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63 Allgemeines Dienst- und BesoldungsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durcheinen Bescheid betreffend eine Dienstpflichtverletzung einesBeamten durch nicht entsprechenden Umgang mit Waffen; Zuständigkeitder Berufungskommission zur Entscheidung über eine Berufung gegeneinen Einstellungsbeschluss betreffend ein Disziplinarverfahrengegeben; keine denkunmögliche Annahme der Bindung derDisziplinarbehörde an die Tatsachenfeststellung eines StrafgerichtesSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Der Beschwerdeführer steht als Beamter der Bundespolizeidirektion Linz in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.
1.2. Mit Bescheid der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres vom 19.2.1999 wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß §123 Abs1 Beamtendienstrechtsgesetz 1979 (im Folgenden: BDG) ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Begründend wird dazu im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Am 9.2.1999 habe die Präsidialabteilung der BPD Linz gegen den Beschwerdeführer, der mit 1. April 1991 zum Leiter des Waffenamtes bestellt worden war, Disziplinaranzeige erstattet. Im Zuge von Ermittlungen der BPD Linz bzw. in weiterer Folge der Sicherheitsdirektion für Oberösterreich habe sich nämlich der Verdacht ergeben, dass der Beschwerdeführer mit Waffen, die er in seiner Eigenschaft als Leiter des Waffenamtes entgegengenommen hatte, nicht dem Waffengesetz entsprechend vorgegangen sei. Seitens der Sicherheitsdirektion Oberösterreich sei in diesem Zusammenhang auch Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft Linz erstattet worden. Unter einem werde daher das gegen den Beschwerdeführer eingeleitete Disziplinarverfahren bis zum Abschluss des strafgerichtlichen Verfahrens unterbrochen.
1.3. Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Linz vom 7.10.1999 wurde der Beschwerdeführer von der wegen der §§12, 133, 293 und 302 StGB gegen ihn erhobenen Anklage gemäß §259 Z3 StPO freigesprochen. Begründend wird dazu im Wesentlichen ausgeführt, der Angeklagte habe den Staat in seinem konkreten Recht auf besondere Kontrolle und jederzeitige Überprüfbarkeit des Verkehrs mit Waffen nicht wissentlich schädigen wollen. Dabei wird Folgendes hinzugefügt:
"Zur allgemeinen Frage, ob ein Polizeibeamter auf Grund seiner dienstrechtlichen Stellung und wegen der Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes erlaubterweise und berechtigterweise persönlich Waffen erwirbt, mit denen er als Leiter des Waffenamtes zu tun hat, ob es auch dienstrechtlich zulässig ist, daß weitere oder andere Polizeibeamte Waffen erwerben oder allenfalls
als Geschenk entgegennehmen und dies vom Angeklagten ... vermittelt
und bewerkstelligt wurde, ist zu sagen, daß dies möglicherweise disziplinär zu prüfen ist, die strafrechtliche Relevanz wird durch Disziplinarmaßnahmen nicht betroffen oder nicht begründet.
Daß darüber hinaus auch ein Unbehagen in der Öffentlichkeit entstehen kann, daß private Geschäfte abgewickelt wurden, ist ebenfalls eine strafrechtlich nicht zu prüfende Frage."
1.4. Im Hinblick auf dieses Urteil wurde das gegen den Beschwerdeführer eingeleitete Disziplinarverfahren mit Bescheid der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres vom 15.5.2000 gemäß §118 Abs1 Z4 BDG eingestellt. Begründend wird dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass im Hinblick auf das erwähnte Urteil des Landesgerichtes Linz die Schuld des Beamten in disziplinärer Hinsicht geringfügig sei.
1.5. Der dagegen erhobenen Berufung des Disziplinaranwaltes wurde mit dem nunmehr bekämpften Bescheid der Berufungskommission beim Bundesministerium für öffentliche Leistung und Sport stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
Dies wird im Wesentlichen wie folgt begründet:
"Gemäß §118 Abs1 Z4 BDG ist das Disziplinarverfahren mit Bescheid einzustellen, wenn die Schuld des Beschuldigten gering ist, die Tat keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und überdies eine Bestrafung nicht geboten ist, um der Verletzung von Dienstpflichten durch andere Beamte entgegenzuwirken.
