Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 4.Oktober 1983 unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Reisenleitner und Dr. Felzmann als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Kirchbacher als Schriftführer in der Strafsache gegen Reinhard A wegen des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach §§ 83 Abs. 1, 86 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 25.Jänner 1983, GZ. 2 a Vr 2587/80-92, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Steininger, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Doczekal und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Presslauer, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 24.August 1954 geborene Bundesbeamte Reinhard A des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach §§ 83 Abs. 1, 86 StGB (Punkt I/1 des Urteilssatzes) und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB (Punkt I/2 des Urteilssatzes) schuldig erkannt. Darnach hat er am 1.März 1980 in Pannonhalma/Ungarn nachgenannte Personen vorsätzlich am Körper verletzt:
1. Istvanne B dadurch, daß er ihr eine Anzahl von Schlägen in das Gesicht und gegen den Körper versetzte, wodurch sie zu Boden fiel und unter anderem einen Schädelbasisbruch, mehrfache Brüche des Gesichtsschädels und Gehirnquetschungen erlitt (- welche den Tod der Verletzten zur Folge hatten /-vgl. Bd. II/242/-), 2. Jozsef C durch Versetzen eines Fautschlages in das Gesicht, wodurch dieser eine 45 mm lange Hautläsion erlitt.
Von der weiteren Anklage, Ferenc D durch Würgen und Versetzen eines Faustschlages vorsätzlich am Körper zu verletzen versucht zu haben, wurde Reinhard A gemäß § 259 Z 3 StPO rechtskräftig freigesprochen. Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Gründe der Z 4, 5, 9 lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Mit der Verfahrensrüge (Z 4) behauptet er eine Verletzung seiner Verteidigungsrechte durch die Abweisung des in der Hauptverhandlung vom 25.Jänner 1983 gestellten Beweisantrages 'auf Ausforschung des Eigentümers der Handtasche und des Schlüssels', wie dies schon 'in der Hauptverhandlung im Sommer' begehrt worden sei (Bd. II/ 218). Dieser Antrag verfiel aber zu Recht der Abweisung durch das Schöffengericht, weil mangels Bezeichnung eines Beweisthemas und eines Beweiszweckes die Relevanz des Begehrens nicht überprüfbar war. Der Einwand des Beschwerdeführers, er habe durch die Bezugnahme auf die Antragstellung in der Hauptverhandlung vom 26.November 1982 (gemeint: 26.November 1981) ohnedies das Beweisthema hinreichend dahin konkretisiert, daß mit Hilfe der in der Nähe der Verletzten Istvanne B gefundenen, ihm nicht gehörenden Gegenstände unter Beweis gestellt werden sollte, 'daß auch andere Personen für die an Istvanne B begangenen Tathandlungen allenfalls in Frage kommen', entbehrt der aktenmäßigen Deckung, weil das damalige Beweisbegehren, welches übrigens eine Herrenhandtaschenschlaufe betroffen hat, ebenfalls ohne Bezeichnung eines Beweisthemas vorgebracht worden war (Bd. I/383).
