Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 21. September 1983 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Schneider, Dr. Reisenleitner und Dr. Felzmann als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Borotschnik als Schriftführers in der Strafsache gegen Johann A wegen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach den §§ 15, 142 Abs 1, 143 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 27. Mai 1983, GZ 20c Vr 12.074/82-45, nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schneider, der Ausführungen der Verteidigerin Dr. Tichy und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Stöger, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung des Angeklagten wird dahin Folge gegeben, daß die über ihn verhängte Freiheitsstrafe auf 6 (sechs) Jahre herabgesetzt wird. Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 28. Jänner 1961 geborene Bäckergeselle Johann A des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach den §§ 15, 142
Abs 1, 143 StGB und des Vergehens des schweren Diebstahls nach den §§ 127 Abs 1, 128 Abs 1 Z 4 StGB schuldig erkannt.
Die Entscheidung gründet sich auf den Wahrspruch der Geschwornen, welche die in Richtung versuchten schweren Raubes gestellte 1. Hauptfrage ebenso wie die auf (insgesamt schweren) Diebstahl (in drei Fällen) lautende 3., 4. und 5. Hauptfrage jeweils einstimmig bejahten. Eine Beantwortung der für den Fall der Verneinung der 1. Hauptfrage in Richtung des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83, 84 Abs 1 StGB gestellte Eventualfrage entfiel demnach; sonstige Fragen waren den Geschwornen nicht gestellt worden.
Allein den Schuldspruch wegen Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach den §§ 15, 142 Abs 1, 143
StGB, laut welchem er am 9. November 1982 in Wien der Renate B durch Versetzen von Schlägen mit einem Hammer auf den Hinterkopf, wodurch Renate B schwere Verletzungen, nämlich Rißquetschwunden am Kopf und einen Bruch des Endgliedes des kleinen Fingers mit Aussprengung eines Knochenstückes erlitt, sohin mit Gewalt gegen eine Person unter Verwendung einer Waffe einen Bargeldbetrag in der Höhe von 1.200 S mit dem Vorsatz wegzunehmen versuchte, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei die Vollendung der Tat nur wegen der Hilferufe der Renate B unterblieb (Punkt I des Urteilsspruches), bekämpft der Angeklagte mit seiner nominell auf die Nichtigkeitsgründe der Z 6, 8 und 12 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Rechtliche Beurteilung
Eine Verletzung von die Fragestellung an die Geschwornen betreffenden Vorschriften im Sinn des Nichtigkeitsgrundes der Z 6. des § 345 Abs 1 StPO erblickt der Beschwerdeführer in der Unterlassung der Stellung von Zusatzfragen betreffend die Verwendung einer tauglichen Waffe beim versuchten Raub und den freiwilligen Rücktritt vom Versuch bei ebendiesem Verbrechen.
Darauf ist ihm jedoch zu entgegnen, daß die Stellung einer Zusatzfrage in der erstgenannten Richtung vorliegend durch nichts indiziert war, weil der Angeklagte der Renate B nach allen Verfahrensergebnissen einschließlich seines eigenen Geständnisses im Zug der Tathandlung zumindest einen Schlag mit einem Hammer versetzte und ein derartiges Werkzeug im Falle seiner Verwendung bei einem Raub als 'Waffe' im Sinn des § 143 1. Satz, 2. Fall StGB anzusehen ist (vgl. EvBl 1976/119 = ÖJZ-LSK 1975/206, ÖJZ-LSK 1977/312
u. a.E.). Daraus würde sich der Meinung des Beschwerdeführers zuwider auch dann nichts ändern, wenn - wie er es behauptet - die Verbindung zwischen Stiel und Eisenteil des Hammers locker gewesen sein sollte (sodaß sich die beiden Bestandteile - allerdings erst nach der Schlagführung - voneinander lösten).
