Norm
ABGB §1477Kopf
SZ 56/111
Spruch
Der Gegner desjenigen, der sich auf Ersitzung nach § 1477 ABGB beruft, hat nach Ablauf der Ersitzungszeit zu beweisen, daß ein die Ersitzung ausschließendes Verhältnis (hier: Bittleihe) bestand
OGH 29. 6. 1983, 1 Ob 18/83 (OLG Graz 7 R 207/82; LG Klagenfurt 28 Cg 277/81)
Text
Die Beklagten sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ 435 KG S, zu deren Gutsbestand das Grundstück 52/1 gehört. Dieses Grundstück hat im Süden eine gemeinsame Grenze zum Grundstück 775/1 Wörthersee, das im Eigentum der klagenden Republik Österreich steht. Die Erstbeklagte und die Mutter der Zweitbeklagten erwarben dieses Grundstück mit Kaufvertrag vom 2. 8. 1976. Die Zweitbeklagte ist Gesamtrechtsnachfolgerin ihrer Mutter. Vor dem Grundstück 52/1 auf dem Grundstück 775/1 befindet sich auf einer Fläche von zirka 114 m2 eine vom Rechtsvorgänger der Beklagten errichtete Badehaus- und Bootshausanlage samt Zubehör. Diese Baulichkeiten waren erstmals vom Voreigentümer Josef K errichtet worden. Dieser suchte mit Schreiben vom 9. 5. 1886 an die k.k. BH Klagenfurt um die Bewilligung an, eine Badehütte in den See einbauen zu dürfen. Am 22. 5. 1886 nahm die k. k. BH Klagenfurt eine Kommissionierung an Ort und Stelle über die beabsichtigte Erbauung einer Badehütte in die öffentliche Seeparzelle 775 vor. Josef K verpflichtete sich, daß er bzw. seine Rechtsnachfolger den Bau auf Verlangen der kompetenten Behörde auf eigene Kosten entfernen werden. Unter dieser Auflage wurde auch von der BH Klagenfurt mit Schreiben vom 27. 5. 1886, Zl. 9372, die Bewilligung zur Errichtung der Hütte erteilt.
Die klagende Partei beantragt die Fällung des Urteiles, die Beklagten seien zur ungeteilten Hand schuldig, die auf dem Grundstück 775/1 vor dem Grundstück 52/1 befindliche Boots- und Badehausanlage samt Verankerung und Fundamenten zu entfernen. Die Beklagten benützten öffentliches Wassergut ohne Rechtstitel; läge ein Prekarium vor, werde mit der Klage die Benützung widerrufen.
Die Beklagten wendeten ein, sie könnten zwar ein Eigentumsrecht an den Grundflächen, auf dem sich Boots- und Badehausanlage befänden, nicht behaupten, es stunde ihnen aber auf Grund Ersitzung das Dienstbarkeitsrecht zur kostenlosen Benutzung der See-Einbauten zu. Josef K sei durch die BH Klagenfurt ein Prekarium nicht erteilt worden, der Widerruf der Bewilligung könne nur aus den gesetzlichen Gründen des Wasserrechtsgesetzes erfolgen. Die Widerrufserklärung könne sich nicht auf ersessene zivilrechtliche Benutzungstitel beziehen, sondern nur auf Bewilligungen, die unter Widerruf eingeräumt worden seien.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Feststellungen über den Ablauf der vierzigjährigen Ersitzungszeit vor dem Inkrafttreten des Wasserrechtsgesetzes am 1. 11. 1934 könnten nicht getroffen werden. Ein solcher sei auch unwahrscheinlich, da zumindest Josef K und dessen Erben von dem Prekarium Kenntnis haben mußten. Die Ersitzungszeit hätte bereits acht Jahre nach der Stellung des Bauansuchens zu laufen beginnen müssen. Nach dieser kurzen Zeit könne die von Josef K übernommene Verpflichtung zum Abbruch des See-Einbaues auf jederzeitiges Verlangen der kompetenten Behörde noch nicht in Vergessenheit geraten sein. Dies habe den damaligen Besitzern durch Einsichtnahme in die Bewilligungsakte noch bekannt sein müssen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 60 000 S übersteige. Das öffentliche Wassergut stehe im Eigentum des Bundes, über welches vom Rechtsträger durch Privatrechtsgeschäft verfügt werden könne. Auf eine Vereinbarung mit der klagenden Partei könnten die Beklagten ihr Benützungsrecht nicht stützen. Die im Jahre 1886 dem Voreigentümer Josef K erteilte Baubewilligung durch die BH Klagenfurt sei einerseits keine Bewilligung durch den Rechtsträger des öffentlichen Wassergutes und überdies kein Privatrechtstitel. Es bestehe also kein vertraglicher Rechtstitel, auf den die Beklagten ihren Benützungsanspruch gegenüber der klagenden Partei stützen könnten. Die Beklagten hätten auch nicht durch Ersitzung das Recht zur Benützung öffentlichen Wassergutes erworben. Die Ersitzung hätte bereits am 1. 