Norm
ZustG §16 Abs2Kopf
SZ 57/22
Spruch
Eigenberechtigung des Ersatzempfängers ist kein Erfordernis der gültigen Zustellung nach § 16 ZustellG
OGH 25. 1. 1984, 3 Ob 180/83 (LGZ Graz 4 R 358/83; BG Gleisdorf E 1349/83)
Text
Mit rechtskräftigem und vollstreckbarem Versäumungsendbeschluß des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 9. 2. 1983, 8 C 263, 264/82-22, wurde festgestellt, daß die beiden verpflichteten Parteien die betreibende Partei und eine im Exekutionsverfahren nicht einschreitende weitere klagende Partei dadurch, daß sie am 14. 7. 1982 deren Fahrnisse aus den von ihnen im Haus M Nr. 55 benützten Räumlichkeiten, nämlich Garage und Kellerstöckl, entfernten und den beiden Klägern und deren Angehörigen den Zutritt zu diesen Räumlichkeiten verwehrten, im ruhigen Besitz ihres Wohnrechts gestört hätten. Die beiden verpflichteten Parteien wurde schuldig erkannt, sofort den früheren Zustand dadurch wieder herzustellen, daß sie die Fahrnisse der klagenden Parteien in die von ihnen benützten Räumlichkeiten (Garage und Kellerstöckl) zurückstellen und den klagenden Parteien und ihren Angehörigen den Zutritt zu diesen Räumlichkeiten wieder gestatten. Sie wurden weiters verpflichtet, sich künftig jeder weiteren derartigen Störung zu enthalten.
Mit Beschluß des Bezirksgerichtes für ZRS Graz (als Titelgericht) vom 24. 5. 1983 wurde zugunsten der betreibenden Partei zur Erwirkung ihres Anspruches auf Zurückstellung der strittigen Räumlichkeiten wider die beiden verpflichteten Parteien die Exekution bewilligt und den verpflichteten Parteien zur ungeteilten Hand aufgetragen, die Garage und das Kellerstöckl für die betreibende Partei bis längstens 27. 5. 1983 aufzusperren, widrigens gegen sie auf Antrag der betreibenden Partei eine Geldstrafe von 20 000 S verhängt würde. Dieser Exekutionsbewilligung lag die Behauptung der betreibenden Partei im Exekutionsantrag zugrunde, die erstverpflichtete Partei habe erklärt, sie denke nicht daran, der betreibenden Partei den Zutritt zu ermöglichen, und halte Garage und Kellerstöckl weiterhin verschlossen.
Der Exekutionsbewilligungsbeschluß wurde dem vorläufigen Beistand der Erstverpflichteten am 16. 6. 1983 und dem Zweitverpflichteten beim Vollzug der mitlaufenden Fahrnisexekution am 20. 6. 1983 zu Handen der mit ihm in Hausgemeinschaft lebenden Erstverpflichteten zugestellt. Ein Rechtsmittel gegen die Exekutionsbewilligung wurde nicht erhoben.
Mit Strafvollzugsantrag vom 30. 6. 1983, eingelangt am 1. 7. 1983, beantragte die betreibende Partei die Verhängung der angedrohten Geldstrafe von 20 000 S und die Androhung einer Haftstrafe von 10 Tagen. Die betreibende Partei behauptete, daß die verpflichteten Parteien dem Auftrag vom 24. 5. 1983 nicht nachgekommen seien. Am 28. 6. 1983 sei es der betreibenden Partei und ihren Kindern von den beiden verpflichteten Parteien ausdrücklich verweigert worden, ihnen den Zugang zu den strittigen Räumlichkeiten zu ermöglichen. Die betreibende Partei berief sich neuerlich auf den schon beim ersten Exekutionsantrag angeschlossenen Aktenvermerk vom 22. 4. 1983 über ein Telefongespräch ihres Rechtsfreundes mit der erstbeklagten Partei.
Das Erstgericht verhängte mit Beschluß vom 20. 7. 1983 die beantragte Geldstrafe und trug den verpflichteten Parteien auf, der betreibenden Partei den ungehinderten Zugang zum Kellerstöckl und zur Garage bis längstens 31. 7. 1983 zu ermöglichen, widrigens auf Antrag Haft von 10 Tagen verhängt würde.
Das Rekursgericht änderte den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß der Antrag auf Verhängung einer Geldstrafe, Erteilung eines neuerlichen Auftrages und Androhung einer Haftstrafe abgewiesen und die mit Beschluß vom 24. 5. 1983 bewilligte Exekution gemäß § 39 Abs. 1 Z 2 EO eingestellt werde. Es sprach aus, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes, über den das Rekursgericht entschieden hat, 15 000 S übersteigt und der Rekurs an den OGH zulässig ist. Einen Ausspruch, ob der Wert des Beschwerdegegenstandes 300 000 S übersteigt, enthält der Beschluß der zweiten Instanz nicht.