Rechtliche Beurteilung
Demgemäß ist anläßlich der in Rede stehenden Antragstellung die Anführung jener Umstände unterblieben, die durch die Beweisführung erwiesen werden sollten, sodaß nach ständiger Judikatur die erfolgreiche Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs. 1 Z 4 StPO insoweit schon von vornherein ausgeschlossen ist (siehe Mayerhofer-Rieder, StPO, E.Nr. 16 und 18 zu § 281 Abs. 1 Z 4). Im übrigen hätte - was am Rande erwähnt sei - das in der Beschwerde nachgetragene Ziel des Beweisbegehrens die Notwendigkeit der Beweisaufnahme nicht darlegen können: Das Erstgericht ließ sich bei Lösung der bezüglichen Schuldfrage ohnedies nicht von einem ausschließlichen Gelegenheitsverhältnis des Angeklagten leiten und die angedeutete bloß spekulative Möglichkeit, daß jemand anderer der Täter gewesen sein könnte oder daß (worauf die Beschwerde nunmehr ebenfalls abstellt) ein Tatzeuge ermittelt werden hätte können, weil fremde Gegenstände in Tatortnähe lagen, hätte keine genügende Grundlage für die begehrte Beweisaufnahme dargestellt. In der Mängelrüge (Z 5) wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Annahme, daß bei ihm zur Zeit der Tatbegehung eine die Zurechnungsfähigkeit ausschließende volle Berauschung nicht vorgelegen sei, wobei er dem Sinne nach zunächst eine Unvollständigkeit der Urteilsgründe geltend macht. Er vermag aber keine der getroffenen Konstatierung entgegenstehende Beweistatsachen aufzuzeigen, deren Würdigung das Erstgericht unterlassen hat. Es ist richtig, daß der Sachverständige für Psychiatrie Med.Rat. Dr. E weder eine Volltrunkenheit, noch eine verdämmerte Bewußtseinslage des Angeklagten grundsätzlich ausgeschlossen hat. Der Gutachter hat jedoch darauf verwiesen, daß es den Tatrichtern überlassen bleiben müsse, die ersten Angaben des Angeklagten vor der Sicherheitsbehörde und dem Untersuchungsrichter über die dem Tatverdacht zugrunde liegenden Umstände sowie seine späteren abweichenden Behauptungen, sich eigentlich an nichts erinnern zu können, einer Würdigung zu unterziehen und ferner aus den Angaben von Zeugen Schlußfolgerungen auf die damalige Bewußtseinslage des Angeklagten abzuleiten; werde eine erfolgte Erfassung der Umwelt und der Umgebungsverhältnisse durch den Angeklagten als erwiesen angenommen, dann wäre das Vorliegen eines Zurechnungsunfähigkeit bewirkenden Zustandes zu negieren. Nun hat das Erstgericht aber ohnedies begründet, weshalb es bei seiner Beweiswürdigung der Verantwortung des Angeklagen über eine fehlende oder nur schemenhafte Erinnerung den Glauben versagte (Bd. II/233 ff.) und ein situationsangepaßtes Verhalten des Angeklagten bei der Begegnung mit dem Zeugen Jozsef C für erwiesen ansah (Bd. II/236 f.), sodaß es, ausgehend von diesen Prämissen, die im Gutachten des Sachverständigen für Psychiatrie aufgezeigte Alternative des Fehlens einer Volltrunkenheit zu den Tatzeitpunkten für gegeben erachtete. Demgemäß kann keine Rede davon sein, daß das Erstgericht lediglich eine der vom Sachverständigen Dr. E dargelegten Versionen übernommen und seine überzeugung nicht begründet habe.
Mit der Wiederholung der als unglaubhaft abgelehnten Verantwortung, daß die Sachverhaltsschilderung des Angeklagten gegenüber der Sicherheitsbehörde auf Schlußfolgerungen beruht habe, wird ebenfalls ein Begründungsmangel nicht dargelegt, weil die bezüglichen überlegungen des Erstgerichtes, wonach der Angeklagte über keine ausreichenden Grundlagen für derartige - dem Beschwerdeeinwand zuwider sehr wohl ins Detail gehende - Schlüsse verfügt haben konnte, durchaus denkrichtig und lebensnah sind. Auch das Vorbringen, die Angaben der Zeugen C und F hätten für eine erhebliche Trübung der Bewußtseinslage des Angeklagten gesprochen, läuft lediglich auf die Behauptung hinaus, daß aus den Verfahrensergebnissen andere, für den Angeklagten günstigere Schlüsse hätten abgeleitet werden können; damit wird jedoch nur die unanfechtbare Beweiswürdigung des Schöffengerichtes kritisiert, nicht aber eine auf einem Begründungsmangel beruhende Urteilsnichtigkeit aufgezeigt. Zur Frage, ob das damalige Verhalten des Angeklagten insgesamt jene ungenügende Orientierung erkennen ließ, die Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit rechtfertigt, lag dem Erstgericht ein (ergänzendes) Gutachten des Sachverständigen Dr. E vor, der darlegte, daß die Ergebnisse der Befragung von Zeugen im Rahmen eines Ortsaugenscheines entgegen früheren Verfahrenshinweisen (siehe Bd. II/25) weder für einen Dämmerzustand, noch eine Volltrunkenheit gesprochen haben (Bd. II/214 ff.). Wenn sich das Schöffengericht nach Prüfung der Beweiskraft der Aussagen dieser Meinung des Sachverständigen angeschlossen hat, so stellt dies einen im Nichtigkeitsverfahren der Anfechtung entzogenen Akt erstrichterlicher Beweiswürdigung dar. In diesem Zusammenhang war das Gericht auch nicht verhalten, im Rahmen der gebotenen gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs. 2 Z 5 StPO) auf all jene Zeugenaussagen einzugehen, die eine schwere Alkoholisierung des Angeklagten bekundeten, weil diese Aussagen insgesamt nicht gegen die Richtigkeit der ohnehin unter Berücksichtigung dieser Verfahrensergebnisse erfolgten psychiatrischen Begutachtung gesprochen haben, wonach unter der Annahme vorhandener Erinnerung des Angeklagten eine den Grad der vollen Berauschung erreichende Alkoholisierung eben nicht gegeben war.