11. 1934 eingetreten sein müssen. Angesichts des Hinweises im Kommissionsprotokoll vom 22. 5. 1886, den Josef K für sich und seine Rechtsnachfolger durch seine Unterschrift auch zur Kenntnis genommen habe, hätte es ihm klar sein müssen, daß er die Wassereinbauten auf jederzeitiges Verlangen des Rechtsträgers des öffentlichen Wasserguts auf eigene Kosten werde entfernen müssen. Er sei also Prekarist, daher weder Sach- oder Rechtsbesitzer gewesen. Dafür, daß Josef K oder seine allfälligen Rechtsnachfolger bis zum Jahre 1894 im guten Glauben gewesen seien, ein unwiderrufliches Recht zur Benützung der Wassereinbauten und des Wassergrundes zu haben, gäbe es nach der Aktenlage keine Anhaltspunkte. Behauptungen in dieser Richtung hätten die Beklagten nicht aufgestellt.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Wörthersee ist gemäß Punkt 2 lit. a des Anhanges A zum Wasserrechtsgesetz ein öffentliches Gewässer iS des § 2 Abs. 1 lit. a WRG. Gemäß § 4 Abs. 1 WRG ist daher das Grundstück 775/1 öffentliches Wassergut. Wenn auch durch die Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 17. 7. 1969, BGBl. 280, gemäß Art. 104 Abs. 2 B-VG die Besorgung der vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft in den Ländern wahrzunehmenden Geschäfte der Verwaltung des öffentlichen Wassergutes nach Maßgabe der von ihm zu erlassenden Richtlinien und Weisungen dem Landeshauptmann und den diesem unterstellten Behörden im Lande übertragen wurde, so wurde dadurch doch in die Eigentümerbefugnisse des Bundes nicht eingegriffen oder das Eigentumsrecht des Bundes in irgendeiner Weise begrenzt (EvBl. 1966/83; RZ 1968, 113; 1 Ob 95/69). Nur der Bund ist daher zur Anerkennung einer Ersitzung sowie zur Aktiv- und Passivlegitimation in Eigentumsklagen befugt (Grabmayr - Roßmann, Das österreichische Wasserrecht[2], Anm. 18 zu § 4 WRG 41). Der Eigentümer des öffentlichen Wassergutes, der gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 Prokuratursgesetz durch die Finanzprokuratur vertreten wird, ist daher befugt, eine titellose Benutzung des öffentlichen Wassergutes durch die Beklagten mit einer Eigentumsfreiheitsklage geltend zu machen.
Daß die Benützung des strittigen Grundstreifens auf privatrechtliche Rechtshandlungen des zuständigen Verwalters des öffentlichen Wassergutes gestützt werde, behaupten die Beklagten nicht. Sie behaupten aber Ersitzung einer Dienstbarkeit. Während sonst gemäß § 1472 ABGB auch gegenüber dem öffentlichen Gut Ersitzung, wenn auch nach längerer Ersitzungszeit, möglich ist, ordnet § 4 Abs. 5 WRG an, daß durch Ersitzung das Eigentum oder ein anderes dingliches Recht am öffentlichen Wassergut nach dem Inkrafttreten des Wasserrechtsgesetzes (1. 11. 1934) nicht mehr erworben werden kann. Nur bereits durch Ablauf der Ersitzungszeit vor dem 1. 11. 1934 erworbene Rechte am öffentlichen Wassergut können daher auch heute noch geltend gemacht werden (EvBl. 1979/213; 1 Ob 42/82; Grabmayr - Roßmann aaO 39; Krzizek, Kommentar zum Wasserrechtsgesetz 36 f.). Die Ersitzung des von den Beklagten behaupteten Rechtes hätte daher spätestens am 1. 11. 1894 beginnen müssen.
