Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 16.November 1983 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Borotschnik als Schriftführer in der Strafsache gegen Walter A wegen des Vergehens nach dem § 1 Abs. 1 lit. a und c PornG über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Jugendschöffengericht vom 22.November 1982, GZ 4 Vr 1.463/82-15, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Hyrohs und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur Generalanwalt Dr. Strasser zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen (Pkt. I des Schuldspruches) unberührt bleibt, im Pkt. II des Schuldspruches und demzufolge im Straf- sowie im Einziehungs- und Verfallsausspruch aufgehoben und die Sache gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 1 StPO zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an den Gerichtshof erster Instanz zurückverwiesen. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Walter A des Vergehens nach dem § 1 Abs. 1 lit. a und c PornG schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, in seinem 'Sex- Shop' in Leibnitz in gewinnsüchtiger Absicht am 24.Mai 1982 das Druckwerk 'Private Nr. 54' durch Verkauf dem Günther B überlassen (Pkt. I des Schuldspruches) und (am 4.Juni 1982) 9 weitere Druckwerke sowie 2 Filme mit unzüchtigem Inhalt zum Zwecke der Verbreitung vorrätig gehalten und Kunden zum Verkauf angeboten (Pkt. II/A und B des Schuldspruches) zu haben.
Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer ausdrücklich auf die Nichtigkeitsgründe der Z 3, 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Rechtliche Beurteilung
Unbegründet ist zunächst die in bezug auf den Verkauf des Druckwerkes 'Private Nr. 54' (Pkt. I des Schuldspruches) erhobene Rechtsrüge, worin der Beschwerdeführer die Auffassung vertritt, daß die im Druckwerk überwiegend enthaltenen Darstellungen eines mittels eines künstlichen Gliedes imitierten Geschlechtsverkehrs zwischen zwei Frauen nicht als unzüchtig anzusehen seien.
Die Darstellung beischlafsähnlicher und sonstiger nicht bloß flüchtiger Manipulationen am Geschlechtsteil eines gleichgeschlechtlichen Partners sind nämlich nach ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung dem Bereich der absolut verpönten Pornographie zuzurechnen und deshalb als unzüchtig im Sinn des § 1 PornG anzusehen (SSt. 50/35; SSt. 51/51 / verstärkter Senat ), und zwar unabhängig davon, ob derartige Darstellungen reale Sexualakte oder bloß zum Zweck ihrer Abbildung imitierte ('gestellte') Szenen betreffen (11 Os 17/83). Demnach kann aber auch, abgesehen von jener Abbildung im gegenständlichen Druckwerk, nach welcher ersichtlich eine Frau am Geschlechtsteil einer anderen leckt (S 11 unten d.A), die absolute Unzüchtigkeit auch jener weiteren Lichtbilder, in denen das Eindringen eines augenscheinlich von einer weiblichen Person umgeschnallten künstlichen (männlichen) Gliedes in den Geschlechtsteil der Partnerin gezeigt wird (S 8-10, 12 und 13 d.A), der Beschwerde zuwider, nicht bezweifelt werden. Gleiches gilt für die übrigen vom Schuldspruch zu Punkt II erfaßten Druckwerke und Filme jedenfalls insoweit, als darin ähnliche lesbische Szenen (II/A/1-7, 9; B/1), aber auch, wie im Druckwerk II/A/8 und im Film II/B/2, teils zudem (II/A/1, 7 und 9; B/1) Sexualszenen sadistischer und masochistischer Natur in Bild und teils auch im Text dargestellt werden.
Dem sogenannten 'Grenzbereich', in dem in subjektiver Beziehung ein nicht vorwerfbarer Mangel an Wertgefühl unter Umständen denkbar sein könnte (vgl. SSt. 46/50; RZ 1980/6), gehören die urteilsgegenständlichen Druckwerke und Filme angesichts ihres beschriebenen Inhaltes, entgegen den weiteren Einwänden der Rechtsrüge, in keinem Fall an. Es handelt sich hiebei nicht etwa, wie die Beschwerde vermeint, um ein 'harmloses Erotikum', sondern im Gegenteil um Extremfälle, bei denen der oben dargelegte Charakter der Unzüchtigkeit unzweideutig und für jedermann zu erkennen ist. Deshalb, zumal keinerlei bloß gedankliche Inhalte vermittelnde, gewissermaßen nüchterne und ungeschminkte, sondern eine derb drastische, sinnfällig nur auf sexuelle Reizung ausgerichtete Schilderung und Darstellung von Sexualpraktiken lesbischer sowie sadistischer und masochistischer Art vorliegt (vgl. neuerlich SSt. 46/50 u. a.), versagt auch der Einwand, mit dem der Beschwerdeführer einen Teil der Druckwerke, insbesondere das Heft 'Bizarr-Lust-Atlas - ausgefallene Sexualpraktiken' (II/A/9), als populärwissenschaftliche Veröffentlichungen gewertet sehen will.
