TE OGH 1984/1/26 13Os214/83

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Veröffentlicht am 26.01.1984
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 26.Jänner 1984 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Spies als Schriftführers in der Strafsache gegen Manfred A und Albert B wegen des Verbrechens der versuchten Erpressung nach § 15, 144 Abs. 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die von der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichts Wr. Neustadt als Schöffengerichts vom 21.September 1984, GZ. 12 b Vr 1469/83-20, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Schneider, der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Ersten Generalanwalts Dr. Nurscher, sowie der Ausführungen der Verteidiger Dr. Mühl und Dr. Spitzy zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das Urteil, das im übrigenunberührt bleibt, in seinem frei haben, Leopold C durch gefährliche Drohung zu einer Handlung zu nötigen, die diesen am Vermögen schädigen sollte, indem sie ihm androhten, sie würden ihn bei der Polizei als Homosexuellen anzeigen, falls er ihnen nicht binnen einer Stunde 2.500 S und binnen zwei bis drei Wochen 500 S übergebe.

Sie haben hiedurch das Verbrechen der versuchten Erpressung nach § 15, 144 Abs. 1 StGB begangen und werden hiefür sowie für das ihnen nach dem unberührt gebliebenen Schuldspruch zur Last liegende Vergehen des Diebstahls nach § 127 Abs. 1 und 2 Z. 1 StGB gemäß Par 144 Abs. 1 StGB unter Anwendung des § 28 StGB, Manfred A auch unter Bedachtnahme gemäß § 31 StGB auf das Urteil des Kreisgerichts Wiener Neustadt vom 20.Juli 1983, GZ. 12 b Vr 1115/83-17, wie folgt verurteilt:

Manfred A zu einer zusätzlichen Freiheitsstrafe von 9 (neun) Monaten und Albert B zu 7 (sieben) Monaten Freiheitsstrafe. Gemäß § 38 Abs. 1 Z. 1 StGB wird Albert B die Vorhaft vom 8.Juli 1983, 22,20 Uhr, bis 21.September 1983, 11,20 Uhr, auf die Strafe angerechnet.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 7.Februar 1960 geborene Manfred A und der am 21.Juni 1965 geborene Albert B wurden mit dem angefochtenen Urteil des am 3.Juli 1983 in Wiener Neustadt begangenen Vergehens des Diebstahls nach § 127 Abs. 1 und 2 Z. 1 StGB (Bestohlener: Leopold C; Beute: 60 S Bargeld und eine geringwertige Herrengeldbörse) schuldig erkannt. Von der weiteren wider sie erhobenen Anklage, sie hätten bei dieser Gelegenheit im einverständlichen Zusammenwirken mit dem Vorsatz, sich unrechtmäßig zu bereichern, versucht, Leopold C durch gefährliche Drohung zu einer Handlung zu nötigen, die ihn am Vermögen schädigen sollte, indem sie ihm androhten, ihn bei der Polizei als Homosexuellen anzuzeigen, wenn er ihnen nicht binnen einer Stunde 2.500

S und binnen zwei bis drei Wochen weitere 500 S übergebe, erging ein Freispruch gemäß § 259 Z. 3 StPO Dieser Freispruch gründet sich auf die rechtliche Erwägung des Schöffengerichts, daß mit Rücksicht auf die seit 1975 statuierte, in der Bevölkerung allgemein bekannte Straffreiheit für Homosexualität unter Erwachsenen die (in Aussicht gestellte) Anzeige von der Polizei gar nicht entgegengenommen worden wäre, sodaß - anders als bei Androhung einer fälschlichen Strafanzeige wegen einer tatsächlich strafbaren Handlung - bei objektiver Betrachtung die Eignung der Drohung (mit einer Verletzung an der Ehre) zu verneinen sei.

In ihrer auf § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft die Staatsanwaltschaft den Freispruch primär aus dem Grund, mit der Bezeichnung einer Person als 'schwul' (hier: anläßlich einer Anzeigeerstattung) sei eine Verletzung an der Ehre verbunden.

Rechtliche Beurteilung

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt aus nachstehenden Gründen Berechtigung zu:

Ehre im objektiven Sinn ist die Wertschätzung der Persönlichkeit in der Gesellschaft; Ehre im subjektiven Sinn ist die Bewertung des eigenen Verhaltens als sittlich gut oder schlecht und die damit verbundene größere oder geringere Selbstachtung. Im objektiven Sinn, d. h. in der Bedeutung als Wertschätzung des einzelnen in der für ihn maßgeblichen Umwelt, wird die Ehre (u.a.) in der Bestimmung des § 144

StGB geschützt (13 Os 95/82). Darnach kann jemandes Ehre auch durch die Bekanntgabe unehrenhafter, indes wahrer Tatsachen, mögen sie auch nicht strafbar sein, eine Einbuße erleiden (zur Frage der Drohung mit einer Verletzung an der Ehre im Sinn des - nunmehrigen - § 74 Z. 5

StGB siehe u.a. SSt. 36/48, 13 Os 95/82 und 13 Os 7/83). Der zu Recht oder zu Unrecht erhobene Vorwurf der Homosexualität, mag sie auch seit 1975 unter Erwachsenen straffrei sein, bringt in unserer eindeutig heterosexuell orientierten Gesellschaft einen Verlust an Wertschätzung mit sich. Die Ablehnung der als gleichgeschlechtliche Unzucht bezeichneten Homosexualität ergibt sich auch aus mehreren Strafbestimmungen, wie § 209, 210, 220 und 221 StGB Die auf sich reduzierte Darstellung gleichgeschlechtlichen Verhaltens wird im Gegensatz zu jenem heterosexueller Art als sogenannte harte Pornographie beurteilt, weil sie dem Unzüchtigkeitsbegriff des § 1