§95 Abs2 BDG bestimmt, dass die Disziplinarbehörde an die dem Spruch eines strafgerichtlichen Urteils zugrundegelegten Tatsachenfeststellungen gebunden ist und nichts als erwiesen annehmen darf, was vom Gericht als nicht erwiesen angenommen wurde.
Gemäß §43 Abs2 BDG hat ein Beamter in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.
Die sich aus §95 Abs2 BDG ergebende Bindung an die
Tatsachenfeststellung des Strafgerichtes steht ... einer rechtlichen
Würdigung des Verhaltens des BW unter disziplinarrechtlichen Gesichtspunkten nicht entgegen, da der strafgerichtliche Freispruch des BW nicht spezifisch dienstrechtliche Aspekte umfasst. Das straf- und das disziplinarrechtliche Verfahren verfolgen völlig verschiedene Zielrichtungen: Im gerichtlichen Verfahren ist entscheidend, ob der BW durch die im Einleitungsbeschluss angeführten Fakten wissentlich das Recht des Staates auf Kontrolle des Waffenkaufs bzw. die Überprüfbarkeit des Waffenverkehrs geschädigt hat. Im Disziplinarverfahren wegen des Verdachts des Verstoßes gegen §43 Abs2 BDG ist jedoch zu prüfen, ob der BW in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht genommen hat, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt...
In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die Wissentlichkeit im Sinne des §5 StGB zwar Tatbestandsmerkmal des §302 StGB ist, während Dienstpflichtverletzungen nach §43 Abs2 BDG schon bei fahrlässiger Begehung strafbar sind.
Im vorliegenden Fall liegt es auf der Hand, dass der BW gegen §43 Abs2 BDG verstoßen hat. Seine Handlungsweise war gekennzeichnet durch Gleichgültigkeit gegenüber differierenden rechtlichen Erfordernissen (gleichartiges Vorgehen bei abgegebenen Waffen ohne Rücksicht auf den zugrundeliegenden Sachverhalt), unzulässige Vermengung von Privatinteressen mit dienstlichen Belangen (Weitergabe von Waffen an seine Gattin; eigener Erwerb von Waffen, die Gegenstand seiner amtlichen Tätigkeit waren; Führung des eigenen Waffenaktes bzw. jenes seiner Gattin), zumindest den Anschein der Parteilichkeit (einseitige Bevorzugung der Fa. W) und Oberflächlichkeit (mangelnde Überprüfung des Zahlungsvollzuges durch die obgenannte Firma bzw. von Parteivorbringen in waffenrechtlichen Verfahren).
Wie der Disziplinaranwalt in seiner Berufung zu Recht feststellt, kann von einem geringen Verschulden keine Rede sein, da es jedem Beamten bewusst sein muss, dass er als für den Vollzug des Waffengesetzes zuständiger Leiter des Waffenamtes keine Waffengeschäfte im Rahmen seiner amtlichen Tätigkeit durchführen darf.
Ebenso kann nicht gesagt werden, dass die Taten keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen haben. Der Vollzug des Waffengesetzes ist für die öffentliche Sicherheit von eminenter Bedeutung, da Fehler auf diesem Gebiet zu schweren Gefahren für Leib und Leben führen können. Zu Recht erwartet die Allgemeinheit daher einen besonders korrekten und genauen Vollzug gerade dieser Rechtsmaterie. Das Verhalten des BW war daher nicht nur geeignet, das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben, sondern auch das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung zu beeinträchtigen.
Ferner kommt der Berufung des Disziplinaranwalts auch unter dem Gesichtspunkt der Generalprävention Berechtigung zu, da ein derartig massives und gehäuft auftretendes Fehlverhalten, das ohne disziplinäre Konsequenzen bleibt, jene Beamten, die ihre Amtsführung strikt an der geltenden Rechtslage orientieren - wie der Disziplinaranwalt zu Recht bemerkt - geradezu vor den Kopf stoßen und demotivieren würde."
1.6. Gegen diesen Berufungsbescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird.
Begründend wird dazu im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
"Verletzung des Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter:
...
Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter besteht auch im Schutz und in der Wahrung der gesetzlich begründeten Behördenzuständigkeit, es ist durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich
nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt ... Dieser Fall ist
hier gegeben. Die Behördenzuständigkeit im Disziplinarverfahren ist ausdrücklich in §97 BDG geregelt, wobei zuständig sind gemäß
Ziff. 3 BDG: die Disziplinaroberkommission zur Entscheidung über die Berufung gegen Erkenntnisse der Disziplinarkommission ... sowie
Ziff. 4 BDG: die Berufungskommission zur Entscheidung über Berufung gegen Einleitungs- und Verhandlungsbeschlüsse der Disziplinarkommission.
Im gegenständlichen Fall hat die Berufungskommission beim Bundesministerium für öffentliche Leistung und Sport entschieden, obwohl durch den Disziplinaranwalt kein Einleitungs- oder Verhandlungsbeschluss angefochten wurde. Das Disziplinarverfahren nach dem Beamtendienstrechtsgesetz ist dadurch gekennzeichnet, dass jeweils mit entsprechender Rechtsmittelmöglichkeit vorerst über die Einleitung des Verfahrens zu entscheiden ist. In weiterer Folge wird nach rechtskräftiger Einleitung der Verhandlungsbeschluss gefasst, über den ebenfalls gesondert zu entscheiden ist. Dabei handelt es sich jeweils um Verfahrensbeschlüsse, welche keinesfalls eine inhaltliche Erledigung der Rechtssache bewirken. Davon zu unterscheiden sind die Entscheidungen der Disziplinarkommission, welche meritorisch als Verfahrenserledigung zu erachten sind. Zu diesen Verfahrenserledigungen ist auch die im gegenständlichen Fall mit Entscheidung der Disziplinarkommission vom 15.5.2000 vorgenommene Verfahrenseinstellung zu rechnen. Dabei handelt es sich um keinen Einleitungsbeschluss aber auch um keinen Verhandlungsbeschluss, sondern vielmehr eine Entscheidung in der Sache selbst im Sinne des §118 BDG nach inhaltlicher Prüfung, wobei die Verfahrenseinstellung als Erkenntnis, da eine meritorische Entscheidung, im Sinne des §97 Ziff. 3 BDG zu werten ist.
Im gegenständlichen Fall hätte daher nicht die Berufungskommission beim Bundesministerium für öffentliche Leistungen und Sport, sondern vielmehr die Disziplinarkommission beim Bundeskanzleramt, wie dies auch in der Rechtsmittelbelehrung des
Bescheides der Disziplinarkommission vom 15.5.2000, ... angeführt
ist, zu entscheiden gehabt.
...
Verletzung des Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz:
...
Betrachtet man ... den in Beschwerde gezogenen Bescheid, in
dem ... nach Zitierung der als wesentlich erachteten gesetzlichen
Vorschriften die Berufungsbehörde in etwas mehr als einer Seite ihre Überlegungen darlegt, so zeigt sich, dass diese sich keinesfalls mit dem einerseits im Verfahren dargelegten, andererseits aber auch im Strafverfahren diskutierten Verhalten des Beschwerdeführers auseinandersetzt. Es werden vielmehr die in der Anzeige als mögliche Dienstpflichtverletzung dargestellten Verhaltensweisen, ohne entsprechende Überprüfung oder Erwägung, aber auch ohne jegliche Begründung, als erwiesene Tatsachen angeführt, wenn in diesem Zusammenhang ausgeführt wird, dass es 'im vorliegenden Fall auf der Hand liege, dass der Beschwerdeführer gegen §43 Abs2 BDG verstoßen habe'...; dasselbe trifft auf die Ausführungen zu, wonach die Handlungsweise des Beschwerdeführers durch Gleichgültigkeit gegenüber differenzierenden rechtlichen Erfordernissen gekennzeichnet gewesen sein soll.
