TE OGH 1983/12/12 10Os154/83

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Veröffentlicht am 12.12.1983
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Dezember 1983 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Lachner und Hon. Prof. Dr. Brustbauer als weitere Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. von der Thannen als Schriftführer in der Strafsache gegen Riza A und andere wegen des Verbrechens der versuchten Brandstiftung nach §§ (12,) 15, 169 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Elvan A, soweit sie auf § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO gestützt ist, und über die Berufungen dieses Angeklagten sowie der Angeklagten Eva B gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Schöffengericht vom 14. Jänner 1983, GZ 13 Vr 1212/80-289, nach öffentlicher Verhandlung - Vortrag des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Anhörung der Ausführungen der Verteidiger Dr. Harramach und Dr. Zitta sowie des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Knob - zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Elvan A, soweit sie nicht schon in nichtöffentlicher Sitzung zurückgewiesen wurde, wird verworfen.

Den Berufungen dieses Angeklagten sowie der Angeklagten Eva B wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen den genannten Angeklagten auch die Kosten des - sie betreffenden - (weiteren) Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Eva B sowie jene des Angeklagten Elvan A, soweit sie auf den Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützt war, gegen das oben bezeichnete Urteil, mit dem die Genannten und der Angeklagte Riza A des (von letzterem als unmittelbarem Täter, von B durch dessen Bestimmung zur Tat im Sinn des § 12 zweiter Fall StGB sowie von Elvan A durch einen sonstigen Tatbeitrag nach § 12 dritter Fall StGB verübten) Verbrechens der versuchten Brandstiftung (an einem Haus der Maria C in Gmunden) nach §§ (12,) 15, 169 Abs 1

StGB schuldig erkannt wurden, ist vom Obersten Gerichtshof mit Beschluß vom 15. November 1983, GZ 10 0s 154/83-6, dem der nähere Sachverhalt zu entnehmen ist, schon in nichtöffentlicher Sitzung zurückgewiesen worden.

Das Verfahren über die Berufung des Angeklagten Riza A wurde ausgeschieden, weil letzterem die Ladung zum Gerichtstag (offenbar im Hinblick auf seine mittlerweilige Rückkehr in die Türkei) nicht (mehr) zugestellt werden konnte.

Gegenstand des Gerichtstags waren daher nur noch die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Elvan A, soweit sie auf den Nichtigkeitsgrund nach Z 9 lit b der eingangs bezeichneten Verfahrensbestimmung gestützt ist, sowie die Berufungen dieses Angeklagten und der Angeklagten Eva B, mit denen die Genannte eine Strafherabsetzung sowie Elvan A überdies die Gewährung bedingter Strafnachsicht anstreben.

Der in Rede stehenden Nichtigkeitsbeschwerde kommt auch in jenem Teil, der einer Erledigung im Gerichtstag vorbehalten wurde, keine Berechtigung zu.

Insoweit geht der Beschwerdeführer davon aus, daß im vorliegenden Verfahren vom Schöffengericht und vom Gerichtshof II. Instanz ab seiner Festnahme im August 1980

bis zu seiner Enthaftung im November 1981 durch die Anordnung und Aufrechterhaltung seiner Haft, die anfangs auch zur Unterbindung eines freien Kontakts zwischen seinem Verteidiger und ihm geführt habe, sowie durch eine Verzögerung der Untersuchung gegen ihn die Bestimmungen der Art 5 Abs 1 lit c und Abs 3, Art 6 Abs 1, 2 und 3 lit c, Art 8 und Art 14 MRK sowie die Strafprozeßordnung verletzt worden seien. Die darin gelegenen Verstöße gegen Abs 1 und 2 des (jedem Angeklagten ein 'faires Verfahren' garantierenden) Art 6 MRK, aus denen seiner Ansicht nach eine deutliche Voreingenommenheit des Erstgerichts gegen ihn zu erkennen sei, macht er - über zwei schon im Jahr 1981 erhobene Beschwerden an die Europäische Menschenrechtskommission, die bis jetzt noch nicht abschließend erledigt wurden, hinaus - mit der Begründung, sie hätten auch im Urteil Niederschlag gefunden, (zudem) mit Nichtigkeitsbeschwerde geltend.

