TE OGH 1983/12/13 9Os174/83

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Veröffentlicht am 13.12.1983
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Dezember 1983 unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Steininger, Dr. Horak, Dr. Reisenleitner und Dr. Felzmann als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Spies als Schriftführer in der Strafsache gegen Manfred Johannes A wegen des Verbrechens der versuchten Notzucht nach §§ 15, 201 Abs. 1 StGB.

über die von der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Schöffengericht vom 31. August 1983, GZ. 11 Vr 1667/82-45, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie die Berufung des Angeklagten nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Bassler, und der Ausführungen des Verteidigers Dr. Hartenau, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in seinem freisprechenden Teil (Punkt B des erstgerichtlichen Urteilssatzes) sowie im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruches über die Anrechnung der Vorhaft) aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft werden mit ihren Berufungen auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 20. Juni 1959 geborene Hilfsarbeiter Manfred Johannes A des Verbrechens der versuchten Notzucht (in zwei Fällen) nach §§ 15 (Abs. 1), 201 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Hingegen wurde er von der weiteren Anklage (in Richtung des Verbrechens der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach §§ 15, 202 Abs. 1 StGB.), er habe am 5. April 1983

(richtig: am 4. April 1983) in Wels außer dem Fall der Notzucht dadurch versucht, eine Person weiblichen Geschlechtes mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung zum außerehelichen Beischlaf zu nötigen, daß er die mit einem Fahrrad fahrende Silvia B vom Fahrrad herabriß und sie in ein angrenzendes Feld zerrte, ihr drohte, daß er sie umbringen werde, wenn sie weiter schreie, sie am Hals würgte und 'rückwärts' am Hals festhielt und sie nach Wiederbesteigen des Fahrrades an diesem zurückhielt, gemäß § 259 Z. 3

StPO. freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Freispruch bekämpft die Staatsanwaltschaft mit einer auf die Gründe des § 281 Abs. 1 Z. 5 und 9 lit. a StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der Berechtigung zukommt:

Nach den Urteilsfeststellungen faßte der Ange klagte am 4. April1983 gegen 0.15 Uhr bei Ansichtigwerden der ihm auf der Europastraße in Wels entgegenkommenden Radfahrerin Silvia B den Entschluß, mit ihr einen Geschlechtsverkehr durchzuführen, wobei er notfalls mit Gewalt oder durch Bedrohung ihrer Person ihre Zustimmung hiezu erlangen wollte. Er sprang auf die Radfahrerin zu und riß sie vom Fahrrad. Anschließend zerrte er sie gewaltsam in das angrenzende Feld, würgte sie mit beiden Händen und bedrohte sie mit dem Umbringen, 'falls sie schreie'. Gleichzeitig äußerte er, 'daß er eine Frau für die Nacht wolle'. B schrie um Hilfe, versuchte, 'sich durch Wegstoßen gegen den Angeklagten zu wehren' und trachtete, den Angeklagten durch 'gutes' Zureden von seinem Ansinnen abzubringen. Daraufhin trat im Angeklagten insoferne eine Entschlußänderung ein, als er seine Absicht auf gewaltsames Erzwingen der Zustimmung der Frau zum Geschlechtsverkehr aufgab, 'wohl in der Meinung, daß er sie in der Folge auf friedliche Weise dazu überreden könne'. Nicht festgestellt werden konnte - wie das Erstgericht ausdrücklich ausführt -, wie lange das gewaltsame Festhalten der Frau im Feld durch den Angeklagten dauerte und ob ihr dabei auch ihre Bewegungsfreiheit zur Gänze genommen wurde. Jedenfalls 'kam B im Felde nicht ganz zum Liegen' (S. 306 bis 308).

