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21/03 GesmbH-Recht;Norm
AlVG 1977 §12 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. Alexander Neurauter, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Petersplatz 3, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien ausgefertigten Bescheid vom 2. April 2004, Zl. LGSW/Abt.3-AlV/1218/56/2004-3284, betreffend Widerruf und Rückforderung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stellte am 29. Juli 2002 mit dem bundeseinheitlich aufgelegten Formular bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice S. einen Antrag auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld, in dem er die Frage nach einer aktuellen Beschäftigung verneinte. Die Frage, ob ein Anspruch auf Kündigungsentschädigung bestehe, bejahte der Beschwerdeführer; die Ansprüche seien nicht ausbezahlt worden, weil der Dienstgeber insolvent geworden sei.
Gemäß einer von einem Rechtsanwalt als Masseverwalter unterzeichneten Arbeitsbescheinigung vom 18. Juli 2002, war der Beschwerdeführer vom 15. November 2000 bis zum 30. April 2002 - wie sich aus dem Akt ergibt: bei der R. GmbH - als kaufmännischer Angestellter tätig, wobei das Dienstverhältnis durch vorzeitigen Austritt gemäß § 25 KO beendet worden sei. Die Bezüge seien bis 31. März 2002 ausbezahlt worden.
Dem Beschwerdeführer wurde für die Zeit ab 15. Juli 2002 Arbeitslosengeld ausbezahlt.
Am 11. April 2003 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Zuerkennung von Notstandshilfe und verneinte die im Antragsformular gestellte Frage nach einer aktuellen Beschäftigung. Für die Zeit ab 14. April 2003 wurde dem Beschwerdeführer Notstandshilfe ausbezahlt.
Offenkundig wegen des Wechsels seines Wohnsitzes stellte der Beschwerdeführer am 12. Mai 2003 bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien E. neuerlich einen Antrag auf Zuerkennung von Notstandshilfe und verneinte wiederum die Frage nach einer Beschäftigung.
Nach einem im Verwaltungsakt einliegenden Auszug aus dem Firmenbuch vom 24. November 2003 war der Beschwerdeführer seit 2. Oktober 2000 Geschäftsführer der R. GmbH, seit 7. November 2001 auch selbstständig vertretungsbefugt.
Der Beschwerdeführer gab am 15. Dezember 2003 bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien E. niederschriftlich vernommen an, er sei bis 31. Mai 2002 "selbständig tätig" gewesen, bis 30. April 2002 bei der R. GmbH und danach bis 31. Mai 2002 bei der A. GmbH.
Mit zwei Bescheiden vom 13. Jänner 2004 widerrief die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien E. den Bezug des Arbeitslosengeldes durch den Beschwerdeführer für die Zeit vom 15. Juli 2002 bis zum 17. März 2003 und vom 20. März bis zum 13. April 2003 sowie den Bezug der Notstandshilfe für die Zeit vom 14. April bis zum 6. Mai 2003 und vom 8. Mai bis zum 31. Oktober 2003 und verpflichtete den Beschwerdeführer zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes in der Höhe von EUR 6.655,76 sowie der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe in der Höhe von EUR 4.550,--. Begründend führte die erstinstanzliche Behörde jeweils aus, der Beschwerdeführer sei nicht arbeitslos gewesen; in dem das Arbeitslosengeld betreffenden Bescheid setzte sie hinzu, er habe das organschaftliche Verhältnis zur R. GmbH nicht beendet.
Gegen diese Bescheide erhob der Beschwerdeführer Berufungen, in denen er im Wesentlichen gleich lautend vorbrachte, über das Vermögen der R. GmbH sei am 9. April 2002 der Anschlusskonkurs eröffnet worden; mit Beschluss vom 22. April 2002 sei die Schließung des Unternehmens angeordnet worden. Das Unternehmen sei am 30. April 2002 geschlossen und in der Folge samt allen Vermögensbestandteilen an eine andere GmbH verkauft worden. Das Konkursverfahren über die R. GmbH sei nach wie vor anhängig. Das Dienstverhältnis des Beschwerdeführers "als Geschäftsführer" sei am 30. April 2002 durch den Masseverwalter aufgelöst worden; seit diesem Zeitpunkt sei der Beschwerdeführer für die Gesellschaft nicht mehr tätig. Aus dem Firmenbuch sei ersichtlich, dass die Gesellschaft aufgelöst sei, eine Liquidation sei nicht eingeleitet worden. Der Beschwerdeführer sei nur deshalb noch als Geschäftsführer im Firmenbuch eingetragen, weil er, ohne in einem Dienstverhältnis zu stehen, im Betrieb der Ehefrau, die Mehrheitsgesellschafterin der Gesellschaft sei, organschaftlich tätig sei, ohne dass er dafür ein Entgelt erhalte. Er sei daher arbeitslos im Sinne des § 12 Abs. 6 lit. d AlVG.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde den Berufungen keine Folge. In der Begründung gab sie den Gang des Verwaltungsverfahrens wieder und stellt unter anderem fest, der Beschwerdeführer sei vom 15. November 2000 bis zum 30. April 2002 in einem arbeitslosenversicherungspflichtigen Dienstverhältnis zur R. GmbH gestanden. Seit 2. Oktober 2000 sei er handelsrechtlicher Geschäftsführer der Gesellschaft; dieses organschaftliche Verhältnis sei nach wie vor aufrecht. Das Konkursverfahren sei noch nicht abgeschlossen.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, die Beendigung des Dienstverhältnisses zu einer GmbH führe nicht zur Arbeitslosigkeit, wenn der Beschäftigte gleichzeitig Geschäftsführer der Gesellschaft gewesen sei und diese Funktion weiter innehabe. Weder die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Gesellschaft noch die Unentgeltlichkeit der Geschäftsführertätigkeit könnten an diesem Ergebnis etwas ändern.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Arbeitslos ist gemäß § 12 Abs. 1 AlVG, wer nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat.
