TE OGH 1983/11/9 3Ob132/83

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Veröffentlicht am 09.11.1983
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Norm

EO §371 Z1

Kopf

SZ 56/160

Spruch

Ein in zweiter Instanz bestätigtes und damit für die Sicherungsexekution nach § 371 Z 1 EO einen Titel bildendes Urteil liegt auch vor, wenn das Erstgericht bei seiner Entscheidung an die im Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes ausgesprochene rechtliche Beurteilung gebunden war

OGH 9. 11. 1983, 3 Ob 132/83 (KG Korneuburg 5 R 96/83; BG Mistelbach C 10/82)

Text

Auf Grund des Urteils des BG M vom 1. 3. 1982, C 10/82-81, und des voll bestätigenden Urteils des KG K als Berufungsgericht vom 2. 6. 1982, 5 R 128/82, gegen das der Verpflichtete am 9. 7. 1982 Revision erhoben hat, beantragte die betreibende Partei, ihr zu Sicherung der (ihr im Ersturteil zugesprochenen) Prozeßkostenforderung von (nach Aufrechnung) 140 025.22 S und der Antragskosten für die Zeit, bis die Forderung infolge Rechtskraft des erstgenannten Urteils und Ablaufs der Leistungsfrist durch Zwangsvollstreckung geltend gemacht werden kann, die Exekution durch Pfändung der dem Verpflichteten gegen den Drittschuldner Leopold H angeblich zustehenden Pachtzinsforderung von 1500 S monatlich, jedenfalls in der Höhe der Hälfte des dem Verpflichteten monatlich zustehenden Pachtzinses, und gegen die Drittschuldnerin Versicherungsanstalt der Österreichischen Eisenbahnen angeblich zustehenden Pensionsbezüge unter Beschränkung "der" nach dem Lohnpfändungsgesetz und dem ASVG freibleibenden Pensionsbezüge und entsprechende Drittverbote zu bewilligen.

Das Erstgericht wies den Exekutionsantrag ab. Sein Urteil vom 1. 3. 1982 sei in Wahrheit kein in zweiter Instanz bestätigtes Urteil, weil es vor Rechtskraft eines vorangegangenen Aufhebungsbeschlusses des Berufungsgerichtes, an dessen Rechtsansicht das Erstgericht gebunden war, gefällt worden sei.

Das Rekursgericht bewilligte die beantragte Sicherungsexekution. § 371 Z 1 EO sei im Wortsinn, daher ohne die vom Erstgericht angenommene Einschränkung auszulegen. Nach einer mit Beschluß des OGH vom 6. 7. 1983, 3 Ob 102/83, aufgetragenen amtswegigen Berichtigung enthält der Beschluß der zweiten Instanz nunmehr den begrundeten Ausspruch, daß dagegen ein Revisionsrekurs zulässig sei.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der verpflichteten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

§ 371 EO hatte in der nach Art. XVII Abs. 6 Zivilverfahrens- Novelle 1983 auf dieses vor dem 1. 5. 1983 eingeleitete Verfahren anzuwendenden Fassung folgenden Wortlaut:

"Selbst ohne solche Bescheinigung ist die Vornahme von Exekutionshandlungen zur Sicherung von Geldforderungen auf Antrag zu bewilligen:

1. auf Grund der infolge Anerkenntnis ergangenen Endurteile erster Instanz (§ 395 ZPO), wenn wider diese Urteile Berufung erhoben wurde, auf Grund der nach den §§ 396, 442 ZPO gefällten Versäumungsurteile, wenn gegen sie Widerspruch nach den §§ 397a, 442 ZPO erhoben wurde, oder auf Grund eines in zweiter Instanz bestätigtes Urteils, wenn wider das Urteil des Berufungsgerichtes Revision erhoben wurde;

2. auf Grund der im § 1 Z 2 angeführten Zahlungsaufträge (Zahlungsbefehle);

3. auf Grund der im Mahnverfahren ergangenen bedingten Zahlungsbefehle, wenn der Schuldner die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand behufs Erhebung des Widerspruchs angesucht hat;

4. auf Grund von strafgerichtlichen Entscheidungen über privatrechtliche Ansprüche, wenn die Wiederaufnahme des Strafverfahrens bewilligt wurde."

Aus dem Einleitungssatz der zitierten Bestimmung geht hervor, daß bei den im § 371 EO genannten Exekutionstiteln die im § 370 EO verlangte Gefahrenbescheinigung nicht erforderlich ist. Bei einigen dieser Titel (Anerkenntnisurteile, in zweiter Instanz bestätigte Urteile und Zahlungsaufträge) spricht eine hohe Wahrscheinlichkeit für ihre Richtigkeit (Petschek - Hämmerle - Ludwig, Das österreichische Zwangsvollstreckungsrecht, 11; Holzhammer, Österreichisches Zwangsvollstreckungsrecht[2], 286; Heller - Berger - Stix III 2652 ff.), bei den übrigen erscheint der betreibende Gläubiger wegen der vom Verpflichteten geschaffenen Prozeßlage besonders schutzbedürftig (Heller - Berger - Stix aaO).

