TE OGH 1983/12/20 10Os180/83

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Veröffentlicht am 20.12.1983
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Dezember 1983 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Lachner und Hon. Prof. Dr. Brustbauer als weitere Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. von der Thannen als Schriftführer in der Strafsache gegen Günther A wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG, Par 15 StGB und anderer Delikte über die vom Angeklagten Günther A erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 4. August 1983, GZ 29 Vr 2831/ 82-32, nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Verlesung der Berufung der Staatsanwaltschaft und Anhörung der Ausführungen des Verteidigers Dr. Clemens Dallinger und des Vertreters der Generalprokuratur, Erster Generalanwalt Dr. Nurscher, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 10. August 1955 geborene Hilfsarbeiter Günther A des teils vollendeten, teils versuchten Verbrechens nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG und § 15 StGB (Punkt A/I. des Urteils), des Vergehens nach § 16 Abs 1 Z 2 SuchtgiftG (Punkt A/II. des Urteils) und des mit Beziehung auf die zu Punkt A des Urteils erwähnten Suchtgiftdelikte begangenen (ua wegen Rückfalls nach §§ 41, 53 Abs 1 lit a FinStrG gerichtlich strafbaren) Finanzvergehens der vorsätzlichen Abgabenhehlerei nach § 37 Abs 1 lit a FinStrG (Punkt B des Urteils) schuldig erkannt.

Rechtliche Beurteilung

Nur den Schuldspruch wegen des teils versuchten, teils vollendeten Verbrechens gegen die Volksgesundheit nach Par 12 Abs 1 SuchtgiftG in Verbindung mit § 15 StGB bekämpft der Angeklagte mit seiner auf die Z 5, 9 (gemeint: lit a) und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Insoweit liegt ihm zur Last, in Linz vorsätzlich den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift, nämlich Heroin mit einem Diacethylmorphingehalt von 36,5 % in solchen Mengen, daß daraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen konnte, 1.) in Verkehr gesetzt zu haben, und zwar am 20. November 1982 ca 0,75 Gramm durch Verkauf an Günther B und 0,5 Gramm durch Verkauf an Peter C;

2.) in Verkehr zu setzen versucht zu haben, und zwar nach dem 19. November 1982, 52,2 Gramm durch (zu ergänzen: Bereitstellen zum) Verkauf an zahlreiche Unbekannte. Unzutreffend ist zunächst der in der Mängelrüge (Par 281 Abs 1 Z 5 StPO) erhobene Vorwurf, das Gericht habe den Ausspruch über den Verkauf von 0,75 Gramm Heroin an Günther B aktenwidrig begründet. Denn es findet diese - in Widerlegung der Verantwortung des Angeklagten und der Aussagen der Zeugen Manfred und Günther B, Ingrid D und Bianca E in der Hauptverhandlung getroffene - Feststellung in den Aussagen der Zeugen B und E vor der Polizei volle Deckung; von einer Aktenwidrigkeit, die nur dann vorliegen könnte, wenn in den Urteilsgründen als Inhalt einer Urkunde oder Aussage etwas angeführt wird, das deren Inhalt nicht bildet (Mayerhofer-Rieder, Nr 185 zu § 281 Abs 1 Z 5 StPO), kann daher nicht die Rede sein. Im übrigen hat das Schöffengericht aber auch dafür, warum es den Angaben der Zeugen Günther B und Bianca E vor der Sicherheitsbehörde glaubte, durchaus zureichende Gründe angegeben und schlüssig dargelegt, warum es dem Widerruf dieser Angaben den Glauben versagt hat (S 319 ff).

Als unzulässige und deshalb auch unbeachtliche Bekämpfung der Beweiswürdigung des Schöffengerichtes stellt sich auch der weitere Einwand des Beschwerdeführers dar, das Gericht habe keine Gründe für die Annahme gegeben, er habe die von Ibrahim F erworbene Menge von ca 54 Gramm Heroin nicht für den Eigenbedarf, sondern zum Weiterverkauf übernommen. Denn diese Feststellung wurde mit verschiedenen überlegungen denkfolgerichtig und aktengetreu begründet sowie insbesondere mit dem Hinweis darauf untermauert, daß der Beschwerdeführer sofort nach dem Erhalt des Suchtgiftes mit dessen Weiterverkauf begonnen hat (S 323 f). Auf die Tatsache aber, daß der Beschwerdeführer das Suchtgift nicht gestreckt hat, mußte das Gericht in diesem Zusammenhang nicht eingehen, da sie an der Richtigkeit der Urteilsannahme, er habe mit Gewinn verkaufen wollen, nichts zu ändern vermag: Bedenkt man nämlich, daß er das Gramm Suchtgift von F um ca 1.200

S erhielt (S 319), es aber um etwa 3.400 S bis 3.600 S weiterveräußerte (S 320), so ergibt sich bereits hieraus, daß er durch den Verkauf des in seiner Qualität nicht veränderten Heroins einen beträchtlichen Gewinn erzielte.