PornG. entspricht (Entscheidungen der verstärkten Senate zu 13 Os 39/77

und 12 Os 111/80). Schon wegen der vorstehend beschriebenen strafrechtlichen Behandlung der Homosexualität kann eine Anzeige wegen gleichgeschlechtlicher Betätigung, mag auch eine nicht pönalisierte Form derselben behauptet werden, zu polizeilichen Amtshandlungen, etwa überprüfungen im Zusammenhang mit unaufgeklärten Fällen wegen des Verbrechens der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Jugendlichen nach § 209 StGB führen, wie die beschwerdeführende Staatsanwaltschaft zutreffend hinweist. Die Ankündigung, eine Anzeige bei der Sicherheitsbehörde wegen der Neigung zu gleichgeschlechtlicher Betätigung zu erstatten, ist rechtlich als Drohung mit einer Verletzung an der Ehre in der Bedeutung des § 74 Z. 5 StGB zu beurteilen, zumal mit Rücksicht auf die aufgezeigten Verhältnisse an der Eignung der Drohung, C, der in einem Park vor den Angeklagten onaniert hatte, begründete Besorgnisse einzuflößen, nicht zu zweifeln ist.

Bedrohten nun die beiden Angeklagten Leopold C mit der dargelegten Verletzung an der Ehre und hatten sie den - vom Schöffengericht mängelfrei festgestellten - Vorsatz, durch diese Drohung C zu Geldzahlungen zu nötigen, die ihn am Vermögen schädigen und sie unrechtmäßig bereichern sollten, welches Vorhaben nur deshalb scheiterte, weil C seinerseits die Anzeige bei der Polizei erstattete, haben sie in objektiver und subjektiver Hinsicht das Verbrechen der versuchten Erpressung nach § 15, 144 Abs. 1 StGB zu verantworten.

Bei der für dieses Verbrechen und das einleitend angeführte Vergehen des Gesellschaftsdiebstahls zu bemessenden Strafe wertete der Oberste Gerichtshof bei beiden Angeklagten die auf gleicher schädlicher Neigung beruhenden Vorstrafen (bei A drei, bei B eine) und das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen verschiedener Art als erschwerend, hingegen das Geständnis, die (objektive) Schadensgutmachung beim Diebstahlsfaktum und den Umstand, daß die Erpressung nur bis ins Versuchsstadium gediehen war, bei B überdies das Alter zur Tatzeit (zwischen 18. und 21. Lebensjahr) als mildernd.

Auf der Basis dieser Strafzumessungsgründe erachtete der Oberste Gerichtshof die aus dem Urteilsspruch ersichtlichen Freiheitsstrafen als angemessen. Beim Angeklagten A handelt es sich hiebei um eine (gemäß § 31, 40 StGB ausgemessene) Zusatzstrafe zu der mit dem Urteil des Kreisgerichts Wiener Neustadt vom 20.Juli 1983 zur GZ. 12 b Vr 1115/83-l7 verhängten Freiheitsstrafe von einem Jahr wegen der Verbrechen des versuchten Raubes nach § 15, 142 Abs. 1 StGB und des Diebstahls durch Einbruch nach § 127 Abs. 1 und 2 Z. 1, 129 Z. 1 StGB sowie des Vergehens des Betrugs nach § 146, 147 Abs. 2 StGB Die Vorhaftanrechnung bei B stützt sich auf § 38 Abs. 1 Z. 1 StGB Sie war, obwohl das Urteil sonst unberührt blieb, zu wiederholen, weil in erster Instanz offenbar versehentlich eine Stunde zu wenig angerechnet wurde. Zugunsten des Angeklagten A hatte - im Gegensatz zur Meinung der Generalprokuratur eine solche Anrechnung zu unterbleiben, weil die von diesem Angeklagten erlittene Vorhaft vom 8.Juli 1983, 22,20 Uhr bis 20.Juli 1983, 10,45 Uhr, in dem schon mehrfach zitierten Urteil des Kreisgerichts Wiener Neustadt vom 20.Juli 1983 angerechnet worden ist (S. 103 in 12 b Vr 1115/83 des Kreisgerichts Wr. Neustadt). Seither befindet sich der Genannte in diesem Verfahren in Strafhaft (S. 105 a des eben zitierten Akts). Da mithin in einem anderen Verfahren die Vorhaft angerechnet und die dort verhängte Freiheitsstrafe bereits in Vollzug gesetzt wurde, hätte im vorliegenden Verfahren in Ansehung des Angeklagten A ein Ausspruch gemäß § 38 StGB keine Auswirkung mehr.

Der Gewährung der bedingten Strafnachsicht § 43 Abs. 1 StGB) steht das kriminelle Vorleben beider Angeklagten, bei A auch die in Verbindung mit dem Urteil des Kreisgerichts Wiener Neustadt vom 20. Juli 1983 sich ergebende Deliktshäufung von zum Teil gravierenden Delikten entgegen. B ist zwar nur einmal vorbestraft; dieser Vorverurteilung liegen jedoch u.a. Serieneinbrüche zugrunde. Diese Vorstrafenbelastung und die Schwere des von B in der Probezeit begangenen Erpressungsdelikts sprechen auch bei diesem Angeklagten aus spezial- und generalpräventiven Gründe gegen die Anwendung des § 43 Abs. 1 StGB

Anmerkung

E04530

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0130OS00214.83.0126.000

Dokumentnummer

JJT_19840126_OGH0002_0130OS00214_8300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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