Zur Klärung des Begriffs "ein in zweiter Instanz bestätigtes Urteil" schlossen sich Lehre (Heller - Berger - Stix III 2654) und herrschende Rechtsprechung (JBl. 1955, 453; EvBl. 1956/91; EvBl. 1972/177 ua.) der Auslegung des § 502 Abs. 3 ZPO idF vor der Zivilverfahrens-Novelle 1983 an, für die das Judikat 56 neu (SZ 24/335) maßgebend war. Daher wurden nur teilweise bestätigte Urteile auch hinsichtlich des bestätigten Teiles nicht als SicherungsexekutionstiteliS des § 371 Z 1 EO angesehen (Heller - Berger - Stix III 2654). Dabei ist allerdings darauf hinzuweisen, daß sich die genannte Bestimmung der Zivilprozeßordnung, bei der es sich um eine Revisionsbeschränkung handelt, unmittelbar auf das Urteil des Berufungsgerichtes bezieht, während § 371 Z 1 EO unmittelbar auf das Urteil der ersten Instanz Bezug nimmt.

Dieser vom Rekursgericht mit Recht hervorgehobene Unterschied rechtfertigt auch die Rechtsmeinung der zweiten Instanz, daß ein in zweiter Instanz bestätigtes Urteil, bei dem das Erstgericht nach § 499 Abs. 2 ZPO an die rechtliche Beurteilung gebunden war, von der das Berufungsgericht bei seinem Aufhebungsbeschluß ausgegangen war, ein bestätigtes Urteil iS des § 371 Z 1 EO ist, obwohl das Berufungsurteil in einem solchen Fall unter den im § 502 Abs. 5 ZPO idF vor der Zivilverfahrens-Novelle 1983 (= § 502 Abs. 3 zweiter Satz ZPO idF der Zivilverfahrens-Novelle 1983) genannten Voraussetzungen ohne die im § 502 Abs. 3 ZPO enthaltene Revisionsbeschränkung anfechtbar war (vgl. Fasching IV 288 und ErgBd. 106).

Das in zweiter Instanz, also immer durch einen Senat eines Landes- (Kreis-) oder Oberlandesgerichtes bestätigte, in der Regel von einem Einzelrichter gefällte Urteil eines Bezirks- oder Landes-(Kreis-)Gerichtes hat, wie sich aus der Einrichtung des Instanzenzuges ergibt, auch dann eine höhere Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich als ein von der zweiten Instanz nicht bestätigtes Urteil, wenn das Erstgericht nach § 499 Abs. 2 ZPO an die einem Aufhebungsbeschluß zugrunde gelegte Rechtsansicht des Berufungsgerichtes gebunden war. Daß das Erstgericht in einem solchen Fall die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes zu übernehmen hat, schließt übrigens nicht aus, daß es im späteren Rechtsgang von der Richtigkeit der ihm überbundenen Rechtsansicht überzeugt sein kann. Dazu kommt noch, daß sich ein Hinweis auf die Bindung des Erstgerichtes iS des § 499 Abs. 2 ZPO nicht in den Sprüchen, sondern allenfalls nur in den Entscheidungsgründen des bestätigten und bestätigenden Urteils finden kann, die nur bei Zweifeln über den Sinn des Spruches zu dessen Auslegung herangezogen werden dürfen (Heller - Berger - Stix I 188).

Das Urteil des BG M vom 1. 3. 1982, C 10/82-81, ist daher ein dem § 371 Z 1 EO entsprechender Titel, auf Grund dessen die Exekution zur Sicherung nach der zitierten Gesetzesstelle selbst ohne Bescheinigung einer Gefährdung der Einbringung der betriebenen Kostenforderung zu bewilligen war.

Der Versuch der betreibenden Partei, die ihr in einem in zweiter Instanz bestätigten Urteil zuerkannte Prozeßkostenforderung im Wege der Exekution sicherzustellen, dient in erster Linie der Sicherung der Befriedigung dieser Forderung und damit offenbar nicht nur dem Zweck, den Verpflichteten zu schädigen, sodaß von einer schikanösen Rechtsausübung iS des § 1295 Abs. 2 ABGB keine Rede sein kann.

Nach § 98a Abs. 1 Z 3 ASVG können Pensionen aus der Pensionsversicherung einschließlich der Ausgleichszulage mit der Maßgabe gepfändet werden, daß die Bestimmungen der §§ 5 bis 9 LPfG entsprechend anzuwenden sind. Die genannten Sozialversicherungsansprüche sind daher weder unpfändbar noch bedingt pfändbar, sondern nach Maßgabe der den Lebensunterhalt des Verpflichteten garantierenden Pfändungsschutzbestimmungen des Lohnpfändungsgesetzes unbedingt pfändbare Bezüge.

Die Exekution zur Sicherstellung von Prozeßkostenforderungen ist auch dann zulässig, wenn der Hauptanspruch nicht auf eine Geldforderung gerichtet ist. Prozeßkostenforderungen sind Geldforderungen iS der §§ 370 ff. EO, weil sie auf Geld gehen und zu ihrer Hereinbringung (zB auch) Exekution nach dem § 88 ff. EO geführt werden kann (Heller - Berger - Stix III 2644; SZ 5/280). Bei der letzterörterten Frage handelt es sich im übrigen um keine Rechtsfrage iS der §§ 502 Abs. 4 Z 1 und 528 Abs. 2 ZPO.

Anmerkung

Z56160

Schlagworte

Exekution zur Sicherstellung, s. a. Sicherstellungsexekution, Sicherungsexekution, bestätigtes Urteil als Titel bei Bindung an, Rechtsansicht im Aufhebungsbeschluß

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1983:0030OB00132.83.1109.000

Dokumentnummer

JJT_19831109_OGH0002_0030OB00132_8300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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