TE OGH 1983/9/22 13Os120/83

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Veröffentlicht am 22.09.1983
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22.September 1983

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Kirchbacher als Schriftführers in der Strafsache gegen Michael A und Christian B wegen des Vergehens des Diebstahls nach §§ 127 Abs 1 und 2 Z 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten Christian B gegen das Urteil des Jugendgerichtshofs Wien als Schöffengerichts vom 19.Mai 1983, GZ 1 b Vr 187/83-16, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Schuppich und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Kodek, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in seinem Christian B betreffenden Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3

StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Christian B wird gemäß §§ 28, 127 Abs 2 StGB

sowie in Anwendung des § 11 Z 1 JGG. zu einer Freiheitsstrafe von 2 (zwei) Monaten verurteilt.

Gemäß § 43 Abs 1 StGB wird diese Freiheitsstrafe für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Christian B auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen ihm die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde neben dem am 14.September 1966 geborenen Angeklagten Michael A der am 7.August 1964 geborene, sohin zur (jeweiligen) Tatzeit (wenngleich nicht mehr zur Zeit der Einleitung des Verfahrens) jugendliche Christian B u.a. des Vergehens des Diebstahls nach § 127 Abs 1, Abs 2 Z 1 StGB schuldig erkannt. Er hat in Wien in Gesellschaft des Michael A folgende Sachen gestohlen:

1. Ende Mai 1982 den Wiener Stadtwerken-Verkehrsbetrieben zwei Nothämmer im Wert von zusammen etwa 100 S, 2. am 7.Juni 1982 dem Helmut C zwei Bouteillen Wein und zwei Dosen Coca-Cola. Den Strafausspruch stützte das Gericht auf § 127 Abs 2 StGB unter Bedachtnahme auf § 28 StGB , wobei es § 11 Z 1 JGG. nur bei dem Erstangeklagten Michael A anwendete. Der Sache nach nur den oben wiedergegebenen Teil des Schuldspruchs sowie den bei ihm herangezogenen Strafrahmen bekämpft Christian B mit einer auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit c, 10 und 11 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Eine Unvollständigkeit der Feststellungen betreffend den Diebstahl zweier Nothämmer erblickt der Beschwerdeführer darin, daß das einverständliche Zusammenwirken der Angeklagten nicht erörtert sei, daß nach den beiderseitigen Verantwortungen weder eine Verabredung noch der unterstellte Sichtkontakt vorgelegen sei, ferner im Schweigen des Urteils darüber, ob der Beschwerdeführer den von ihm ergriffenen Nothammer an seinen Komplizen übergeben habe, bevor der Gewahrsamsbruch abgeschlossen war. Aus dem Urteilssachverhalt ergebe sich nicht, daß der Diebstahl arbeitsteilig verübt worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Sachlich wird damit auch die Beurteilung der Tat nach § 127 Abs 2 Z 1 StGB angefochten (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO.). Nur punkto Annahme des Sichtkontakts zwischen den Angeklagten ist die Mängelrüge gesetzmäßig ausgeführt. Soweit der Beschwerdeführer gegen diese Annahme Stellung bezieht, ist einzuräumen, daß sie in den Einlassungen der beiden Angeklagten in der Hauptverhandlung (S. 93, 96) nicht unmittelbar Deckung findet; doch bedurfte es einer näheren Ausführung dieser Tatmodalität nicht, ist doch notorisch, daß in einem Autobus zwei Personen einander sehen können. Im übrigen entspricht die Annahme des Sichtkontakts der Darstellung des Beschwerdeführers vor der Polizei (S. 50). In diesem Zusammenhang soll allerdings nicht unerwähnt bleiben, daß die Bezugnahme des Urteils (S. 109) auf die polizeilichen Angaben der Angeklagten angesichts dessen, daß deren Verlesung unterblieb, nachdem die Parteien hierauf verzichteten (s. S. 99), gegen die Bestimmung des § 258 Abs 1 StPO verstieß. Ob der Beschwerdeführer den an sich genommenen Nothammer an seinen Komplizen noch innerhalb des Autobusses oder erst nach dem Verlassen des Fahrzeugs übergeben hat, ist nicht entscheidend, weil der vom Gericht aus der übergabe gezogene Schluß auf einen auf dasselbe Ziel gerichteten Vorsatz beider Angeklagten, ein aufeinander abgestimmtes Vorgehen beim Diebstahl (S. 107), auch dann den Denkgesetzen entspricht, wenn die übergabe erst später stattgefunden haben sollte. Wurde aber der Hammer demgemäß auf Grund eines einheitlichen Willensentschlusses beider Täter vom Beschwerdeführer weggenommen, so haftet der Mittäter, wenn er diese Sache nachträglich erhält, nicht etwa nur für Hehlerei, sondern gleichermaßen für (Gesellschafts-) Diebstahl. Es versagt daher auch die auf § 281 Abs 1 Z 10

