Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Bernardini, Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Eier als Schriftführerin in der Strafsache gegen Johann A wegen des Vergehens des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 StGB. und einer anderen strafbaren Handlung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft Innsbruck gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengerichts vom 31.März 1983, GZ. 25 Vr 629/82- 23, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Staatsanwaltschaft wird mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.
Die Berufung des Angeklagten wird zurückgewiesen.
Text
Gründe:
Johann A wurde des Vergehens des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269
Abs. 1 StGB. und des Vergehens der Beleidigung nach §§ 115 Abs. 1, 117 Abs. 2 StGB. schuldig erkannt. Darnach hat er am 26.Jänner 1982 in Innsbruck den Polizeibeamten Johann B, der ihn festnehmen und abführen wollte, nicht nur mit Gewalt an dieser Amtshandlung zu hindern gesucht, sondern auch öffentlich und vor mehreren Leuten mit den Worten: 'Du bist der ärgste Trottel' beschimpft.
Rechtliche Beurteilung
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde nach § 281 Abs. 1 Z. 5, 9 lit. a und 9 lit. b StPO. Hiebei weist er in der Rechtsrüge zutreffend darauf hin, daß es das Erstgericht unterließ, vorliegend gebotene Feststellungen bezüglich der Voraussetzungen des § 269 Abs. 4 StGB. zu treffen. Straflosigkeit nach dieser Gesetzesstelle tritt nämlich ein, wenn die Amtshandlung (zu der der Polizeibeamte ihrer Art nach berechtigt ist) gegen strafgesetzliche Vorschriften verstößt. So, wenn der Beamte bei der Festnahme und Eskortierung seine Amtsgewalt mißbraucht (§ 302 StGB.) oder wenigstens fahrlässig (§ 303 StGB.) die Freiheit der Person verletzt (13 Os 17/83). Zumindest die letztgenannte Möglichkeit ist hier nicht ausgeschlossen. Festgestelltermaßen bestand für Johann B zunächst überhaupt kein Grund, gegen den sich ruhig und unauffällig benehmenden Angeklagten vorzugehen, zumal ihm - weil er Johann A erst eine Woche zuvor in das Wachzimmer mitgenommen und perlustriert hatte (bei welcher Gelegenheit er ihn auch geschlagen haben soll) - dessen Personalien bekannt waren (S. 115, 121). Da bei einer solchen Fallgestaltung kein Anlaß zum polizeilichen Einschreiten, geschweige denn zu einer Festnahme besteht, liegt es somit - der vom Erstgericht bloß im Rahmen der rechtlichen Beurteilung ohne Begründung geäußerten Ansicht zuwider -
durchaus nahe, daß die Amtshandlung, soweit sie in ihrem weiteren Verlauf auf eine Beeinträchtigung der persönlichen Freiheit des Angeklagten zielte, gegen strafgesetzliche Vorschriften verstieß. Daß etwa der Beschwerdeführer nach dem zunächst grundlosen Einschreiten des Polizeibeamten eine Verwaltungsübertretung begangen habe und der Haftgrund des § 35 lit. c VStG. (Verharren in der strafbaren Handlung oder Wiederholungsversuch trotz Abmahnung) hergestellt worden sei, ist dem Urteil nicht zu entnehmen. Vielmehr bleibt in demselben offen, weshalb die Festnahme ausgesprochen wurde, denn der konstatierte Wortwechsel gibt keinen Grund hiefür ab (siehe abermals § 35 VStG.). Ebensowenig könnte die Beleidigung eine Festnahme begründen. Desgleichen ist ungeklärt, ob etwa die Beschimpfung die Folge der allenfalls ungerechtfertigten Festnahme war.
Damit ist eine Verfahrenserneuerung, die wegen des untrennbaren Zusammenhangs (§ 289 StPO.) auch den Schuldspruch nach §§ 115 Abs. 1, 117 Abs. 2 StGB. erfaßt (siehe § 115 Abs. 3 StGB.), unumgänglich und es erübrigt sich, auf die weiteren Beschwerdeeinwände einzugehen. Diesen wird allerdings im erneuerten Verfahren insoweit Beachtung zu schenken sein, als sie in Ansehung des Beleidigungsvorwurfs eine Prüfung der Voraussetzungen einerseits des § 115 Abs. 3 StGB. und andererseits des § 42 StGB. reklamieren. Gemäß § 285 e StPO. war das angefochtene Urteil sonach in nichtöffentlicher Sitzung zu kassieren und dem Landesgericht die Durchführung eines zweiten Rechtsgangs aufzutragen. Zufolge der Verfahrenswiederholung war die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen. Auf die Berufung des Angeklagten war hingegen nicht Rücksicht zu nehmen, weil bei deren Anmeldung keine Berufungspunkte deutlich und bestimmt bezeichnet wurden und eine Berufungsausführung nicht erstattet worden ist (§§ 294 Abs. 4, 296 Abs. 2 StPO.).
Anmerkung
E04224European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1983:0130OS00096.83.0627.000Dokumentnummer
JJT_19830627_OGH0002_0130OS00096_8300000_000