Der Ersitzungsbesitzer muß bei der uneigentlichen Ersitzung des § 1477 ABGB einen tauglichen Erwerbsgrund nicht nachweisen; das Erfordernis der Rechtmäßigkeit des Besitzes ist durch die Bestimmung des § 1477 ABGB, die gerade dazu dient, Personen, die eine Sache oder ein Recht durch lange Zeit wie ein Berechtigter besitzen, den Nachweis des rechtlichen Erwerbes zu ersparen, fallengelassen worden (SZ 50/53 mwN). Zur Ersitzung eines Rechtes ist aber immer noch die Redlichkeit und Echtheit des Besitzes erforderlich. Der gute Glaube muß nicht nur beim Besitzerwerb, sondern während der gesamten Ersitzungszeit vorhanden gewesen sein (JBl. 1978, 257; SZ 50/91; SZ 27/284 uva.). Pfandgläubiger, Entlehner, Verwahrer, Fruchtnießer, Mieter, Bittleiher usw. können die von ihnen übernommene Sache niemals ersitzen, auch wenn sie in der Zwischenzeit Besitzwillen gefaßt haben. Denjenigen, der sich auf Ersitzung nach § 1477 ABGB beruft, trifft allerdings nicht die Beweislast dafür, in Ausübung eines Rechtes gehandelt zu haben; vielmehr hat der Gegner zu beweisen, daß ein die Ersitzung ausschließendes Verhältnis bestand (Ehrenzweig[2] I/2, 220; Klang[2] VI 578). Ist der Beweis eines solchen Verhältnisses aber erbracht, muß dann derjenige, der dennoch Ersitzung behauptet, den noch vor Beginn der Ersitzungszeit entstandenen redlichen Besitz eines anderen beweisen.
Der klagenden Partei ist nun der Beweis gelungen, daß Josef K als erster Errichter des Einbaues in den See im Jahre 1886 nicht Ersitzungsbesitzer gewesen sein kann. Ersitzungsbesitz eines den Eigentümer zu einer Duldung verpflichtenden Rechtes setzt voraus, daß die Ausübung als Recht in Anspruch genommen wird, der Eigentümer des Grundstückes dies erkennen kann und dennoch dieses Verhalten so duldet, als hätte der andere ein Recht darauf. Die Gestattung liegt in der tatsächlichen Duldung einer als Rechtsausübung erkennbaren Benützung (MietSlg. 31 011, 29 014; JBl. 1976, 642; SZ 45/45; EvBl. 1973/28; EvBl. 1961/296; 1 Ob 506/82; Klang[2] II 78; Klang[2] VI 577). Der Besitzwille muß sich aus dem äußeren Verhalten ergeben, ein inneres Vorhaben, das damit nicht im Einklang steht, kommt als Besitzwille nicht in Betracht; durch den bloßen inneren Beschluß wird der Besitzwille nicht hergestellt (Ehrenzweig[2] I/2, 72). Josef K ersuchte ausdrücklich um den Einbau einer Badehütte in die öffentliche Seeparzelle 775 an; er wußte also, daß öffentliches Wassergut für seinen Einbau verwendet wird. Die Errichtung wurde ihm von der Behörde unter der Auflage bewilligt, daß er bzw. seine Rechtsnachfolger den Bau auf Verlangen der kompetenten Behörde auf eigene Kosten entfernen werden. Erbaute Josef K auf Grund der ihm so erteilten Genehmigung den Einbau, so stand damit für den Eigentümer des Seegrundstückes, in welcher Eigenschaft auch immer die Behörde das Verhalten des Josef K verlangt und zur Kenntnis genommen hatte, fest, daß er den Einbau nicht mit dem erkennbaren Willen, für sich und seine Rechtsnachfolger eine Grunddienstbarkeit zu erwerben, getan haben kann. Mangels Ersitzungsbesitzes des Josef K können daher die Beklagten eine Ersitzung des von ihnen behaupteten Rechtes nicht auf Handlungen des Josef K stützen. Sache der Beklagten wäre es dann gewesen, zu behaupten und zu beweisen, daß in der Zeit bis zum 1. 11. 1894 andere Personen als Josef K Ersitzungsbesitzer waren. Diesen Beweis traten sie nicht an.
Anmerkung
Z56111Schlagworte
Bittleihe, Beweislast für - nach Ablauf der Ersitzungszeit, Ersitzung, Beweislast für - ausschließendes Verhältnis nach Zeitablauf, Prekarium, s. a. BittleiheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1983:0010OB00018.83.0629.000Dokumentnummer
JJT_19830629_OGH0002_0010OB00018_8300000_000