All diese Überlegungen stellen eine, im gegenständlichen Fall der Rechtsmittelbehörde überhaupt nicht zustehende Qualifizierung des Verhaltens des Beschwerdeführers dar, insbesondere wenn man berücksichtigt, dass von der belangten Behörde mit Ausnahme von gerafft dargestellten Pauschalverurteilungen in keiner Weise dargelegt wird, worin nun konkret das vorwerfbare Verhalten liegt. Der Umstand alleine, dass der Beschuldigte seinen eigenen Waffenakt geführt hat, bedeutet noch nicht, dass diese Vorgangsweise nicht auch im Sinne des §43 Abs2 BDG korrekt gewesen ist. Diese Ansicht wird aber in der Begründung des in Beschwerde gezogenen Bescheides
vertreten, der zudem ... feststellt, dass ein derartig massives und
gehäuft auftretendes Fehlverhalten, sollte es ohne disziplinäre Konsequenzen bleiben, andere Beamte geradezu vor den Kopf stoßen und demotivieren würde. Damit ist eine Vorverurteilung und eine Feststellung in Hinblick auf das Verhalten des Beschwerdeführers, welches erst zu prüfen und Gegenstand eines weiteren Verfahrens nach Aufhebung des Einstellungsbeschlusses wäre, schon vorweg erfolgt, wobei allerdings diese Qualifikation der belangten Behörde, insbesondere in der vorgenommenen unbegründeten Form, nicht zusteht. Der Bescheid ist daher als willkürliche und damit gleichheitswidrige Entscheidung zu qualifizieren und aufzuheben.
Die willkürliche Vorgangsweise der belangten Behörde
manifestiert sich auch dahingehend, dass sie, ... sich mit der Frage
der Verfristung bzw. Verjährung der Disziplinarvorwürfe überhaupt nicht auseinandergesetzt hat, obwohl sie verpflichtet ist, auch die zugunsten des Beschwerdeführers sprechenden Überlegungen im Zuge einer umfassenden Beurteilung im Rechtsmittelverfahren zu prüfen."
1.7. Die Berufungskommission beim Bundesministerium für öffentliche Leistung und Sport als belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie den Beschwerdeausführungen entgegentritt und beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
2. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
2.1. Die im vorliegenden Fall vor allem maßgeblichen Bestimmungen der §§95 Abs2, 118 Abs1 Z4 und 123 Abs2 BDG lauten wie folgt:
"§95. (1) ...
(2) Die Disziplinarbehörde ist an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils zugrunde gelegte Tatsachenfeststellung eines Strafgerichtes (Straferkenntnis eines unabhängigen Verwaltungssenates) gebunden. Sie darf auch nicht eine Tatsache als erwiesen annehmen, die das Gericht (der unabhängige Verwaltungssenat) als nicht erweisbar angenommen hat.
(3) ..."
"§118. (1) Das Disziplinarverfahren ist mit Bescheid einzustellen, wenn
...
4. die Schuld des Beschuldigten gering ist, die Tat keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und überdies eine Bestrafung nicht geboten ist, um den Beschuldigten von der Verletzung der Dienstpflichten abzuhalten oder der Verletzung von Dienstpflichten durch andere Beamte entgegenzuwirken.
(2) ..."
"§123. (1) ...
(2) Hat die Disziplinarkommission die Durchführung eines Disziplinarverfahrens beschlossen, so ist dieser Beschluß dem beschuldigten Beamten, dem Disziplinaranwalt und der Dienstbehörde zuzustellen. Gegen den Beschluß, ein Disziplinarverfahren einzuleiten, nicht einzuleiten oder einzustellen (§118 BDG 1979), ist die Berufung an die Berufungskommission zulässig.
(3) ..."
2.2.1. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde unter anderem dann verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt (VfSlg. 14.534/1996 mwH).
Dies ist hier aber nicht der Fall: Die Zuständigkeit der Berufungskommission zur Entscheidung über eine Berufung gegen den Beschluss der Disziplinarkommission, ein Disziplinarverfahren gemäß §118 BDG einzustellen, ergibt sich, was der Beschwerdeführer offenbar übersieht, eindeutig aus §123 Abs2 zweiter Satz BDG. Die belangte Behörde hat mit Erlassung des bekämpften Bescheides also keine Zuständigkeit in Anspruch genommen, die ihr nicht zusteht. Daher kommt eine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter im vorliegenden Fall nicht in Betracht.
2.2.2. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 11.682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde den angewendeten Rechtsvorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellte oder wenn sie bei der Erlassung des Bescheides Willkür übte.
2.2.2.1. Da der Verfassungsgerichtshof gegen die den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften keine verfassungsrechtlichen Bedenken hegt und die Bescheidbegründung keinen Anhaltspunkt für die Annahme liefert, dass die Berufungskommission den angewendeten Rechtsvorschriften einen verfassungswidrigen Inhalt beigemessen hätte, könnte der Beschwerdeführer durch den bekämpften Bescheid im genannten Grundrecht nur verletzt worden sein, wenn der Berufungskommission Willkür zum Vorwurf zu machen wäre.
