Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 8.September 1983
unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Kirchbacher als Schriftführers in der Strafsache gegen Heinz A und Christa B wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 12, 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 4 StGB. und anderer strafbarer Handlungen über die von dem Angeklagten Heinz A gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengerichts vom 25.Jänner 1983, GZ. 10 Vr 2977/82-46, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich dieses Angeklagten nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Schneider, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Merey und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Kodek, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und die über den Angeklagten Heinz A verhängte Strafe auf 3 (drei) Jahre erhöht. Dieser Angeklagte wird mit seiner Berufung hierauf verwiesen. Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten Heinz A die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Der am 9.August 1947 geborene, beschäftigungslose Heinz A wurde der Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 12, 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 4
StGB., der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB., der Förderung gewerbsmäßiger Unzucht nach § 215 StGB., der Zuhälterei nach § 216 StGB. und der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt. Darnach hat er in Graz (B) 1. am 2. September 1982 die (gleichzeitig abgeurteilte) Christa B durch die wiederholte Äußerung, sie solle Elfriede C niederschlagen und fertigmachen, weil diese ihm zu 15 Monaten Gefängnis verholfen habe, dazu angestiftet, die Elfriede C durch Versetzen von Faustschlägen und Fußtritten schwer zu verletzen, wobei diese Tat an Elfriede C wegen Erfüllung ihrer Pflicht als Zeugin im Verfahren 10 Vr 2427/80 (richtig: 2467/80) des Landesgerichts für Strafsachen Graz begangen wurde;
2. zwischen dem 25.August 1982 und dem 10.September 1982 in wiederholten Angriffen Gertraud D durch Faustschläge und Fußtritte sowie Schläge mit einem Lederriemen verletzt (Hämatome am Kopf und Körper);
3. zwischen dem 13.August 1982 und dem 19.August 1982 Gertraud D dadurch, daß er ihr weitere Arbeiten in Abendlokalen verbot und sie zu einem Standplatz auf dem Lendplatz in Graz zum Zweck der Straßenprostitution brachte, wo er sie beaufsichtigte, der gewerbsmäßigen Unzucht zugeführt;
4. zwischen dem 19.August 1982 und dem 17.September 1982 seinen Unterhalt zur Gänze aus der gewerbsmäßigen Unzucht der Gertraud D durch deren Ausbeutung zu gewinnen gesucht, indem er ihr die gesamten Unzuchtserlöse jeweils bereits auf dem Standplatz abnahm;
5. zwischen dem 19.August 1982 und dem 17.September 1982 durch Fausthiebe, Fußtritte und Schläge mit einem Lederriemen (siehe oben 2) und durch wiederholte Äußerungen, wenn sie ihm davongehe, wenn sie 'springen' (gemeint: abspringen) sollte, würde er sie schon finden, sie 'herrichten' und es ihr so besorgen, daß es ihr wie der C gehe, bzw. wenn er keine Gelegenheit dazu hätte, würden das seine Freunde machen, Gertraud D durch Gewalt und durch gefährliche Drohung zur Fortsetzung der Prostitution genötigt.
Mit einer auf §281 Abs. 1 Z. 5 und 10 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde ficht Heinz A der Sache nach die Schuldsprüche B 1, 4 und 5 an.
Gegen die Anstiftung zur schweren Körperverletzung wendet der Beschwerdeführer ein, dieser Schuldspruch sei offenbar unzureichend begründet und durch die Ergebnisse des Beweisverfahrens nicht gedeckt. Eine Einflußnahme seinerseits auf B werde im Gegensatz zu seiner Verantwortung und den Aussagen der Zeugen Manfred E, Johann F und Heinz G nur von der zur Tatzeit unter Alkoholeinfluß gestandenen Elfriede C bekundet.