Gemäß § 24 Abs. 2 AlVG ist, wenn sich die Zuerkennung oder die Bemessung des Arbeitslosengeldes nachträglich als gesetzlich nicht begründet herausstellt, die Zuerkennung zu widerrufen oder die Bemessung rückwirkend zu berichtigen.
Nach § 25 Abs. 1 AlVG ist bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung der Empfänger des Arbeitslosengeldes zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte.
Diese Bestimmungen sind auch auf die Notstandshilfe anzuwenden (§ 38 AlVG).
In seinem Erkenntnis vom 30. Mai 1995, Zl. 93/08/0138, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt und ausführlich begründet, dass im Falle eines Geschäftsführers einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung die Arbeitslosigkeit im Sinne des § 12 AlVG nicht schon dann vorliegt, wenn beim anwartschaftsbegründenden Beschäftigungsverhältnis der Anstellungsvertrag aufgelöst wurde, sondern erst dann, wenn auch die Hauptleistungspflicht, soweit sie mit der Innehabung der Funktion eines Geschäftsführers nach dem GmbH-Gesetz zwingend verbunden ist, nicht mehr besteht, das heißt, dass auch das Organschaftsverhältnis zur Gesellschaft erloschen sein muss.
Besteht das Organschaftsverhältnis weiter, ist es ohne Bedeutung, ob der Geschäftsführer tatsächlich eine Tätigkeit entfaltet (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 20. Februar 2002, Zl. 99/08/0022) oder ob er ein Entgelt erhält (vgl. das Erkenntnis vom 20. Februar 2002, Zl. 2002/08/0009). Es spielt auch keine Rolle, dass über das Vermögen der Gesellschaft - verbunden mit Auflösung der Gesellschaft - der Konkurs eröffnet wurde (vgl. das Erkenntnis vom 30. April 2003, Zl. 2002/08/0046).
Der Beschwerdeführer war während des gesamten Widerrufszeitraumes Geschäftsführer der R. GmbH, zu der auch das die Anwartschaft begründende Beschäftigungsverhältnis bestand. In der Beschwerde behauptet der Beschwerdeführer in erster Linie, er sei mit Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses deswegen arbeitslos geworden, weil seine Ehefrau einzig verbliebene Gesellschafterin der R. GmbH sei. Der Beschwerdeführer sei daher im Betrieb der Ehefrau tätig; sein fiktives Entgelt auf Grund dieser Tätigkeit überschreite nicht die Geringfügigkeitsgrenze.
Gemäß der in den Berufungen und in der Beschwerde zitierten Norm des § 12 Abs. 6 lit. d AlVG gilt als arbeitslos, wer, ohne in einem Dienstverhältnis zu stehen, im Betrieb des Ehegatten, der Eltern oder Kinder tätig ist, sofern das Entgelt aus dieser Tätigkeit, würde sie von einem Dienstnehmer ausgeübt, die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge nicht überstiege.
Auf diese Bestimmung kann sich der Beschwerdeführer aber schon deswegen nicht berufen, weil es sich beim Betrieb einer GmbH, selbst wenn nur ein Gesellschafter vorhanden ist, nicht um den Betrieb des Gesellschafters, sondern um jenen der Gesellschaft handelt (vgl. das Erkenntnis vom 31. Mai 2000, Zl. 96/08/0024).
Soweit der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt der geltend gemachten Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im Hinblick auf das behauptete Vorliegen eines Familienbetriebes das Fehlen von Feststellungen über die Gesellschaftsverhältnisse der R. GmbH sowie darüber, dass er kein Entgelt bezogen habe, rügt, ist unter Hinweis auf die zitierte Rechtsprechung darauf zu verweisen, dass solche Feststellungen zu keinem anderen Ergebnis führten und daher nicht von Bedeutung sind.
Vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtslage hat die belangte Behörde zutreffend angenommen, dass der Beschwerdeführer während der von ihr festgestellten Zeiträume nicht arbeitslos gewesen ist; sie hat daher die Zuerkennung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe zu Recht widerrufen.
Die Frage nach einer Beschäftigung als Geschäftsführer ist in den vom Beschwerdeführer ausgefüllten Antragsformularen ausdrücklich angeführt, sodass deren Verneinung durch den Beschwerdeführer eine unwahre Angabe im Sinne des § 25 Abs. 1 AlVG ist; die belangte Behörde ist daher zutreffend auch vom Vorliegen des genannten Rückforderungstatbestandes ausgegangen (vgl. das Erkenntnis vom 13. August 2003, Zlen. 2000/08/0154, 0155, 0156).
Der Beschwerdeführer vermochte insgesamt keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 25. Mai 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2004080167.X00Im RIS seit
15.07.2005Zuletzt aktualisiert am
06.07.2012