TE OGH 1983/9/22 13Os56/83

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.09.1983
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22.September 1983 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Kirchbacher als Schriftführers in der Strafsache gegen Mag. Geza A wegen des Vergehens der falschen Beurkundung im Amt nach § 311 StGB. und einer anderen strafbaren Handlung über die von der Staatsanwaltschaft und vom Angeklagten erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden gegen das Urteil des Kreisgerichts Krems an der Donau als Schöffengerichts vom 5.Jänner 1983, GZ 11 Vr 819/80-63, sowie über die Berufung des Angeklagten nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Felzmann, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Hirtzberger und der Ausführungen des Vertreters der Generalanwalts Dr. Knob, zu Recht erkannt:

Spruch

I. Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Punkt A II. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft verworfen.

III. Der Angeklagte wird mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde, soweit sie den Punkt A des Schuldspruchs betrifft, und mit seiner Berufung auf die zu I getroffene Entscheidung verwiesen.

IV. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verworfen.

V. Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 3.November 1937 geborene Finanzbeamte (Rat) Mag. Geza A des Vergehens der falschen Beurkundung im Amt als Anstifter nach §§ 12, 311 StGB. (A) und des Vergehens der Verletzung der Geheimhaltungspflicht nach § 251 Abs 1 lit a FinStrG. (B) schuldig erkannt. Darnach liegt ihm zur Last, in seiner Funktion als Vorstand des Finanzamts Waidhofen a.d. Thaya A. am 13.Juli 1977 den Betriebsprüfer dieses Finanzamts, Oberrevident Franz B, die Weisung gegeben zu haben, den für das Finanzamt bestimmten Aktenvermerk über die Betriebsprüfung bei dem Abgabepflichtigen Otto C so abzufassen, daß letzterem Straffreiheit wegen Selbstanzeige zustatten kommt; dadurch habe er B dazu bestimmt, in dem am 19.Juli 1977 errichteten Aktenvermerk (als Hinweis für die Strafsachenstelle) fälschlich die Tatsache zu beurkunden, daß 'die Aufklärung bzw. das Erarbeiten der letztlich zur Schätzung führenden Feststellungen ... ohne die laufende Mitwirkung und das Bestreben des Pflichtigen nach einer richtigen Besteuerung nicht möglich gewesen (wäre)', wobei B mit dem Vorsatz handelte, daß die Urkunde im Rechtsverkehr zum Beweis der Selbstanzeige gebraucht werde, und der Angeklagte den Zweck der Urkunde kannte, B. ihm ausschließlich kraft seines Amts in einem Abgabenverfahren anvertraute oder zugänglich gewordene, der Öffentlichkeit unbekannte Verhältnisse eines anderen dadurch unbefugt geoffenbart zu haben, daß er im Frühjahr 1978 dem Wirtschaftstreuhänder Dkfm.Dr. Josef D die finanzstrafbehördlichen Bestrafungen des Rainer E mitteilte.

Rechtliche Beurteilung

Von zwei weiteren Punkten der Anklage, laut welchen ihm - in jeweils anderem Zusammenhang - das Verbrechen des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB. (Punkt 1 des Freispruchs) und das Vergehen der Verletzung der Geheimhaltungspflicht nach § 251 Abs 1 lit a FinStrG (Punkt 2) angelastet worden war, wurde A gemäß § 259 Z. 3 StPO. freigesprochen. Der zuletzt genannte Freispruch bezieht sich auf den Vorwurf, A habe die Geheimhaltungspflicht im Sinn des § 251 Abs 1 lit a FinStrG. auch dadurch verletzt, daß er im Sommer 1979 in Waidhofen a.d. Thaya dem Viehhändler Herbert F mitteilte, bei Rosa G in Dobersberg sei eine Betriebsprüfung durchgeführt und der Genannten eine Steuernachzahlung von rund 310.000 S vorgeschrieben worden.

Dieses in Punkt 1 seines freisprechenden Teils unangefochten gebliebene Urteil wird vom Angeklagten in beiden Punkten des Schuldspruchs und von der Staatsanwaltschaft im Punkt A des Schuldspruchs sowie im Punkt 2 des Freispruchs mit Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft.