Der Beschwerdeführer hält überdies die seine Attacke auf Istvanne B (Punkt I/1 des Urteilssatzes) betreffenden Feststellungen für unzureichend begründet. Der Einwand versagt jedoch, weil die vom Erstgericht insbesondere aus dem damals vorangegangenen aggressiven Verhalten des Angeklagten, den Verletzungen der Istvanne B, der von Josef G bezeugten Äußerung des Angeklagten, der Frau eine 'angeraucht' zu haben, und der Mitteilung der Verletzten, von einem jungen Mann geschlagen worden zu sein, gezogenen Schlußfolgerungen mit den Denkgesetzen und der Lebenserfahrung im Einklang stehen. Mit den Ausführungen, wonach das Gutachten des Sachverständigen für gerichtliche Medizin Dr. H und auch andere Verfahrensumstände die Konstatierung eines anderen Geschehnisablaufes - nämlich der Täterschaft anderer Personen oder jedenfalls der bloßen Auffindung der ohne sein Zutun gestürzten und schwer verletzten Istvanne B durch den Angeklagten - zugelassen hätten, unterzieht der Beschwerdeführer abermals die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanz einer prozeßordnungswidrigen und mithin unbeachtlichen Kritik, ohne auch nur abstrakt einen Begründungsfehler in der Bedeutung des angerufenen Nichtigkeitsgrundes zu behaupten. Der hiebei erhobene Vorwurf der 'Aktenwidrigkeit' geht deshalb fehl, weil das Erstgericht in der bezüglichen Urteilspassage keineswegs das Gutachten des Sachverständigen Dr. H inhaltlich unrichtig wiedergegeben, sondern vielmehr zum Ausdruck gebracht hat, daß es eine vom Sachverständigen (bloß) als wahrscheinlich angesehene Version - nämlich die Verursachung eines Blutergusses im Gesicht der Istvanne B durch einen Schlag (oder Tritt) - in Gesamtwürdigung der Beweisergebnisse (§ 258 Abs. 2 StPO) für erwiesen hielt. Schließlich bedurfte dem Einwand des Beschwerdeführers zuwider die aus dem Erhebungsakt der ungarischen Sicherheitsbehörden ersichtliche Aussage des Zoltan I, daß die schwer verletzte Istvanne B gleich nach ihrer Auffindung verneint habe, von jemandem mißhandelt worden zu sein, keiner gesonderten Erwähnung im Rahmen der Urteilsbegründung, weil hierin angesichts der weiters bekundeten damaligen Erklärungen der in einem extremen Ausnahmezustand befindlichen Verletzten (warum man sie denn führe, man möge sie lassen, sie habe keine Schmerzen) die Schilderung einer für das Beweisverfahren bedeutsamen realitätsbezogenen Äußerung von vornherein nicht erblickt werden konnte. Soweit der Beschwerdeführer aber annimmt, das Erstgericht habe eben diesen Verfahrensumstand im Auge gehabt, als es Unstimmigkeiten geringfügiger Natur in den Angaben der Verletzten anläßlich der Äußerungen über die Verletzungsursache in Betracht zog, geht der daran geknüpfte Einwand ins Leere, weil die bezüglichen Urteilserwägungen überhaupt erst die Zeit nach der Einlieferung der Istvanne B in das Krankenhaus und nicht den Zeitpunkt ihrer Auffindung betreffen.
