TE OGH 1983/10/4 9Os87/83

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Veröffentlicht am 04.10.1983
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. Oktober 1983 unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Reisenleitner und Dr. Felzmann als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Kirchbacher als Schriftführer in der Strafsache gegen Marinko A und andere wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 127 Abs 1 und Abs 2 Z 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Regina B und Claudia C sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich dieser Angeklagten sowie der Angeklagten Marinko A, Sabine D, Gerd E und Wolfgang F gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Jugendschöffengericht vom 31. März 1983, GZ 3 Vr 1010/82-46, nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Steininger, der Ausführungen der Verteidiger Dr. Schmidt, Dr. Mardetschläger, Dr. Kapsch, Dr. Niebauer und Dr. Drögsler sowie der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Hauptmann, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Regina B und Claudia C werden verworfen.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben, der Ausspruch, wonach den Angeklagten gemäß § 12 Abs 2

JGG eine Ermahnung erteilt wird, aufgehoben und gemäß § 13 Abs 1 JGG bei sämtlichen Angeklagten der Ausspruch und die Vollstreckung der zu verhängenden Strafe für eine Probezeit von einem Jahr vorläufig aufgeschoben.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden - neben vier weiteren Jugendlichen - die am 31. August 1966 geborene Schülerin Regina B des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs 1, Abs 2 Z 1, 128 Abs 1 Z 4 StGB und die am 3. März 1967 geborene Schülerin Claudia C des Vergehens des Diebstahls nach § 127 Abs 1, Abs 2 Z 1 StGB schuldig erkannt. Der Angeklagten Regina B liegen drei im Juli und August 1981 in Graz in Gesellschaft anderer Jugendlicher begangene Diebstähle von Bekleidungsgegenständen im Gesamtwert von 5.004 S aus dem 'X Shop' des Helmut G zur Last (I/2, 3 und 4 des Urteilstenors); der Angeklagten Claudia C wird ein ebendort in Gesellschaft anderer Beteiligter verübter Diebstahl (I/4 des Urteilstenors) angelastet, bei welchem eine Lederjacke und drei Army-Hemden im Gesamtwert von 2.227 S erbeutet worden sind. Gegen dieses Urteil richten sich die weitgehend inhaltsgleich ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Regina B und Claudia C, die jeweils auf die Gründe nach § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützt werden.

Rechtliche Beurteilung

Eine Unvollständigkeit der Urteilsbegründung im Sinne des erstbezeichneten Nichtigkeitsgrundes erblickt die Angeklagte B darin, daß die von ihr (in ON 35) sowie von den (Mit-)Angeklagten Gerd E (ON 34) und Wolfgang F (ON 37) vor dem Untersuchungsrichter gemachten Angaben völlig übergangen worden seien, obwohl aus diesen Verfahrensergebnissen hervorgehe, daß sie mit der Ausführung der ihr unter I/2 und 3 des Urteilstenors angelasteten Diebstähle nicht ernstlich gerechnet und sich hieran auch nicht beteiligt habe. Der Mängelrüge zuwider hat sich jedoch das Erstgericht mit dieser Version sehr wohl auseinandergesetzt (S 237), ihr allerdings unter Hinweis auf die zufolge der Verantwortung des Angeklagten E ON 34 (vgl auch die in der Urteilsbegründung S 236 oben erwähnten Angaben der Regina B vor der Polizei, S 51 f) den Diebstählen jeweils vorangegangenen Gespräche über das Tatvorhaben sowie auf die Belastung der Regina B durch den Mitangeklagten Wolfgang F vor der Polizei (S 69) hinsichtlich ihrer Mitwirkung an der Tatausführung zu I/3 innere Glaubwürdigkeit abgesprochen (vgl ferner den Hinweis S 233 auf das Geständnis der Angeklagten, womit das Erstgericht ersichtlich auf die Regina B mitbelastende Verantwortung der Angeklagten Sabine D, S 184 f, Bezug genommen hat). Auch der nach Ansicht der Beschwerdeführerin B gegebene innere Widerspruch der Feststellungen des Erstgerichtes über die dem letzterwähnten Diebstahl (I/3) vorausgegangenen Gespräche zwischen den Angeklagten Regina B, Sabine D, Gerd E und Wolfgang F ist nicht erkennbar; geht doch aus dem Urteilssachverhalt (S 236) bloß hervor, daß - bei grundsätzlicher Einigkeit über die Verübung des Diebstahls - Sabine D anfänglich erklärt hatte, sich die unmittelbare Tatausführung zuzutrauen, letztlich aber das Einstecken der Beute in den mitgebrachten Plastiksack doch dem Mitangeklagten F überließ. Der (von der Angeklagten B vermißten) eingehenden Erörterung ihrer die Ausführung des Diebstahls I/2 durch Sabine D fördernden Ablenkungshandlung hat es deshalb nicht bedurft, weil nach der Aktenlage schon die bloße Anwesenheit weiterer Kunden im beengten und unübersichtlichen Geschäftslokal (s insbes S 200) die Verkäuferin daran gehindert hat, ihre ungeteilte Aufmerksamkeit der unmittelbaren Täterin Sabine D zuzuwenden.