Zur Beschwerde der Staatsanwaltschaft:

Die Staatsanwaltschaft macht hinsichtlich PunktÖA desÖSchuldspruchs

den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z. 9 lit a, richtig Z. 10 StPO. mit dem Ziel geltend, daß der Angeklagte nicht bloß wegen Anstiftung zum Vergehen nach § 311 StGB., sondern gemäß dem in der Hauptverhandlung (S. 626/I) ergänzten Punkt A 2 des Anklagetenors wegen Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB. verurteilt werde. Nach den Urteilsannahmen habe er nämlich mit dem Vorsatz, den Staat an seinem Recht auf Verfolgung von Finanzvergehen zu schädigen, seine Befugnis zur Vornahme von Amtsgeschäften dadurch wissentlich mißbraucht, daß er trotz Vorliegens genügender Verdachtsgründe die Einleitung eines (verwaltungsbehördlichen) Finanzstrafverfahrens gegen Otto C wegen Abgabenhinterziehung verhinderte. Die Beschwerde ist berechtigt.

Gemäß § 82 Abs 1 FinStrG. hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz auch eigene (hier: als Abgabenbehörde bei Betriebsprüfungen gemachte) Wahrnehmungen daraufhin zu prüfen, ob genügende Verdachtsgründe für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gegeben sind. Ergibt diese Prüfung, daß die Durchführung des Strafverfahrens nicht in die Zuständigkeit des Gerichts fällt, so hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz das Strafverfahren einzuleiten; von der Einleitung eines Strafverfahrens hat sie nur dann abzusehen und darüber einen Aktenvermerk mit Begründung aufzunehmen, wenn einer der im § 82 Abs 3

lit a bis d FinStrG. taxativ aufgezählten Gründe vorliegt. Durch diese Bestimmungen wird für den Bereich des verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahrens das Legalitätsprinzip unterstrichen, dessen Pendant das konkrete Recht des Staats auf Verfolgung und Bestrafung von Finanzvergehen (§ 1 FinStrG.) bildet, ein Recht, dessen amtsmißbräuchliche Beeinträchtigung strafrechtlich geschützt ist (SSt. XXI/99, XXVI/44, XLI/56 u.v.a.). Ein Absehen von der Einleitung des Strafverfahrens trotz genügender Verdachtsgründe (§ 82 Abs 1 FinStrG.) und ohne eine der im § 82 Abs 3 lit a bis d FinStrG.

hiefür bestimmten Voraussetzungen stellt einen Befugnismißbrauch gemäß § 302 Abs 1 StGB. dar. Wird die Befugnis wissentlich (§ 5 Abs 3 StGB.) mißbraucht und der Staat an seinem konkreten Recht (siehe vorher) wenigstens bedingt vorsätzlich geschädigt, so ist der Tatbestand des Mißbrauchs der Amtsgewalt erfüllt.

Die bei dem Gastwirt und Pensionsinhaber Otto C durchgeführte Betriebsprüfung hatte ergeben, daß im Prüfungszeitraum einerseits eine (Reit-) Pferdehaltung steuerlich zu Unrecht als Landwirtschaftsbetrieb statt richtig als Bestandteil des (einheitlichen) Gewerbebetriebs behandelt worden war, anderseits Einnahmen aus dem Gasthaus- und Pensionsbetrieb von zirka 300.000 S nicht ordnungsgemäß verbucht worden waren, woraus namhafte Verkürzungen der Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer resultierten. Das Gericht nahm nun als erwiesen an, daß der Angeklagte in Kenntnis dieses Sachverhalts bei der Schlußbesprechung am 13.Juli 1977 (an der er als Leiter der Amtshandlung teilnahm) dem Abgabepflichtigen Straffreiheit zusicherte und in der Folge den Betriebsprüfer Oberrevident Franz B anstiftete, in den Aktenvermerk über die Betriebsprüfung den Hinweis (für die Strafsachenstelle) auf eine angebliche, die Prüfungsfeststellungen überhaupt erst ermöglichende Mitarbeit des Abgabepflichtigen aufzunehmen. Dies sollte die Annahme einer strafbefreienden Selbstanzeige decken (bei Unterstellung eines bloß fahrlässigen Finanzvergehens: siehe § 29 Abs 3 lit c FinStrG.).