Dabei wird der Frage, ob im Hinblick auf die Aufnahme der MRK in den österreichischen Rechtsbereich im Verfassungsrang gemäß deren Art 13 generell jede Verletzung einer ihrer Bestimmungen einen eigenständigen Nichtigkeitsgrund bilde, keine Bedeutung beigemessen; der Angeklagte vermeint nämlich, im gegebenen Fall sei ohnehin eine Einordnung der behaupteten Urteilsnichtigkeit unter die Bestimmungen des § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO zwanglos möglich und im Interesse einer verfassungskonformen Auslegung der Gesetze auch geboten:

denn die zuletzt relevierten Rechtsverletzungen seien zum einen nicht mehr aus der Welt zu schaffen, weil nie sichergestellt werden könne, daß sie sich nicht - sei es auch für das Gericht unbewußt - zu seinem Nachteil auswirkten, und zum anderen so schwerwiegend, daß sie nur durch einen Freispruch ausgeglichen werden könnten. Die zur Begründung seines Standpunkts, daß die gerügten Verfahrensmängel eine Urteilsnichtigkeit zur Folge hätten, ins Treffen geführten Auswirkungen der behaupteten Gesetzesverletzungen auf die angefochtene Entscheidung erblickt der Beschwerdeführer in der Verhängung einer Freiheitsstrafe von genau jener Dauer über ihn, die er durch die (seiner Auffassung nach unangemessen lange) Untersuchungshaft voll verbüßt habe, in der Verweigerung der bedingten Strafnachsicht trotz Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen dazu und in der Annahme eines intimen Verhältnisses zwischen der Mitangeklagten Eva B und ihm trotz des Fehlens einer zureichenden Beweisgrundlage, e Hörch man entgegen der in Art 6 Abs 2 MRK statuierten Unschuldsvermutung ihm die Beweislast auferlegt habe.

Diese (ersichtlich weit hergeholten) Anfechtungsargumente sind in keiner Weise stichhältig.

Nach Z 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO ist ein Urteil nichtig, wenn durch den Ausspruch über die Frage, ob Umstände vorhanden seien, durch welche die Strafbarkeit der Tat aufgehoben oder die Verfolgung wegen der Tat ausgeschlossen sei oder ob die Voraussetzungen des Ö42 StGB gegeben seien, ein Gesetz verletzt oder unrichtig angewendet wurde. Weder aus der MRK noch aus einer anderen Rechtsquelle kann abgeleitet werden, daß durch die vom Angeklagten geltend gemachten Verfahrensverstöße ein materiellrechtlicher Straflosigkeitsgrund oder ein prozessuales Verfolgungshindernis im Sinn dieses Nichtigkeitsgrundes entstünde.

Die Vorstellung, daß ein Verfahrensverstoß, sei es aus welchem Grund immer, 'durch einen Freispruch ausgeglichen' werden könnte, ist österreichischem Rechtsdenken und demgemäß auch der hier geltenden Rechtsordnung überhaupt fremd; denn darnach kann die bloße Verletzung von Verfahrensvorschriften niemals zu einer önderung der Sachentscheidung, sondern lediglich zur Anordnung einer Verfahrenserneuerung und allenfalls zur Verweisung der Sache an ein anderes Gericht führen. (Anträge in diese Richtung hin hat der Beschwerdeführer, wie der Vollständigkeit halber vermerkt sei, in der Hauptverhandlung gar nicht gestellt.) Eine Erweiterung des Kreises der in §§ 281, 281 a StPO taxativ normierten Nichtigkeitsgründe aber ist, der Beschwerdeauffassung zuwider, durch den (bloß als Verweisung auf die Anfechtungsmöglichkeiten nach innerstaatlichem Recht zu verstehenden) Art 13 MRK nicht bewirkt worden (vgl EvBl 1982/136, 1975/180, 1972/36, 1970/211, VerwGH 4829 A neu uam).

