Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof.Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Felzmann als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Kathrein als Schriftführer in der Strafsache gegen Horst A wegen des Vergehens der Nötigung zur Unzucht nach § 204 Abs. 1 StGB. und anderer strafbarer Handlungen nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 8.Juni 1983, GZ. 7 Vr 1196/83-20, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Vergehens der Nötigung zur Unzucht nach § 204 Abs. 1 StGB. (I 1 lit. b des Urteilsspruchs) und somit auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 12.Mai 1953 geborene beschäftigungslose Horst A des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs. 1
StGB. und des Vergehens der Nötigung zur Unzucht nach § 204 Abs. 1 StGB. (I 1 des Urteilsspruchs), des Vergehens der Amtsanmaßung nach § 314 StGB. (I 2 des Urteilsspruches) und des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB. (II des Urteilsspruches) schuldig gesprochen. Er hat in Graz I. am 31.März 1983
1. Maritta B unter der Vorgabe Kriminalbeamter zu sein, durch die Äußerung: 'Ich gebe dir eine Chance, entweder läßt du mich pudern, ohne etwas zu bezahlen oder du wird von mir eingesperrt, auch werde ich dafür sorgen, daß du von meinen Kollegen jeden Tag, den du auf den Strich gehst, angezeigt wirst und in den Häfen kommst', somit durch gefährliche Drohung, a) zum außerehelichen Beischlaf und b) zur Unzucht, nämlich zur Durchführung eines Mundverkehrs genötigt,
2. sich die Ausübung eines öffentlichen Amtes angemaßt, indem er sich gegenüber Maritta B als Kriminalbeamter ausgab und als solcher von ihr die Ausfolgung des Meldezettels und des Reisepasses zwecks Feststellung der Personaldaten verlangte, II. am 18.März 1983 eine fremde bewegliche Sache vorsätzlich dadurch beschädigt, daß er eine Thekenlampe aus der Verankerung riß, wodurch der an der elektrischen Anlage zum Nachteil des Bruno C entstandene Schaden 2.000 S beträgt. Nach den wesentlichen Feststellungen des Erstgerichtes sprach der Angeklagte am 31.März 1983 die Prostituierte Maritta B an und vereinbarte mit ihr für einen Geschlechtsverkehr die Bezahlung eines Betrages von 200 S. Daraufhin stieg die Zeugin in den PKW. des Angeklagten ein, der das Fahrzeug an einen abgelegenen Ort lenkte. Dort lehnte der Angeklagte die Bezahlung des vereinbarten Betrages für den Geschlechtsverkehr ab, behauptete, daß er der Kriminalbeamte
D der Bundespolizeidirektion Graz sei, und erklärte der Zeugin, daß er ihr noch eine Chance gebe, entweder sie lasse sich von ihm pudern, ohne etwas zu bezahlen, oder sie werde von ihm eingesperrt. Auch werde er dafür sorgen, daß sie von seinen Kollegen jeden Tag, den sie auf den Strich gehe, angezeigt werde und in den Häfen komme. Durch diese Drohungen war die Zeugin derartig verängstigt, daß sie zusagte, alles zu tun, was er verlange, und kam sie auch seiner Aufforderung nach, sich auszuziehen. In der Folge erklärte der Angeklagte, daß er nun keinen Geschlechtsverkehr durchführen wolle, sondern sie solle ihm einen herunterblasen, und er würde ihr 5.000 S bezahlen, wenn sie mit ihm ohne Schutzgummi einen Oralverkehr durchführe. Die Zeugin hat dies aber (gemeint den Oralverkehr ohne Schutzgummi) abgelehnt. In der Folge kam es auch zu einem Geschlechtsverkehr.
Das Urteil (Faktum I) wird vom Angeklagten mit einer auf die Z. 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der Strafausspruch mit Berufung bekämpft. Lediglich der Schuldspruch wegen des Vergehens der Sachbeschädigung (Urteilsfaktum II) blieb unangefochten.
Als unvollständig und unzureichend begründet rügt der Beschwerdeführer zunächst das Urteil, weil die widerspruchsvollen Aussagen der Maritta B im Vorverfahren nicht erörtert und unzureichend gewürdigt worden seien, und das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Graz unberücksichtigt geblieben sei. Wenn sich das Erstgericht mit unbedeutenden Widersprüchen in der Darstellung der Zeugin B vor der Polizei und vor dem Untersuchungsrichter über den genauen Tatort nicht weiter befaßt hat, sondern sich begnügte, festzustellen, daß der PKW. vom Angeklagten an einen abgelegenen Ort gelenkt wurde (S. 110), betrifft dieser Mangel keinen für die Entscheidung wesentlichen Umstand.
Das Urteil, so führt der Beschwerdeführer den Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO. weiter aus, sei auch unzureichend begründet und aktenwidrig, weil es im Gegensatz zur Aussage der Zeugin B, annimmt, daß es dunkel war, als der Angeklagte die Generalien der Zeugin auf der Rückseite eines blauen Rückscheinbriefes aufschrieb, sodaß eine Verwechslung des Papiers mit einem Notizblock möglich erscheint.