Gleichwohl wußte der Angeklagte, daß eine strafaufhebende Selbstanzeige hinsichtlich der mit der Nichtverbuchung von Einnahmen aus dem Gasthaus- und Pensionsbetrieb zusammenhängenden Verkürzungen nicht vorlag. Ihm war vielmehr 'bekannt und klar' (S. 711/I), daß insoweit 'ein genügender Verdacht' zur Einleitung eines Finanzstrafverfahrens bestand, zumal er selbst der Ansicht war, der Abgabepflichtige habe Einnahmen deshalb nicht verbucht, 'um dafür keine Steuern zahlen zu müssen' (S. 710/I).

Zur rechtlichen Beurteilung des festgestellten Sachverhalts führte das Schöffengericht allerdings aus, es habe nicht angenommen, daß der Angeklagte bei der Zusicherung der Straffreiheit an C (und Nichteinleitung des Strafverfahrens) 'wissentlich im Umfang des § 5 Abs 3 StGB.' handelte (S. 718/I). Diese Beurteilung der subjektiven Tatseite ist aber, bezieht man sie rechtsrichtig auf den Befugnismißbrauch für den allein Wissentlichkeit erforderlich ist, mit dem übrigen Inhalt der Entscheidungsgründe betreffend das Wissen des Angeklagten um das Bestehen genügender Verdachtsgründe und um das Fehlen einer Selbstanzeige - wie die Staatsanwaltschaft zutreffend darlegt nicht in Einklang zu bringen.

Das Gesetz enthält zwar keine näheren Anordnungen darüber, wie schwerwiegend (mitgeteilte oder im eigenen Amtsbereich festgestellte) Verdachtsmomente sein müssen, um zum Anlaß der Einleitung eines Strafverfahrens durch die Finanzstrafbehörde erster Instanz genommen zu werden, läßt somit dem Ermessen des entscheidenden Beamten einen gewissen Spielraum. Der Gesetzesbefehl aber, die Finanzstrafbehörde hat zu prüfen, ob genügende Verdachtsgründeallenfalls durch Vorerhebungen, sich darüber Klarheit zu verschaffen, ob ausreichende Anhaltspunkte für die Erweisbarkeit einer strafbaren Handlung gegeben sind. Daraus erhellt, daß im Zug einer Betriebsprüfung hervorgekommene Verdachtsgründe - wenn sie nicht sofort durch den Steuerpflichtigen zu widerlegen sind - zunächst einer gewissenhaften überprüfung (durch die für Strafsachen zuständige Abteilung) zu unterziehen sind, bevor über die Einleitung eines Strafverfahrens entschieden wird (vgl. Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch, Kommentar 266; ähnlich LSK. 1981/14). Ein Beamter, der in mißbräuchlicher Ausweitung des ihm vom Gesetz eingeräumten Ermessensspielraums eine derartige überprüfung wissentlich verhindert, macht sich nach § 302 StGB. strafbar (LSK. 1981/171).

Im angefochtenen Urteil fehlen Feststellungen, wie der Angeklagte nach Maßgabe der ihm über das Ergebnis der Betriebsprüfung bei C bekanntgewordenen Tatsachen die voraussichtlicheÖErweisbarkeit eines vorsätzlich oder fahrlässig begangenen Finanzvergehens des Abgabepflichtigen beurteilt hat. Nach der Aktenlage fehlt es nicht an Hinweisen, daß sich der Angeklagte über genügende Verdachtsgründe bewußtÖhinweggesetzt und jede weitere überprüfung unterbunden hat, indem er - wie ihm die Anklagebehörde vorwirft (S. 626/I) - darauf hinwirkte, daß einen solchen Verdacht erhärtende Tatsachen in den Akten über die Betriebsprüfung keinen entsprechenden Niederschlag fanden, eine unzutreffende Mitwirkung des Abgabenpflichtigen festgehalten wurde und daß letztlich die tatsächlich gebotene finanzstrafrechtliche Verfolgung mit der Begründung unterblieb, daß ein Finanzvergehen voraussichtlich nicht erwiesen werden könne (siehe 'Aktenvermerk mit Begründung' vom 5.September 1977 unter Hinweis auf eine Rücksprache mit dem Angeklagten als Amtsvorstand:

Bl 28/1975 im ESt-Akt). So gesehen hätte A seine Befugnis als Behördenleiter, die ihm erlaubt, alle Agenden seines Amtsbereichs an sich zu ziehen und den ihm unterstellten Beamten Weisungen zu erteilen, wissentlich mißbraucht und den Staat an seinem konkreten Recht auf Verfolgung von Finanzvergehen vorsätzlich geschädigt. Nach den bisher vom Erstgericht getroffenen (widersprüchlichen) Feststellungen kann somit noch nicht verläßlich beurteilt werden, ob dem Angeklagten das Verbrechen des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB. zur Last fällt. Wegen dieses Feststellungsmangels (§ 281 Abs 1 Z. 10 StPO.) erweist sich eine Erneuerung des Verfahrens in diesem Punkt als unumgänglich, weshalb der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft insoweit Folge zu geben war. Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird dadurch, soweit sie sich ebenfalls gegen den Punkt A des angefochtenen Urteils richtet, gegenstandslos; mit ihr war der Angeklagte auf die getroffene kassatorische Entscheidung zu verweisen. Im Hinblick auf die gebotene Verfahrenserneuerung ist jedoch zum Beschwerdevorbringen des Angeklagten noch zu bemerken:

Nicht alle von einem Beamten ausgestellten Urkunden sind 'öffentliche' gemäß §§ 224, 228 und 311 StGB., sondern nur solche, denen ihrer Art, ihrem Inhalt und ihrer rechtlichen Zweckbestimmung nach eben deshalb, weil sie von einem Beamten kraft Amtes ausgestellt worden sind, erhöhte Bestands- (Beweis-)garantie zukommt. Wie der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen hat, kommt es für die Beurteilung einer Urkunde als 'öffentliche' (abgesehen von einer ausdrücklichen Erklärung des Gesetzgebers) nicht allein auf formelle, in der rechtlichen Beschaffenheit des Ausstellers gelegene Kriterien an, sondern darüber hinaus auf die Bedeutung dessen, was beurkundet wird; erst darin liegt der Grund für den besonderen strafrechtlichen Schutz öffentlicher Urkunden (LSK. 1983/8, 9 = RZ. 1983/25 = EvBl 1983/79 =

JBl. 1983, 386 m Anm Kienapfel). Bei Urkunden, die im Rahmen der Hoheitsverwaltung nicht primär für den Verkehr nach außen, sondern bloß zur gegenseitigen Information amtlicher Stellen bestimmt sind, handelt es sich zwar um 'amtliche', nicht aber um öffentliche Urkunden im Sinn des Strafgesetzbuchs (Kienapfel im WK. § 224 Rz 28 und 29;

derselbe in JBl. 1982, 509 = Strafrechtliche Probleme der Gegenwart 10, 104).

Der im Urteilsspruch bezeichnete Aktenvermerk des Betriebsprüfers vom 19.Juli 1977 wurde zwar von einem Beamten im Rahmen seines dienstlichen Wirkungsbereichs verfaßt, mithin amtlich errichtet (§ 89 BAO.); er war aber ausdrücklich 'nur für das Finanzamt' bestimmt und diente in seinem letzten Absatz, worin das Erstgericht eine falsche Beurkundung (§ 311 StGB.) erblicken wollte, der Information der Strafsachenstelle des Finanzamts. Die Eigenschaft einer (mit erhöhter Beweisgarantie ausgestatteten) 'öffentlichen Urkunde' (§ 311 StGB.) kommt dem betreffenden Aktenvermerk nach den dargelegten Kriterien nicht zu (Stoll, BAO. 207;

Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch, Kommentar 187). Wohl aber ist ein amtlicher Aktenvermerk, auch wenn er nur für den inneren Dienst der Behörde errichtet wurde, Beweismittel und bei Unrichtigkeit seines Inhalts ein falsches Beweismittel in der Bedeutung des § 293 StGB., dessen Herstellung mit dem Vorsatz, daß es in einem gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahren gebraucht werde, den Tatbestand des ersten Absatzes der zitierten Gesetzesstelle erfüllt (LSK. 1982/124, 125; RZ.

