TE OGH 1983/10/13 13Os90/83

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Veröffentlicht am 13.10.1983
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 13.Oktober 1983

unter dem Vorsitz des Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Schneider, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Reisenleitner, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Kirchbacher als Schriftführers in der Strafsache gegen Guido A wegen des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs 1, 128

Abs 1 Z 4 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die von der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Jugendschöffengerichts vom 10.März 1983, GZ 27 Vr 4068/82-8, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalwalts Dr. Stöger, und der Ausführungen des Verteidigers Dr. Hoffmann zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Gemäß § 290 Abs 1 StPO wird jedoch das Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen Diebstahls eines Teilbetrags von 5.000 S (teilweise 1), ferner im Ausspruch, daß der Diebstahl teilweise durch Aufbrechen eines Behältnisses, nämlich einer verschlossenen Geldbüchse, begangen wurde, ferner in der rechtlichen Beurteilung des Diebstahls als 'Verbrechen des schweren Diebstahls durch Einbruch nach § 128 Abs 1 Z 4 StGB ' und schließlich im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht verwiesen. Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft hierauf verwiesen.

Text

Gründe:

Nach den wesentlichen Urteilsannahmen des Jugendschöffengerichts hatte sich der am 19.Jänner 1967 geborene Angeklagte Guido A am 24. September 1982 in Wörgl in der Wohnung des Hugo B aufgehalten, in der auch dessen Sohn Helmut B, ein Freund des Angeklagten, anwesend war. Von früheren Besuchen wußte der Angeklagte, daß sich in der Lade eines Schranks im Wohnzimmer eine kleine Geldbüchse aus Blech befand, in der Hugo B Geldbeträge für ein Reisebüro versperrt aufbewahrte. Wegen eines Telephonanrufs im Wohnzimmer allein gelassen, kam A auf den Gedanken, 'Bargeld aus dieser Büchse zu nehmen'. Er holte sie aus der Lade, steckte sie unbemerkt in seinen Hosenbund und zog den von ihm getragenen weiten Sommerpullover darüber. Sodann ersuchte er Helmut B, die Toilette aufsuchen zu dürfen. Dort öffnete er die Geldbüchse, indem er mit einem mitgebrachten Nagel den Splint des Scharniers entfernte, und entnahm ihr eine Tausendschillingnote. Hierauf versperrte (gemeint: verschloß) er die Büchse wieder und verbarg sie abermals unter seiner Kleidung. Als er die Toilette verließ, erwartete ihn schon Helmut B und drängte, weil er es eilig hatte, zum Aufbruch. Gemeinsam verließen sie die Wohnung, trennten sich aber dann. Während der anschließenden Fahrt mit dem Rad warf der Angeklagte die Büchse (mit dem restlichen Geldinhalt) in ein Gebüsch neben der Fahrbahn, wobei er sich den Ort, wo die Büchse hinfiel, genau merkte, machte dann aber mit seinem Fahrrad wieder kehrt, fuhr zu jener Stelle zurück und entnahm der Büchse einen weiteren Geldbetrag von 5.000 S, worauf er diese mit dem verbliebenen Inhalt wieder zurück in das Gebüsch warf. Dort wurde sie später samt dem darin verbliebenen Inhalt (13.302 S und 100 DM) nach längerem Suchen von der Gendarmerie gefunden und sichergestellt.

