Kopf
Der Oberste Geric5tshof hat am 21.Dezember 1983 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Helige als Schriftführers in der Strafsache gegen Gerhard A wegen des Verbrechens der Untreue nach dem § 153 Abs. 1 und Abs. 2, zweiter Fall, StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengerichtes vom 28. Juli 1983, GZ 8 c Vr 5.909/8252, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Sigmund und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches im übrigen aufrecht bleibt, im Schuldspruch des Angeklagten wegen Verbrechens der Untreue nach dem § 153 Abs. 1 und Abs. 2 (zweiter Anwendungsfall) StGB (Punkt 1 des erstinstanzlichen Urteils), in der rechtlichen Beurteilung insgesamt, im Strafausspruch sowie im Ausspruch über die Verweisung der Privatbeteiligten Firma B GesmbH auf den Zivilrechtsweg aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verworfen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Gerhard A der Verbrechen der Untreue nach dem § 153 Abs. 1 und Abs. 2
(zweiter Anwendungsfall) StGB und der Veruntreuung nach dem § 133 Abs. 1 und Abs. 2 (zweiter Anwendungsfall) StGB schuldig erkannt. Ihm wurde angelastet, er habe am 26.Mai 1982 in Wien als Geschäftsführer der Firma B GesmbH 1. die ihm durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, wissentlich mißbraucht und dadurch der Firma B GesmbH einen Vermögensnachteil im Betrag von 250.000 S zugefügt, indem er auf einem Konto bei der D reg.GenmbH erliegende Gelder dieser Firma behob und für eigene Zwecke verwendete; 2. einen ihm von der Firma B GesmbH anvertrauten PKW, Marke VW Passat, im Wert von 130.000 S sich mit Bereicherungsvorsatz zugeeignet, indem er das Fahrzeug für seine Flucht ins Ausland benützte und es sodann in den Niederlanden abstellte.
Der Angeklagte bekämpft das Urteil im Schuldspruch mit einer auf die Z 5 und 10, sachlich aber auch auf die Z 9
lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und im Strafausspruch mit Berufung.
Rechtliche Beurteilung
Soweit sich der Beschwerdeführer gegen den Punkt 1. des Schuldspruchs wendet und den Nichtigkeitsgrund der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO geltend macht, kommt seiner Beschwerde im Ergebnis Berechtigung zu:
Nach den diesbezüglichen Urteilsfeststellungen war der Angeklagte Gerhard A als alleinvertretungsbefugter handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma B GesmbH in Wien berechtigt, vom Firmenkonto bei der Österreichischen I Geldbeträge abzuheben und überweisungen durchführen zu lassen. Am 13.April 1982 errichtete er bei der D reg.GenmbH ein auf seinen Namen lautendes Konto, auf welches er Firmengelder überweisen ließ. Zwischen 19. und 26. Mai 1982 beschloß der Angeklagte, aus seinem bisherigen Beruf 'für immer auszusteigen' und sich ins Ausland zu begeben. Um seinen Plan verwirklichen zu können, behob er am 26.Mai 1982 zu Lasten seines Kontos bei der D 250.000 S. Diese - abweichend von der Anklage nicht Dispositionen des Angeklagten über das Firmenkonto seiner Machtgeberin bei der Österreichischen I, sondern über ein (formell) auf seinen eigenen Namen lautendes Konto betreffenden - Tatsachenfeststellungen lassen eine abschließende materiellrechtliche Beurteilung des Straffalls noch nicht zu:
Untreue setzt einen Mißbrauch rechtlich eingeräumter Vertretungsmacht voraus, während die Ausnützung bloß faktisch bestehender Verfügungsmöglichkeiten, sofern sich der Täter dabei ein in seinen ausschließlichen Gewahrsam gelangtes wirtschaftlich fremdes Gut unter Verletzung einer Verwahrungs-, Rückstellungs- oder einer Verwendungspflicht zueignet, vom Tatbestand der Veruntreuung erfaßt wird. Mißbräuchlich im Sinn des Par 153 StGB handelt hiebei, wer zum Nachteil seines Machtgebers Rechtshandlungen setzt, zu denen er zwar kraft seiner Vertretungsmacht nach außen hin ausgewiesen ist, die aber seinen Verpflichtungen im Innenverhältnis widersprechen.
Im vorliegenden Fall deponierte der Angeklagte Gerhard A nun, das auf seinen Namen lautende Konto bei der D im Auftrag der Firma B GesmbH eröffnet und überweisungen vom Firmenkonto bei der Österreichischen I (bezüglich dessen er nach der Aktenlage im übrigen gar nicht allein zeichnungsberechtigt war / vgl. S 69 b und verso, 113
ff., 215, 219 d.A ) auf dieses Konto mit Zustimmung und Kenntnis der Zeugin Christina K als Vertreterin der Firma veranlaßt zu haben (vgl. S 69 a und verso, 214 d.A).
Die Zeugin Christina K bestätigte auch in der Hauptverhandlung - allerdings im Widerspruch zu ihrer Aussage im Vorverfahren (vgl. S 100 d.A) -, daß der Angeklagte ermächtigt gewesen sei, die Bezahlung der Dienstnehmer über sein Privatkonto zu veranlassen (vgl. S 216 d. A).