Diesen Sachverhalt beurteilte das Erstgericht - insoweit von der Anklagebehörde unbekämpft - als freiwilligen Rücktritt des Angeklagten vom Verbrechen der versuchten Nötigung zum Beischlaf und sprach ihn deshalb von dieser Anklage gemäß § 259 Z. 3 StPO. frei, zumal mangels 'entsprechender Feststellungen' - so führt das Erstgericht in der rechtlichen Beurteilung (S. 312) aus - auch nicht vom Vorliegen eines qualifizierten Versuches in Ansehung einer Freiheitsentziehung (§ 99 Abs. 1 StGB.) gesprochen werden könne. Eine Prüfung dahingehend, ob das konstatierte Tatverhalten ('und bedrohte sie mit dem Umbringen') ungeachtet seines freiwilligen Rücktrittes vom Versuch einer Nötigung zum Beischlaf allenfalls als eine - zum Verbrechen nach § 202 Abs. 1 StGB. gleichfalls subsidiäre - gefährliche Drohung im Sinne des § 107 Abs. 1 bzw. Abs. 2 StGB. beinhalte, ist dem Urteil nicht zu entnehmen; dies wurde von der Staatsanwaltschaft in ihrer (eine Verurteilung des Angeklagten wegen Vergehens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs. 1 StGB. anstrebenden Nichtigkeitsbeschwerde) zwar nicht ausdrücklich gerügt, doch nimmt sie darauf der Sache nach insofern Bezug, als sie die Drohungen auch als mögliches Mittel der Freiheitsentziehung ansieht (S. 322).

Mit Recht rügt die Staatsanwaltschaft einen dem erstgerichtlichen Urteil anhaftenden Feststellungsmangel.

Der hier in Betracht kommende zweite Fall des § 99 Abs. 1 StGB. setzt einen Zustand voraus, der qualitativ einem Gefangenhalten gleichkommt - für den, wie das Erstgericht an sich zutreffend ausführt, ein bloßes kurzes Festhalten am Arm nicht genügt -, der dem Täter und dem Opfer als Freiheitsentziehung zu Bewußtsein kommt und vom Opfer als Freiheitsbeschränkung empfunden wird (vgl. Leukauf-Steininger, Komm.z.StGB. 2, RN 6 und 7 zu § 99; siehe insbes. auch SSt. 42/5). Das Erstgericht unterließ aber jegliche Feststellung über Dauer, Intensität und Auswirkung des - von ihm an sich festgestellten - Zerrens der Frau in das Feld und des Würgens, ebenso über die Auswirkungen des - gleichfalls festgestellten - möglicherweise als Mittel der Freiheitsentziehung in Betracht kommenden Drohens mit dem Umbringen (wobei es zudem eine sachbezogene Begründung dafür unterließ, weshalb diese Umstände nicht hätten festgestellt werden können).

Schon aus diesem Grunde war das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt zu bleiben hatte, in seinem freisprechenden Teil sowie im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruches über die Anrechnung der Vorhaft) gemäß § 288 Abs. 2 Z. 1 StPO. aufzuheben und insoweit die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen, ohne daß auf die von der Nichtigkeitsbeschwerde geltend gemachten Begründungsmängel noch näher einzugehen gewesen wäre.

Im zweiten Rechtsgang wird das Erstgericht gegebenenfalls - sofern eine Freiheitsbeschränkung verneint wird - auch zu prüfen haben, ob die vom Angeklagten - allenfalls als Mittel einer Freiheitsentziehung - gebrauchten Drohungen das nach §§ 74 Z. 5, 107 Abs. 1, Abs. 2 StGB. tatbildliche Ausmaß erreichten und ob allenfalls (auch) insoweit 'qualifizierter Versuch' vorliegt (Leukauf-Steininger, StGB. 2, RN 13 zu § 16; JBl. 1982, 550). Mit ihren gegen den Strafausspruch gerichteten Berufungen waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die auch den Strafausspruch erfassende kassatorische Entscheidung zu verweisen. Die Kostenentscheidung fußt auf der im Spruch genannten Gesetzesstelle.

Anmerkung

E04695

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1983:0090OS00174.83.1213.000

Dokumentnummer

JJT_19831213_OGH0002_0090OS00174_8300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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