Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 2.Februar 1984 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof.Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Geczi als Schriftführerin in der Strafsache gegen Roswitha A wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls nach § 15, 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1
StGB über die von der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichtes Ried/Innkreis als Jugendschöffengericht vom 19. Oktober 1983, GZ. 8 Vr 656/83-10, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Nickl und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Kodek, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im Schuldspruch nach § 15, 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 StGB unberührt bleibt, insoweit als es die Unterstellung der Tat auch unter die Bestimmung des § 129 Z. 3 StGB ablehnte sowie im Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO im Umfange der Aufhebung selbst erkannt:
Roswitha A hat die (nach dem unberührt gebliebenen Schuldspruch) ihr zur Last liegende Tat auch durch Abdrehen des Lenkerschlosses, sohin durch Aufbrechen einer Sperrvorrichtung verübt und hiedurch das Verbrechen des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach § 15, 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 und 129 Z. 3 StGB begangen.
Gemäß § 12 Abs. 2 JGG. wird ihr eine Ermahnung erteilt. Gemäß § 390 a StPO fallen ihr auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am 18.März 1967 geborene Roswitha A des Vergehens des versuchten Diebstahls nach § 15, 127 Abs. 1, Abs. 2 Z. 1 StGB schuldig erkannt, weil sie am 22.Mai 1983 in Ort im Innkreis (richtig in Furth, Gemeinde Senftenbach) in Gesellschaft der abgesondert Verfolgten Josef B und Erwin Josef C als Beteiligte (Par 12 StGB) dem Josef D fremde bewegliche Sachen, nämlich den Seitendeckel seines Motorfahrrades mit Bereicherungsvorsatz wegzunehmen versuchte. Die von der Staatsanwaltschaft in der Anklage (ON. 3) auf das erfolgte Abdrehen des Lenkerschlosses des Mofas, sohin das Aufbrechen einer Sperrvorrichtung gestützte Qualifikation des § 129 Z. 3 StGB verneinte das Erstgericht, im wesentlichen mit der Begründung, daß die Lenkersperre nur dazu diene, das Fahrzeug als solches vor diebischem Zugriff zu schützen, nicht hingegen Fahrzeugbestandteile. Der auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft kommt Berechtigung zu. Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen beschlossen die Angeklagte und die beiden oben genannten Mittäter einen passenden Seitendeckel eines Kleinkraftrades zu stehlen, weil Josef B einen solchen für sein Moped benötigte. Nach dem sie ein geeignetes Fahrzeug auf einem Parkplatz aufgefunden hatten, drehte Erwin Josef C das Lenkerschloß dieses (im Eigentum des Josef D stehenden) Mopeds durch eine ruckartige Bewegung ab. Inzwischen paßten die Angeklagte und Josef B auf, um C vor allfälligen Gefahren zu warnen. Sodann schob C das Moped an einen einige hundert Meter entfernten, weniger eingesehenen Ort, um dort den Seitendeckel abmontieren zu können, wohin ihm die Angeklagte und B folgten. Zufolge Beobachtung durch andere Burschen gaben die Täter jedoch schließlich ihr Vorhaben, den Seitendeckel abzumontieren, auf (S. 61).