Rechtliche Beurteilung
Mit diesen Ausführungen unternimmt der Beschwerdeführer, ohne die Mängelrüge zur gesetzmäßigen Darstellung zu bringen, nur den im Nichtigkeitsverfahren unzulässigen Versuch, die Beweiswürdigung des Schöffengerichts zu bekämpfen. Das Urteil setzt sich mit allen relevanten Umständen des Beweisverfahrens auseinander, erörtert insbesondere den Grad der Alkoholisierung der Elfriede C und verweisdkdtrauf, daß diese zufolge ihrer infolge der Verletzungen eingetretenen Bewußtlosigkeit sich an alle Einzelheiten des Geschehens nicht erinnern konnte. Die Täterschaft des Angeklagten konnte das Schöffengericht keineswegs nur auf Grund der Aussage dieser Zeugin, sondern auch derjenigen des Zeugen Manfred E sowie der Verlesung seiner Beschuldigtenverantwortung im Vorverfahren feststellen. Dazu kam, daß die Angeklagte B bei einem zufälligen Zusammentreffen im Polizeigewahrsam dem Beschwerdeführer eine Mitteilung über ihre für die Hauptverhandlung beabsichtigte Verantwortung machte (Urteilserwägungen S. 294 bis 300). Von einer offenbar unzureichenden Begründung kann somit keine Rede sein. Gegen den Schuldspruch wegen Zuhälterei wendet der Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf § 281 Abs. 1 Z. 5
StPO. ein, daß er immer angegeben habe, seinen Lebensunterhalt zum Teil aus Gewinnen im Kartenspiel gezogen zu haben, von seiner Haftentlassung bis Mitte 1982 (also vor Beginn des gegenständlichen Tatzeitraums am 19.August 1982) einer geregelten Beschäftigung nachgegangen und in der Folge beim Arbeitsamt als arbeitsuchend gemeldet gewesen zu sein. Außerdem habe er Gertraud D (zu ergänzen: von ihrem Einkommen als Prostituierte) täglich 200 S für ihre Wohnkosten und ihre übrigen Bedürfnisse gegeben.
Mit diesem Vorbringen, das nur Umstände betrifft, die das Erstgericht entweder ohnedies festgestellt (siehe S. 286 - Belassung von 200 S täglich) oder zumindest eingehend erörtert hat (S. 284 bis 286), wird gleichfalls kein Begründungsmangel dargetan. Sollte aber damit ein Mangel am Tatbestand behauptet werden (§ 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO.), so ist zu entgegnen, daß es völliger Einkommenslosigkeit des Täters gar nicht bedarf, weil es für den Tatbestand des § 216 StGB. genügt, daß der Zuhälter seinen Unterhalt nur zum Teil aus der gewerbsmäßigen Unzucht anderer Personen zu gewinnen sucht (siehe den Gesetzeswortlaut). Auch der Umstand, daß der Rechtsmittelwerber die Lebensbedürfnisse der Prostituierten aus deren eigenem Einkommen deckte, spricht keineswegs gegen das Tatbestandsmerkmal der Ausbeutung. Dieser Begriff verlangt zwar eine fühlbare Einschränkung der Lebensführung, erfordert aber nicht, daß die ausgebeutete Person geradezu in wirtschaftliche Bedrängnis gerät
(LSK.
1979/192, 1979/264 = EvBl. 1979/245 u.a.).
Vollends ins Leere gehen die Ausführungen zum Schuldspruch wegen des Vergehens nach § 105 Abs. 1 StGB. (S. 324).
Sie bestreiten eine dem Angeklagten gar nicht zum Vorwurf gemachte Nötigung der Gertraud D zur Ausübung der Prostitution, während der Beschwerdeführer in Wahrheit verurteilt wurde, die Genannte durch tätliche Mißhandlung und gefährliche Drohung gegen ihren mehrfach erklärten Willen zur Fortsetzung der Prostitution (für ihn als Zuhälter) genötigt zu haben. Die Veranlassung der Genannten, statt als Animiermädchen in einem Abendlokal zu arbeiten, die Straßenprostitution auszuüben, wurde hingegen als Vergehen nach § 215 StGB. beurteilt (B 3).
Mit dem ersten Teil seiner Rechtsrüge wendet sich der Beschwerdeführer gegen den Schuldspruch B 1, weil er Christa B zur Mißhandlung der Elfriede C nicht angestiftet habe. Damit bestreitet er lediglich in unzulässiger Weise die Richtigkeit der, wie oben dargelegt, mängelfrei getroffenen Feststellungen, ohne diese, wie es bei gesetzmäßiger Ausführung eines materiellen Nichtigkeitsgrunds erforderlich wäre, mit dem darauf angewendeten Gesetz zu vergleichen.