Im bisherigen Umfang geht die Nichtigkeitsbeschwerde daher fehl. Berechtigt ist sie hingegen insofern, als sie sowohl unter Heranziehung der Nichtigkeitsgründe der Z 3 und Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO, der Sache nach allerdings nur aus dem letzteren Nichtigkeitsgrund, einen Begründungsmangel der Urteilsfeststellung (S 77 f d.A), daß die im Schuldspruch II genannten Druckwerke und Filme 'zugegebenermaßen für den Verkauf bestimmt und im Geschäftslokal aufgelegt' gewesen seien, geltend macht. Dem Beschwerdeführer ist nämlich einzuräumen, daß sich das Erstgericht hiebei weder mit seiner -
wenn auch erst in der Hauptverhandlung konkret vorgebrachten, an sich aber mit seinen früheren Angaben vor der Gendarmerie nicht im Widerspruch stehenden -
gegenteiligen Verantwortung auseinandersetzt, wonach er Hefte und Filme, die sich teils nur im Magazin bzw. im Lager befunden hätten, ohne Kenntnis ihres Inhaltes bestellt, bis zum Zeitpunkt der polizeilichen Sicherstellung (am 4.Juni 1982 / sh. S 71 d.A ), wegen Zeitnmangels noch nicht überprüft und auch noch nicht zum Verkauf bereitgehalten habe, eine solche überprüfung indes vor ihrem Feilhalten durchgeführt hätte (S 53-55 d.A), noch auch mit der Aussage des Zeugen Gendarmerieinspektor C (S 57 d.A), wonach ein Teil der Druckwerke und die Filme im vom Verkaufsraum getrennten Lagerraum sichergestellt worden waren.
Zufolge der damit tatsächlich unterlaufenen Aktenwidrigkeit und Unvollständigkeit der Begründung zur (vorbehaltslosen) Verbreitungsbestimmung aller Hefte und Filme laut Punkt II des Schuldspruches durch den Beschwerdeführer sowie hinsichtlich seiner gerade daraus abgeleiteten gewinnsüchtigen Absicht (vgl. S 78 oben d. A) erweist sich das Ersturteil insoweit als mit Nichtigkeit nach dem § 281 Abs. 1 Z 5 StPO behaftet (vgl. auch 10 Os 129/81).
In dem deshalb zu erneuernden Verfahren wird das Erstgericht abermals die erforderlichen Feststellungen über den Inhalt der (zur Verbreitung bestimmten) Druckwerke und Filme zu treffen haben. (Bemerkt sei, daß Spruch und Gründe des vorliegenden Urteils dazu insoweit voneinander abweichen, als der Spruch unter II/A/8 im Gegensatz zu den Gründen lesbische Vorgänge - welche dem Druckwerk auch nicht zu entnehmen sind - nicht erfaßt, umgekehrt die Inkriminierung lesbischer Darstellungen in den Punkten II/A/9 und B/2 des Spruches in den Urteilsfeststellungen nicht Deckung finden,
wobei das Heft II/A/9 / vgl. etwa S 31, 57, 67-69, 154 f wohl solche Darstelalungen enthält.
Ebenso fehlen Feststellungen über lesbische Darstellungen im Druckwerk 'Private Nr. 43' / vgl. aber darin das Kapitel 'Teenagers en Tenerife' . ) Demnach war über die Nichtigkeitsbeschwerde wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen.
Mit seiner dadurch gegenstandslos gewordenen Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
Anmerkung
E04708European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1983:0110OS00070.83.1116.000Dokumentnummer
JJT_19831116_OGH0002_0110OS00070_8300000_000