Zusammengefaßt legte das Jugendschöffengericht dem Angeklagten Guido A darnach zur Last, daß er am 24.September 1982 in Wörgl (zu 1) dem Hugo B 6.000 S Bargeld, teilweise (ersichtlich gemeint: die der Büchse zuerst entnommene Tausendschillingnote) durch Aufbrechen eines Behältnisses, nämlich einer verschlossenen Geldbüchse, gestohlen und (zu 2) ihn ferner dadurch geschädigt hat, daß er die Geldbüchse mit dem weiteren Inhalt (13.302 S und 100 DM) aus dessen Gewahrsam dauernd entzog, ohne die Sache sich oder einem Dritten zuzueignen, 'indem er die Sparbüchse mit dem genannten Inhalt in ein Gebüsch warf'. Rechtlich erblickte das Erstgericht darin (zu 1) ' das Verbrechen des schweren Diebstahls durch Einbruch nach Par(Par) 127 Abs 1 und 128 Abs 1 Z 4 StGB ' (S. 83, 89) sowie (zu 2) das Vergehen der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 und 2 StGB Dem letzten Absatz der Urteilsbegründung zufolge werde allerdings 'im Rechtsmittelverfahren der Schuldspruch, der irrtümlich hinsichtlich des § 129 Z 2 StGB nicht verkündet wurde, zu berücksichtigen sein' (S. 90).

Rechtliche Beurteilung

In der auf die Z 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde rügt die Staatsanwaltschaft, daß die Strafe nicht nach § 129 StGB bemessen wurde.

Diesem (der Sache nach die Z 10 des § 281 Abs 1 StPO. relevierenden) Rechtsmittel kommt keine Berechtigung zu. Die reklamierte Qualifikation nach § 129 Z 2 StGB

liegt vor, wenn der Täter den Diebstahl begeht, indem er (nach Lage des Falls hier allein denkbar) ein Behältnis mit einem nicht zur ordnungsgemäßen Öffnung bestimmten Werkzeug öffnet und sich (erst) dadurch die Möglichkeit verschafft, sich des bis dahin seinem unmittelbaren Zugriff entzogenen Inhalts des Behältnisses zu bemächtigen. Der für den Diebstahl deliktsspezifische Gewahrsamsbruch setzt also das Öffnen des Behältnisses voraus, folgt ihm daher zeitlich nach. Nimmt der Dieb das versperrte Behältnis als solches vom Tatort weg, um es erst fernab von diesem in der geschilderten Weise zu öffnen und sich den Inhalt zuzueignen, so liegt die Qualifikation nach § 129 Z 2 StGB deshalb nicht vor (Leukauf-Steininger2, § 129 StGB , RN. 27), weil der Diebstahl mit dem bereits vollzogenen Gewahrsamsbruch schon vor dem Öffnen des Behältnisses vollendet war. Setzt nun der Gewahrsamsbruch in aller Regel das Wegschaffen der Sache vom Tatort voraus, weil nur diesfalls der Täter die tatsächliche Herrschaft über die Sache erlangt und der bisherige Gewahrsamsträger nicht mehr die Macht hat, über die Sache zu verfügen (a.a.O. § 127 StGB , RN. 40), so ist an verhältnismäßig kleinen Sachen, die leicht in der Kleidung oder am Körper verborgen werden können, der Diebstahl schon mit dem vom Bestohlenen unbemerkten Einstecken dieser Sachen durch den Dieb am Tatort vollendet (a.a.O. § 127 StGB RN. 41). Nimmt der Dieb daher ein Behältnis, das so klein ist, daß es leicht in der Kleidung oder am Körper verborgen werden kann, an sich, dann ist der Gewahrsam daran (sowie am Inhalt) schon am Tatort entzogen und damit der Diebstahl schon dort vollendet. Daraus folgt, daß ein dem Gewahrsamsbruch nachfolgendes Öffnen der in Rede stehenden Art, und sei es noch am Tatort selbst, die Qualifikation nach § 129 Z 2 StGB in einem solchen Fall nicht mehr herzustellen vermag.

Die Geldbüchse samt Inhalt war demnach durch das Verbergen unter der Kleidung des Angeklagten dem Gewahrsam des Bestohlenen entzogen und in den eigenen des Angeklagten übergeführt worden. Das zeitlich nachfolgende Öffnen durch Entfernen des Scharniers mit einem Nagel - ungeachtet dessen, ob man darin überhaupt eine dem § 129 Z 2 StGB subsumierbare Tathandlung erblicken kann oder nicht - vermochte daher die von der Staatsanwaltschaft reklamierte Qualifikation hier nicht mehr zu verwirklichen.