Eine derartige Erweiterung könnte sich im übrigen, wie abermals nur am Rande vermerkt sei, keinesfalls auf Verfahrensverstöße erstrecken, wie sie im vorliegenden Fall geltend gemacht werden. Denn jede Nichtigkeitssanktion setzt, was anscheinend auch in der Beschwerde nicht verkannt wird, wesensmäßig sowie nach der (insoweit durch die MRK nicht veränderten) Systematik der StPO zumindest die potentielle Möglichkeit einer für den Beschwerdeführer nachteiligen Auswirkung der damit - ihrer Art nach (generell und abstrakt) - erfaßten (formell- oder materiellrechtlichen) Gesetzesverletzung auf die bekämpfte Entscheidung voraus (vgl EvBl 1983/18 ua); davon indessen kann bei den vom Angeklagten reklamierten Verstößen gegen Art 6 Abs 1 und 2 MRK, selbst wenn sie tatsächlich unterlaufen sein sollten, keine Rede sein.

Inwiefern sich die in diesem Zusammenhang kritisierten Entscheidungen und Erwägungen im hier angefochtenen Urteil als 'Niederschlag' gerade der behaupteten Verfahrensverzögerung oder der angeblichen Gesetzwidrigkeit der Vorhaft darstellen sollten, bleibt nämlich überhaupt unerfindlich; gleichermaßen wäre aber auch generell eine für einen Angeklagten möglicherweise nachteilige Auswirkung derartiger Verfahrensverstöße auf das in der Sache ergehende Urteil, die zur Statuierung einer darauf bezogenen eigenständigen Nichtigkeitssanktion Anlaß geben könnte, niemals verifizierbar. In Wahrheit wird dementsprechend mit der hier in Rede stehenden, auf den Strafausspruch und auf die Begründung des Schuldspruchs gemünzten Kritik des Beschwerdeführers der Sache nach auch gar nicht gegen die behaupteten Verfahrensverstöße remonstriert, sondern ganz unabhängig davon gegen den Inhalt der Entscheidung und gegen die Art ihrer Begründung an sich; zu deren Bekämpfung sind jedoch insoweit die Berufung sowie die Mängelrüge (§ 281 Abs 1 Z 5 StPO) vorgesehen, die er ohnehin (ebenfalls) geltend gemacht hat.

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Elvan A mußte daher auch in ihrem der Erledigung im Gerichtstag vorbehaltenen Teil ein Erfolg versagt bleiben.

Das Erstgericht verurteilte sämtliche Angeklagten nach § 169 Abs 1 StGB zu Freiheitsstrafen, deren Dauer es bei Riza A mit sechzehn, bei Eva B mit zwanzig und bei Elvan A mit vierzehn Monaten festsetzte.

Dabei wertete es bei Riza A und bei Elvan A keinen Umstand sowie bei Eva B ihre beiden einschlägigen Vorstrafen gegen fremdes Vermögen und die Anstiftung des Riza A als erschwerend, bei allen Angeklagten hingegen den Umstand, daß die Tat beim Versuch geblieben ist sowie schon vor längerer Zeit begangen wurde, wobei sich die Täter seither wohlverhalten haben, bei Elvan A überdies seine bisherige Unbescholtenheit und bei Riza A außerdem sein überwiegendes Geständnis, sein Alter unter 21 Jahren zur Tatzeit und die Begehung der Tat unter dem Einfluß der Angeklagten B als mildernd. Den Berufungen kommt gleichfalls keine Berechtigung zu. Davon, daß die Angeklagte B durch eine drückende Notlage (§ 34 Z 10 StGB) zur Tat bestimmt worden wäre, kann nach der Aktenlage keine Rede sein. Ihre Vorverurteilung wegen fahrlässiger Krida (§ 159 Abs 1 Z 1 und 2 StGB) dagegen betrifft eine strafbare Handlung, die als Vermögensdelikt auch gegen eines der durch § 169