Letztlich entsprechen auch die aus der Arbeitslosigkeit des Angeklagten gezogenen Schlußfolgerungen des Schöffengerichtes auf einen durch Handel mit Heroin gedeckten Geldbedarf den Denkgesetzen und der Lebenserfahrung; mit dem Hinweis darauf, daß aus den Beweisergebnissen, wie sich der Beschwerdeführer aufzuzeigen bemüht, allenfalls auch andere, für ihn günstigere Schlußfolgerungen ableitbar wären, kann der angerufene Nichtigkeitsgrund nicht dargetan werden.

Keinen Begründungsmangel zeigt der Angeklagte weiters mit der als unzulässige Neuerung zu wertenden Beschwerdebehauptung auf, daß er dem Verkäufer des Suchtgifts die Bezahlung des Restkaufschillings bis 15. Dezember 1982 (nicht etwa in der Annahme, er könne das Heroin bis dahin gewinnbringend abgesetzt haben, sondern) in der Erwartung einer an diesem Tag fälligen Lohnnachzahlung seines Dienstgebers versprach. Denn seiner diesbezüglichen Verantwortung vor der Polizei - bei der er den Eingang des restlichen Lohnes in der Höhe von 36.000 S auf seinem Konto am 20. November 1982 erwähnte (S 47) - ist ein solches Vobringen ebensowenig zu entnehmen wie seiner Einlassung vor Gericht, wo er lediglich von einem anläßlich seiner Rückkehr aus dem Irak am 26. Oktober 1982 bestehenden Lohnrückstand von 36.000 S sprach (S 288). Letztlich bedeutet es auch keinen Verstoß gegen das - im übrigen an sich gar nicht unter Nichtigkeitssanktion stehende - Unmittelbarkeitsprinzip, wie der Beschwerdeführer vermeint, wenn sich das Gericht nicht auf die in der Hauptverhandlung abgelegten Zeugenaussagen stützt, sondern auf jene vor den Sicherheitsbehörden, die in der Hauptverhandlung verlesen wurden (§ 252 Abs 2 StPO); denn nach ihrer Verlesung war es gemäß § 258 Abs 1 StPO zur Verwertung auch dieser Verfahrensergebnisse im Urteil jedenfalls berechtigt.

Auch die Rüge schlägt nicht durch.

Soweit der Beschwerdeführer das Fehlen von Feststellungen über seinen Verteilungsvorsatz moniert, ist die Nichtigkeitsbeschwerde nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil sie jene ausdrücklichen und insoweit völlig zureichenden Konstatierungen des Schöffengerichtes übergeht, wonach der seit langen Jahren in der Suchtgiftszene integrierte Angeklagte das Suchtmittel sofort oder doch möglichst rasch und zwar in solchen Teilmengen, die für wesentlichÖmehr als bloß einen Schuß gereicht hätten, an Süchtige aus dem Linzer Raum weiterzugeben entschlossen war sowie hiebei das Risiko einer breiten Streuung des Giftes bedacht und sich damit abgefunden hat (S 324). Materiellrechtliche Nichtigkeitsgründe können jedoch nur durch einen Vergleich der erstgerichtlichen Feststellungen mit der darauf angewendeten rechtlichen Beurteilung dargetan werden. Unrichtig aber ist die Meinung des Angeklagten, das Verbrechen nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG könne generell erst durch eine Portionierung des Suchtmittels ins Versuchsstadium treten. Ein nach § 15 Abs 2 StGB ausführungsnaher Versuch liegt nämlich auch schon dann vor, wenn eine zur Verteilung bestimmte Suchtgiftmenge zwar noch vom Händler verwahrt wird, der in Betracht kommende Abnehmerkreis (hier: Linzer Süchtige) aber schon feststeht und das Suchtmittel ungesäumt abgesetzt werden soll. Denn in einer solchen Verwahrung ist, anders als bei einer für längere Zeit geplanten Bevorratung, bloß eine durch die Eigentümlichkeit des Verteilungsvorganges bedingte, jedoch dem Inverkehrsetzen bereits unmittelbar vorgelagerte Deliktsphase, zu erblicken, ohne daß es hiezu unbedingt auch schon einer verkaufsgerechten Portionierung und Verpackung in einzelne Teilmengen bedürfte (vgl ÖJZ-LSK 1975/74 zu § 6 - jetzt 12 - SuchtgiftG). Gerade diese Verhaltensweise aber hat das Erstgericht dem Angeklagten zum Vorwurf gemacht.

Sowohl aus dem Gesichtspunkt des Nichtigkeitsgrundes nach der Z 9 (lit a) wie aus jenem der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO rügt der Beschwerdeführer außerdem, das Urteil lasse nicht erkennen, ob er lediglich des Grundtatbestandes nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG oder des durch eine bandenmäßige Begehung oder durch erschwerende Umstände belasteten Verbrechens nach dieser Strafbestimmung schuldig erkannt worden sei.

