Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 28.Februar 1984 unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Reisenleitner und Dr. Felzmann als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Gartner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Walter A und andere wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1 und 2 Z. 1, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1 und 2 StGB. über die gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 12.Dezember 1983, GZ. 12 a Vr 2237/83-26, vom Angeklagten Kurt Benedikt B erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie die Berufung des Angeklagten Hans Jörg C nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, der Ausführungen der Verteidigerin Dr. Haszler und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Knob, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Kurt Benedikt B wird zurückgewiesen.
Seiner Berufung wird keine Folge gegeben.
Der Berufung des Angeklagten Hans Jörg C wird Folge gegeben und gemäß §§ 31, 40 StGB. unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 14.Februar 1984, GZ. 22 b E Vr 2484/83-10, die verhängte Freiheitsstrafe auf 16 (sechzehn) Monate als Zusatzstrafe herabgesetzt.
Gemäß § 390 a StPO. fallen beiden Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden u.a. der am 23.September 1943 geborene beschäftigungslose Hans Jörg C des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs 1, Abs 2 Z 1, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 StGB und des Vergehens des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1 StGB. sowie der am 28.März 1960 geborene beschäftigungslose Kurt Benedikt B des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs 1 und Abs 2 Z 1, 128 Abs 1 Z 4 und 129 Z 2 StGB und der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB. und des Gebrauches fremder Ausweise nach § 231 Abs. 1 StGB
schuldig erkannt.
Der Angeklagte B wendet sich allein gegen den Schuldspruch wegen des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB. mit einer dem Inhalt nach auf die Z. 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Rechtliche Beurteilung
Ihr kommt keine Berechtigung zu.
Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, es könne weder von einer absichtlichen Beschädigung oder Vernichtung des fremden Reisepasses die Rede sein, noch von einem absichtlichen Verlieren desselben (was wohl als Vernichtung durch Wegwerfen zu werten wäre), so geht dies vorliegend an der Sache vorbei, weil das Erstgericht keinen dieser Umstände annahm und den Beschwerdeführer gar nicht der Urkundenunterdrückung in der Begehungsform der Vernichtung oder Beschädigung schuldig erkannte. Es lastet ihm vielmehr an, anläßlich eines in der Nacht zum 27.August 1983 in Dornbirn in Gesellschaft des Mitangeklagten Walter A als Beteiligter zum Nachteil des Bruno D verübten Einbruchsdiebstahles (Punkt I/1 des Schuldspruches) auch den in einer dabei gestohlenen Handtasche verwahrten Reisepaß des Genannten an sich genommen und sich in der Folge - was zu Recht seine Verurteilung auch wegen des Vergehens nach § 231 Abs. 1 StGB. nach sich zog (vgl. EvBl. 1983/36 = JBl. 1983, 215 = ÖJZ-LSK. 1982/178 zu § 229 Abs. 1 StGB.) - damit beim überschreiten der österreichisch-schweizerischen Grenze als Bruno D ausgewiesen zu haben, wonach die Urkunde verschwunden blieb (S. 203, 205, 206). Zu Recht wertete das Erstgericht dieses Verhalten als Vergehen nach § 229 Abs. 1 StGB. in der Begehungsform des Unterdrückens, welchem normativen Begriff jede Handlung entspricht, welche die Urkunde zwar unversehrt läßt, den Berechtigten jedoch um die Möglichkeit bringt, sich ihrer zu bedienen und sie folglich seiner Benützung entzieht, was u.a. auch - wie vorliegend durch Wegnahme und (wenngleich nur zeitweiliges) Vorenthalten der Urkunde geschehen kann (vgl. Leukauf-Steininger, Komm. zum StGB. 2 , RN. 3 zu Par 229 und die dort zitierte Judikatur; Kienapfel im WK., Rz.
23 und 24 zu § 229 StGB. und die dort zitierte Literatur und Judikatur).
Der vom Beschwerdeführer vertretene Standpunkt, das Tatbild des Vergehens nach § 229 Abs. 1 StGB. stelle auf den Aspekt der schweren Wiederbeschaffbarkeit bestimmter Urkunden (wie etwa eines Testamentes) ab, weshalb im vorliegenden Fall die objektiven Tatbestandsmerkmale nicht erfüllt seien, weil ein Reisepaß jederzeit ohne Schwierigkeiten wiederbeschaffbar sei, ist rechtsirrig. Denn die Möglichkeit für den Berechtigten, ein Duplikat der vom Täter unterdrückten Urkunde zu erlangen oder sich eine neue derartige Urkunde ausstellen zu lassen, ändert deshalb nichts an der Tatbestandsmäßigkeit der Urkundenunterdrückung, weil die Bestimmung des § 229 Abs. 1 StGB. nicht die Hinderung an der Rechtsausübung pönalisiert, sondern jene am Urkundengebrauch (vgl. ÖJZ-LSK. 1982/111 zu § 229 Abs. 1 StGB. = EvBl. 1982/191 = ZVR. 1983/204).
