Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Lachner und Hon.Prof.
Dr. Brustbauer als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Preiß als Schriftführer in der Strafsache gegen Günther A wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB. und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 17. August 1982, GZ. 20 Vr 3113/81-59, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
über die Berufungen wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.
Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der 42-jährige Günther A der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 (Punkte I 1 - 3 des Urteilssatzes), der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs. 1 StGB. (Punkt IV), der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1 StGB. (Punkt II), der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und Abs. 2 StGB. (Punkt III), der Sachbeschädigung nach § 125 StGB. (Punkt VI) und der Nötigung zur Unzucht nach § 204 Abs. 1 StGB. (Punkt V) schuldig erkannt.
Die bezeichneten Vergehen - mit Ausnahme jenes zu Punkt VI und zweier weiterer Fälle der Körperverletzung -
liegen ihm deshalb zur Last, weil er in Salzburg Sylvia B am 21. September 1981 durch Versetzen mehrerer Faustschläge ins Gesicht, die eine Schädelprellung mit nachfolgender starker Schwellung der Nase sowie einen Bluterguß am Oberlid zur Folge hatten, sowie außerdem in der Zeit von Ende September bis 24.Oktober 1981 durch Versetzen von Schlägen in ca. zehn bis zwölf Angriffen, die zu Blutergüssen im Bereich der rechten Nierengegend und des rechten Oberschenkels sowie Schwellungen und blauen Flecken (Hämatome) an ihrem Körper, verbunden mit Schmerzen, führten, vorsätzlich am Körper verletzte (Punkte I 2,3); von Ende September bis 24.Oktober 1981
Sylvia B in etwa 15 Angriffen dadurch, daß er ihr den Wohnungsschlüssel zu ihrer Wohnung abnahm und sie jeweils während einer Dauer von etwa vier bis zwölf Stunden in der Wohnung einsperrte, widerrechtlich gefangen hielt (Punkt IV); am 26.August 1981 in der Bar 'X' Isolde C mit Gewalt, indem er ihr den Telefonapparat aus der Hand riß, sodaß dieser zu Boden fiel, zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme von der Erstattung einer Strafanzeige wegen Sachbeschädigung, zu nötigen versuchte (Punkt II); in der Zeit von Ende September bis 24.Oktober 1981 Sylvia B wiederholt durch die öußerungen 'Ich mach dich kalt, ich bring dich um, ich schlage dich zusammen, daß du nicht mehr auf die Straße kannst', sohin mit dem Tod gefährlich bedrohte, um die Genannte in Furcht und Unruhe zu versetzen (Punkt III) sowie in der Zeit von Anfang Oktober bis 24.Oktober 1981 in sechs Angriffen Sylvia B mit Gewalt, indem er ihr Schläge versetzte, sowie durch die öußerung, er werde sie umbringen, sohin durch gefährliche Drohung zur Unzucht, nämlich zur Durchführung von Oral- und Analverkehr sowie zum Verschlucken seines Urins und Verschmieren seiner Exkremente an ihrem Körper, nötigte (Punkt V).
Den Schuldspruch (und zwar der Sache nach nur im zuletzt bezeichneten Umfang) bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z. 4, 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO.
gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt. Verfahrensmängel (Z. 4) erblickt der Beschwerdeführer in der Ablehnung der von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung zum Urteilsfaktum Punkt II gestellten Anträge (S. 282/I) auf Ausforschung und Einvernahme der Zeugen Kurt D (auch E) und Klaus F zum Beweis dafür, daß 'die Version des Angeklagten bezüglich des Telefons richtig ist und daß er niemand zur Unterlassung einer telefonischen Anzeige gehindert hat', sowie auf Einholung eines psychiatrischen Gutachtens, daß die Zeugin Sylvia B zur Lügenhaftigkeit neige.
Das Gericht wies den erstangeführten (seiner Meinung nach bloß auf eine Verfahrensverzögerung hinauslaufenden) Antrag mit der - zum Teil erst im Urteil nachgetragenen -
Begründung (S. 282, 307/I) ab, daß das Gegenteil von dem, was die genannten Zeugen bestätigen sollen, schon durch verläßliche Aussagen anderer Zeugen erwiesen sei und mit Grund angenommen werden könne, daß die vorliegenden Beweise durch die Aussagen der erst auszuforschenden Zeugen, falls diese überhaupt zur Erteilung einer Auskunft über erhebliche Tatsachen imstande sein sollten, nicht erschüttert werden könnten. Es stützte vielmehr (vgl. S. 305 ff./I) seine Feststellungen betreffend die von Punkt II des Urteilssatzes erfaßten Tathandlungen auf die für glaubwürdig erachteten Polizeiangaben der (Serviererin) Isolde C (S. 139/I) und auf die Aussage des Geschäftsführers der Bar 'X' Walter G (S. 124, 264 ff./I), im Zusammenhalt mit den Aussagen der bei der Hauptverhandlung (gleichfalls) als Zeugen vernommenen Polizeibeamten Peter H (S. 270/I) und Rudolf I (S. 271/I), denen gegenüber der Angeklagte im Zuge ihrer Intervention am Tatort ausdrücklich zugab (vgl. S. 12/I), C 'das Telefon' deshalb 'aus der Hand gerissen' zu haben, um dadurch die von ihr beabsichtigte Verständigung der Polizei zu verhindern.
