TE OGH 1983/11/3 13Os107/83

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Veröffentlicht am 03.11.1983
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 3.November 1983

unter dem Vorsitz des Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kießwetter, Dr. Schneider, Dr. Lachner und Dr. Felzmann als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Kirchbacher als Schriftführers in der Strafsache gegen Richard A wegen des Verbrechens des versuchten Raubes nach §§ 15, 142 Abs. 1, 143 StGB. und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichts beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 27. April 1983, GZ. 20 p Vr 9863/82-32, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Schneider, der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Stöger, und der Ausführungen des Verteidigers DDr. Stern zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen wurde der am 12.November 1958 geborene, zuletzt beschäftigungslos gewesene polnische Staatsbürger Richard A der Verbrechen des versuchten (schweren) Raubes nach §§ 15, 142 (Abs. 1), 143, zweiter Fall, StGB. (I) und der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach §§ 15, 202 Abs. 1 StGB. (II) schuldig erkannt. Darnach hat er in Wien mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben (§ 89 StGB.) unter Verwendung einer Waffe, nämlich eines Küchenmessers mit einer Klingenlänge von 12 cm, den nachgenannten Frauen fremde bewegliche Sachen (Bargeld) mit dem Vorsatz wegzunehmen oder abzunötigen getrachtet, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar am 25.August 1982 der Aisheh B, indem er sie von hinten umfaßte, ihr den Mund zuhielt und Geld forderte, wobei er das Messer in der Hand hielt (I 1); am 27. August 1982 der Claudia C, indem er ihr das Messer an die Kehle setzte, sie zu Boden stieß und zu ihr sagte: 'Gib mir Geld oder ich bringe dich um !', ihr einen Plastikbeutel entriß und diesen (nach Geld) durchsuchte (I 2); ferner mit Gewalt und durch gefährliche Drohung nachgenannte Personen weiblichen Geschlechts zum außerehelichen Beischlaf zu nötigen gesucht, und zwar am 6.August 1982 die Ingrid D, indem er sie von hinten umfaßte und ihr ein Messer an die Kehle setzte (II 1); am 25.August 1982 bei Begehung der zu I 1 bezeichneten Tat die Aisheh B, indem er sie von hinten umfaßte, ihr den Mund zuhielt, wobei er ein Messer in der Hand hielt (II 2) und am 27.August 1982 bei Begehung der zu I 2 bezeichneten Tat die Claudia C, indem er ihr ein Messer an die Kehle setzte und sie zu Boden stieß (II 3).

Die Anklageschrift (ON. 13) legte dem Angeklagten in übereinstimmung mit seinem Geständnis vor Polizei und Untersuchungsrichter (vgl. S. 35 bis 39, 43, 84, 83 a, 83 a verso und 83 b), drei Raubüberfälle unter Verwendung eines Küchenmessers und einer über das Gesicht gezogenen Strumpfmaske auf Frauen im Wienerwald zur Last: am 6. August 1982 auf Ingrid D, am 25.August 1982 auf Aisheh B und am 27. August 1982 auf Claudia C.

In der (ersten) Hauptverhandlung (am 17.Februar 1983) rückte der Angeklagte von seinem Raubgeständnis ab und behauptete, sein Vorhaben sei jeweils darauf gerichtet gewesen, mit den Frauen geschlechtlich zu verkehren (S. 166, 169 und 170), wobei er allerdings andeutete, daß er es auch auf Geld abgesehen haben könnte (S. 169: '... Ich habe etwas gesucht ...; vielleicht ein bißchen Geld ...

Ich wollte eher mit ihr schlafen ...'). Diese Verantwortung hielt er auch in der zweiten Hauptverhandlung (am 27.April 1983) aufrecht (S. 218 und 222). Claudia C, eines der drei Tatopfer, hat als Zeugin bestätigt, daß der Angeklagte ihr das Messer an den Hals angesetzt und von ihr Geld gefordert hat (S. 172 und 174). Unter Berücksichtigung dieser (in der Hauptverhandlung erörterten) wechselnden Verantwortung des Angeklagten über sein bei diesen drei überfällen verfolgtes Vorhaben und angesichts der nach seiner Verantwortung in der Hauptverhandlung (am 17.Februar und am 27.April 1983) mangels einer Tatvollendung (in der einen oder anderen Richtung) nicht von der Hand zu weisenden Möglichkeit, daß er es sowohl auf Geld als auch auf den geschlechtlichen Mißbrauch des jeweiligen Tatopfers abgesehen haben könnte, wurden den Geschwornen für jeden dieser drei überfälle zwei Hauptfragen, und zwar nach dem Verbrechen des versuchten schweren Raubes (nach §§ 15, 142 Abs. 1, 143, zweiter Fall, StGB.) und nach dem Verbrechen der versuchten Nötigung zum Beischlaf (§§ 15, 202 Abs. 1 StGB.) und darüber hinaus zu dem Überfall am 27.August 1982 auf die damals noch unmündige Schülerin Claudia C (geboren am 13.November 1969) auch noch eine (nur für den Fall der Bejahung der nach ihrer versuchten Nötigung zum außerehelichen Beischlaf gestellten Hauptfrage zu beantwortende) 'Zusatzfrage' nach dem Verbrechen des versuchten Beischlafs mit Unmündigen (§§ 15, 206 Abs. 1 StGB.) gestellt.

Die Geschwornen haben bei dem überfall auf Ingrid D einen Raubvorsatz nicht als erwiesen angenommen und deshalb die Hauptfrage 1 (nach an Ingrid D versuchtem schweren Raub) stimmeneinhellig verneint, die Hauptfrage 2

(nach versuchter Nötigung der Ingrid D zum außerehelichen Beischlaf) hingegen stimmeneinhellig bejaht. Bei den überfällen auf Aisheh B und auf (die damals zwölfjährige) Claudia C wurde von den Geschwornen ein sowohl auf Raub als auch auf geschlechtlichen Mißbrauch der jeweils überfallenen (durch Beischlaf) gerichtetes Vorhaben des Angeklagten als erwiesen angenommen. Sie bejahten demgemäß sowohl die Hauptfrage 3 nach Raubversuch an Aisheh B (im Stimmenverhältnis von 5 : 3) als auch (hier stimmeneinhellig) die Hauptfrage 4 nach versuchter Nötigung der Aisheh B zum außerehelichen Beischlaf; desgleichen bejahten sie jeweils stimmeneinhellig sowohl die Hauptfrage 5 nach Raubversuch an Claudia C als auch die Hauptfrage 6 nach versuchter Nötigung dieses Mädchens zum außerehelichen Beischlaf. Die 'Zusatzfrage' 7 des Fragenschemas nach dem vom Angeklagten zugleich (in echter Idealkonkurrenz) mit der versuchten Nötigung der Claudia C zum außerehelichen Beischlaf (Hauptfrage 6) begangenen Verbrechen des versuchten Beischlafs mit einer Unmündigen (§§ 15, 206 Abs. 1 StGB.) wurde hingegen von den Geschwornen einstimmig verneint.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 345 Abs. 1 Z. 6, 7 und 8 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Eine Verletzung der Bestimmungen der §§ 312 und 314 StPO. über die Fragestellung an die Geschwornen (§ 345 Abs. 1 Z. 6 StPO.) erblickt der Beschwerdeführer zunächst darin, daß zu den drei ihm laut Anklageschrift zur Last gelegten Raubüberfällen jeweils neben den (entsprechend der Bestimmung des § 312 Abs. 1 StPO.) anklagekonform gestellten Hauptfragen nach dem Verbrechen des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs. 1, 143, zweiter Fall, StGB. (1, 3 und 5 des Fragenschemas) den Geschwornen für den Fall der Bejahung dieser Hauptfragen zu beantwortende weitere Hauptfragen nach dem Verbrechen der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach §§ 15, 202 Abs. 1 StGB.

(2, 4 und 6 des Fragenschemas) vorgelegt wurden; diese im Fragenschema unter 2, 4 und 6 angeführten Fragen hätten im Hinblick auf die geänderte Verantwortung des Angeklagten in der Hauptverhandlung (am 17.Februar 1983 und am 27.April 1983) nur als für den Fall der Verneinung der Hauptfragen 1, 3 und 5 zu beantwortende Eventualfragen im Sinn des § 314 Abs. 1 StPO. gestellt werden dürfen.

Dieser Einwand versagt:

Der Beschwerdeführer läßt die Bestimmung des § 312 Abs. 2 StPO. außer acht. Darnach ist unter der Voraussetzung, daß in der dem Angeklagten in der Anklage zur Last gelegten Tat die Merkmale mehrerer strafbarer Handlungen zusammentreffen, ohne daß eine in der anderen aufgeht, für jede der zusammentreffenden strafbaren Handlungen eine besondere Hauptfrage zu stellen. Zufolge dieser vor allem das eintätige Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen regelnden Vorschrift über die Fragestellung an die Geschwornen ist daher für den Fall, daß die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat neben den Merkmalen der in der Anklageschrift angeführten (in Idealkonkurrenz) auch noch jene einer anderen strafbaren Handlung umfaßt, eine besondere Hauptfrage auch für die (weitere) zusammentreffende strafbare Handlung zu stellen, und zwar unabhängig davon, ob dieses weitere (idealkonkurrierende) Delikt dem Angeklagten bereits in der Anklageschrift oder allenfalls später durch entsprechende Erklärung des öffentlichen Anklägers in der Hauptverhandlung auch formell zur Last gelegt wird oder nicht. Durch die Anordnung des § 312 Abs. 2 StPO. soll sichergestellt werden, daß der Schwurgerichtshof durch die Stellung von geeigneten Hauptfragen die Voraussetzung für eine umfassende rechtliche Beurteilung des angeklagten Sachverhalts durch die Geschwornen nach allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten schafft. In einem solchen Fall kann eine Anklageüberschreitung von vornherein nicht in Betracht kommen, geht es doch hier nur um die rechtliche Beurteilung ein- und derselben Tat, durch die gleichzeitig, also in Idealkonkurrenz, neben dem Tatbestand des angeklagten Delikts auch die Merkmale einer weiteren strafbaren Handlung verwirklicht wurden (§§ 267; 262, letzter Satz, StPO.; Mayerhofer-Rieder, Das österreichische Strafrecht, II/2, Nr. 11

zu § 312 StPO., 13 Os 113/83).

Die Stellung weiterer, besonderer Hauptfragen nach dem Verbrechen der versuchten Nötigung zum Beischlaf (§§ 15, 202 Abs. 1 StGB.) neben den (anklagekonform) gestellten Hauptfragen nach dem Verbrechen des versuchten schweren Raubes (§§ 15, 142 Abs. 1, 143, zweiter Fall, StGB.) waren in allen drei, dem Angeklagten laut Anklageschrift angelasteten Fakten zufolge § 312 Abs. 2 StPO. geboten. Denn es lag, wie bereits aufgezeigt, angesichts der geänderten Verantwortung des Angeklagten in der Hauptverhandlung durchaus im Bereich der Möglichkeit, daß er in allen drei Fällen jeweils mit dem (zweifachen) Vorsatz handelte, die von ihm überfallenen Frauen zu berauben und zum außerehelichen Beischlaf zu nötigen.

Handelte der Angeklagte bei der Gewaltanwendung und der Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben (§ 74 Z. 5 StGB.) gegenüber den drei überfallenen Frauen aber jeweils mit diesem zweifachen Vorsatz (zu einer Wegnahme oder Abnötigung des Gelds, aber auch zu einem geschlechtlichen Mißbrauch ist es in allen diesen Fällen nicht gekommen), so wäre von ihm in Tateinheit (also in Idealkonkurrenz) jeweils sowohl das Verbrechen des versuchten schweren Raubes als auch jenes der versuchten Nötigung zum Beischlaf verwirklicht worden. Entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Auffassung, es hätte sich in jedem dieser drei Fälle jeweils nur die Alternative Raubversuch oder versuchte Nötigung zum Beischlaf gestellt, lag nach den in der Hauptverhandlung zur Sprache gekommenen Verfahrensergebnissen ein Tatsachensubstrat vor, das die jeweils gleichzeitige Verwirklichung der beiden vorerwähnten (in der Entwicklungsstufe des Versuchs verbliebenen) Delikte in den Bereich der (näheren) Möglichkeit rückte (EvBl. 1980/222). Dieser Fallkonstellation hat der Schwurgerichtshof durchaus im Einklang mit der Bestimmung des § 312 Abs. 2 StPO. durch Aufnahme je einer Hauptfrage sowohl nach Raubversuch als auch nach versuchter Nötigung zum Beischlaf für jedes der drei Anklagefakten in das Fragenschema Rechnung getragen.

Entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Auffassung war hingegen die von ihm vermißte Eventualfrage (§ 314 Abs. 1 StPO.) nach dem Vergehen der gefährlichen Drohung (§ 107 Abs. 1 StGB.) auf Grund des Tatsachenvorbringens in der Hauptverhandlung in keinem der drei Fälle indiziert; ging es doch dem Angeklagten, soweit er neben der Gewaltanwendung jeweils auch das Mittel der gefährlichen Drohung (bzw. der einer solchen entsprechenden Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben) einsetzte, nach seiner Verantwortung weder im Vorverfahren noch in der Hauptverhandlung darum, die drei von ihm überfallenen Frauen bloß in Furcht und Unruhe zu versetzen; das Ziel des Angeklagten war nach seinem Geständnis im Vorverfahren bzw. in der Hauptverhandlung vielmehr darauf gerichtet gewesen, diese Frauen zu berauben und/oder geschlechtlich zu mißbrauchen. Auch insoweit die Beschwerde bemängelt, daß weder eine Zusatzfrage gemäß dem § 313 StPO. nach dem Strafaufhebungsgrund des Rücktritts vom Versuch (§ 16 Abs. 1 StGB.) im Faktum Claudia C noch eine solche nach dem Schuldausschließungsgrund des § 11 StGB. (infolge Tatbegehung in allen drei Fällen in einem die strafrechtliche Verantwortlichkeit ausschließenden Zustand) in das Fragenschema aufgenommen worden sei, kann ihr nicht beigepflichtet werden.

Der Angeklagte hat zwar in der Hauptverhandlung (am 17.Februar 1983) erklärt, sein Vorhaben, Claudia C zu vergewaltigen, nicht ausgeführt zu haben, weil er gesehen habe, daß sie noch so jung sei. Gleichzeitig erklärte er aber, damals davongelaufen zu sein, weil er sich gefürchtet habe (S. 170). In der zweiten (neu durchgeführten) Hauptverhandlung am 27.April 1983 stellte der Angeklagte im Zusammenhang mit seinem Eingeständnis, sein Vorhaben sei in allen drei Fällen auf die Vornahme eines Beischlafs mit den überfallenen Frauen gerichtet gewesen, klar, daß es dazu deshalb nicht gekommen sei, weil er Angst bekommen habe (S. 222). Die Zeugin C bekundete, sie hätte bei dem überfall geschrien und sich gewehrt (S. 173). Nach diesem Vorbringen kann daher von einem freiwilligen Rücktritt vom Versuch im Sinn des § 16 Abs. 1 StGB., auf den sich der Angeklagte allerdings nur im Faktum Claudia C nunmehr beruft, keine Rede sein.

Denn - abgesehen von der vorstehend zitierten Aussage der Zeugin C - hat er nach seiner eigenen Verantwortung in der Hauptverhandlung von dem geschlechtlichen Mißbrauch nicht aus eigenem Antrieb auf Grund innerer Erwägungen Abstand genommen, sondern sich vielmehr aus Angst nicht mehr zur Tatvollendung imstande gefühlt. Der Angeklagte hat also keineswegs, wie dies zur Annahme des für einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch essentiellen Moments der Freiwilligkeit erforderlich wäre, unter der Vorstellung gehandelt, eine seinem Tatplan entsprechende Tatvollendung sei noch möglich. Nach dieser eigenen Darstellung des Angeklagten in der Hauptverhandlung kam sohin auch in bezug auf Claudia C ein freiwilliger Rücktritt vom Versuch (§ 16 Abs. 1 StGB.) nicht in Betracht, sodaß eine Zusatzfrage nach diesem Strafaufhebungsgrund im Hinblick auf die Bestimmung des § 313

StPO. nicht geboten war.

Gleiches trifft auf die vom Beschwerdeführer vermißte Zusatzfrage nach dem Schuldausschließungsgrund gemäß dem § 11 StGB. zu. Nach den beiden (in der Hauptverhandlung zur Verlesung gebrachten - S. 225 -) Gutachten des dem Verfahren beigezogenen psychiatrischen Sachverständigen Prim. Dr. Heinrich E (ON. 22 und 27), lag beim Angeklagten auch während des hier in Betracht kommenden Tatzeitraums (6. bis 27.August 1982) ein seine strafrechtliche Zurechnungsfähigkeit ausschließender Zustand im Sinn des § 11 StGB. nicht vor. Der Angeklagte hat zwar laut seiner Verantwortung in der Hauptverhandlung in allen drei Fällen als Tatmotiv einen durch seine damalige Arbeitslosigkeit augelösten Schock behauptet (S. 166), auf den er sich in Begründung seiner Meinung, infolge Unterlassung einer Zusatzfrage nach dem Vorliegen des Schuldausschließungsgrundes nach § 11 StGB. sei eine Nichtigkeit nach § 345 Abs. 1 Z. 6 StPO. unterlaufen, beruft. Wie aber aus dem Zusammenhang hervorgeht, wollte der Angeklagte damit nur die Umstände, die zu diesen überfällen auf Frauen im August 1982 im Wienerwald geführt hatten, näher dartun. Sein Hinweis auf einen durch Arbeitslosigkeit bedingten Schock war ersichtlich nur als Erklärungsversuch zu verstehen, wieso es zu diesen überfällen überhaupt kommen konnte; keinesfalls kann aber diesem Vorbringen die ernstliche Behauptung des Angeklagten entnommen werden, sich zur Zeit dieser überfälle in einem Zustand der strafrechtlichen Zurechnungsunfähigkeit nach § 11 StGB. befunden zu haben.

Wie dargelegt betreffen die Hauptfragen 1, 3 und 5

einerseits sowie 2, 4 und 6 andererseits die unter Anklage gestellten überfälle des Angeklagten auf Frauen im Wienerwald am 6., 25. und 27.August 1982, durch die nach dem bezüglichen Tatsachenvorbringen in der Hauptverhandlung vom Angeklagten möglicherweise in jedem einzelnen Fall sowohl der Tatbestand des versuchten schweren Raubes als auch jener der versuchten Nötigung zum Beischlaf in Idealkonkurrenz verwirklicht worden sein konnte. Da durch diese Hauptfragen (1 bis 6) für jeden dieser drei Fälle nur eine umfassende rechtliche Beurteilung eines bestimmten unter Anklage gestellten historischen Geschehens durch die Geschwornen sichergestellt werden sollte, kommt eine Anklageüberschreitung nach § 267 StPO. und damit der vom Beschwerdeführer deshalb geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der Z. 7 des § 345 Abs. 1 StPO. infolge einer Fragestellung an die Geschwornen unter (der behaupteten) Verletzung der Vorschrift des § 267 StPO. nicht in Betracht (vgl. auch 13 Os 113/83). Der Schwurgerichtshof hat vielmehr mit den Hauptfragen 1 bis 6 den einschlägigen Bestimmungen der §§ 267, 312 Abs. 2 StPO. entsprochen.

Schließlich schlagen aber auch die Beschwerdeausführungen zum Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs. 1 Z. 8 StPO.

nicht durch:

Da nach dem Vorgesagten zu einer umfassenden rechtlichen Beurteilung

der drei Anklagefakten gemäß § 312 Abs. 2 StPO. die Aufnahme der Hauptfragen 1 bis 6 in das Fragenschema geboten und demnach den Geschwornen die Beantwortung aller dieser Hauptfragen aufzutragen war, kann von einer unrichtigen Rechtsbelehrung über das Verhältnis der einzelnen Fragen zueinander (§ 321 Abs. 2 StPO.) keine Rede sein; es erweist sich vielmehr, wie bereits dargelegt wurde, die den Geschwornen erteilte Belehrung, daß die Hauptfragen 1 bis 6 jedenfalls zu beanworten seien, entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Meinung als zutreffend. Im übrigen stand den Geschwornen auf Grund einer solchen Fragestellung die Möglichkeit offen, nach Maßgabe des von ihnen auf Grund der Verfahrensergebnisse als erwiesen angenommenen Sachverhalts einzelne Hauptfragen zu verneinen. Davon haben sie auch im Faktum Ingrid D Gebrauch gemacht, wurde doch die Hauptfrage 1 (nach einem vom Angeklagten am 6.August 1982 an Ingrid D verübten Raubversuch stimmeneinhellig) verneint und nur (durch stimmeneinhellige Bejahung der Hauptfrage 2) eine vom Angeklagten an Ingrid D versuchte Nötigung zum Beischlaf als erwiesen angenommen.

Entgegen den weiteren Beschwerdeausführungen zum Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs. 1 Z. 8 StPO. wird in der gemäß dem § 321 StPO. den Geschwornen erteilten (schriftlichen) Rechtsbelehrung bei der Darlegung der gesetzlichen Merkmale der Delikte des (versuchten schweren) Raubes und der (versuchten) Nötigung zum Beischlaf auf das Vorsatzerfordernis, das sich auf alle Tatbestandsmerkmale zu erstrecken hat, ausdrücklich hingewiesen (S. 3 und 6 der Rechtsbelehrung, Beilage F zu ON. 31).

Eine einer Unrichtigkeit gleichkommende Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung erblickt der Beschwerddführer nun darin, daß bei der Erläuterung des zum Tatbestand des Raubes gehörigen Begriffs der Drohung (mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben) nur hervorgehoben werde, daß die Drohung vom Tatopfer ernst genommen werden müsse, nicht aber, daß auch der Täter selbst die Drohung ernst gemeint haben muß. Diesem Einwand ist zunächst entgegenzuhalten, daß eine Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung nicht zwangsläufig auch deren Unrichtigkeit und damit Nichtigkeit nach § 345 Abs. 1 Z. 8 StPO. bewirkt. Eine Unvollständigkeit ist vielmehr nur dann einer Unrichtigkeit der Rechtsbelehrung gleichzuhalten, wenn die Unvollständigkeit etwa bei der Auslegung eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals Anlaß zu einem Mißverständnis der Geschwornen geben kann, also nach den Umständen des Einzelfalls geeignet ist, die Geschwornen bei der Beantwortung der an sie gerichteten Fragen auf einen falschen Weg zu weisen (Mayerhofer-Rieder, Das österreichische Strafrecht, II/2, Nr. 65, 66 und 70 zu § 345 Abs. 1 Z. 8 StPO.). Dies war aber in der hier vom Beschwerdeführer aufgegriffenen und seiner Meinung nach in der Rechtsbelehrung unzulänglich erörterten Frage der 'Ernstlichkeit der Drohung' (EvBl. 1982/29) nicht zu besorgen.

Denn schon durch das darin ausdrücklich hervorgehobene, auch die Nötigung des Tatopfers umfassende Vorsatzerfordernis wird unmißverständlich klargestellt, daß eine vom Täter etwa nicht ernst gemeinte Drohung zur Verwirklichung des Tatbestandes des Raubes bzw. der Nötigung zum Beischlaf nicht ausreicht; schließt doch eine nicht ernst gemeinte Drohung, also ein - im übrigen bei keinem der drei überfälle nach den jeweiligen Tatumständen in Betracht kommendes - Handeln des Täters aus Spaß, ein auf Nötigung des Tatopfers abzielendes vorsätzliches Handeln des Täters denknotwendig aus. Auf das gegen die im Fragenschema unter 7 bezeichnete ('Zusatz'-)Frage (nach dem mit der versuchten Nötigung der Claudia C am 27. August 1982 vom Angeklagten allenfalls - auch - verwirklichten Delikt des versuchten Beischlafs mit einer unmündigen Person im Sinn der §§ 15, 206 Abs. 1 StGB. - Leukauf-Steininger2, RN. 22 zu § 202; RN. 29, 30 zu § 201 und RN. 13 zu § 206 StGB.; 11 Os 1/83) gerichtete Beschwerdevorbringen war mangels eines insoweit dem Angeklagten zukommenden Beschwerdeinteresse nicht einzugehen, weil diese Frage von den Geschwornen verneint wurde und ein Schuldspruch wegen des Verbrechens des versuchten Beischlafs mit einer Unmündigen, nach dem hier gefragt worden war, nicht ergangen ist. Der unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerde war daher ein Erfolg zu versagen.

Das Geschwornengericht verhängte über den Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB. unter Anwendung des § 28 StGB. eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren. Bei der Strafbemessung wertete es erschwerend die Tatwiederholung, wobei bei zwei Fakten zwei Tatbestände in Idealkonkurrenz verwirklicht wurden, und die auf gleicher schädlicher Neigung beruhende Vorstrafe, als mildernd hingegen das teilweise Geständnis und eine gewisse geistige Abartigkeit des Angeklagten sowie den Umstand, daß die Delikte nur bis ins Versuchsstadium gediehen waren.

Die mit Berufung angestrebte Herabsetzung der Freiheitsstrafe wäre - worauf der Angeklagte zutreffend hinweist - nur unter Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung (§ 41 StGB.) möglich. Für sie mangelt es aber schon an einem beträchtlichen überwiegen der Milderungsgründe gegenüber den Erschwerungsumständen. Das Geschwornengericht, welches - abgesehen von dem später zu erwähnenden zusätzlichen Erschwerungsumstand - die Strafzumessungsgründe richtig und vollständig erfaßte, wertete die vom Berufungswerber zusätzlich reklamierte 'ausgeprägte Persönlichkeitsstörung' als dessen 'geistige Abartigkeit' ohnehin mildernd. Daß den überfallenen Frauen 'nicht der geringste Schaden zugefügt wurde', wie der Berufungswerber meint (S. 256), kann bei einer Tatbegehung u.a. durch Ansetzen eines Messers an die Kehle - hier: eines zwölfjährigen (!) Mädchens (Fakten I 2; II 3) - füglich nicht behauptet werden. Aber auch in den übrigen Schuldspruchfakten waren die Frauen einer der deliktsspezifischen Gewalt entsprechenden Furcht ausgesetzt. Eine - zumindest bei Claudia C sehr wohl eingetretene - leichte körperliche Verletzung (S. 16, 25) ist sogar als weiterer Erschwerungsgrund heranzuziehen.

Anmerkung

E04396

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1983:0130OS00107.83.1103.000

Dokumentnummer

JJT_19831103_OGH0002_0130OS00107_8300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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