StGB geschützten Rechtsgüter gerichtet ist und demgemäß, wiewohl sie nicht vorsätzlich begangen wird, auf der gleichen schädlichen Neigung (§ 71 StGB) beruht wie dieses Verbrechen; sie wurde ihr daher durchaus zu Recht (ebenfalls) als erschwerend angelastet (§ 33 Z 2 StGB).

Dem Umstand aber, daß die genannte Angeklagte den unmittelbaren Täter zum Verbrechen angestiftet hat, konnte das Schöffengericht, mag er auch im Hinblick darauf, daß er bereits Gegensßand des Schuldspruchs ist, mit Rücksicht auf das Verbot einer Doppelverwertung im gegebenen Fall keinen speziellen Erschwerungsumstand abgeben, doch immerhin bei der Bewertung ihrer tatbezogenen Schuld (Par 32 StGB) in Relation zu jener der übrigen Angeklagten entsprechendes Gewicht beimessen.

Nicht stichhältig hinwieder ist der Einwand des Angeklagten Elvan A, daß der aus der Tat entstandene Schaden weniger als 100.000 S betragen habe; ist doch dabei nicht bloß der Gebäudeschaden zu berücksichtigen, der allein bereits mindestens 98.000 S betrug, sondern außerdem auch noch der nicht unerhebliche Schaden am Inventar (US 24).

Demgemäß und unter Bedacht auf die vom Erstgericht mit Recht hervorgehobene beträchtliche kriminelle Energie aller Angeklagten, die nicht davor zurückschreckten, zur Erreichung eines relativ geringfügigen Vermögensvorteils fremdes Eigentum in großem Ausmaß zu gefährden, kann selbst dann, wenn man dem Angeklagten Elvan A zusätzlich eine Selbststellung (§ 34 Z 16 StGB) zugutehält, keinesfalls gesagt werden, daß das Gewicht der vorliegenden Milderungsumstände auch nur bei einem der beiden Berufungswerber eine außerordentliche Strafmilderung (§ 41 Abs 1 StGB) gerechtfertigt hätte.

Alles in allem gesehen hat das Erstgericht vielmehr die Dauer der über die Angeklagten Eva B und Elvan A verhängten Freiheitsstrafen innerhalb des von einem bis zu zehn Jahren reichenden Rahmens (§ 169 Abs 1 StGB) nach ihrer tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) bei B mit zwanzig Monaten und bei Elvan A mit vierzehn Monaten durchaus nicht zu hoch ausgemessen. Mit Rücksicht auf die besondere Sozialschädlichkeit von Brandstiftungen überhaupt sowie auf die Schwere auch der dem zuletzt genannten Angeklagten in Ansehung der konkreten Tat zur Last fallenden Schuld im besonderen kann ferner unbeschadet der Frage, wieweit er ansonsten in familiärer und beruflicher Hinsicht tatsächlich als sozialintegriert anzusehen ist, jedenfalls nicht angenommen werden, daß es nicht der Vollstreckung der Strafe bedürfte, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken, und daß aus besonderen Gründen geradezu eine Gewähr für sein künftiges Wohlverhalten geboten wäre (§ 43 Abs 1 und 2 StGB);

auch bei ihm kam demnach eine bedingte Nachsicht der über ihn verhängten Freiheitsstrafe nicht in Betracht.

Den Berufungen mußte daher gleichfalls ein Erfolg versagt bleiben.

Anmerkung

E04453

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1983:0100OS00154.83.1212.000

Dokumentnummer

JJT_19831212_OGH0002_0100OS00154_8300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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