Die zweite Instanz war der Auffassung, daß aus der Aktenlage nicht ersichtlich sei, daß der Exekutionsbewilligungsbeschluß in Rechtskraft erwachsen sei. Die Zustellung am 20. 6. 1983 an die Erstverpflichtete, gegen die ein Entmündigungsverfahren anhängig sei, sei nicht ausreichend. Ob auch an den vorläufigen Beistand zugestellt worden sei, stehe nicht fest, ebensowenig, ob der Exekutionsbewilligungsbeschluß dem Zweitverpflichteten tatsächlich zugekommen sei. Es könne daher nicht von der Rechtskraft der Exekutionsbewilligung ausgegangen werden. Die Exekutionsbewilligung sei im übrigen unzutreffend, weil sie auf einer unrichtigen Exekutionsart basiere. Im Exekutionstitel sei die strittige Verpflichtung mit "Gestattung des Zutrittes" umschrieben. Dies spreche nach dem Sprachgebrauch dafür, daß die Verpflichteten nur zum Aufsperren der Garage und des Kellerstöckls verpflichtet seien, welche Handlungen auch durch einen Dritten vorgenommen werden könnten. Des weiteren seien die verpflichteten Parteien zu einer Duldung verpflichtet; sie müßten nämlich dulden, daß die strittigen Räume durch die betreibende Partei und ihre Angehörigen betreten würden. Die erstgenannte Handlung sei nach § 353 EO zu vollstrecken, die zweitangeführte Duldung könne nur nach § 355 EO durchgesetzt werden. Auch die weitere Verpflichtung, gewisse Fahrnisse wieder in bestimmte Räume zu schaffen, müsse gemäß § 353 EO durchgesetzt werden. Die Bestimmungen der §§ 353 bis 355 EO seien zwingendes Recht. Eine Umstellung einer beantragten unzulässigen Exekutionsart in die nicht beantragte allein zulässige Exekutionsart sei rechtlich nicht möglich.
Der Oberste Gerichtshof stellte über den Revisionsrekurs der betreibenden Partei den Beschluß des Erstgerichtes wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Daß das Gericht zweiter Instanz nicht ausgesprochen hat, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes 300 000 S nicht übersteigt, kann auf sich beruhen, weil dieser Ausspruch im getroffenen Ausspruch über die Zulässigkeit des Rekurses praktisch enthalten ist. Da ein solcher Ausspruch nur nötig und zulässig ist, wenn sich die Sache im sogenannten Zulassungsbereich (Wert des Gegenstandes zwischen 15 000 S und 300 000 S) befindet, hätte eine Rückleitung des Aktes an die zweite Instanz nur den Sinn, einen von ihr ohnedies beabsichtigten und schon jetzt klar erschließbaren und daher entbehrlichen Bewertungsausspruch nachzuholen. Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Revisionsrekurses gemäß §§ 528 Abs. 2, 502 Abs. 4 Z 1 ZPO sind gegeben, denn die Frage, ob das Exekutionsgericht bei der Entscheidung über einen Strafvollzugsantrag an die schon eingetretene Rechtskraft des Exekutionsbewilligungsbeschlusses im weiteren Verfahren stets gebunden ist, ist in der Lehre strittig (Heller-Berger-Stix 160 f.; vgl. auch die Darstellung bei SZ 48/7).
Entgegen der Annahme des Gerichtes zweiter Instanz wurde die Exekutionsbewilligung dem Beistand der Erstverpflichteten sehr wohl zugestellt. Die beim Vollzug vorgenommene Ersatzzustellung an den Zweitverpflichteten zu Handen der Erstverpflichteten stellt aber unabhängig davon, ob und wann sie dem Zweitverpflichteten tatsächlich zukam, eine gültige Zustellung gemäß § 16 ZustellG dar. Wenn auch gegen die Erstverpflichtete ein Entmündigungsverfahren läuft und für sie ein vorläufiger Beistand bestellt ist, sodaß an sie selbst nur zu Handen ihres Beistandes zugestellt werden kann, so ist die Erstverpflichtete doch ein Ersatzempfänger iS des § 16 Abs. 2 ZustellG, weil sie eine erwachsene Person ist, die an derselben Abgabestelle wie der Zweitverpflichtete wohnt. Darauf, daß der Ersatzempfänger selbst eigenberechtigt ist, stellt das Gesetz nicht ab (vgl. dazu SZ 39/200 oder Fasching II 586 zur früheren praktisch gleichen Gesetzeslage nach § 102 ZPO). Anhaltspunkte dafür, daß die Ersatzzustellung iS des § 16 Abs. 5 ZustellG als nicht bewirkt zu gelten habe, weil der Zweitverpflichtete wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, liegen nicht vor. Damit erwuchs aber die Exekutionsbewilligung in Rechtskraft.
Wurde aber die Zwangsvollstreckung in einer ganz bestimmten Weise rechtskräftig bewilligt, so kann im weiteren Verfahren die Frage der Zulässigkeit der beantragten Exekutionsart, wie der OGH in neuerer Zeit wiederholt ausgesprochen hat, nicht mehr aufgeworfen werden (JBl. 1966, 151; SZ 48/7). Dies muß auch für den vorliegenden Fall gelten, wo je nach Vollständigkeit des geltend gemachten Sachverhaltes die von den verpflichteten Parteien nach dem Exekutionstitel zu erbringende Leistung entweder gerade noch auch durch Ersatzvornahme bewerkstelligt werden kann oder aber gerade schon einer Mitwirkung der verpflichteten Parteien selbst bedarf (vgl. dazu SZ 39/58 ua.). Gerade wenn das Öffnen der Türe nur durch Brechung eines Widerstandes der verpflichteten Parteien möglich sein sollte, weil diese nicht nur einfach schlechthin untätig sind, sondern dem mit der Ersatzvornahme betrauten Dritten erst gar nicht den Zutritt zur Liegenschaft ermöglichen oder ähnliches, dann könnte eine Exekutionsführung gemäß § 354 EO nicht als vorweg unrichtig angesehen werden. Die hier rechtskräftig bewilligte Exekution nach § 354 EO ist jedenfalls nicht unvollziehbar und daher Grundlage für den weiteren Vollzug.
Anmerkung
Z57022Schlagworte
Ersatzempfänger (Zustellung), Eigenberechtigung, Zustellung, Eigenberechtigung des ErsatzempfängersEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1984:0030OB00180.83.0125.000Dokumentnummer
JJT_19840125_OGH0002_0030OB00180_8300000_000