Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 1.September 1983
unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Bernardini, Dr. Reisenleitner, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Maresch als Schriftführerin in der Strafsache gegen Josef A wegen des Verbrechens des Diebstahls nach §§ 15, 127, 129 StGB. über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 17.März 1983, GZ. 5 a Vr 819/83-16, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Felzmann, der Ausführungen der Verteidigerin Dr. Weiser und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Bassler, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird Folge gegeben und die Strafe auf 15 (fünfzehn) Monate herabgesetzt.
Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Der am 23.April 1953 geborene, zuletzt beschäftigungslose Gelegenheitsarbeiter Josef A wurde des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127 Abs. 1, 129 Z. 1 StGB. schuldig erkannt.
Darnach hat er am 21.Jänner 1983 in Wien mit Bereicherungsvorsatz versucht, mittels eines Schraubenziehers drei Wohnungstüren aufzubrechen, um sich Geld und verwertbare Gegenstände anzueignen. Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z. 4, 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO.
gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Rechtliche Beurteilung
Dem Vorbringen der Verfahrensrüge, durch den Verzicht auf die Vernehmung der geschädigten Wohnungsinhaberin Rosemarie B sei es dem Angeklagten verwehrt worden, seine Unschuld in diesem Faktum zu beweisen, ist lediglich zu entgegnen, daß Rosemarie B zur Hauptverhandlung als Privatbeteiligte geladen war (S. 58), nicht erschien (S. 66) und es der Angeklagte unterließ, einen begründeten Antrag auf deren neuerliche Ladung und Vernehmung als Zeugin zu stellen. Er verzichtete vielmehr im Hinblick auf sein Geständnis auf weitere Beweisanträge (S. 67). Es fehlt somit an der formellen Voraussetzung für die erfolgversprechende Geltendmachung dieses Nichtigkeitsgrunds.
Die Mängelrüge versucht, einen entscheidungswesentlichen Widerspruch zwischen der Aussage des Zeugen Werner C in der Hauptverhandlung und der Urteilskonstatierung, der Angeklagte habe alle drei Wohnungstüren mit einem mitgebrachten Schraubenzieher aufzubrechen versucht, was durch entsprechende Einkerbspuren objektiviert sei, aufzuzeigen. Tatsächlich sprach der Zeuge davon, daß an seiner Tür keine Spuren zu sehen waren, sondern nur an der Tür des D (S. 66). Das Erstgericht stützte die bekämpfte Feststellung aber ausdrücklich auf das nach anfänglicher Abschwächung letztlich aufrechterhaltene Geständnis des Angeklagten (S. 19, 29, 65, 67). Darnach hat er sich auch bemüht, die Eingangstür zur Wohnung C mit seinem Schraubenzieher aufzubrechen und dabei Beschädigungen verursacht, die im Bericht des erhebenden Polizeibeamten festgehalten wurden (S. 16). Da es überdies für die Qualifikation der Tat als Diebstahlsversuch ohne Bedeutung ist, ob die Manipulation mit dem Einbruchswerkzeug Spuren hinterlassen hat, bestand keine Notwendigkeit, diesen Teil der Zeugenaussage gesondert zu würdigen. Zum Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO., zum Teil aber schon im Rahmen der Mängelrüge behauptet der Beschwerdeführer Feststellungsmängel: es sei nicht konstatiert, welche Beschädigungen an den einzelnen Türen aufschienen, ob es mit dem Schraubenzieher überhaupt möglich gewesen wäre, Wohnungstüren zu öffnen, und ob es sich beim Schraubenzieher um ein 'anderes', nicht zur ordnungsgemäßen Öffnung bestimmtes Werkzeug im Sinn des § 129 Z. 1 StGB. und überhaupt um einen tauglichen Versuch gehandelt habe. Absolut untauglich und daher straflos (§ 15 Abs. 3 StGB.) ist ein Versuch nur dann, wenn die Verwirklichung des Deliktstypus mit dem verwendeten Mittel oder an dem angegriffenen Objekt niemals erwartet werden kann. Davon kann nach der Lage des Falls keine Rede sein. Das Bemühen, mittels eines 30 cm langen (S. 16) Schraubenziehers durch Beschädigung der Sperrvorrichtung oder Lösen der Verankerung Türen gewaltsam zu öffnen, ist eine Handlungsweise, die schon nach der jedem Menschen zur Verfügung stehenden Lebenserfahrung (ohne daß man kriminalistische Spezialkenntnisse aufbieten müßte) durchaus zu dem vom Täter angestrebten Erfolg, nämlich dem Wohnungseinbruch, führen kann. Daß der Angeklagte in den urteilsgegenständlichen Fällen (im Gegensatz zu früheren Taten) zur Vollendung allenfalls zu wenig geschickt und geübt war, ist rechtlich ebenso ohne Bedeutung wie das Entstehen von Beschädigungen an den Türen. Die Tauglichkeitsprüfung fällt daher zu Lasten des Beschwerdeführers aus.
Im Urteil wurde die Diebstahlseignung nach § 129 Z. 1, erster Fall, StGB., nämlich 'Einbruch', wenn auch unter Verwendung des Schraubenziehers als Hilfsmittel zum Aufbrechen der Türen, angenommen. Die Beschwerdeargumentation betreffend die 'Bestimmung des Werkzeugs' zielt auf einen gar nicht unterstellten Qualifikationsfall (§ 129 Z. 1, vierter Fall, StGB.) und geht darum ins Leere.
Mithin war die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen. Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach § 129 StGB. zu einer zwanzigmonatigen Freiheitsstrafe und wertete als erschwerend die Wiederholung der Angriffe, die einschlägigen Vorstrafen und den äußerst raschen Rückfall (fünf Wochen nach gnadenweiser bedingter Entlassung !), als mildernd hingegen das Geständnis und den Umstand, daß es in allen drei Fällen beim Versuch geblieben ist. Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der Freiheitsstrafe an; dies im Ergebnis zu Recht.
Wenn der Angeklagte meint, die einschlägigen Vorstrafen seien nicht erschwerend, weil § 39 StGB. angewendet wurde, verwechselt er offensichtlich die Anwendung dieser Strafschärfungsnorm bei der urteilsmäßigen Strafzumessung (was erst bei überschreiten der Obergrenze des Strafrahmens des § 129 StGB. von fünf Jahren der Fall wäre) mit der Zuständigkeit eines höheren (hier: Schöffen-) Gerichts gemäß § 8 Abs. 3 StPO. infolge Zutreffens der Voraussetzungen des § 39 StGB. Die einschlägigen Vorstrafen wurden daher zu Recht als erschwerend berücksichtigt und haben ersichtlich zur Wahl eines die zuletzt ausgesprochene Unrechtsfolge (15 Monate) übersteigenden Strafausmaßes geführt. Hiebei wurde das im Geldmangel gelegene Motiv mit Fug nicht als mildernd gewertet, hat sich doch der Berufungswerber nicht bemüht, durch gelegentliche Arbeit mehr zu verdienen und (vor allem) das erzielte Einkommen sinnvoll einzuteilen. Er fiel nämlich sofort wieder in seine (wie die Vorstrafakten zeigen) eingewurzelte kriminelle Neigung zurück, sich die für die Bestreitung seines Lebensunterhalts erforderlichen Mittel durch Wohnungseinbrüche zu verschaffen.
Allerdings kann nicht übersehen werden, daß bei den zuletzt zum AZ. 5 a Vr 1347/82 des Landesgerichts für Strafsachen Wien abgeurteilten Straftaten ein 100.000 S übersteigender Schaden entstanden war und die Strafe nach § 128 Abs. 2 StGB. (bis 10 Jahre) auszumessen war. Insoweit kommt dem Berufungsvorbringen, die für die Einbruchsversuche ausgesprochene Strafe sei überhöht, eine gewisse Berechtigung zu. Dem Akt kann nämlich entnommen werden, daß auch der an den Wohnungstüren verursachte, von der Qualifikation des § 129 StGB. umfaßte Schaden nicht sehr hoch anzusetzen ist (bei D rund 2.000 S - vgl. ON. 14).
Sonach kann eine maßvolle Herabsetzung der Freiheitsstrafe trotz hohem Schuldgehalt noch vertreten werden. Die so gut wie gänzliche Eindruckslosigkeit eines Gnadenerweises auf den Rechtsbrecher setzte dem Berufungserfolg freilich enge Grenzen.
Anmerkung
E04300European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1983:0130OS00109.83.0901.000Dokumentnummer
JJT_19830901_OGH0002_0130OS00109_8300000_000