Zur Ausforschung und Vernehmung der zudem erst in der (neu durchgeführten) Hauptverhandlung am 17.August 1982 (erstmals) genannten Zeugen war das Erstgericht abgesehen davon, daß weder dem Beweisantrag noch dem bezüglichen Beschwerdevorbringen zu entnehmen ist, daß die in Rede stehenden Zeugen zur Tatzeit im 'X' waren und daß sie den Angeklagten bzw. die Serviererin C dauernd beobachten konnten bzw. auf das hinter der Theke befindliche Telefon (vgl. S. 124/I) Sicht hatten, schon darum nicht gehalten, weil der Angeklagte im Beweisantrag keine wie immer gearteten (konkreten) Umstände dargetan hat, aus denen erwartet werden kann, daß die Durchführung des beantragten Beweises auch tatsächlich ein im Widerspruch zu seinen eigenen Angaben gegenüber der Polizei und den zuvor wiedergegebenen Zeugenaussagen stehendes Ergebnis haben werde (vgl. EvBl. 1968/117 u.v.a.).
Ebensowenig wurden durch die vom Erstgericht abgelehnte (S. 282, 315/I) Einholung eines psychiatrischen Gutachtens über die Aussageehrlichkeit der Zeugin Sylvia B Verteidigungsrechte des Angeklagten beeinträchtigt. Denn die Untersuchung des Geisteszustands eines Zeugen setzt zum einen, soll sie nicht - so wie hier angesichts des Fehlens jeglicher Begründung (vgl. S. 43/II) für die Behauptung, Sylvia B neige zur Lügenhaftigkeit - auf die unzulässige Aufnahme eines reinen Erkundungsbeweises hinauslaufen, konkret erhebliche Bedenken gegen dessen allgemeine Wahrnehmungs- oder Wiedergabefähigkeit (§ 151 Z. 3 StPO.) oder doch gegen seine (vom Einzelfall unabhängige) Aussageehrlichkeit schlechthin - die bei Erwachsenen nur ausnahmsweise aktuell sein werden - voraus (vgl. SSt. 49/55, EvBl. 1975/120 u.a.m.); sie ist zum anderen, weil sich die Zeugenpflicht nur auf das Erscheinen vor Gericht und auf das Ablegen des Zeugnisses erstreckt (§§ 150, 160 StPO.), lediglich mit seiner Zustimmung gestattet (vgl. ÖJZ-LSK. 1979/177, SSt. 29/85 u.a.m.). Umstände hingegen, die bloß gegen die Glaubwürdigkeit oder Verläßlichkeit eines Zeugen im gegebenen Anlaßfall sprechen, unterliegen, wie das Schöffengericht zutreffend erkannte, ausschließlich der Beweiswürdigung durch das Gericht (EvBl. 1983/18).
Die Mängelrüge enthält ihrer Art und Zielsetzung nach primär eine unzulässige und damit unbeachtliche Bekämpfung der Beweiswürdigung des Erstgerichts. Insoweit der Beschwerdeführer - zum Teil ohne nähere Substanzierung - eine Unvollständigkeit, Undeutlichkeit bzw. Aktenwidrigkeit der Urteilsbegründung behauptet, handelt es sich zudem durchwegs um Umstände, die nicht entscheidungswesentlich sind und darum keiner gesonderten Erörterung bedurften (§ 270 Abs. 2 Z. 5 StPO.). So ist es etwa für die vorliegende Entscheidung ohne Belang, ob zwischen Sylvia B und dem Angeklagten im Jahr 1981 eine von der Genannten ausdrücklich verneinte (S. 64/I) Lebensgemeinschaft bestanden hat, zumal zum einen - selbst bei Annahme einer Privilegierung (gemäß § 107 Abs. 3 StGB.) - die von Sylvia B am 5. November 1981 gegenüber dem Untersuchungsrichter abgegebene Erklärung, sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligte anzuschließen (S. 66/I) jedenfalls als Ermächtigung zur Strafverfolgung gilt (§ 2 Abs. 5 StPO.), und zum anderen ehemaligen Lebensgefährten als Zeugen kein Entschlagungsrecht zukommt (vgl. ÖJZ-LSK. 1976/85).
Insoweit der Beschwerdeführer dem Erstgericht in Ansehung der Konstatierung, er neige zu Trunk und Spiel (S. 311 f.) und sei auch mit den (allgemein bekannten und demzufolge nicht näher erörterungsbedürftigen) Gepflogenheiten im Zuhältermilieu vertraut, eine unvollständige bzw. unterbliebene Beweisaufnahme zum Vorwurf macht, behauptet er in Wahrheit einen Verfahrensmangel (Z. 4), für dessen Geltendmachung es jedoch schon an einem in der Hauptverhandlung (konform) gestellten Antrag fehlt; im übrigen waren die in Rede stehenden, die Lebensführung des Angeklagten betreffenden Umstände nicht weiter beweisbedürftig, weil er seine Zugehörigkeit zur Zuhälterszene gar nicht in Abrede stellte (S. 252/I) und auch seine Neigung zu Trunk und Spiel selbst zugegeben hat (vgl. S. 252, 254, 260/I).