Bei dieser Beweis- und der dargestellten Rechtslage hätte es daher, um prüfen zu können, ob Untreue vorliegt, auch entsprechender Feststellungen darüber bedurft, ob die Eröffnung des formell auf den Namen des Angeklagten lautenden Kontos bei der D reg. GenmbH allenfalls materiell für Firmenzwecke stattfand, ob die überweisung von Firmengeldern bzw. Firmenforderungen auf dieses (unter Umständen verdeckte Firmen-) Konto mit Wissen und Zustimmung seiner Machtgeber geschah, ob sich der Angeklagte bei Verfügung über dieses 'Firmenkonto' wissentlich zum Nachteil seiner Machtgeber über ihm im Innenverhältnis gesetzte Schranken hinwegsetzte oder er gar schon Einzahlungen und überweisungen auf dieses Konto mit dem Vorsatz vornahm oder veranlaßte, sich auf diese Weise zu eigenem Vorteil den Zugriff auf Firmenvermögen zu verschaffen.
Vom Erstgericht wurde darüber hinaus aber auch unberücksichtigt gelassen, daß zumindest nach den derzeitigen Verfahrensergebnissen ein deliktisches Verhalten zum Nachteil der Firma B GesmbH nur bezüglich jenes Betrages von 167.236 S in Betracht kommen kann, welcher im Zeitpunkt der Auszahlung der 250.000 S an den Angeklagten auf dem Konto bei der D erlag (vgl. S 249 d. A), weil nur insoweit allenfalls von einem wirtschaftlich zum Vermögen der Firma gehörigen Gut gesprochen werden könnte. In Ansehung des weiteren Betrages von 82.764 S, mit welchem das auf den Angeklagten lautende Konto durch die Abhebung vom 26.Mai 1982 überzogen wurde, kommt mangels einer derzeit aktenkundigen diesbezüglichen Rechtsbeziehung zwischen der D und der Machtgeberin des Angeklagten kein deliktischer Akt zum Nachteil der Firma B GesmbH, sondern allenfalls Betrug zum Schaden der D in Betracht. Es zeigt sich sohin, daß die vom Erstgericht getroffenen Tatsachenfeststellungen zum Faktum 1 zu einer zweifelsfreien materiellrechtlichen Einordnung noch nicht ausreichen. Insoweit erweist sich demnach im spruchgemäßen Umfang eine Urteilsaufhebung und Verfahrenserneuerung als unvermeidlich, ohne daß auf die vom Beschwerdeführer gegen seinen Schuldspruch wegen Par 153 StGB außerdem noch geltend gemachten Beschwerdepunkte eingegangen werden müßte.
Als unbegründet stellt sich die Beschwerde in ihrem den Punkt 2 des Schuldspruches betreffenden Teil dar:
Der Ansicht des Beschwerdeführers, seine Handlungsweise wäre dann nicht als Veruntreuung zu beurteilen, wenn ihm der firmeneigene PKW, Marke VW Passat, nicht bloß für dienstliche Fahrten, sondern auch für Privatfahrten im In- und Ausland zur Verfügung gestanden sein sollte, kann nicht gefolgt werden: Dem Angeklagten wird nämlich keineswegs nur zum Vorwurf gemacht, ein ihm als Geschäftsführer der Firma B GesmbH anvertraut gewesenes Firmenfahrzeug vertragswidrig für eine Privatfahrt ins Ausland benützt zu haben, sondern ihm liegt zur Last, sich dieses Fahrzeug nach einseitiger Auflösung des Dienstverhältnisses zugeeignet, also in sein eigenes freies Vermögen überführt zu haben. Laut den Urteilsfeststellungen wollte der Angeklagte für immer aus seinem bisherigen Beruf 'aussteigen' und den in Rede stehenden PKW auf unbestimmte Zeit bei seiner Flucht und zu künftigen Reisen im Ausland verwenden (vgl. S 277, 279 d.A). Will aber jemand - wie dies hier auf den Angeklagten zutrifft - nicht bloß die Rückstellung eines ihm anvertrauten Fahrzeuges an den Berechtigten verzögern, sondern das betreffende Fahrzeug über einen längeren unbestimmten Zeitraum in solcher Weise gebrauchen, daß der ausgedehnte Gebrauch einem Verbrauch gleichkommt und das Verhalten des Täters auf eine überführung des Wirtschaftsgutes in sein Vermögen im Sinn einer effektiven Vermögensvermehrung hinausläuft, so ist darin eine Zueignung anvertrauten Gutes zu ersehen, selbst wenn der Täter das Fahrzeug nicht für immer behalten will. Daß der Angeklagte nach Beendigung seiner Tätigkeit für die Firma B GesmbH zur Rückstellung des Firmenfahrzeuges verpflichtet gewesen wäre, bedurfte unter den gegebenen Umständen keiner näheren Begründung. Das Unterbleiben einer Erörterung der Verantwortung des Angeklagten, als Firmenangestellter zu Privatfahrten ins Ausland berechtigt gewesen zu sein, bewirkt daher keine Unvollständigkeit der Urteilsbegründung im Sinn der Z 5
des § 281 Abs. 1 StPO. Ebensowenig haftet nach dem Gesagten dem Schuldspruch wegen Veruntreuung des PKW Urteilsnichtigkeit gemäß der Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1
StPO an.
Insoweit war die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Gerhard A
daher zu verwerfen.
Mit seiner Berufung war der Genannte auf den kassatorischen Teil der Entscheidung zu verweisen.
Anmerkung
E04459European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1983:0110OS00186.83.1221.000Dokumentnummer
JJT_19831221_OGH0002_0110OS00186_8300000_000