Das Handeln des Beschwerdeführers mit dem zur Verwirklichung des Tatbildes des Vergehens nach § 229 Abs. 1 StGB. vorausgesetzten Vorsatz ist im Urteilssatz (S. 203) im Zusammenhalt mit den damit eine Einheit bildenden Gründen (S. 209) festgestellt, wobei in diesem Zusammenhang auch die Konstatierungen zum äußeren Tatgeschehen (S. 205, 206) insoweit einzubeziehen sind, als - von atypisch gelagerten Fällen abgesehen - das Wissen jedes Menschen vorausgesetzt werden kann, daß die Wegnahme fremder Urkunden zugleich den Verlust des Gebrauches derselben durch den Berechtigten impliziert, weshalb § 229 StGB. keinen (gewissermaßen speziellen) Gebrauchsverhinderungsvorsatz verlangt, sondern auch jeder, der - wie vorliegend in bezug auf den Beschwerdeführer festgestellt einem anderen anläßlich eines Diebstahles oder einer dauernden Entziehung anderer Sachen auch (gültige) Legitimationsoder Beweisurkunden (somit auch einen Reisepaß) entfremdet, in der Regel wenigstens mit dem bedingten Vorsatz handelt, zu verhindern, daß die Urkunden im Rechtsverkehr zu Beweiszwecken gebraucht werden (vgl. ÖJZ-LSK. 1980/107 zu § 229 StGB. unter Ablehnung älterer Judikatur, ferner Kienapfel, a.a.O., Rz. 31 zu § 229 StGB. und die dort zitierte Literatur und Judikatur).
Soweit der Beschwerdeführer - welcher sich im übrigen in der Hauptverhandlung ohne Einschränkung schuldig bekannte (S. 192) - schließlich rügt, daß jede Befragung seiner Person zu den subjektiven Tatbestandselementen des Vergehens nach § 229 Abs. 1 StGB. unterblieben sei, ist ihm zu entgegnen, daß eine derartige Behauptung weder zur Grundlage der gesetzmäßigen Ausführung einer Rechtsrüge, noch auch etwa einer Verfahrensrüge im Sinne des Nichtigkeitsgrundes der Z. 4 des § 281 Abs. 1 StPO. gemacht werden kann, sondern es Sache des Verteidigers des Beschwerdeführers gewesen wäre, in der Hauptverhandlung im Rahmen des Fragerechtes zur Klärung des Sachverhaltes erforderlich oder dienlich erscheinende Fragen an diesen zu stellen. Nur der Vollständigkeit halber sei in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, daß für den Standpunkt des Beschwerdeführers vorliegend auch dann nichts zu gewinnen gewesen wäre, wenn das Erstgericht seine Verantwortung, er habe den Paß des Bruno D 'in der Folge' wieder verloren (S. 193), zum Anlaß für eine entsprechende Feststellung genommen hätte, weil auch ein solcher Umstand nichts daran zu ändern vermöchte, daß er (unbestrittenermaßen) den Paß zunächst an sich nahm, bei sich behielt und ihn an der österreichisch-schweizerischen Grenze zur Ausweisleistung verwendete, womit er die Urkunde bereits unterdrückte und damit das Vergehen nach § 229 Abs. 1 StGB. vollendete; was später mit dem Reisepaß geschah, ist demnach vorliegend nicht rechtserheblich.
Da sohin entgegen der Meinung des Beschwerdeführers alle objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1
StGB. erfüllt sind, sprach der Schöffensenat den Angeklagten Kurt Benedikt B ohne Rechtsirrtum auch des genannten Vergehens schuldig; seine unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen. Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten Hans Jörg C nach § 129 StGB. unter Anwendung des § 28
StGB. zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18
Monaten; den Angeklagten Kurt Benedikt B verurteilte es - gleichfalls nach § 129 StGB. unter Anwendung des § 28 StGB. - zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 10 Monaten.
Bei der Strafbemessung wertete es beim Angeklagten C als erschwerend die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen, die Wiederholung der Diebstähle, das Zusammentreffen von zwei Delikten verschiedener Art und einen raschen Rückfall, beim Angeklagten B eine einschlägige empfindliche Vorstrafe und das Zusammentreffen von drei Delikten. Als mildernd berücksichtigte das Erstgericht bei diesen beiden Angeklagten das volle Geständnis und die Sicherstellung eines Teiles der Diebsbeute.