Da das Erstgericht (lt S 237) das Geständnis der Angeklagten Claudia C vor der Polizei (S 63 f) besonders hervorgehoben und sich zudem - wie aus S 233 ersichtlich -

auch auf die geständige Verantwortung der Mitangeklagten Sabine D gestützt hat, welche die Angeklagten C und B der bewußten Mitwirkung am Diebstahl I/4 bezichtigte (S 185 f), kommt der Behauptung beider Beschwerdeführerinnen, es fehle überhaupt an einer Begründung der Urteilsfeststellungen über ihre Beteiligung an der erwähnten Tat, ebenfalls keine Berechtigung zu.

Wenn das Erstgericht überdies das wiederholte Betreten des Geschäftslokals ohne konkrete Kaufabsicht durch die beiden Beschwerdeführerinnen als weiteres Indiz für deren Diebstahlsvorsatz angesehen hat, für dessen Annahme auch der als bloße Ablenkungshandlung gedachte Kauf von 2 Aufnähern im Wert von 20 S spreche (S 237/238), hat es weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungsgrundsätze verstoßen. Mit ihrem gegen diese Argumentation gerichteten Vorbringen machen die Beschwerdeführerinnen der Sache nach lediglich geltend, daß die vom Erstgericht gezogene Folgerung nicht zwingend sei, weil es auch möglich wäre, daß die Jugendlichen mangels größerer Barmittel tatsächlich nur kleinere Einkäufe vorgehabt hätten. Wer aber unter Berufung auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO bloß die Möglichkeit anderer - für ihn günstigerer - Schlüsse tatsächlicher Natur aufzeigt, macht keine Verletzung der formellen Begründungspflicht geltend, sondern bekämpft die Beweiswürdigung der Tatrichter und führt damit den angerufenen formellen Nichtigkeitsgrund nicht der Strafprozeßordnung gemäß aus. Ebensowenig bringen die Beschwerdeführerinnen den erwähnten Nichtigkeitsgrund zur gesetzmäßigen(Darstellung, wenn sie dem Erstgericht vorwerfen, eine eingehende Befragung der Angeklagten zu den einzelnen Fakten in der (letzten) Hauptverhandlung unterlassen zu haben: Die damit behauptete Unvollständigkeit der Erhebungen, die zudem durch entsprechende Ausübung des Fragerechtes seitens der Verteidiger zu vermeiden und nur im Falle eines dieses Recht beschneidenden Zwischenerkenntnisses mit der Verfahrensrüge nach § 281 Abs 1 Z 4 StPO geltend zu machen gewesen wäre, kann keinesfalls Nichtigkeit im Sinne der Z 5 der angeführten Gesetzesstelle bewirken (Mayerhofer-Rieder StPO, Nr 82 bis 84 zu § 281 Z 5). Auch die Rechtsrüge nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO, die von den Angeklagten Regina B und Claudia C im wesentlichen übereinstimmend dahin ausgeführt wird, es fehle an den für die Annahme der Kausalität ihrer Tatbeiträge und die Erfüllung der subjektiven Tatseite des Diebstahls erforderlichen Feststellungen hält einer überprüfung nicht stand. Nach dem Urteilssachverhalt (S 236) war die Angeklagte B an der Ausführung des Diebstahls I/3 durch Bereithalten der als Beute ausersehenen Lederjacke und durch Aufhalten des Plastiksackes, in welchem dieses Diebsgut verborgen wurde, beteiligt. Sie ist mithin in Ansehung dieses diebischen Angriffes als unmittelbarer Täter (im Sinne der ersten Täterschaftsform des § 12 StGB) anzusehen, bei