Da nicht nur in der Dunkelheit, sondern auch bei Licht, allenfalls bei schlechter Beleuchtung, die Rückseite eines blauen Rückscheinbriefes mit einem Notizblock verwechselt werden kann, ist auch die Frage der Beleuchtung für die Beurteilung der Tat nicht ausschlaggebend.
Rechtliche Beurteilung
Im übrigen behauptet die Zeugin gar nicht mit Bestimmtheit, daß es sich um ein Heft oder einen Block gehandelt hat, sie spricht vielmehr von einem blauen Zettel (S. 44, 95, 113).
Mit der Frage der Alkoholisierung des Angeklagten im Tatzeitpunkt hat sich das Erstgericht auseinandergesetzt und ausreichend begründet, warum es der Aussage der Zeugin B folgt, sie habe beim Angeklagten keine Merkmale einer Alkoholisierung festgestellt, hingegen den Zeugen Werner und Erna E keinen Glauben schenkt (S. 112 bis 114). Mit dem (noch nicht rechtskräftigen) Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Graz vom 30.Mai 1983, mit dem nach den Angaben des Beschwerdeführers über ihn wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. a StVO. in Verbindung mit § 5 StVO. eine Geldstrafe verhängt wurde, weil er zur Tatzeit einen PKW.
in alkoholisiertem Zustand gelenkt hat, mußte sich das Gericht schon deswegen nicht befassen, weil auch für den Fachmann eine leichte Alkoholisierung nicht immer eindeutig erkennbar ist, und daher diese auch von der Zeugin Maritta B übersehen werden konnte. Auch die Verantwortung des Angeklagten, der jede Schuld bestritt, hat das Erstgericht nicht übergangen, sondern ihr vielmehr als durch die Aussage der Zeugin B widerlegt, den Glauben versagt (S. 114). Die behaupteten Begründungsmängel haften somit dem Ersturteil nicht an. Soweit aber der Angeklagte versucht, die Beweiswürdigung des Erstgerichtes zu bekämpfen, das zur überzeugung gekommen ist, daß die Drohung nicht nur geeignet war, begründete Besorgnis einzuflößen - was zur Begründung des Tatbestandes schon ausreicht -, sondern daß sie auch tatsächlich das Ziel, die Zeugin einzuschüchtern, erreichte (S. 111), sind seine Ausführungen unbeachtlich, weil im Nichtigkeitsverfahren vor dem Obersten Gerichtshof gegen ein Urteil eines Schöffengerichtes die Beweiswürdigung der Anfechtung entzogen ist.
Mit dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 9
lit. a StPO. macht der Beschwerdeführer als Feststellungsmangel geltend, daß sich das Erstgericht nicht mit dem Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion auseinandergesetzt hat, ohne aber darzutun, aus welchen Erwägungen dieses Erkenntnis für die Sachentscheidung von Bedeutung ist. Der materiellrechtliche Nichtigkeitsgrund ist somit insoweit nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt.
Berechtigt ist jedoch die Rechtsrüge, mit der der Schuldspruch auch wegen des Vergehens der Nötigung zur Unzucht nach § 204 Abs. 1 StGB. gerügt wird, denn es fehlen im angefochtenen Erkenntnis Feststellungen, die eine Beurteilung zulassen, ob der abgenötigte Mundverkehr - welcher Vorgang den Feststellungen des Erstgerichtes nicht zu entnehmen ist - nur Vorbereitungshandlung (bzw. Zwischen- oder Nachphase) der Beischlafshandlung war, in diesem Fall läge Scheinkonkurrenz vor, oder ob die angestrebte Unzuchtshandlung auf einen gesonderten Willensentschluß des Täters beruhte (vgl. Leukauf-Steininger2
§ 202 StGB. RN. 20). Dieser Feststellungsmangel verhindert somit die Beurteilung, ob der Angeklagte das Vergehen der (versuchten) Nötigung zur Unzucht nach § 204 Abs. 1 StGB.
zusätzlich zu dem Verbrechen der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs. 1 StGB. in Realkonkurrenz zu verantworten hat. Es war somit bereits in einer nichtöffentlichen Beratung die auf § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO. gestützte Nichtigkeitsbeschwerde teils nach § 285 d Abs. 1 Z. 1 StPO.
in Verbindung mit § 285 a Z. 2 StPO. als nicht gesetzmäßig ausgeführt und teils nach § 285 d Abs. 1 Z. 2 StPO. als offenbar unbegründet sofort zurückzuweisen. Soweit die Nichtigkeitsbeschwerde Feststellungsmängel (§ 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a, richtig Z. 10 StPO.) hinsichtlich des Schuldspruches wegen des Vergehens der Nötigung zur Unzucht nach § 204 Abs. 1 StGB. geltend macht, war ihr Folge zu geben und gemäß § 285 e StPO. zu entscheiden, im übrigen war aber auch die auf materielle Nichtigkeitsgründe gestützte Beschwerde zurückzuweisen. Die teilweise Aufhebung des Schuldspruches hatte zur Folge, daß auch der Strafausspruch aufzuheben war.
Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
Anmerkung
E04298European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1983:0120OS00103.83.0825.000Dokumentnummer
JJT_19830825_OGH0002_0120OS00103_8300000_000