StPO gestützte Rechtsrüge, die Weitergabe einer gestohlenen Sache nach der Tatvollendung könne keinen Gesellschaftsdiebstahl begründen.

Gegen die Feststellung, auch der Diebstahl von zwei Weinflaschen und zwei Cola-Dosen aus einem Kellerabteil sei im einverständlichen Zusammenwirken beider Angeklagter verübt worden, wendet der Beschwerdeführer ein, die Annahme, er habe Aufpasserdienste geleistet, stehe im Widerspruch zur Darstellung des Erstangeklagten, ihm sei angesichts der offenen Kellertür der Gedanke gekommen, daraus etwas mitzunehmen, zumal nur er wußte, was sich darin befand. Nur mit der in der Hauptverhandlung geäußerten Vermutung des Nichtigkeitswerbers, er hätte seinen Freund wahrscheinlich gewarnt, wenn jemand gekommen wäre, lasse sich eine Mittäterschaft durch Aufpasserdienste nicht begründen.

Dem ist zu entgegnen, daß der Jugendschöffensenat aus der zitierten öußerung des Beschwerdeführers, den Denkgesetzen entsprechend, dessen Einverständnis mit der unmittelbaren Sachwegnahme durch A ableiten konnte, zumal beide anschließend die Weinflaschen in die Wohnung des Erstangeklagten trugen und die Wegnahme der beiden Cola-Dosen (nach der Aktenlage erst in einem zweiten Zugriff: S. 49) auch zum Vorteil des Beschwerdeführers war, erhielt dieser doch eine Dose, aus der er Coca-Cola trank. Die Beschwerdeeinwendungen sind daher nur eine im Nichtigkeitsverfahren unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung.

Beide Schuldsprüche wegen Diebstahls bekämpft der Beschwerdeführer unter Zitierung der Nichtigkeitsgründe nach Z 9 lit c (richtig Z 9 lit b: siehe LSK. 1976/134) und Z 10 des § 281 Abs 1 StPO. (primär Z 10 und erst weitergreifend Z 9 lit b). Es liege nur das Ermächtigungsdelikt der Entwendung nach § 141 StGB vor, hätten die Angeklagten doch im Fall der Nothämmer aus Unbesonnenheit und beim Diebstahl von Wein und Coca-Cola zur Befriedigung eines Gelüstes gehandelt. Die fehlende Auseinandersetzung mit der subjektiven Tatseite einer Entwendung rügt der Zweitangeklagte auch unter dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5 StPO., wobei er jedoch keinen Begründungsmangel substantiiert, sondern inhaltlich das Fehlen einer rechtsnotwendigen Feststellung im Sinn der angerufenen materiellen Nichtigkeitsgründe geltend macht.

Von einer Unbesonnenheit der Angeklagten kann jedoch ebensowenig gesprochen werden wie von einer Sachwegnahme zur Befriedigung eines Gelüstes. Die Tatbegehung im Faktum I 1 (Wegnahme zweier Nothämmer im gegenseitigen Einverständnis) schließt Unbesonnenheit geradezu aus (vgl. LSK. 1977/310 = EvBl 1978/33). Die Wegnahme derartiger Gegenstände aus einem öffentlichen Verkehrsmittel ist auch nicht ganz einfach durchführbar und regelmäßig vom Gedanken an eine mögliche künftige Verwendung bestimmt.

Im Ergebnis ist die Beurteilung seitens des Jugendschöffensenats rechtsrichtig.