Im übrigen wurde die Entscheidungsfreiheit der Geschwornen durch die Aufnahme des strafsatzändernden Umstandes der Verwendung einer Waffe in die Hauptfrage schon deshalb nicht eingeschränkt, weil den Geschwornen gemäß dem § 330 Abs 2
StPO die Möglichkeit offenblieb, diese Frage nur teilweise - sohin auch mit der Beschränkung, daß die Tat nicht 'unter Verwendung einer Waffe' begangen wurde - zu bejahen, worüber sie schon zufolge der (in ihrem Beratungszimmer anzuschlagenden) 'allgemeinen Belehrung' im Sinn des § 325 Abs 2
StPO, die unter anderem auch auf den Inhalt des § 330 StPO zu verweisen hat, informiert waren.
Ebensowenig war die Stellung einer Zusatzfrage nach Rücktritt vom Versuch (des schweren Raubes) indiziert. Denn dem Beschwerdevorbringen zuwider behauptete der Angeklagte im erstinstanzlichen Verfahren niemals, deshalb von der Zeugin B (freiwillig) abgelassen zu haben, weil 'es ihm sofort leid tat'. Vielmehr hatte er schon vor der Polizei angegeben, daß er davongelaufen sei, 'da sie (Renate B) weiter um Hilfe rief' (S. 52), und daß er nichts erbeutet habe, weil er 'rasch flüchten mußte' (S. 102), bzw. daß sein Opfer laut zu schreien begonnen habe und er so (deshalb) fluchtartig ihre Arbeitswohnung habe verlassen müssen (S. 124). Sinngemäß in gleicher Weise verantwortete er sich auch vor dem Untersuchungsrichter (S. 144). In der Hauptverhandlung brachte er zwar vor, daß 'es ihm sofort' - nach dem Hinschlagen mit dem Hammer, der daraufhin auseinandergefallen sei - 'leid getan' habe und er Renate B den Mund zuhalten wollte, um sie 'zu beruhigen'. Er führte diese angebliche Emotion aber keineswegs als Grund dafür an, daß er nicht weiter nach Beute suchte, sondern die Flucht ergriff. Auch bestätigte er, daß sich sein Opfer heftig wehrte und 'so laut geschrieen' habe, worauf er Angst bekommen habe und davongelaufen sei (S. 354). Es kann also selbst nach der eigenen Verantwortung des Angeklagten in der Hauptverhandlung keine Rede davon sein, daß er zum Zeitpunkt seiner Flucht aus der Wohnung der Renate B in seiner Entscheidung, die Tat zu vollenden oder hievon Abstand zu nehmen, noch innerlich frei gewesen wäre und die Vollendung der Tat (Sachwegnahme) sohin 'freiwillig' im Sinn des § 16 StGB unterlassen hätte. Da auch keine anderen Ergebnisse der Hauptverhandlung für einen freiwilligen Rücktritt vom Versuch sprechen, ist demnach die Stellung einer Zusatzfrage nach diesem Strafaufhebungsgrund zu Recht unterblieben.
Unter Anrufung des Nichtigkeitsgrundes der Z 8 des § 345 Abs 1 StPO - der Sache nach jedoch ebenfalls eine Gesetzesverletzung im Sinn des Nichtigkeitsgrundes der Z 6
der genannten Gesetzesstelle behauptend - rügt der Beschwerdeführer weiters das Unterbleiben einer Frage nach dem Bestehen eines Rechtsanspruches auf Rückerhalt des von ihm an die Prostituierte Renate B geleisteten Schandlohnes (auf dessen Wegnahme sein gewalttätiger Zugriff gerichtet war) im Hinblick auf die seiner Ansicht nach mangelhafte Erfüllung seiner Erwartungen durch die Genannte, bzw. einer Frage nach einem ihm insoweit unterlaufenen, nicht vorwerfbaren und sohin schuldausschließenden Rechtsirrtum (an einer Stelle der Beschwerdeausführung als 'Tatsachenirrtum' bezeichnet).