Der Sache nach wird mit diesen Ausführungen nur zum Teil ein Nichtigkeitsgrund, und zwar jener nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO geltend gemacht, der indessen nicht vorliegt: denn eine bandenmäßige Begehung des Suchtgiftverbrechens nach § 12 Abs 1 zweiter Strafsatz SuchtgiftG wird dem Angeklagten unmißverständlich nicht angelastet. Die andere Frage aber, ob wegen sonstiger erschwerender Umstände die zweite Strafstufe des ersten Strafsatzes des § 12 Abs 1 SuchtgiftG angewendet werden könnte, betrifft überhaupt bloß einen Umstand, der die Strafzumessung innerhalb des nunmehr in Rede stehenden Strafrahmens berührt und deshalb nur mit Berufung bekämpft werden kann, im vorliegenden Fall aber infolge der Verhängung einer 2-jährigen Strafe, die also ohnehin im Bereich der (bis zu 5 Jahren reichenden) ersten Strafstufe dieses Strafsatzes erfolgt ist, gar nicht aktuell ist.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten gemäß Par 12 Abs 1 SuchtgiftG unter Anwendung des § 28 StGB zu zwei Jahren Freiheitsstrafe und gemäß §§ 22, 37 Abs 2

FinStrG (unter Zugrundelegung eines strafbestimmenden Wertbetrages von 35.200 S) zu einer Geldstrafe in Höhe von 35.000 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit zu 35 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe. Bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend die einschlägigen Vorstrafen, den raschen Rückfall und die große Menge des dem Schuldspruch zugrunde liegenden Suchtgiftes, als mildernd hingegen das weitgehende Geständnis, das auch zur Aufdeckung der Straftaten des - abgesondert verfolgten - F Ibrahim geführt hat. Nur gegen den auf § 12 Abs 1 SuchtgiftG fußenden Strafausspruch richten sich die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten, mit welcher erstere eine Straferhöhung, letzterer hingegen eine Herabsetzung und die Gewährung der bedingten Strafnachsicht anstrebt.

Keiner Berufung kommt Berechtigung zu.

Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe - im wesentlichen - zutreffend und vollständig erhoben. Es hat zwar, wie die Staatsanwaltschaft insoweit zutreffend aufzeigt, das Zusammentreffens eines Verbrechens (§ 12 Abs 1 SuchtgiftG) mit einem Vergehen (§ 16 Abs 1 Z 2 SuchtgiftG) in den Entscheidungsgründen nicht ausdrücklich als Erschwerungsgrund angeführt, diesen Umstand aber, wie sich aus dem Zitat des § 28 StGB im Urteilsspruch (zwanglos) ergibt, bei der Strafbemessung ohnehin berücksichtigt und entsprechend gewürdigt. Solcherart hat es ein Strafmaß gefunden, das nicht überhöht und - bei Berücksichtigung des Geständnisses des Angeklagten, das zur überführung eines anderen Rauschgifthändlers führte - auch nicht zu gering ist.

Vor allem im Hinblick auf das einschlägig schwer getrübte Vorleben kommt allerdings weder eine Herabsetzung des Strafmaßes noch eine bedingte Strafnachsicht in Betracht; letzteres auch nicht, weil es an den - strengen - Voraussetzungen des § 43 Abs 2 StGB in jeder Richtung mangelt.

Insoweit die Heranziehung der Vorstrafen des Angeklagten als erschwerend gegen das Doppelverwertungsverbot verstoßen sollte, ist nicht erfindlich; hat doch das Erstgericht - wie bereits oben erwähnt - lediglich den Grundtatbestand des § 12 Abs 1 SuchtgiftG angenommen und demzufolge die Strafe ohnedies nur nach der (Vorverurteilungen nicht als qualifizierend in Anschlag bringenden) ersten Strafstufe des ersten Strafsatzes des § 12 Abs 1 SuchtgiftG ausgemessen. Der Umstand, daß der Angeklagte seine Straftat in verschiedenen Stadien des Verfahrens voll aufdeckte und dadurch den Sicherheitsbehörden den Zugriff auf einen Suchtgifthändler ermöglichte, ist bei der Festsetzung des Strafmaßes weitgehend berücksichtigt worden; nur deswegen konnte von der Verhängung einer höheren Strafe Abstand genommen werden. Der Oberste Gerichtshof teilt im Ergebnis die diesbezüglich vom Erstgericht angestellten Erwägungen.

Im übrigen aber vermag keiner der beiden Berufungswerber neue bisher nicht beachtete, für die Strafzumessung relevante Tatsachen aufzuzeigen.

Es mußte daher beiden Berufungen ein Erfolg versagt bleiben.

Anmerkung

E04455

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1983:0100OS00180.83.1220.000

Dokumentnummer

JJT_19831220_OGH0002_0100OS00180_8300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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