ihren Geschäftsführer sei mit den Miteigentümern, denen die zur Wohnung der Beklagten gehörige Garage als Durchgang überlassen wurde, vereinbart.

Das Erstgericht gab dem Begehren statt. Es stellte im wesentlichen noch fest, es sei von vornherein klar gewesen, daß die Dachterrassenfläche, die nur von der Penthouse-Wohnung 54 betreten werden könne, zu dieser Wohnung gehöre und in Sondernutzung stehe. Die Beklagte habe aber im Jahr 1973 in Abweichung von Plänen und Baubewilligung auf der Dachfläche zwischen Aufzugmaschinenraum und Penthouse-Wohnraum einen Duschraum mit WC und südlich von der Wohnung einen Saunaraum errichtet. Die Betriebskosten seien früher zu Lasten der in anderen Räumen des Hauses untergebrachten Fremdenpension gegangen. Nach Einstellung des Pensionsbetriebes seien die Anschlüsse auf die Penthouse-Wohnung umgelegt worden. Die Beklagte habe dabei eine Trennwand eingezogen. Seither seien 22.09 m2 Dachfläche mit Sauna und Duschraum den Miteigentümern nicht mehr zugänglich. Im Herbst 1977 habe die Beklagte im Waschküchen- und Trockenraum eine 16 m2 große Fläche durch eine Trennwand abgeteilt und der allgemeinen Nutzung entzogen. Zugleich habe die Beklagte einen von der Hausbesorgerin zum Einstellen von Geräten verwendeten Abstellraum an der Garagenzeile abgeschlossen. Für die Benützung des als Garage der Beklagten vorgesehenen Raumes als Durchgang sei der Beklagten der Mülltonnenraum überlassen worden.

Das Erstgericht meinte, jeder einzelne Miteigentümer könne sich gegen die Entziehung von gemeinsamen Teilen der Liegenschaft zur Wehr setzen. Überdies habe die Mehrheit der Wohnungseigentümer die Erhebung der Klage gebilligt. Die beklagte Wohnungseigentümerin habe den Saunaraum und den Duschraum ohne Rechtstitel errichtet und einen gemeinsamen Teil der Dachfläche ohne Einvernehmen mit den Miteigentümern abgetrennt. Auch der Duschraum stehe nicht im Wohnungseigentum der Beklagten, sondern in Gemeinschaftsnutzung. Das Versperren des Abstellraumes und die Errichtung der Trennwand im Waschküchenraum seien widerrechtlich erfolgt.

Das Berufungsgericht änderte das Urteil der ersten Instanz dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies. Es sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes 2000 S übersteigt. Das Berufungsgericht teilte zwar die Rechtsmeinung des Erstgerichtes, auch der einzelne Wohnungseigentümer könne im Streitverfahren gegen die Entziehung gemeinschaftlicher Teile der Wohnungseigentumsanlage einschreiten, führte jedoch aus, dies gelte nicht für den Miteigentümer, der nur Eigentümer eines halben Mindestanteils nach § 9 Abs. 1 WEG sei. Die Anteile am Mindestanteil seien untrennbar, die Ehegatten könnten nur gemeinsam verfügen und ihre Individualrechte nur gemeinsam ausüben. Es bestehe daher eine einheitliche notwendige Streitgenossenschaft. Da die Ehegatten an der Klagsführung nicht beteiligt waren und die Ermächtigung der Kläger durch Mehrheitsbeschluß der Wohnungseigentümer nicht ausreiche, sei die Klage schon deshalb abzuweisen, ohne daß auf die von der Beklagten in der Berufung geltend gemachten Berufungsgrunde einzugehen sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin Folge, hob das Urteil des Berufungsgerichtes auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an dieses Gericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Möglichkeit der Begründung des gemeinsamen Wohnungseigentums durch Ehegatten war ein wesentliches Anliegen, das in den §§ 9 bis 11 WEG 1975 eine Grundsätze des Familien- und Erbrechtes mit denen des Wohnungseigentums verknüpfende Regelung fand (Meinhart, WEG 1975, 84). Die Anteile der Ehegatten sind untrennbare ideelle Anteile am Mindestanteil, mit welchem Wohnungseigentum verbunden ist. Die Ehegatten können darüber nur gemeinsam verfügen, und zwar sowohl über das gemeinsame Wohnungseigentum als auch die Nutzung der im gemeinsamen Wohnungseigentum stehenden Räumlichkeit (§ 9 Abs. 2 und § 9 Abs. 3 WEG). Dadurch soll das im System begrundete Gebot des gemeinsamen rechtlichen Schicksals sichergestellt werden, indem den Ehegatten nur ein gemeinsames Verfügungsrecht zugestanden wird (RV 240 BlgNR 13. GP zu § 8 des Entwurfes). Das Berufungsgericht hat darin recht, daß die Individualrechte des WEG den beiden Ehegatten nur gemeinsam zustehen. Diese besondere Ausformung des gemeinsamen Wohnungseigentums der Ehegatten führt dazu, daß die von einem Teil allein getroffene Maßnahme für den anderen Teil nicht verbindlich ist. So muß etwa eine auf den § 25 WEG gestützte Klage von den Ehegatten gemeinsam als einheitliche Streitpartei eingebracht werden, die selbst durch Verbindung mit einer später vom anderen Ehegatten erhobenen Klage mit der zunächst von einem Ehegatten allein eingebrachten Klage zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung nicht hergestellt wird (SZ 51/4). Ehegatteneigentum zwingt auch im Bereich des Verfahrensrechtes zu dem Erfordernis, daß nach außen hin, wenn Stellvertretung nicht vorliegt, beide Ehegatten gleichartige Erklärungen abgeben müssen, um Rechtswirkungen zu erzielen (vgl. Faistenberger - Barta - Call, Kommentar zum WEG 1975, 220). Dies wurde für den Fall der Antragstellung nach § 22 Abs. 1 Z 3 WGG auf Feststellung der Zulässigkeit des von der Bauvereinigung begehrten Preises ausgesprochen (MietSlg. 34 529).