Mit der Tatsache hinwieder, daß der praktische Arzt Dr. J in der von ihm am 22.September 1981 ausgestellten Bescheinigung (S. 109/I) als Entstehungsursache für die von ihm bei B konstatierten und Gegenstand des Schuldspruchs zu Punkt I 2 des Urteilssatzes bildenden Verletzungen einen 'häuslichen Unfall' anführte, hat sich das Schöffengericht dem Beschwerdevorbringen zuwider ohnedies (gewissenhaft) auseinandergesetzt; es gelangte jedoch, gestützt auf die Aussage der Sylvia B und deren Bruders Peter B - demgegenüber der Angeklagte die Tat eingestanden hat - unter Ablehnung der leugnenden Verantwortung des Angeklagten zur überzeugung (§ 258 Abs. 2 StPO.), daß der Angeklagte der Genannten die in Rede stehenden Verletzungen durch zwei Faustschläge ins Gesicht vorsätzlich zugefügt hat, hierauf Sylvia B als diese auf die Beiziehung eines Arztes bestand, zu Dr. J begleitete, wo er ihr 'keine Chance ließ, dem Arzt die Wahrheit über die Verletzungsursache zu schildern' (vgl. S. 298, 308). Was die Beschwerde gegen diese Würdigung der Verfahrensergebnisse durch das Schöffengericht vorbringt, zielt lediglich darauf ab, aus den beim Schuldspruch verwerteten Verfahrensergebnissen andere, für den Angeklagten günstigere Schlüsse zu ziehen, als sie das Gericht daraus denkfolgerichtig abgeleitet hat; und es stellt sich damit der Sache nach bloß als unzulässige Bekämpfung der erstgerichtlichen Beweiswürdigung dar. Die Mängelrüge (Z. 5) ist daher gleichfalls unbegründet.
Nicht gesetzmäßig ausgeführt ist die Rechtsrüge (Z. 9 lit. a), mit welcher der Angeklagte (zunächst) den Schuldspruch wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung (laut Punkt III des Urteilssatzes) mit dem Argument als verfehlt bekämpft, die vom Erstgericht festgestellten öußerungen des Angeklagten gegenüber Sylvia B 'ich mach dich kalt, ich bringe dich um, ich schlage dich so zusammen, daß du nicht mehr auf die Straße kannst', seien keinesfalls als (gewollte gefährliche) Drohungen, sondern (bloß) als (nicht ernst gemeinte) milieubedingte Unmutsäußerungen zu verstehen. Denn damit setzt sich der Beschwerdeführer über die dem Urteil eindeutig zu entnehmende Konstatierung hinweg, wonach die deliktsessentielle Absicht des Angeklagten darauf gerichtet war, die B, der er bei früheren Anlässen Körperverletzungen zugefügt hatte, durch die in Rede stehenden Drohungen, die zur Erweckung begründeter Besorgnisse objektiv geeignet waren, in Frucht und Unruhe zu versetzen (vgl. S. 316 f, i.V.m. 300, 310/I). Solcherart wird daher der behauptete Rechtsirrtum nicht, so wie dies die Prozeßordnung erfordert, aus einem Vergleich des festgestellten Sachverhalts mit dem darauf angewendeten materiellen Strafrecht abzuleiten versucht.
Gleiches gilt schließlich auch für die weiteren Rechtsrügen, mit denen der Beschwerdeführer in Ansehung der Schuldsprüche wegen Freiheitsentziehung (Punkt IV) und Nötigung zur Unzucht (Punkt V) unter übergehen der gegenteiligen Feststellungen des Erstgerichts von den urteilsfremden Annahmen ausgeht, Sylvia B sei mit 'seinem Verhalten' (nämlich dem Eingesperrtwerden in der - im 6. Stockwerk gelegenen - Wohnung) einverstanden gewesen (vgl. hiezu S. 296 f., 311, 317 f./I) und habe den ihm angelasteten Unzuchtshandlungen auf Grund einer - vom Schöffengericht allerdings ebenso wie auch jedwedes anderweitiges abnorme Verhalten im sexuellen Bereich mit mängelfreier Begründung negierten - masochistischen Veranlagung zugestimmt (vgl. S. 300 ff., 312 f., 313).
Rechtliche Beurteilung
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet (§ 285 d Abs. 1 Z. 2 StPO.) und teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt (§§ 285 d Abs. 1 Z. 1, 285 a Z. 2 StPO.) schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft hingegen wird gesondert bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung zu entscheiden sein (§ 296 Abs. 3 StPO.).
Anmerkung
E04242European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1983:0100OS00099.83.0629.000Dokumentnummer
JJT_19830629_OGH0002_0100OS00099_8300000_000