Bei der Wegnahme der Weinflaschen, die offenbar gar nicht zum alsbaldigen Konsum bewerkstelligt wurde, weil sie bis zur Hausdurchsuchung in einem Kasten verblieben (S. 21), und der beiden Cola-Dosen zur Befriedigung eines Gelüstes gehandelt zu haben, haben sich beide Angeklagten nicht verantwortet. Das Gericht hatte darum keine Veranlassung, zu dieser Frage Stellung zu nehmen. Im übrigen zeigt der Umstand, daß eben nicht nur die offensichtlich zum alsbaldigen Verzehr bestimmten Cola-Dosen, sondern auch Wein aus dem Kellerabteil des Helmut C gestohlen wurde, deutlich genug, daß für die Feststellung einer Sachwegnahme nur zur Befriedigung eines Gelüstes kein Raum war (dazu ausführlich Kienapfel BT II § 141 StGB RN. 39 ff.). Die Taten des Beschwerdeführers wurden daher richtig als Diebstahl und nicht als Entwendung beurteilt, sodaß auch das Erfordernis der Ermächtigung durch den Verletzten entfällt. Berechtigt ist die Beschwerde allerdings, soweit sie sich aus dem Grund des § 281 Abs 1 Z 11 StPO gegen die Nichtanwendung des § 11 Z 1 JGG. bei der Strafbemessung wendet. Die zitierte Gesetzesstelle ist wie alle Bestimmungen des materiellen Jugendstrafrechts immer anzuwenden, wenn der Täter zur Zeit der Tat noch im jugendlichen Alter stand. § 11 JGG. stellt auf Jugendstraftaten ab. Nach der Legaldefinition des § 1 Z 3 JGG. ist eine Jugendstraftat eine mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlung, die von einem Jugendlichen begangen wurde.

Jugendlicher ist gemäß § 1 Z 2 JGG. eine Person, die zwar das vierzehnte, aber noch nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat. Das Erstgericht ist daher von einem unrichtigen Strafsatz ausgegangen, was potentiell zum Nachteil des Angeklagten gereicht. Dieser Konklusion verschlägt es nichts, daß über Christian B die gleiche Strafe wie über seinen Mittäter bei richtiger Anwendung des § 11 Z 1 JGG. verhängt wurde (SSt XXX/10, EvBl 1967 Nr. 411 u.a.).

Der Nichtigkeitsbeschwerde war daher teilweise Folge zu geben, im übrigen mußte sie verworfen werden.

Bei der erforderlich gewordenen Neubemessung der Strafe waren (wie schon in erster Instanz) erschwerend das Zusammentreffen dreier Vergehen (neben dem Vergehen des Diebstahls nach § 127 Abs 1 und 2 Z 1 StGB hat B noch die Vergehen der teils vollendeten, teils versuchten Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1 und 15 StGB und der versuchten Tierquälerei nach §§ 15, 222 Abs 1 StGB zu verantworten), ferner die Wiederholung der Angriffe bei Körperverletzung und Diebstahl, mildernd hingegen die Mitwirkung des Angeklagten an der Wahrheitsfindung, sein bisher ordentlicher Lebenswandel und der Umstand, daß es teilweise beim Versuch geblieben war.

Die Wiederholung der Körperverletzungsdelikte (teils vollendet, teils versucht) und die versuchte Tierquälerei lassen auf einen auf dem Weg zur Verrohung befindlichen Charakter schließen, auf den ein bloßer Schuldspruch ohne eine wenigstens angedrohte Strafe voraussichtlich nicht genügenden Eindruck machen würde. Es wurde darum abermals eine Freiheitsstrafe ausgesprochen. Die bisherige Unbescholtenheit rechtfertigt die Gewährung der bedingten Nachsicht des mit zwei Monaten den Strafzumessungsgründen angemessenen Freiheitsentzugs unter Bestimmung der Probezeit mit drei Jahren. Mit seiner Berufung war der Angeklagte B auf die Neubemessung der Strafe zu verweisen.

Anmerkung

E04333

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1983:0130OS00120.83.0922.000

Dokumentnummer

JJT_19830922_OGH0002_0130OS00120_8300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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