Auf diese Ausführungen ist zu erwidern, daß die Möglichkeit eines objektiv bestehenden Rechtsanspruches des Angeklagten auf den von seinem Wegnahmevorsatz umfaßten Bargeldbetrag nicht einmal im Falle entsprechender Indikation die Stellung einer Zusatzfrage gerechtfertigt hätte, da im Fall der Annahme eines solchen Rechtsanspruches durch die Geschwornen mangels Verwirklichung des Tatbildmerkmales eines Handelns mit Bereicherungsvorsatz schon die Hauptfrage nach dem Verbrechen des versuchten schweren Raubes zu verneinen und somit die in Richtung des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83, 84 Abs 1 StGB gestellte Eventualfrage zu beantworten gewesen wäre.
Die Hauptverhandlungsergebnisse weisen vorliegend aber auch nicht auf einen dem Angeklagten in dieser Richtung (allenfalls) unterlaufenen Rechtsirrtum hin. Denn der Angeklagte behauptete in der Hauptverhandlung gar nicht, auch nur subjektiv der Ansicht gewesen zu sein, er habe einen Rechtsanspruch auf Rückerhalt des gesamten von ihm bezahlten Betrages. Vielmehr bestritt er, nachdem er sich allerdings im Sinn der Anklageschrift - ausdrücklich auch in Richtung eines Raubes - für schuldig bekannt hatte (S. 343), zunächst jeden Vorsatz einer Sachwegnahme überhaupt und brachte vor, bloß deshalb mit dem Hammer auf Renate B eingeschlagen zu haben, weil er sich (anläßlich des geschlechtlichen Verkehrs) von ihr 'ausgelacht' vorgekommen und darüber zornig gewesen sei, wobei er ursprünglich überhaupt nur die Absicht gehabt habe, bei ihr 'etwas zu zerstören' (S. 352-354).
Erst nach mehrfachem Vorhalt seiner Angaben im Vorverfahren, in denen er auch zum Ausdruck gebracht hatte, daß er sich das bezahlte Geld habe zurückholen wollen, modifizierte er seine Darstellung dahin, er habe Renate B fragen wollen, ob sie ihm etwas von dem Geld zurückgebe, habe diesen Gedanken dann aber wieder verworfen und gedacht, er werde entweder etwas zerschlagen oder 'auf sie hinhauen' und ihr das Geld, das er ihr gegeben hatte, wieder wegnehmen (S. 358). Daß er der überzeugung gewesen wäre, zur Rückforderung des Schandlohnes berechtigt gewesen zu sein, ist somit seiner Einlassung nicht zu entnehmen.
Auch in diesem Zusammenhang erweist sich demnach die Fragestellung an die Geschwornen nicht mit dem Nichtigkeitsgrund der Z 6 des § 345 Abs 1 StPO behaftet.
Damit erledigt sich aber auch das Vorbringen zum Nichtigkeitsgrund der Z 8 des § 345 Abs 1 StPO, die den Geschwornen erteilte Rechtsbelehrung habe sich mit den rechtlichen Konsequenzen des allfälligen Bestehens eines Rechtsanspruches des Täters auf das den Gegenstand der versuchten Wegnahme bildende Geld, bzw. des Vorliegens eines nicht vorwerfbaren Rechtsirrtums des Täters in dieser Richtung nicht auseinandergesetzt, zumal das Tatbestandsmerkmal des Bereicherungsvorsatzes ohnedies in der schriftlichen Rechtsbelehrung ausreichend behandelt wurde und diese Belehrung sich auf die Erläuterung der in den gestellten Fragen aufscheinenden Rechtsbegriffe zu beschränken hat (vgl. Mayerhofer-Rieder, StPO II2, E. Nr. 20 und 22 zu § 345 Z 8 StPO). Die Rechtsbelehrung war sohin weder unrichtig noch in einer deren Unrichtigkeit gleichzuhaltenden Weise unvollständig. Soweit der Angeklagte sich schließlich unter Anrufung des Nichtigkeitsgrundes der Z 12 des § 345 Abs 1 StPO gegen die Beurteilung der unter Punkt I des Urteilsspruches umschriebenen Tat als versuchten schweren Raub mit der Behauptung wendet, ohne Bereicherungsvorsatz gehandelt zu haben, bringt er solcherart den geltend gemachten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung, weil er von einer urteilsfremden Annahme und nicht von dem im Wahrspruch der Geschwornen festgestellten Sachverhalt ausgeht, der alle objektiven und subjektiven Merkmale des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach den §§ 15, 142 Abs 1, 143 StGB als verwirklicht erscheinen läßt, weshalb das Geschwornengericht den Angeklagten zu Recht dieses Verbrechens schuldig erkannte.
Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war sohin zu verwerfen.
Das Geschwornengericht verhängte über den Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB unter Anwendung des § 28 StGB eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren. Es wertete das Zusammentreffen verschiedener Straftaten, die Wiederholung der Diebstähle, die Begehung eines Diebstahls im sozialen Naheraum (an einem Arbeitskollegen) und die zweifache Deliktsqualifikation des Raubes im Sinn des (ersten Falles des) § 143 StGB als erschwerend, hingegen das bisherige Wohlverhalten, das Geständnis, die teilweise objektive und teilweise subjektive Schadensgutmachung sowie den Umstand, daß die Raubtat nur bis in das Versuchsstadium gediehen war, als mildernd.
Mit ihrer Berufung strebt die Staatsanwaltschaft die Erhöhung der über den Angeklagten verhängten Freiheitsstrafe an. Der Angeklagte hingegen begehrt mit seiner Berufung die Herabsetzung der Freiheitsstrafe. Er verweist auf die - ohnehin berücksichtigte - Schadensgutmachung, auf sein vermeintliches Recht auf Rückforderung des der Prostituierten gegebenen Betrages, seine Persönlichkeitsstörungen, die schadhafte Beschaffenheit des Tatwerkzeuges und den Umstand, daß die schwere Verletzung der Renate B durch eine Abwehrbewegung zustande kam.
Keiner der zusätzlich reklamierten Milderungsumstände ist gegeben. Es ist nicht erfindlich, warum der Angeklagte das übergebene Entgelt hätte zurückverlangen dürfen. Seine - in der Hauptverhandlung gar nicht aufrecht erhaltene - Verantwortung, er sei sich 'gelegt' vorgekommen (S. 143), vermag selbst die irrtümliche Annahme eines Rückforderungsanspruches nicht zu begründen.
Aber auch aus den Gutachten der beigezogenen Sachverständigen Prim. Dr. Heinrich C und Dr. Inge D ist für den Berufungswerber ein zusätzlicher Milderungsgrund nicht abzuleiten (siehe dazu ON. 21 i. V.m. S. 360 bzw. ON. 27). Auch im Berufungsvorbringen wird kein konkreter Hinweis auf eine als Milderungsgrund ins Gewicht fallende 'Persönlichkeitsstörung' gegeben, es erschöpft sich vielmehr in der bloßen Behauptung einer solchen.
Der Umstand, daß sich bei dem (heftigen) Schlag gegen den Kopf der Eisenteil vom Stiel des Hammers löste, kommt als Milderungsgrund ebensowenig in Frage wie die Tatsache, daß die schwere Verletzung des Tatopfers bei einer Abwehrbewegung stattfand.
Mithin ergibt sich, daß das Erstgericht die Strafzumessungsgründe richtig feststellte.
Der Oberste Gerichtshof ist allerdings der Ansicht, daß dem Milderungsumstand des bisherigen ordentlichen Lebenswandels (§ 34 Z 2 StGB) im vorliegenden Fall ein besonderes Gewicht zukommt; demnach kann auch mit einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Jahren das Auslangen gefunden werden. In diesem Sinn wurde der Berufung Folge gegeben.
Bei dieser Erledigung erweist sich die Berufung der Staatsanwaltschaft als gegenstandslos. Die Anklagebehörde war daher mit ihrem Rechtsmittel auf die über die Berufung des Angeklagten getroffene Entscheidung zu verweisen.
Der Kostenausspruch beruht auf der im Urteilsspruch zitierten Gesetzesstelle.
Anmerkung
E04321European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1983:0110OS00140.83.0921.000Dokumentnummer
JJT_19830921_OGH0002_0110OS00140_8300000_000