2.2.2.2. Darüber, welche Umstände gegeben sein müssen, damit einer Behörde Willkür anzulasten ist, lässt sich keine allgemeine Aussage treffen. Ob Willkür vorliegt, kann nur dem Gesamtbild des Verhaltens der Behörde im einzelnen Fall entnommen werden (zB VfSlg. 5491/1967, 6404/1971, 6471/1971, 8808/1980, 14.573/1996 uva.).
2.2.2.3. Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtsprechung; VfSlg. 10.338/1985, 11.213/1987). Auch eine denkunmögliche Gesetzesanwendung kann Willkür indizieren (VfSlg. 9561/1982, 14.573/1996).
2.2.2.4. Keiner dieser Mängel liegt jedoch hier vor. Der Verfassungsgerichtshof vermag nicht zu erkennen, dass das Ermittlungsverfahren mit einem in die Verfassungssphäre reichenden Mangel behaftet wäre; auch kann weder von einem gehäuften Verkennen der Rechtslage noch von denkunmöglicher Gesetzesanwendung die Rede sein.
Insbesondere ist die Rechtsansicht der belangten Behörde - die sich aus §95 Abs2 BDG ergebende Bindung an die Tatsachenfeststellung eines Strafgerichtes stehe einer rechtlichen Würdigung des Verhaltens des Beschwerdeführers unter disziplinarrechtlichen Gesichtspunkten nicht entgegen - keinesfalls denkunmöglich.
Was das Beschwerdevorbringen betrifft, einzelne Ausführungen in der Begründung des bekämpften Bescheides (etwa: "Im vorliegenden Fall liegt es auf der Hand, dass der (nunmehrige Beschwerdeführer) gegen §43 Abs2 BDG verstoßen hat.") stellten eine der Rechtsmittelbehörde nicht zustehende Qualifizierung des Verhaltens des Beschwerdeführers dar, so ist auf Folgendes hinzuweisen: Ein Bescheid, mit dem ein ein Disziplinarverfahren gemäß §118 Abs1 Z4 einstellender Bescheid aufgehoben wird, stellt ebenso wenig wie ein Einleitungsbeschluss gemäß §123 Abs1 BDG eine abschließende Würdigung des Verhaltens des betroffenen Beamten dar. Dafür ist vielmehr das ordentliche Verfahren vorgesehen (vgl. VfGH 19.6.2000 B1635/99 mwH). Vor diesem Hintergrund ist aber auch ein solcher, die Einstellung des Disziplinarverfahrens aufhebender Bescheid bloß dahin zu verstehen, dass nach Auffassung der bescheiderlassenden Behörde ausreichende Verdachtsmomente für die Durchführung eines solchen Verfahrens bestehen. Ausgehend davon trifft aber der Vorwurf, die belangte Behörde habe willkürlich entschieden, nicht zu.
2.2.3. Die getroffene behördliche Entscheidung ist - zusammenfassend - also nicht mit einem in die Verfassungssphäre reichenden Mangel, der eine Verletzung des Beschwerdeführers in den geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit vor dem Gesetz oder auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter bewirkt, belastet. Ob der Entscheidung auch darüber hinaus eine in jeder Hinsicht richtige Gesetzesanwendung zu Grunde liegt, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch nicht in dem - hier vorliegenden - Fall, dass eine Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof nicht in Betracht kommt (vgl. VfSlg. 14.658/1996 und dort angeführte Rechtsprechung).
2.2.4. Der Beschwerdeführer wurde sohin aus den in der Beschwerde vorgetragenen Erwägungen weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in Rechten verletzt.
2.3. Das Beschwerdeverfahren hat auch nicht ergeben, dass dies aus anderen, in der Beschwerde nicht dargelegten Gründen der Fall gewesen wäre.
2.4. Die Beschwerde war daher abzuweisen.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Bindung (der Verwaltungsbehörden an Gerichtsakte), Dienstrecht,Disziplinarrecht, Standes- und Amtspflichten, DisziplinarrechtVerfahren, EinleitungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2001:B2208.2000Zuletzt aktualisiert am
07.06.2011