Rechtswidrige Eingriffe Dritter in die aus dem Eigentum erfließenden Rechte kann jeder einzelne Miteigentümer, also auch der einzelne Wohnungseigentümer, abwehren (Petrasch in Rummel, ABGB, Rdz. 4 zu § 523; EvBl. 1981/83; EvBl. 1979/124 ua.). Zingher (MSA Nr. 20[18], Mietengesetz 271) leitet aus § 829 ABGB, wonach jeder Teilhaber vollständiger Eigentümer seines Anteiles ist, ab, daß bei gemeinsamen Wohnungseigentum von Ehegatten jeder der beiden Teilhaber zur Abwehr von Eingriffen in das gemeinsame Recht befugt ist (ebenso Zingher, Das gemeinsame Wohnungseigentum von Ehegatten, ÖJZ 1976, 225). Meinhart (MSA Nr. 39, WEG 1975, 86) meint gleichfalls, daß zur Abwehr rechtswidriger Handlungen durch Dritte die Stellung des Miteigentümers nach dem 16. Hauptstück des ABGB uneingeschränkt gelte. Die von ihm erwähnte Entscheidung MietSlg. 26 043 ist zwar vor dem Inkrafttreten des WEG 1975 ergangen und betraf daher auch nicht das Ehegattenwohnungseigentum, sprach aber aus, daß jedem Teilhaber an der Eigentumsgemeinschaft das Recht zustehe, die zur Wahrung des Gesamtrechts erforderlichen Rechtsbehelfe zu ergreifen, deren es zur Wahrung seines Anteilsrechtes bedarf, um die Beseitigung und Abwehr von Rechtswidrigkeiten eines Dritten (auch eines anderen Miteigentümers) mit Klage geltend zu machen.

Es ist davon auszugehen, daß im § 9 WEG die aus dem System des Wohnungseigentums heraus gebotenen Einschränkungen der Anteilsrechte der Ehegatten am gemeinsamen Mindestanteil und damit die Abweichungen von den Regelungen des 16. Hauptstückes des ABGB erfaßt sind. Soweit daher ein Ehegatte nicht über das gemeinsame Wohnungseigentum oder die Nutzung der im gemeinsamen Wohnungseigentum stehenden Wohnung oder sonstigen Räumlichkeit verfügt, ist ein gemeinsames Auftreten nicht geboten, wenn es um die Abwehr eines rechtswidrigen Eingriffes in das Anteilsrecht geht. Nichts anderes machen die Kläger geltend. Sie behaupten, die Beklagte habe rechtswidrig allgemeine Teile der Liegenschaft (Dachterrassenflächen, Abstellraum, Waschküchen- und Trockenraum) der Benützung durch sämtliche Wohnungseigentümer entzogen und diese allgemeinen Teile der Liegenschaft unter Ausschluß der anderen in Anspruch genommen. Zur Abwehr solcher rechtswidriger Eingriffe in die aus dem Anteilseigentum entspringenden Nutzungsrechte ist nicht nur der einzelne Wohnungseigentümer berechtigt, sondern auch der einzelne Teilhaber am Ehegattenwohnungseigentum. Da das Berufungsgericht von einer anderen Rechtsansicht ausgehend den Klägern das Klagerecht abgesprochen hat und in diesem Fall eine notwendige Beteiligung des jeweils anderen Ehegatten nicht zu fordern ist, erweist sich die Rechtsrüge der Kläger als berechtigt.

Das Berufungsgericht hat sich mit der Tatsachen- und Beweisrüge der Beklagten nicht auseinandergesetzt, weil es schon auf Grund seiner nicht gebilligten Rechtsansicht das Klagebegehren abwies. Es ist daher das Urteil des Berufungsgerichtes aufzuheben und diesem die neue Entscheidung aufzutragen.

Anmerkung

Z56102

Schlagworte

Ehegattenwohnungseigentum, Abwehr von Eingriffen Dritter, Wohnungseigentum, s. a. Ehegattenwohnungseigentum

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1983:0050OB00023.83.0621.000

Dokumentnummer

JJT_19830621_OGH0002_0050OB00023_8300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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