Rechtliche Beurteilung
Die Diebstahlsqualifikation nach § 129 Z. 3 StGB ist gegeben, wenn die Überwindung der Sperrvorrichtung Mittel der Wegnahme des Diebstahls war; sie muß daher noch am Tatort und vor der Sachwegnahme selbst erfolgen (Leukauf-Steininger 2 , RN. 31; Kienapfel, BT. II, RN. 84, je zu § 129
StGB). Nun hat das Erstgericht - insofern der Anklage folgend - zu Recht der Angeklagten nicht den Diebstahl des gesamten Motorfahrrades angelastet, obwohl dieses zunächst (zur Gänze) dem Eigentümer weggenommen worden ist. Die Wegnahme erfolgte nämlich nach den auf der Verantwortung der Täter beruhenden Urteilsfeststellungen, um lediglich einen Bestandteil des Fahrzeuges ungestört abmontieren zu können, sodaß sich der nach § 127 Abs. 1 StGB vorausgesetzte Bereicherungsvorsatz nicht auf das Moped erstreckte, sondern auf dessen Seitendeckel beschränkt war (vgl. Leukauf-Steininger 2 , RN. 39 zu § 127
StGB). Der Meinung des Erstgerichtes zuwider folgt hieraus jedoch nicht, daß das für das Wegschaffen des Mopeds erforderliche Aufbrechen der Lenkersperre bei der strafrechtlichen Beurteilung dieses Sachverhaltes, in Ansehung der Wegnahme eines Fahrzeugbestandteils unbeachtet bleiben könnte. Nach dem Tatplan der Angeklagten und der beiden Mittäter war dieses Aufbrechen nämlich insofern Mittel zur Wegnahme des Mopedbestandteiles, als ihnen dessen Abmontieren am Abstellort des Mopeds selbst, einem offenbar stärker frequentierten Parkplatz vor einem öffentlichen Lokal, nicht tunlich erschien, sie hiefür das Moped an einen ruhigeren Ort schieben mußten und dazu wiederum das Aufbrechen der Lenkersperre Voraussetzung war. Die Täter wollten den Diebstahl daher verüben, indem sie (am Tatort und vor der Sachwegnahme) eine Sperrvorrichtung aufbrachen (§ 129 Z. 3 StGB). Daß diese nicht speziell den zu stehlen versuchten Bestandteil des Mopeds vor Wegnahme schützte, sondern das Fahrzeug überhaupt, vermag daran nichts zu ändern, weil dieser Bestandteil an der Sicherung der Gesamtsache durch die Lenkersperre teilhatte und von dieser - in der konkreten Fallgestaltung - erst nach Verbringung an einen anderen Ort abmontiert werden sollte. Die auch nach Meinung des Erstgerichtes für den Fall des Diebstahls des gesamten Mopeds heranzuziehende Qualifikation nach § 129 Z. 3 StGB fällt nicht deshalb weg, weil die Täter zwar das Moped dem Berechtigten entzogen, ihr Bereicherungsvorsatz aber von vornherein nur auf einen Teil hievon gerichtet war, weshalb ihnen auch nur dessen Diebstahl anzulasten ist. Der Irrtum des Erstgerichtes beruht auf einer Verwechslung des objektiven Geschehens (Wegnahme des gesamten Mopeds durch Aufbrechen einer Sperrvorrichtung) mit dem nur auf Zueignung eines Teiles hievon gerichteten inneren Vorhabens der Täter. Zwar führt dieses Vorhaben zu einer wertmäßigen Beschränkung der strafrechtlichen Haftung, nicht aber zu einem Wegfall der schon vorher bei der Sachwegnahme verwirklichten Qualifikation nach § 129 Z. 3 StGB Anders als in dem bei Leukauf-Steininger a.a.O. besprochenen Fall ist vorliegend die überwindung des Sperrverhältnisses (daß diese und nicht etwa das erfolgte Abmontieren des Bestandteiles maßgeblich ist, hat das Erstgericht zutreffend erkannt) noch am Tatort, d.i. jener Ort, an dem die Sachwegnahme erfolgte, vorgenommen worden (vgl. LSK. 1980/20).
Ungeachtet der geänderten rechtlichen Beurteilung des Diebstahls war der Angeklagten nach § 12 Abs. 2 JGG. lediglich eine Ermahnung zu erteilen. Die Tat ist nur beim Versuch geblieben, ihr sozialer Störwert fällt nicht allzusehr ins Gewicht; die Angeklagte war bei vergleichender Abwägung der Strafwürdigkeit der anderen Täter daran nur in untergeordneter Weise beteiligt, ihr Verhalten steht mit dem bisher straffreien Lebenswandel in auffallendem Widerspruch und ist nicht auf eine gegenüber den rechtlichen Werten gleichgültige oder gar ablehnende Einstellung zurückzuführen, sondern stellt eine einmalige Entgleisung dar. Bei den gegebenen Strafzumessungsgründen unter Bedachtnahme auf die tat- und persönlichkeitsbezogene Schuld (§ 32 StGB) der Angeklagten wäre nur eine geringe Geld- oder Freiheitsstrafe zu verhängen gewesen; bei dem hier besonders gelagerten Fall kann daher noch mit einer Ermahnung das Auslangen gefunden werden. Der Anwendung des § 12 (2) JGG. stehen auch nicht generalpräventive Erwägungen entgegen.
Anmerkung
E04765European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1984:0120OS00168.83.0202.000Dokumentnummer
JJT_19840202_OGH0002_0120OS00168_8300000_000