Damit war die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft zu verwerfen.

Der Oberste Gerichtshof hat sich jedoch aus Anlaß dieser Nichtigkeitsbeschwerde davon überzeugt, daß der Schuldspruch wegen Diebstahls eines (Teil-) Betrags von 5.000 S an einem Feststellungsmangel leidet, der eine abschließende rechtliche Beurteilung der Sache verhindert und sich allenfalls zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt haben könnte.

Will man nämlich nicht von einem im Zeitpunkt der Sachwegnahme vorhanden gewesenen (globalen) Diebstahlsvorsatz im Hinblick auf den in der Geldbüchse verwahrten Geldbetrag schlechthin ausgehen - daß dem Angeklagten nicht die ganze in der Büchse verwahrte Barschaft (19.302 S und 100 DM) als Diebsbeute angelastet wurde, spricht eindringlich gegen dessen Annahme durch das Schöffengericht - sondern (wie hier) als erwiesen ansehen, daß der Angeklagte die Büchse mit dem Vorsatz weggenommen hat, sich daraus bloß einen Teil des Bargeldinhalts diebisch anzueignen (siehe den Erhebungsbericht der Gendarmerie S. 15: 'aus der Geldbüchse einen Teil zu stehlen'; ferner S. 87: Bargeld - nicht das Bargeld -

aus der Büchse), so kann ein auf unrechtmäßige Bereicherung abzielender, nachträglich gefaßter Zueignungsvorsatz hinsichtlich des ganzen oder eines Teils des Inhalts der insoweit zunächst ohne Zueignungsvorsatz in Gewahrsam genommenen Geldbüchse nur als Unterschlagung (§ 134 Abs 1 und 2 StGB ) strafrechtlich faßbar werden.

Eindeutige Konstatierungen darüber, ob der Diebstahlsvorsatz des Angeklagten schon im Tatzeitpunkt (also bei Ansichnahme der noch ungeöffneten Geldbüchse) nur auf den Diebstahl des bald danach (noch am Tatort) entnommenen Betrags von 1.000 S, oder - mit Rücksicht auf die schon fernab vom Tatort nachfolgende Entnahme von weiteren 5.000 S - eines solchen von insgesamt 6.000 S gerichtet war, fehlen im angefochtenen Urteil. Dieser Feststellungsmangel läßt mangels eindeutiger Konstierungen zur subjektiven Tatseite im Tatzeitpunkt hinsichtlich eines den Gegenstand des Schuldspruchs wegen Diebstahls bildenden, der Büchse erst fern vom Tatort entnommenen Teilbetrags von 5.000 S eine diesbezüglich mögliche Tatbeurteilung als das Vergehen der Unterschlagung nach § 134 Abs 1 und 2 StGB aber nicht ausschließen. Diesfalls aber entfiele für den verbliebenen Diebstahl (des Tausendschillingscheins) die Wertqualifikation nach § 128 Abs 1 Z 4 StGB Dieser (nicht bekämpfte) Feststellungsmangel hat sich sohin allenfalls zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt, weshalb er von Amts wegen (§ 290 Abs 1 StPO.), wie aus dem Spruch ersichtlich, aufzugreifen war.

Der unter solchen Voraussetzungen allenfalls rechtlich verfehlte Schuldspruch wegen Vergehens der dauernden Sachentziehung nach §§ 135 Abs 1 und 2 StGB (2) mußte dabei als unangefochten und auf keiner zum Nachteil des Angeklagten unterlaufenen Gesetzesverletzung beruhend unberührt bleiben.

Die Staatsanwaltschaft war mit ihrer (gegenstandslos gewordenen) Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E04342

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1983:0130OS00090.83.1013.000

Dokumentnummer

JJT_19831013_OGH0002_0130OS00090_8300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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