Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 20.Oktober 1983
unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Dr. Walenta, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Ramschak-Heschgl als Schriftführerin in der Strafsache gegen Josef A wegen des Verbrechens der versuchten Unzucht mit Unmündigen nach §§ 15, 207 Abs 1 StGB. und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 13.Juli 1983, GZ 29 Vr 1647/82-62, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Angermann und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Knob, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 18.März 1945 geborene (zuletzt beschäftigungslose) Josef A des Verbrechens der versuchten Unzucht mit Unmündigen nach §§ 15, 207 Abs 1 StGB. (Punkt I des Urteilssatzes) sowie der Vergehen des Diebstahls nach § 127 Abs 1 StGB.
(Punkt III), der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 StGB. (Punkt IV) und öffentlicher unzüchtiger Handlungen nach § 218 StGB. (Punkt II) schuldig erkannt.
Rechtliche Beurteilung
Er bekämpft diesen Schuldspruch mit einer auf die Z. 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, und zwar lediglich in den Punkten I und II. Insoweit liegt ihm zur Last, er habe (zu I) am 23.Mai 1982 in Baumkirchen unmündige Personen, nämlich die am 19.Mai 1971 geborene Petra B und die am 8.März 1971 geborene Tamara C, auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht zu mißbrauchen versucht, indem er sie unter der Vorspiegelung, ihnen Geld zu schenken, an einen abgelegenen, nicht einsehbaren Platz lockte, Petra B aufforderte, ihr Leibchen auszuziehen, sie an der Hand erfaßte und sich äußerte:
'Bei dir fange ich an, ich mache dir ein Kind', sowie sodann Tamara C mit den Worten: 'Jetzt fange ich bei dir an, weil du tapferer bist', an der Hand erfaßte; und (zu II) Mitte August 1982 in Hollabrunn während eines Volksfestes bei einer gut besuchten Go-Cart-Bahn, sohin öffentlich und unter Umständen, unter denen sein Verhalten geeignet war, durch unmittelbare Wahrnehmung berechtigtes Ärgernis zu erregen, unzüchtige Handlungen vorgenommen, indem er mehreren Frauen an die Brust griff.
Im Rahmen der Mängelrüge (Z. 5) behauptet der Beschwerdeführer zunächst, das Urteil leide in bezug auf den Punkt I des Schuldspruchs deshalb an einem Begründungsmangel (Unvollständigkeit), weil das Erstgericht die Widersprüche in den Aussagen der Zeuginnen Petra B und Tamara C mit Stillschweigen übergangen habe. Während nämlich die Aussage der Zeugin Petra B dahingehe, der Angeklagte hätte zu ihr gesagt, er wolle 'ihr ein Kind machen', habe die Zeugin Tamara C im Gegensatz dazu vor dem Untersuchungsrichter (vom Erstgericht unerörtert) erklärt, sie sei 'ganz sicher, daß der Mann nicht zu Petra gesagt hat, er wolle ihr ein Kind machen'; richtig sei aber, daß der Mann zu ihr gesagt habe, 'er fange jetzt mit ihr an, weil sie tapferer sei; was er damit meinte, könne sie nicht beurteilen' (S. 158).
Diesem Vorbringen ist zu erwidern, daß die Zeugin Tamara C ihre oben zitierten Angaben vor dem Untersuchungsrichter, die ihr in der Hauptverhandlung vorgehalten wurden, nicht aufrechterhielt, sondern in dem Sinn präzisierte, daß sie nicht genau wisse, 'ob er das zu Petra gesagt hat, daß er ihr ein Kind machen werde' (S. 228). Ein (erörterungsbedürftiger) Widerspruch zwischen den Aussagen der beiden Mädchen über entscheidungswesentliche Umstände liegt somit in Wahrheit gar nicht vor. Da das Erstgericht die Aussagen der beiden Zeuginnen im übrigen ohnedies einer eingehenden Würdigung unterzog, wobei es auch nicht übersah, daß eine übereinstimmende Erinnerung der Mädchen hinsichtlich aller Details nicht (mehr) bestand (S. 256, 257), muß der erwähnte - keinen formalen Begründungsmangel aufzeigende, sondern im Ergebnis nur auf eine im Rechtsmittelverfahren gegen schöffengerichtliche Urteile unzulässige Bekämpfung der erstgerichtlichen Beweiswürdigung hinauslaufende - Einwand des Beschwerdeführers versagen.
Dem weiteren Beschwerdeeinwand zuwider leidet das Urteil aber auch nicht im Zusammenhang mit dem Schuldspruch wegen des Vergehens nach § 218 StGB. (Punkt II) an einer Nichtigkeit im Sinne der Z. 5 oder 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO. Daß der Angeklagte die ihm vorgeworfenen unzüchtigen Betastungen (vgl. EvBl 1982/20) öffentlich (und unter Umständen, unter denen sein Verhalten geeignet war, durch unmittelbare Wahrnehmung berechtigtes Ärgernis zu erregen) vornahm, ist den durch die eigenen Angaben des Beschwerdeführers vor der Gendarmerie (S. 12 in ON. 15) und durch die Aussage des Gendarmeriebeamten Josef D in der Hauptverhandlung (S. 236, 237) gedeckten erstgerichtlichen Feststellungen, wonach die Tathandlungen im Rahmen eines Volksfestes bei einer Go-Cart (Autodrom)-Bahn 'für zahlreiche Besucher wahrnehmbar' erfolgten, ohnedies zu entnehmen.
Konstatierungen über die genaue Anzahl jener Besucher, welche entsprechende Beobachtungen machten, bedurfte es hingegen nicht. Denn nicht auf die (tatsächlich erfolgte) Wahrnehmung selbst, sondern auf die Wahrnehmbarkeit durch einen größeren Personenkreis kommt es an (vgl. ÖJZ-LSK
1977/270 = EvBl 1977/262). An einer solchen konkreten Wahrnehmbarkeit kann aber nach Lage des Falles (allgemein zugängliches Autodrom bei einem Volksfest mit zahlreichen Besuchern) kein Zweifel bestehen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 28, 207 Abs 1 StGB. zu zweieinhalb Jahren Freiheitsstrafe. Zugleich ordnete es gemäß § 21 Abs 2 StPO.
seine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher an.
Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit drei Vergehen, die Wiederholung der unzüchtigen Handlungen (§ 218 StGB.) sowie den Umstand, daß das Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen gegen zwei Opfer gerichtet war, als erschwerend, hingegen das teilweise Geständnis, den Umstand, daß das Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen beim Versuch blieb, sowie die Grenzdebilität und abartige Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten als mildernd. Auch der Berufung des Angeklagten, mit welcher er eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe anstrebt, kommt keine Berechtigung zu. Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe im wesentlichen vollständig festgestellt, zutreffend gewürdigt und die vom Berufungswerber hervorgehobenen Milderungsgründe ohnedies berücksichtigt. Bei den zahlreichen zum Teil empfindlichen Vorstrafen des Berufungswerbers und seinem raschen Rückfall (rund fünfeinhalb Monate) nach seiner Entlassung aus der letzten Strafhaft (von sieben Jahren wegen des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen), hat das Schöffengericht die über ihn verhängte Freiheitsstrafe bei einem Strafrahmen bis zu fünf Jahren nach seiner tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB.) mit zweieinhalb Jahren keineswegs zu hoch ausgemessen.
Es war daher spruchgemäß zu erkennen.
Anmerkung
E04392European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1983:0120OS00130.83.1020.000Dokumentnummer
JJT_19831020_OGH0002_0120OS00130_8300000_000