Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Katharina H*****, vertreten durch Dr. Hans Hochleitner, Rechtsanwalt in Eferding, wider die beklagte Partei Franz H*****, vertreten durch Dr. Walter Breitwieser, Rechtsanwalt in Wels, wegen Ehescheidung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 27. Oktober 1983, GZ 5 R 155/83-45, womit das Urteil des Kreisgerichts Wels vom 19. Mai 1983, GZ 5 Cg 245/82-31, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 3.433,50 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon 268,50 S Umsatzsteuer und 480 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Streitteile schlossen am 31. Oktober 1970 vor dem Standesamt Schalchen die Ehe, aus der die Kinder Gerhard H*****, geboren am 11. Mai 1969, und Christine H*****, geboren am 22. Oktober 1975, entstammen. Die Streitteile sind österreichische Staatsbürger. Die Klägerin begehrt mit der am 17. Mai 1982 überreichten und nach Ruhen des Verfahrens am 26. November 1982 fortgesetzten Klage die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Beklagten, weil er seine Unterhaltspflicht vernachlässigt, sie mehrmals misshandelt und in der Nacht zum 5. November 1982 zum Geschlechtsverkehr zu zwingen versucht habe.
Der Beklagte beantragte Abweisung des Scheidungsbegehrens und hilfsweise Ausspruch eines mindestens gleichteiligen Verschuldens der Klägerin an der Scheidung.
Das Erstgericht schied die Ehe aus dem Alleinverschulden des Beklagten und traf folgende wesentliche Feststellungen: Mit rechtskräftiger Strafverfügung des Bezirksgerichts Peuerbach vom 20. November 1981, U 210/81-3, sei der Beklagte des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt worden, weil er die Klägerin am 30. Juli und 19. September 1981 geschlagen habe. Im April 1982 sei die Klägerin aus der Ehewohnung ausgezogen, weil der Hauseigentümer gegen den Beklagten ein Räumungsurteil erwirkt gehabt habe und weil „es einfach in der Ehe nicht mehr gegangen sei". Von Juli (August) 1982 bis November 1982 hätten die Streitteile wieder zusammengelebt. Es sei zu einer Versöhnung gekommen, sie hätten miteinander Geschlechtsverkehr gehabt. Im Laufe der Zeit sei es wieder zu Streitigkeiten zwischen den Ehegatten gekommen, weil der Beklagte der Klägerin nur ganz unregelmäßig Wirtschaftsgeld gegeben habe. In der Nacht zum 5. November 1982 habe der Beklagte versucht, die Klägerin zu vergewaltigen. Er habe ihr das Nachthemd heruntergerissen, sie gewürgt und erst von ihr abgelassen, als der Sohn Gerhard dazugekommen sei. Seit diesem Vergewaltigungsversuch sei es zwischen den Ehegatten zu keinem Geschlechtsverkehr mehr gekommen. Der Klägerin sei wegen dieses Vorfalls mit einstweiliger Verfügung vom 16. Dezember 1982 der abgesonderte Wohnort in der Form bewilligt worden, dass dem Beklagten aufgetragen wurde, die Ehewohnung im Erdgeschoss des Hauses P***** binnen drei Tagen zu räumen. Zu Weihnachten und zum Jahreswechsel 1982/83 suchte der Beklagte die Klägerin wieder auf. Am 2. Februar 1983 habe er verlangt, ihn in die Wohnung hineinzulassen, weil er sich dort eine Tasche habe holen wollen. Als der Sohn Gerhard den Beklagten in die Wohnung gelassen habe, habe sich die Klägerin im Schlafzimmer eingesperrt. Der Beklagte habe die Tür eingedrückt und sei mit dieser in das Schlafzimmer hineingefallen. Er habe auf die Klägerin „mit der Hand aufgezielt und offenbar auf sie einschlagen" wollen. Das Erstgericht war der Ansicht, dass es zwischen den Steitteilen seit November 1982 zu keiner Versöhnung mehr gekommen sei. Der Beklagte habe der Klägerin völlig unzureichend Unterhalt geleistet, sie bedroht und durch sein unbeherrschtes Verhalten schwere Eheverfehlungen im Sinne des § 49 EheG begangen. Dadurch habe er die Ehe schuldhaft so zerrüttet, dass mit der Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht mehr gerechnet werden könne.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichts als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und ergänzte diese aufgrund des neuen Vorbringens des Beklagten insbesondere dahin, dass nicht erwiesen sei, dass es nach Schluss der Verhandlung in erster Instanz zu geschlechtlichen Beziehungen oder sonst zu einer Versöhnung der Streitteile gekommen sei.