Das Schöffengericht hielt die erwähnten Freiheitsstrafen für schuldangemessen; eine bedingte Strafnachsicht lehnte es bei beiden Angeklagten wegen ihres sehr getrübten Lebenswandels ab, den es auch beim Angeklagten B wegen einer unbedingt verhängten Freiheitsstrafe wegen Diebstahls in der Dauer von 10
Monaten als gegeben annahm.
Mit ihren Berufungen streben die Angeklagten B und C jeweils die Herabsetzung der über sie verhängten Freiheitsstrafen, der Angeklagte B überdies die Gewährung bedingter Strafnachsicht an. Nur der Berufung des Angeklagten C kommt im Ergebnis in gewissem Umfang Berechtigung zu.
Die Diebstahlsvorstrafe des Angeklagten B in der Bundesrepublik Deutschland muß schon angesichts des verhängten Strafausmaßes von 10 Monaten - die Strafbemessungspraxis in der Bundesrepublik Deutschland ist an ähnlichen Prinzipien orientiert wie in Österreich
-
als erheblich angesehen werden und fällt daher sehr wohl in bezug auf die nunmehrigen Diebstähle als erschwerend ins Gewicht. Weshalb - wie der Angeklagte C vorbringt - ein beim Einbruch verursachter Sachschaden bei der Strafbemessung nicht in Betracht gezogen werden sollte, bleibt unerfindlich. Mag auch im Hinblick auf die Einbruchsqualifikation kein gesonderter Schuldspruch wegen Sachbeschädigung stattfinden, ist doch der verursachte Schaden schon nach den allgemeinen Grundsätzen für die Strafbemessung beachtlich (§ 32 Abs. 3 StGB.).
Mit einer Enthemmung durch Alkohol, die beide Berufungswerber nunmehr ins Treffen führen, verantworteten sie sich beide im Verfahren erster Instanz nicht. Der Aktenlage ist auch nicht zu entnehmen, daß eine alkoholbedingte Minderung ihrer Diskretionsoder Dispositionsfähigkeit eine wesentliche Rolle für ihre Tatentschlüsse dargestellt hätte.
Entgegen dem Vorbringen des Berufungswerbers C muß bei ihm schon im Hinblick auf den Umstand, daß es zum Rückfall während eines ihm gewährten Strafaufschubes kam, von einem raschen Rückfall gesprochen werden.
Richtig ist zwar, daß den beiden Berufungswerbern als mildernd eine Verleitung durch den Mitangeklagten A zugutezuhalten wäre, denn das Erstgericht erachtete bei diesem Mitangeklagten als erschwerend, 'daß er mehrfach Urheber und Anstifter der Diebstähle war'. Dieser Umstand trifft allerdings bei beiden Berufungswerbern nicht uneingeschränkt zu, denn er bezieht sich zweifellos nicht auf die Urteilsfakten III 1 und 2, die vom Angeklagten B allein zu verantworten sind, und ebensowenig auf das vom Angeklagten C zu verantwortende Urteilsfaktum I 3, an dem - unbestrittenermaßen A nicht beteiligt war.
Andererseits verabsäumte das Erstgericht wieder, die mehrfache Diebstahlsqualifikation als erschwerenden Umstand heranzuziehen. An sich gelangte das Erstgericht bei beiden Berufungswerbern zu durchaus schuld- und tatangemessenen Freiheitsstrafen, die auch in guter Relation zu den über die Mitangeklagten A und E verhängten Freiheitsstrafen stehen.
Beim Angeklagten C kam jedoch im Zuge des Rechtsmittelverfahrens ein nunmehr vom Obersten Gerichtshof zu beachtender Umstand hinzu: Mit dem Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 14.Februar 1984, GZ. 22 b E Vr 2484/83-10, wurde er wegen der Vergehen der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs. 1
StGB. und der versuchten Begünstigung nach §§ 15, 299 Abs. 1 StGB. zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 4 Monaten verurteilt. Dieses Urteil wurde am 14.Februar 1984 rechtskräftig. Der Oberste Gerichtshof hat darauf im Sinn der §§ 31, 40 StGB. Bedacht zu nehmen. Bei einer gemeinsamen Aburteilung der im zuletzt genannten Verfahren behandelten Straftaten und der dem vorliegenden Verfahren zugrundeliegenden Tathandlungen des Angeklagten C wäre über diesen eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 20
Monaten zu verhängen gewesen. Unter Beachtung der erwähnten Freiheitsstrafe in der Dauer von 4 Monaten war demnach - insoweit in Stattgebung der Berufung des Angeklagten C - die über diesen Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 16 Monate (jedoch als Zusatzstrafe) herabzusetzen.
Die Kostenentscheidung fußt auf der im Spruch genannten Gesetzesstelle.
Anmerkung
E04467European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1984:0090OS00011.84.0228.000Dokumentnummer
JJT_19840228_OGH0002_0090OS00011_8400000_000