Als unbegründet erweist sich auch der sowohl im Rahmen der Mängelrüge als auch unter dem Gesichtspunkt einer materiellrechtlichen Nichtigkeit nach § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO erhobene Vorwurf eines Feststellungsmangels, der darin liegen soll, daß das Erstgericht neben dem Niederschlagen der Istvanne B und den ihr hiebei zugefügten schweren Verletzungen noch weitere Tätlichkeiten des Angeklagten gegen die Genannte konstatiert, jedoch letztere Angriffe nicht mehr näher beschrieben hat. Die insoweit vermißten Feststellungen sind nämlich für die Tatbeurteilung ohne Bedeutung, weshalb diesem im übrigen nicht näher ausgeführten und daher einer weiteren sachbezogenen Erwiderung nicht zugänglichen Beschwerdepunkt keine Berechtigung zukommt. Ebensowenig zielführend ist das weitere auf Z 9
lit. a und Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützte, inhaltlich nur den letztgenannten Nichtigkeitsgrund relevierende Vorbringen des Angeklagten, welches - zum Teil auch mit der gleichfalls unsubstantiierten Behauptung von Feststellungsmängeln - gegen die Annahme seiner Fahrlässigkeit in bezug auf den tödlichen Ausgang der an Istvanne B verübten Körperverletzung ankämpft.
Für die objektive Vorhersehbarkeit und damit die Zurechenbarkeit der qualifizierenden Tatfolge (§ 7 Abs. 2 StGB) kommt es gar nicht darauf an, daß der Angeklagte am Tatort in der Dunkelheit keinen ausreichenden überblick über die örtlichen Gegebenheiten und die im Verlaufe des Gehweges befindlichen, bei einem allfälligen Sturz die Verletzungsgefahr wesentlich erhöhenden Stufen haben konnte. Es ist nämlich für jeden Durchschnittsmenschen bei zumutbarer Sorgfalt erkennbar, daß ein heftiger Schlag gegen den Hals einen Menschen zu Boden strecken kann, wobei es durchaus ganz allgemein und nicht bloß bei einer durch Steinstufen gekennzeichneten Bodengestaltung im Bereiche der Möglichkeiten liegt, daß die niedergeschlagene Person mit dem Kopf aufprallen und sich dabei eine Schädelverletzung zuziehen kann, die ihrerseits den Tod des Verletzten zur Folge hat. Der Angeklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, daß er wegen seiner damaligen schweren Alkoholisierung zu einer solchen Einsicht nicht fähig gewesen wäre, weil Beeinträchtigungen der subjektiven Vorhersehbarkeit außer Betracht bleiben und den Täter nicht entlasten können, wenn sie auf Mängeln im emotionellen Bereich, wie Aggressivität und Alkoholmißbrauch, beruhen (RZ 1983/48).
Soweit der Beschwerdeführer letztlich eine Urteilsnichtigkeit nach Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO deshalb behauptet, weil das Erstgericht keine ausreichenden Feststellungen getroffen habe, die die rechtsrichtige Beurteilung der Zurechnungsfähigkeit des Täters ermöglichen, liegt eine prozeßordnungsmäßig ausgeführte Rechtsrüge nicht vor, weil in Wahrheit keineswegs eine lückenhaft gebliebene und deswegen die Subsumtion hindernde Lösung der Tatfrage - etwa wegen eines Rechtsirrtums über die Voraussetzungen der vollen Berauschung - den Beschwerdeeinwand bildet, sondern vielmehr nur mit der Forderung, im Gegensatz zum Urteilssachverhalt aus Zeugenaussagen für die Tatzeitpunkte das Vorliegen eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustandes beim Angeklagten abzuleiten, in unzulässiger und daher unbeachtlicher Weise neuerlich die Beweiswürdigung des Schöffengerichtes bekämpft wird.
Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten gemäß § 86 StGB unter Anwendung des § 28 StGB eine Freiheitsstrafe von 5 1/2 (fünfeinhalb) Jahren. Dabei wertete es als erschwerend die Wiederholung der Körperverletzungshandlungen und die einschlägige Vorstrafe, als mildernd hingegen keinen Umstand.
Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der Strafe an. Dies zu Unrecht.
Daß der Berufungswerber zur Tatzeit erheblich alkoholisiert war, kann ihm vorliegend nicht als mildernd zugutegehalten werden. Denn ein selbstverschuldeter, die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließender Rauschzustand ist kraft Gesetzes (§ 35 StGB) nur dann mildernd, wenn die dadurch bedingte Herabsetzung der Zurechnungsfähigkeit nicht durch den Vorwurf aufgewogen wird, den der Genuß des berauschenden Mittels den Umständen nach begründet. Diese Vorwurfsabwägung fällt aber im gegebenen Fall - was die Berufung übersieht - zu Lasten des Berufungswerbers aus, weil dieser im Zeitpunkt des übermäßigen Alkoholkonsums auf Grund konkreter Umstände, nämlich zweier gegen ihn anhängig gewesener Strafverfahren (AZ U 1889/75 des Bezirksgerichtes Krems/Donau und AZ 5 U 1445/79 des Bezirksgerichtes Mödling), wußte, daß er im berauschten Zustand zu strafbaren Aggressionen neigt. Darauf hat auch der Sachverständige Dr. E in seinem Gutachten hingewiesen (Bd. II/33). Wem aber bekannt ist, daß er in alkoholisiertem Zustand aggressiv ist und gegen andere tätlich wird, den trifft, wenn er abermals und trotzdem beträchtliche Mengen Alkohol konsumiert und sich solcherart erneut in einen die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rausch versetzt, in welchem er sodann eine strafbare Handlung begeht, ein solcher Mangel an sozialem Verantwortungsbewußtsein, daß dieser schwerer wiegt als die durch den Alkoholgenuß verminderte Zurechnungsfähigkeit. Demnach wurde zu Recht der von der Berufung relevierte Milderungsgrund nicht angenommen; es liegt vielmehr im Ergebnis ein Erschwerungsgrund vor (vgl. Leukauf-Steininger, Kommentar2 § 35 RN 1
ff.). Daß die zum AZ U 1889/75 erlittene Vorstrafe inzwischen getilgt ist und im Verfahren zum AZ 5 U 1445/79
ein Freispruch gemäß § 259 Z 4 StPO erfolgte, hindert es nicht, die betreffenden Verfahrensergebnisse im gegebenen Zusammenhang bei der Strafbemessung zu verwerten.
Daß der Berufungswerber nunmehr (infolge der zwischenzeitig eingetretenen Tilgung) unbescholten ist, somit der vom Erstgericht angenommene Erschwerungsgrund einer (einschlägigen) Vorstrafe entfällt und stattdessen der Milderungsgrund des § 34 Z 2 StGB anzunehmen ist, ändert nichts an der für die Ausmessung der verwirkten Strafe entscheidenden Schwere der personalen Täterschuld, die die Verhängung einer entsprechend strengen Strafe gebietet. Hat doch der Berufungswerber ohne jeden Grund aus purer Aggressionslust zwei Menschen tätlich angegriffen, wovon er auf eines seiner Opfer in brutaler Weise einschlug und ihm letztlich tödliche Verletzungen zufügte.
So gesehen erweist sich aber das vom Erstgericht gefundene Strafmaß als nicht reduktionsbedürftig, sodaß auch der Berufung ein Erfolg versagt bleiben mußte.
Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.
Anmerkung
E04389European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1983:0090OS00134.83.1004.000Dokumentnummer
JJT_19831004_OGH0002_0090OS00134_8300000_000