Das Berufungsgericht war der Ansicht, dass der Beklagte dadurch, dass er die Klägerin in der Nacht zum 5. November 1982 gegen ihren Willen zu einem Geschlechtsverkehr zu zwingen versucht, ihr das Nachthemd heruntergerissen, sie gewürgt und erst von ihr abgelassen habe, als der Sohn dazugekommen sei, und dass er am 2. Februar 1983 gewaltsam durch Eindrücken der Türe in das Schlafzimmer der Klägerin eingedrungen sei, obwohl ihm infolge Bewilligung des abgesonderten Wohnorts an die Klägerin das Betreten der Ehewohnung untersagt worden sei, schwere Eheverfehlungen im Sinne des § 49 EheG begangen habe. Gemäß § 59 Abs 2 EheG könnten auch verfristete und verziehene Eheverfehlungen zur Unterstützung einer auf andere Eheverfehlungen gegründeten Scheidungsklage geltend gemacht werden, wenn die der Klage zugrundeliegenden und die aushilfsweise herangezogenen Verfehlungen in ihrer Gesamtheit so schwer seien, dass ein Scheidungsgrund vorliege und die ersteren nicht völlig belanglos seien. Es sei daher auch darauf Bedacht zu nehmen, dass der Beklagte die Klägerin am 30. Juli und 19. September 1981 misshandelt und verletzt habe, weshalb er strafrechtlich verurteilt worden sei. Bei dieser Rechtslage könne dahingestellt bleiben, ob der Beklagte auch den Unterhaltsanspruch der Klägerin verletzt habe. Eheverfehlungen der Klägerin, die einen Mitschuldantrag rechtfertigen könnten, seien nicht erwiesen, insbesondere nicht, dass sie sich lieblos verhalten und den Haushalt vernachlässigt habe. Der Beklagte habe die Ehe durch schwere Eheverfehlungen schuldhaft so tief zerrüttet, dass die Wiederherstellung einer ihrem Wesen entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht erwartet werden könne.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen das Urteil des Berufungsgerichts wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision des Beklagten ist nicht berechtigt.
Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nach Ansicht des erkennenden Senats nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). In der Rechtsrüge bestreitet der Beklagte, durch die ihm vorgeworfenen Eheverfehlungen eine völlige Entfremdung der Ehepartner und eine unheilbare Zerrüttung der Ehe herbeigeführt zu haben. Das Verhalten der Klägerin während des Verfahrens zeige, dass auch sie die Ehe nicht als unheilbar zerrüttet ansehe.
Unheilbare Zerrüttung ist dann anzunehmen, wenn die geistige, seelische und körperliche Gemeinschaft zwischen den Ehegatten und damit die Grundlage der Ehe objektiv und wenigstens bei einem der beiden Ehegatten auch subjektiv zu bestehen aufgehört haben; es genügt, dass der Kläger die eheliche Gesinnung verloren hat (EFSlg 41.241; JBl 1981, 36; EFSlg 36.333, 33.958 ua; Schwind, Kommz EheR2 202). Die mehrmalige Beeinträchtigung der körperlichen Integrität des anderen Ehegatten stellt an sich bereits eine sehr schwere Eheverfehlung dar (EFSlg 29.521). Die Klägerin hat sich trotz zweimaliger schwerer Misshandlungen durch den Beklagten zu einer Versöhnung mit ihm bereitgefunden, nach einer weiteren, auf Gewaltanwendung beruhenden schweren Eheverfehlung aber das Ehescheidungsverfahren fortgesetzt und damit zum Ausdruck gebracht, nunmehr die eheliche Gesinnung verloren zu haben. Die weiteren Eheverfehlungen des Beklagten am 5. November 1982 und 2. Februar 1983 bewirkten somit, der Klägerin die Fortsetzung der Ehe unerträglich zu machen. Soweit der Beklagte behauptet, es sei auch nach diesen beiden Zeitpunkten neuerlich zu einer Versöhnung der Streitteile gekommen, geht er nicht von den Feststellungen des Berufungsgerichts aus, wonach nicht erwiesen ist, dass es seit dem Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz zu einem Geschlechtsverkehr zwischen den Streitteilen oder sonst zu einer Versöhnung gekommen sei. Darin, dass die Klägerin dem Beklagten auch nach der Zerrüttung der Ehe die Wäsche gewaschen hat und er die Klägerin wiederholt besuchte, um mit dem Kindern Kontakt zu haben, kann, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, eine das Scheidungsrecht ausschließende Versöhnung (§ 56 EheG) nicht erblickt werden.
Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E87904 1Ob526.84European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1984:0010OB00526.84.0314.000Zuletzt aktualisiert am
06.08.2008