1980/51; de lege lata auch Kienapfel in der Entscheidungsbesprechung RZ. 1980, 225). Als allgemeinem, obschon unter Ausnützung einer Amtsstellung (§ 313 StGB.) begangenem Delikt ginge ihm allerdings, sofern die Beweismittelfälschung zumindest einen Teilakt eines insgesamt als Mißbrauch der Amtsgewalt zu beurteilenden Geschehens darstellt, der letztere (strenger strafbedrohte) Tatbestand vor.

Die gegen Punkt 2 des Freispruchs von der Staatsanwaltschaft aus dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z. 5 StPO. erhobenen Beschwerdevorwürfe schlagen allerdings nicht durch.

Der Ausspruch, es sei nicht erwiesen, daß der Angeklagte dem Herbert F von einer der Rosa G infolge einer Betriebsprüfung vorgeschriebenen Steuernachzahlung unbefugt Mitteilung gemacht hat, ist mit der Unglaubwürdigkeit der diesbezüglichen Aussage des Zeugen F begründet. Die Staatsanwaltschaft bringt dagegen vor, F habe sich gegenüber G auf den Angeklagten berufen und die Höhe des Nachzahlungsbetrags annähernd richtig zu nennen gewußt, zudem sei nicht einzusehen, von wem sonst als dem Angeklagten er dieses Wissen bezogen haben sollte, zumal er wohl mit dem Angeklagten nicht hingegen mit den anderen in diesem Prüfungsfall eingeschrittenen Beamten des Finanzamts privaten Kontakt hatte. Damit übt die Anklagebehörde unzulässig Kritik an jener Würdigung der Beweise, welche den Schöffensenat im Hinblick auf die Möglichkeit, daß F sein Wissen auch von anderen Personen bezogen haben kann (S. 713/I), nicht zur überzeugung (§ 258 Abs 2 StPO.) von der Richtigkeit des in Rede stehenden Anklagevorwurfs gelangen ließ, ohne insoweit dem Urteil anhaftende formelle Begründungsmängel aufzuzeigen.

In diesem Punkte war daher die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft zu verwerfen.

Zur Beschwerde des Angeklagten:

Den zu PunktÖB ergangenen Schuldspruch wegen Vergehens der Verletzung der Geheimhaltungspflicht nach § 251 Abs 1 lit a FinStrG. bekämpft der Angeklagte unter Geltendmachung der Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 Z. 5, 9 lit a und 9 lit b StPO.

Der Beschwerdeführer beruft sich auf den Rechtfertigungstatbestand des § 251 Abs 2 lit b FinStrG., wonach die Offenbarung oder Verwertung von sonst der Geheimhaltungspflicht unterliegenden Verhältnissen oder Umständen befugt ist, wenn sie im zwingenden öffentlichen Interesse liegt (vgl. nunmehr auch § 48 a Abs 4 lit b BAO. i.d.F. BGBl. Nr. 151/1980). Dies sei hier der Fall gewesen, weil das Finanzamt Waidhofen a.d.

Thaya mit Rainer E schon aus Anlaß von dessen Tätigkeit im Deszendentenfortbetrieb der Steuerberatungskanzlei seines Vaters Wahrnehmungen und (schlechte) Erfahrungen habe machen müssen, die es dringend geboten erscheinen ließen, Dkfm.Dr. Josef D als Geschäftsführer jener Wirtschaftstreuhandgesellschaft am Sitz des Finanzamts, in der E eine führende Position als Angestellter einnehmen sollte, über dessen Vorbestrafungen wegen Finanzvergehen aufzuklären.