Dem weiteren Rechtseinwand, die Qualifikation des § 84 Abs. 1 StGB. liege nicht vor, weil die Verletzte ihre Tätigkeit als Prostituierte bereits drei oder vier Tage nach dem Vorfall wieder ausgeübt habe, ist zu entgegnen, daß die Schwere der Verletzung vom Erstgericht nicht etwa aus der Dauer der Gesundheitsstörung oder der Berufsunfähigkeit abgeleitet wurde. Ausgehend vom Gutachten des gerichtsärztlichen Sachverständigen Dr. H (ON. 26), das in der Hauptverhandlung verlesen wurde (S. 277), und dem Gutachten des weiteren ärztlichen Sachverständigen DDr. I (S. 274 ff.) wurde vielmehr das bei Elfriede C hervorgerufene Schädelhirntrauma wegen der damit eingetretenen Bewußtlosigkeit und Veränderungen im Hirnstrombild dem Begriff der an sich schweren Verletzung - in übereinstimmung mit der ständigen Judikatur, sonach zutreffend - unterstellt (S. 293, 301). Für eine solche 'an sich schwere' Verletzung ist nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes (arg.: 'oder') die Dauer der damit verbundenen Gesundheitsstörung oder Berufsunfähigkeit nicht entscheidend.
Soweit der Beschwerdeführer schließlich die Vergehenseignung nach § 84 Abs. 2 Z. 4 StGB. lediglich mit dem Vorbringen negiert, ihm sei eine 'tätige Mitwirkung an den Tätlichkeiten der Christa B' nicht nachgewiesen worden, genügt es, ihm zu entgegnen, daß eine 'tätige' Mitwirkung gar nicht als erwiesen angenommen, sondern daß er wegen Anstiftung der Haupttäterin B schuldig gesprochen wurde. Die unbegründete (zum Teil gar nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführte) Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen. Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten A gemäß § 84 Abs. 2 (Abs. 1) StGB. unter Bedachtnahme auf § 28 Abs. 1 StGB. eine Freiheitsstrafe von achtzehn Monaten. Es wertete bei der Strafbemessung die (sieben) auf gleicher schädlicher Neigung beruhenden Vorstrafen, das Zusammentreffen mehrerer (fünf) Vergehen, die Anstiftung der Angeklagten B und den ausgesprochen schlechten Leumund des Berufungswerbers als erschwerend, hingegen das Teilgeständnis hinsichtlich der an Gertraud D begangenen Körperverletzung als mildernd.
Der Angeklagte strebt mit seiner Berufung die Herabsetzung der Freiheitsstrafe an, der öffentliche Ankläger zielt mit seiner Berufung auf eine Erhöhung derselben ab.
Seine Vorführung zum Gerichtstag über die Berufungen hat Heinz A nicht beantragt.
Der Berufung der Staatsanwaltschaft kommt Berechtigung zu. Wie diese Rechtsmittelwerberin zutreffend ausführt, fällt als zusätzlicher Erschwerungsumstand ins Gewicht, daß die Qualifikation nach § 84 StGB. in zweifacher Hinsicht erfüllt ist, nämlich nach dem Abs. 1 und dem Abs. 2 Z. 4. Berücksichtigt man ferner den sehr raschen Rückfall (Vollzugsdatum der letzten Vorstrafe ist der 27.Novem- 1981, die neue Delinquenz begann im August 1982) und den Umstand, daß an sich die Strafschärfungsbedingungen des § 39 StGB. erfüllt sind, erachtet der Oberste Gerichtshof eine wesentlich strengere als die vom Schöffengericht geschöpfte Freiheitsstrafe als angemessen und notwendig.
Es war daher der Berufung des öffentlichen Anklägers in dem aus dem Urteilsspruch ersichtlichen Ausmaß Folge zu geben.
Dies hat die Verweisung des Angeklagten mit seiner Berufung auf die vom Obersten Gerichtshof in Stattgebung des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft ausgesprochene Freiheitsstrafe zur Folge.
Anmerkung
E04312European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1983:0130OS00108.83.0908.000Dokumentnummer
JJT_19830908_OGH0002_0130OS00108_8300000_000