welchem sich die Frage, ob die Tat ohne ihre Mitwirkung auf gleiche Weise ausgeführt worden wäre, gar nicht stellt. Der Diebstahl I/4 des Urteilstenors gelang nach den Urteilsannahmen der unmittelbaren Täterin Sabine D dadurch, daß Regina B und Claudia C die Verkäuferin mittels Ankaufs je eines Aufnähers im Wert von jeweils 20 S ablenkten (S 236 ganz unten, 237); damit hat das Erstgericht die Kausalität des Beitrags der beiden Letztgenannten für die Tatausführung ausdrücklich festgestellt. Ebenso lassen aber auch die zu I/2 des Urteilstenors getroffenen Konstatierungen, wonach die Angeklagte Sabine D das Diebsgut in einen Einkaufssack gab und ohne Bezahlung mitnahm, wobei Gerd E und Regine B die Verkäuferin ablenkten (S 235 unten), den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem erwähnten Beitrag der Angeklagten B und der Tat, so wie sie sich abgespielt hat, mit hinreichender Deutlichkeit erkennen. Ein solcher Zusammenhang setzt im übrigen keineswegs voraus, daß die dem Täter geleistete Hilfe zur Vollbringung der Tat notwendig war und ohne diese Hilfeleistung die Tatausführung unmöglich gewesen wäre; vielmehr ist jegliche, auch die geringste Hilfe, welche die Tat fördert und bis zu deren Vollendung wirksam bleibt, ein ausreichender Tatbeitrag im Sinne der letzten Täterschaftsform des § 12 StGB (ÖJZ-LSK 1978/69 = EvBl 1978/107). Da die - im Sinne dieser Ausführungen kausalen - Tatbeiträge der Angeklagten B und C zum Diebstahl I/4 ebenso wie die der Angeklagten B zu I/2 und I/3 angelasteten Handlungen jeweils zur Tatzeit am Tatort gesetzt worden sind, erfüllen sie in objektiver Hinsicht die Voraussetzungen des Gesellschaftsdiebstahls (§ 127 Abs 2 Z 1 StGB).

In Ansehung der subjektiven Tatseite hat das Jugendschöffengericht keinen Zweifel an seiner überzeugung offengelassen, daß die Angeklagten Regina B und Claudia C jeweils in Ausführung eines auch von ihnen selbst mitbeschlossenen Diebstahlsplans gehandelt haben; es hat sich also keineswegs auf die Feststellung einer nur objektiv gegebenen, von einem deliktischen Vorsatz der Angeklagten B und C aber nicht umfaßten Förderung der Straftaten beschränkt. Soweit diese Urteilsannahmen von den Beschwerdeführerinnen negiert werden, weichen deren Rechtsrügen von der Tatsachengrundlage des angefochtenen Urteils ab und sind daher nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt.

Die darüber hinaus von beiden Angeklagten (insoweit in gesetzmäßiger Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) vertretene Auffassung, eine nicht ausschließlich der Förderung des Diebstahls dienende Ablenkung der Verkäuferinnen erfülle nicht die subjektiven Voraussetzungen der Qualifikation nach § 127 Abs 2 Z 1

StGB, findet im Gesetz keine Stütze, zumal absichtliches Handeln (§ 5 Abs 2 StGB) der Diebsgenossen keineswegs erforderlich ist. Es reicht vielmehr hin, daß die Ablenkungshandlungen - mögen sie selbst im Ankauf tatsächlich begehrter Kleinigkeiten bestanden haben - auch mit dem Vorsatz unternommen worden sind, dem anderen Diebsgenossen die Wegnahme der als Beute ausersehenen Sache zu erleichtern (vgl EvBl 1977/242).

Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Regina B und Claudia C waren daher zu verwerfen.

Das Jugendschöffengericht erteilte den Angeklagten Regina B und Claudia C sowie den weiteren Angeklagten, nämlich dem am 20. Feber 1966 geborenen Marinko A und dem am 10. Juli 1964 geborenen Gerd E, die es des Vergehens des Diebstahls nach § 127 Abs 1 und Abs 2 Z 1 StGB schuldig erkannte, sowie der am 13. November 1966 geborenen Sabine D und dem am 1. Oktober 1966

geborenen Wolfgang F, welch letztered des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs 1 und Abs 2 Z 1, 128 Abs 1 Z 4 StGB schuldig erkannt wurden, jeweils gemäß § 12 Abs 2 JGG eine Ermahnung. Als erschwerend wertete es bei den Angeklagten A, E und C keinen Umstand, bei den übrigen Angeklagten hingegen die zweifache Qualifikation des Diebstahls; als mildernd nahm es bei sämtlichen Angeklagten deren Unbescholtenheit, das Geständnis, die Schadensgutmachung und die in den Tatumständen klar zum Ausdruck kommende Gruppendynamik sowie bei A überdies dessen vernachlässigte Erziehung an.

Gegen die bloße Erteilung einer Ermahnung wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung, in welcher sie beantragt, bei sämtlichen genannten Angeklagten zumindest den Ausspruch über die verwirkte Strafe gemäß § 13 JGG für eine Probezeit aufzuschieben. Die Berufung ist berechtigt.

Was zunächst den Angeklagten A betrifft, so liegt ihm zwar nur der Diebstahl einer Lederjacke zur Last;

er ist jedoch - wie sich aus dem Bericht der Bundespolizeidirektion Graz vom 30. März 1983 (Beilage A/ zum Hauptverhandlungsprotokoll ON 45) ergibt - bereits als Strafunmündiger in einschlägiger Weise kriminell in Erscheinung getreten. Um ihn von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten, genügt es daher nicht, ihm bloß eine Ermahnung zu erteilen; es ist vielmehr spezialpräventiv geboten, den Ausspruch der verwirkten Strafe gemäß § 13 Abs 1 JGG unter Bestimmung einer einjährigen Probezeit vorläufig aufzuschieben. Die übrigen Angeklagten haben sich zwar bis zu den gegenständlichen Straftaten wohlverhalten. Es liegen ihnen aber wiederholte diebische Angriffe zur Last, wobei der Wert der Beute bei D, B und F insgesamt 5.000 S übersteigt. Gerade die Wiederholung der kriminellen Verhaltensweise läßt - auch wenn dabei die vom Erstgericht erwähnte 'Gruppendynamik' entsprechend berücksichtigt wird - erkennen, daß es sich nicht um eine bloß einmalige Entgleisung gehandelt hat, sondern daß die Angeklagten relativ leicht und ohne besondere Hemmungen der Versuchung, sich widerrechtlich fremdes Eigentum zuzueignen, unterliegen. So gesehen genügt daher auch bei ihnen nach Lage des Falles die bloße Erteilung einer Ermahnung nicht, weshalb auch bei ihnen mit einer echten bedingten Verurteilung gemäß § 13 Abs 1 JGG unter Bestimmung einer einjährigen Probezeit vorzugehen war.

Mithin war hinsichtlich sämtlicher Angeklagter in Stattgebung der staatsanwaltschaftlichen Berufung spruchgemäß zu erkennen. Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E04407

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1983:0090OS00087.83.1004.000

Dokumentnummer

JJT_19831004_OGH0002_0090OS00087_8300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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