Diesem Vorbringen ist zunächst entgegenzuhalten, daß der Gesetzgeber durch Festlegung relativ umfangreicher und strenger Erfordernisse für die Erlangung und Ausübung des Berufs eines Wirtschaftstreuhänders dafür Sorge getragen hat, daß möglichst nur vertrauenswürdige und fachlich qualifizierte Personen diese Tätigkeit ausüben dürfen (§§ 3 ff. der Wirtschaftstreuhänder-Berufsordnung, im folgenden abgekürzt: WT-BO.). Alle diese Personen (auch die Berufsanwärter) unterliegen hinsichtlich ihrer beruflichen und außerberuflichen Tätigkeit der Aufsicht und Ehrengerichtsbarkeit der Kammer der Wirtschaftstreuhänder (§ 47 in Verbindung mit § 19 WT-BO.). Demgemäß sind Gerichte und Finanzstrafbehörden (letztere ausdrücklich auch im Erlaßweg) verpflichtet worden, der Kammer von der Einleitung und vom Ergebnis der gegen Kammermitglieder eingeleiteten Strafverfahren Mitteilung zu machen (§ 51 WT-BO.). Hätte der Angeklagte daher fürchten müssen, daß der (ihm nicht verläßlich erscheinende) Rainer E als Gesell schafter in die bestehende Wirtschaftstreuhandgesellschaft in Waidhofen aufgenommen wird (vgl. S. 263 k/I), was seine Eintragung als Berufsanwärter zur Voraussetzung gehabt hätte (§ 29 Abs 2 Z. 4 WT-BO.), hätte er der Kammer nachträglich die Vorstrafen des Rainer E bekanntgeben können, um sein Ziel auf legalem Weg zu erreichen (vgl. auch ON. 34).

Sollte E aber weiterhin nur als Angestellter (Erfüllungsgehilfe) der Gesellschaft tätig bleiben, wäre er der Ehrengerichtsbarkeit der Kammer wohl nicht unterstanden, wäre aber dann auch nicht berechtigt gewesen, der Behörde gegenüber rechtsverbindliche Erklärungen für die Klienten abzugeben (§ 38 WT-BO.). In diesem Fall bestand auch keine sachliche Notwendigkeit, dem (der Behörde gegenüber verantwortlichen) Geschäftsführer der Gesellschaft Angaben über Vorstrafen eines Angestellten zu machen.

Umstände, welche geeignet wären, an der gegenständlichen, durch keine gesetzliche Verpflichtung gedeckten Mitteilung des Angeklagten ein zwingendes öffentliches Interesse - welches aus der Rechtsordnung ableitbar sein müßte (dazu Stoll, BAO., S. 122 f.) - zu begründen, sind somit weder der Verantwortung des Beschwerdeführers zu entnehmen noch sonst im Verfahren hervorgekommen. Vielmehr besteht ein generelles öffentliches Interesse daran, daß Daten über behördliche Bestrafungen nur zu den im Gesetz vorgesehenen Zwecken verwertet werden (betreffend Strafregisterdaten LSK 1981/173 zu § 310 Abs 1 StGB). Von dem vom Angeklagten in diesem Zusammenhang behaupteten Begründungs- und Feststellungsmängeln kann daher keine Rede sein. Ein dem Angeklagten etwa unterlaufener Rechtsirrtum über das Vorliegen eines zwingenden öffentlichen Interesses an der inkriminierten Mitteilung wäre ihm, wie das Erstgericht zutreffend erkannte, vorzuwerfen. Für das Vergehen nach § 251 Abs 1 FinStrG., welches keinÖFinanzvergehen ist (überschrift zu Art II FinStrG.), sind gemäß ArtI Abs 1 StRAG. die Bestimmungen des § 9 StGB maßgebend. Dessen Absatz 2 zufolge ist hier entscheidend, daß ein rechtskundiger Beamter der Finanzverwaltung verpflichtet ist, sich mit den einschlägigen Vorschriften bekannt zu machen, sodaß es unbeschadet eines solchen Irrtums bei der Haftung A für die Vorsatztat bliebe.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.

Anmerkung

E04450

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1983:0130OS00056.83.0922.000

Dokumentnummer

JJT_19830922_OGH0002_0130OS00056_8300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten