TE OGH 1983/11/8 10Os123/83

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Veröffentlicht am 08.11.1983
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 8.November 1983

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Lachner und Hon.Prof.Dr. Brustbauer als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. von der Thannen als Schriftführer in der Strafsache gegen Paul A, Wolfgang B und Wolfgang C wegen des Vergehens des Raufhandels nach § 91 Abs. 1 StGB. und eines anderen Deliktes über die von den Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als JugendSchöffengericht vom 6.Juni 1983, GZ. 9 Vr 804/83-16, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Brustbauer, der Ausführungen der Verteidiger Dr. Lackner, Dr. Lenz und Dr. Hubalek und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Bassler, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Wolfgang C wird verworfen.

Hingegen wird den Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Paul A und Wolfgang B teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, im Punkt III des Schuldspruchs sowie in dem die Genannten betreffenden Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO. in der Sache selbst erkannt:

Paul A und Wolfgang B sind schuldig, sie haben am 31.Oktober 1982 in Wr. Neustadt nachgenannte Personen vorsätzlich am Körper verletzt, indem 1. Paul A dem Wolfgang C durch Schläge Prellungen am Oberkörper zufügte und 2. Wolfgang B den Bernhard D zu Boden stieß, wodurch dieser Hautabschürfungen im Bereich des linken Kniegelenks und des linken Unterschenkels erlitt.

Paul A und Wolfgang B haben hiedurch das Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB. begangen und werden hiefür nach dieser Gesetzesstelle, Paul A unter Anwendung des § 11 Z. 1 JGG. zu je einer Woche Freiheitsstrafe verurteilt.

Die Aussprüche gemäß §§ 43 f. StGB. werden aus dem erstgerichtlichen Urteil übernommen.

Im übrigen werden die Nichtigkeitsbeschwerden dieser Angeklagten verworfen.

Mit ihren Berufungen werden Paul A und Wolfgang B auf diese Entscheidung verwiesen.

Der Berufung des Wolfgang C wird nicht Folge gegeben. Gemäß § 390 a StPO. haben die Angeklagten C, A und B die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu ersetzen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 11.November 1966 geborene Kellnerlehrling Bernhard D des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB., der am 8. September 1959 geborene Student Wolfgang E (richtig: C) des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB., sowie der am 11. November 1964 geborene Maurergeselle Paul A und der am 10.Mai 1959 geborene Student Wolfgang B des Vergehens des Raufhandels nach § 91 Abs. 1 erstem Fall StGB. schuldig erkannt.

Demnach haben am 31.Oktober 1982 in Wr. Neustadt I. Bernhard D dem Wolfgang C durch Versetzen eines Schlages mit der Faust ins Gesicht eine an sich schwere Verletzung, nämlich eine Prellung des linken Augapfels mit Blutunterlaufung der Augenbindehäute und konsekutiver temporärer Sehstörung sowie eine Prellung der Weichteile der Augenhöhlenregion links unter Miteinbeziehung von Ober- und Unterlid mit Blutunterlaufung zugefügt;

II. Wolfgang C den Bernhard D durch Versetzen eines Schlages mit dem Handrücken ins Gesicht vorsätzlich leicht verletzt (Schwellung im Bereich der Oberlippe, verbunden mit einer Schleimhautverletzung an deren Innenseite); sowie III. Paul A und Wolfgang B an einer Schlägerei tätlich teilgenommen, welche die unter I angeführte schwere Körperverletzung des Wolfgang C zuzüglich mehrfacher Prellungen im Bereich des Oberkörpers verursacht hat. Während der Angeklagte Bernhard D den gegen ihn ergangenen Schuldspruch nicht angefochten hat, bekämpfen die Angeklagten Wolfgang C, Paul A und Wolfgang B das Urteil mit Nichtigkeitsbeschwerden, in denen sie die Nichtigkeitsgründe der Z. 5 und 9

lit. a sowie B und C überdies auch noch jenen der Z. 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO. geltend machen.

Rechtliche Beurteilung

Zur Beschwerde des Wolfgang C:

Als Begründungsmangel (§ 281 Abs. 1 Z. 5 StPO.) rügt der Beschwerdeführer zunächst die Nichterörterung der Angabe des Bernhard D vor der Polizei, er habe nicht wahrgenommen, wer ihm den (alle weiteren Tätlichkeiten auslösenden) ersten Schlag ins Gesicht (mit den im Spruch bezeichneten Verletzungsfolgen) versetzt habe, nehme aber an, daß dies (nicht er, sondern) der stärkere Mann mit der blauen Jacke - also B - gewesen sei. Einer Erwähnung dieser bloßen Annahme des D im Urteil bedurfte es indessen im Interesse einer gedrängten Fassung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs. 2 Z. 5 StPO.) nicht, weil D in der Hauptverhandlung eine demgegenüber detaillierte Schilderung vom Beginn des Raufhandels gegeben und darin den Beschwerdeführer eindeutig als denjenigen identifiziert hat, der den ersten Schlag geführt hatte (S. 53 bis 55), was übrigens auch von A bestätigt worden ist (S. 51); mit seinen davon abweichenden ursprünglichen Vermutungen vor der Polizei brauchte sich das Schöffengericht demnach nicht näher zu befassen. Davon aber, daß die Feststellung, E./ abe im Zorn gehandelt, in der Aktenlage keine Deckung finde, also unzureichend begründet sei, kann in Wahrheit keine Rede sein; denn das Gericht hat diese Annahme im Wege einer denkrichtigen und mit der allgemeinen Lebenserfahrung im Einklang stehenden Schlußfolgerung gewonnen (S. 80), die sich einer Anfechtung durch Mängelrüge entzieht. Dabei hat es ohnehin berücksichtigt, daß D seine Jacke ausgezogen und seine Sporttasche abgestellt hatte, bevor er vom Beschwerdeführer die ihn verletzenden Schläge in das Gesicht und in den Magen erhielt; daß daraus auch andere für letzteren günstigere Schlüsse hätten gezogen werden können, hat einen formellen Begründungsmangel des Urteils nicht zur Folge. Aus welcher 'bestätigten Darstellung' hinwieder sich ergeben sollte, daß D überdies sogleich eine Karatestellung eingenommen hätte, wie der Beschwerdeführer nunmehr behauptet, ist der Beschwerde nicht zu entnehmen. Insoweit widerspricht diese sogar seiner eigenen Verantwortung in der Hauptverhandlung (S. 57). Mit seinem weiteren Vorbringen zur Mängelrüge schließlich ficht der Beschwerdeführer in Ansehung des ihm angelasteten Tatverhaltens, seiner leugnenden Verantwortung entsprechend, nur nach Art einer Schuldberufung unzulässigerweise die Schöffengerichtliche Beweiswürdigung an.

Die Notwehr reklamierende (Z. 9 lit. a, richtig: lit. b) Rechtsrüge ist nicht gesetzmäßig ausgeführt. Sie geht nämlich, anders als die Urteilsfeststellungen, wonach D nur bereit war, sich in einen tätlichen Streit einzulassen, der dann tatsächlich vom Beschwerdeführer aus Zorn eingeleitet wurde (S. 75 f., 80), von der (sohin urteilsfremden) Annahme aus, letzterem habe umgekehrt ein rechtswidriger Angriff des zuvor Genannten auf seine Gesundheit unmittelbar gedroht.

Materiellrechtliche Nichtigkeitsgründe können aber nur durch einen Vergleich des im Urteil als erwiesen angenommenen Sachverhalts mit dem darauf angewendeten Gesetz prozeßordnungsgemäß dargestellt werden.

Unter (nunmehr auch ziffernmäßig richtiger) Bezugnahme auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 9

lit. b StPO. macht der Beschwerdeführer schließlich noch geltend, daß bei ihm die Voraussetzungen des § 42 StGB.

gegeben seien. Demgegenüber kann jedoch schon sein Verschulden nicht als gering (§ 42 Abs. 1 Z. 1 StGB.) bezeichnet werden, weil er es war, der seiner Provokation umgehend Tätlichkeiten folgen ließ und so zur Eskalation der Situation nachdrücklich beigetragen hat; schon darum war folglich für die Annahme einer mangelnden Strafwürdigkeit seiner Tat kein Raum.

Zu den Beschwerden des Paul A und des Wolfgang B:

Mit Recht und im wesentlichen übereinstimmend wenden sich diese Beschwerdeführer gegen die Urteilsannahme, daß die schwere Verletzung des Wolfgang C aus einer 'Schlägerei' entstanden sei und zwar aus den im Anschluß an den zunächst wörtlich geführten Streit ausgeübten wechselseitigen Tätlichkeiten zwischen allen Angeklagten (S. 84 f.), wogegen sich aus den detaillierten Feststellungen über den Geschehnisablauf klar ergebe, daß den Genannten diese schwere Verletzung durch (den deswegen bereits rechtskräftig abgeurteilten) D schon zu einem Zeitpunkt zugefügt worden sei, als noch er und C allein an der Auseinandersetzung tätlich beteiligt gewesen seien und daß die bis dahin (körperlich) nicht aktiv gewesenen Beschwerdeführer erst danach eingegriffen haben (S. 82). Zur Annahme einer Schlägerei, bei der im Falle einer dabei entstandenen schweren Verletzung schon die Teilnahme nach § 91 StGB. strafbar macht, ist nämlich eine tätliche Auseinandersetzung von mindestens drei (EvBl. 1976/267) Personen vorauszusetzen. Vorliegend war aber im Zeitpunkt, zu dem die schwere Verletzung durch den gegen C geführten Schlag des D verursacht wurde, die tätliche Auseinandersetzung noch auf diese beiden Personen beschränkt, also noch keine Schlägerei im Sinne des § 91 StGB.; auch der von der Generalprokuratur (demgegenüber) hervorgehobenen Umstand, daß schon zu dieser Zeit alle Angeklagten den Vorsatz hatten, in der Folge einen Raufhandel auszutragen - worüber zudem Urteilsfeststellungen nicht vorliegen - ändert nichts daran, daß im Augenblick der schweren Verletzung des C eine 'Schlägerei', mag sie auch geplant gewesen sein, tatsächlich noch nicht stattfand, sodaß diese Verletzung denkfolgerichtig eben nicht durch eine derartige Schlägerei verursacht worden sein kann.

Das erst später, also zeitlich nach der schweren Verletzung des C, erfolgte tätliche Eingreifen weiterer Personen, nämlich der Angeklagten B und A in die Auseinandersetzung aber vermochte das vorangegangene Tatgeschehen nicht (sozusagen rückwirkend) zu einer derartigen 'Schlägerei' umzuqualifizieren.

Soweit hinwieder ab diesem Zeitpunkt (LSK. 1976/208) eine Schlägerei stattfand, erfüllt die Teilnahme daran mangels einer dabei verursachten schweren Verletzung den Tatbestand des § 91 StGB. nicht.

Die Verurteilung der Angeklagten A und B wegen Raufhandels nach § 91 Abs. 1 (erster Fall) StGB., erfolgte mithin - da die schwere Verletzung des C auch nicht etwa im Zuge eines 'Angriffs mehrerer' (§ 91 Abs. 1 zweiter Fall StGB.) verursacht wurde - rechtsirrig. Soweit aber die Beschwerdeführer insoweit überhaupt einen (gänzlichen) Freispruch fordern, sind sie nicht im Recht. Denn nach den weiteren unbedenklichen Urteilsfeststellungen hat B den D - nachdem dieser dem C die schwere Augenverletzung zugefügt hatte -

nicht nur an den Schultern erfaßt, sondern ihn auch unter Einsatz seiner gesamten überlegenen Körperkraft zu Boden gestoßen und ihm dann, auf ihm liegend, mehrere Schläge versetzt; durch den Sturz erlitt D eine Hautabschürfung im Bereich des linken Kniegelenks und des linken Unterschenkels (S. 77). Daraufhin trat A gegen die Rippen des B und riß ihn von D los. Hernach verfolgte er B und C, wobei er mehrmals auf den Letztgenannten einschlug und ihm dadurch Prellungen am Oberkörper zufügte (S. 78).

Soweit B bestreitet, daß der von ihm niedergestoßene D bei diesem Sturz die festgestellten leichten Verletzungen erlitt, macht er einen formellen Begründungsmangel des Urteils (Z. 5) gar nicht geltend, sodaß die Mängelrüge insoweit einer gesetzmäßigen Darstellung entbehrt.

Eine wirkliche oder vermeintliche Notwehrsituation lag bei der von A als Verfolger dem C vorsätzlich zugefügten Verletzung nicht vor. Eine solche Annahme scheidet aber auch bei B aus, weil dieser von D weder angegriffen worden war, noch von ihm einen Angriff zu befürchten hatte. Ebensowenig kann B bezüglich seiner Offensive gegen D Nothilfe zugunsten des C reklamieren; hatte doch letzterer - wie anläßlich der Erledigung seiner Beschwerde ausgeführt - D nicht nur provoziert, sondern mittlerweile auch auf ihn eingeschlagen und ihn verletzt, sodaß sich das Geschehen eindeutig als Raufhandel (und nicht etwa als eine für C gegebene Notwehrsituation) darstellte. Soweit B bei seiner Rechtsrüge (Z. 9 lit. b) von diesen Feststellungen abweicht, bringt er die Beschwerde abermals nicht zu einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung.

In Stattgebung ihrer Nichtigkeitsbeschwerden (sachlich Z. 10) waren daher die Angeklagten Paul A und Wolfgang B sogleich lediglich des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB. schuldig zu erkennen.

Der nach dieser Gesetzesstelle vorzunehmenden Strafbemessung waren die schon vom JugendSchöffengericht genannten Milderungsumstände, nämlich das provozierende Verhalten des jeweiligen Gegners, der bisher ordentliche Lebenswandel beider Angeklagten und bei A - bei dem überdies § 11 Z. 1 JGG. anzuwenden ist - auch dessen wesentlicher Beitrag zur Wahrheitsfindung, zugrunde zu legen. Erschwerende Umstände lagen nicht vor. Das rowdyhafte Vorgehen der Angeklagten A und B, die die leichtfertig vom Zaun gebrochene Rauferei fortsetzten bzw. eskalierten, obwohl C von D schon schwer verletzt worden war, gebietet zur Erzielung abschreckender Wirkung bei den Tätern und auch in Berücksichtigung der Belange der Generalprävention die Verhängung von Freiheitsstrafen, die in der im Spruch genannten Höhe tatund tätergerecht sind.

Die bedingte Strafnachsicht nach § 43 Abs. 1 StGB., bei B auch nach § 44 Abs. 2 StGB. war aus den im erstgerichtlichen Urteil angeführten Gründen, auch im Sinne des § 295 Abs. 2 StPO. zu gewähren.

Zur Berufung des Wolfgang C:

Das Schöffengericht verhängte über ihn nach § 83 Abs. 1 StGB. eine Freiheitsstrafe von vierzehn Tagen, die es gemäß § 43 Abs. 1 StGB. für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah; gleichzeitig wurden auch bei ihm die Rechtsfolgen gemäß § 44 Abs. 2 StGB. aufgeschoben.

Dabei fiel als erschwerend nichts, als mildernd hingegen der bisher ordentliche Lebenswandel, die Provokation durch die Gegner und die eigene schwere Verletzung ins Gewicht.

In seiner Berufung strebt der Angeklagte C die Herabsetzung der über ihn ausgesprochenen Freiheitsstrafe, allenfalls die Verhängung einer (ebenfalls bedingt nachgesehenen) Geldstrafe an. Der Berufung kommt jedoch keine Berechtigung zu.

Das JugendSchöffengericht hat die Strafzumessungsgründe im wesentlichen richtig festgestellt und zutreffend gewertet. Zusätzliche Milderungsgründe, die die Herabsetzung der Freiheitsstrafe rechtfertigen würden, liegen nicht vor. Aber auch die Verhängung einer Geldstrafe scheidet vorliegend schon aus spezialpräventiven Gründen aus; war es doch der Berufungswerber, der die Auseinandersetzung durch sein (möglicherweise tatsächlich provoziertes, nichtsdestoweniger) präpotentes Verhalten geradezu heraufbeschwor und sodann auch mit den Tätlichkeiten begann, die in der Folge zur Verletzung von drei weiteren Personen führte.

Anmerkung

E04370

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1983:0100OS00123.83.1108.000

Dokumentnummer

JJT_19831108_OGH0002_0100OS00123_8300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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