Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 5.April 1984 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Brandstätter als Schriftführers in der Strafsache gegen Erwin B*** wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2
lit a FinStrG
über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Linz vom 6.September 1983, GZ. 29 Vr 3168/82-12, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie die Berufung des Finanzamts Linz nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Felzmann, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Leimer und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Stöger, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung des Angeklagten wird teilweise Folge geben und gemäß § 26 Abs 1 FinStrG (§ 43 Abs 1 StGB) die über ihn verhängte Geldstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von 3 (drei) Jahren bedingt nachgesehen.
Dieser Berufung wird im übrigen, der Berufung des Finanzamts Linz wird zur Gänze nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 28.März 1940 geborene technische Angestellte Erwin A des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG schuldig erkannt. Darnach hat er als Geschäftsführer der B Spezialunternehmen für Rohrnetzüberwachung GesmbH in Linz von April bis Juni 1980, August bis Oktober 1980 und Februar 1981 bis April 1982 vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1972 entsprechenden Voranmeldungen, nämlich dadurch, daß er Umsätze des Unternehmens von insgesamt 16,692.912 S nicht oder verspätet erklärte, eine Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für die Monate Februar bis April 1980, Juni bis August 1980, Dezember 1980 und Jänner 1981 bis Februar 1982 von insgesamt 1,891.407 S bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß gehalten.
Rechtliche Beurteilung
Diesen Schuldspruch ficht der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z. 5 und 9 lit a StPO gestützten, inhaltlich aber undifferenziert ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerde an, mit der die vom Erstgericht angenommene Schuldform der Wissentlichkeit bekämpft wird.
Soweit die Ausführungen inhaltlich als Mängelrüge anzusehen sind, konzentrieren sie sich auf folgende Urteilsannahme: Der seit dem Jahr 1973 mit der gesamten Geschäftsführung der bereits 1971 von drei deutschen Staatsbürgern gegründeten B Spezialunternehmen für Rohrnetzlberwachung GesmbH betraute Angeklagte, der auch immer die Umsatzsteuervoranmeldungen erstattete und die Fälligkeit der Umsatzsteuervorauszahlungen kannte, habe es nicht nur für möglich, sondern für gewiß gehalten, daß er durch die Nichterstattung bzw. die verspätete Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen eine Abgabenverkürzung an Umsatzsteuervorauszahlungen bewirke (S. 73, 74). Dies sei zu Unrecht auf die Verantwortung des Angeklagten gestützt. Er habe in seiner Einlassung darauf verwiesen, daß er auch früher schon seinen steuerlichen Verpflichtungen nicht immer zeitgerecht entsprochen habe und sich die nunmehr inkriminierten Verfehlungen auf Grund von Arbeitsüberlastung und Flüchtigkeit zuschulden habe kommen lassen, weshalb das Gericht auch prüfen hätte müssen, ob nicht nur Fahrlässigkeit vorlag.
In rechtlicher Hinsicht werden auf Grund der im Verfahren hervorgekommenen Gründe für den Niedergang des Unternehmens (Konkurs der deutschen Muttergesellschaft, dadurch finanzielle Auszehrung der österreichischen Tochtergesellschaft und Verlust großer Aufträge in Österreich) Feststellungen dahin reklamiert, daß der Angeklagte die erst hiedurch eingetretene Zahlungsunfähigkeit und tatsächliche Nichtabführung der Umsatzsteuer nicht vorhersehen konnte, weshalb er diesen tatsächlichen Verkürzungserfolg auch nicht wissentlich herbeigeführt haben könne.
Diese Ausführungen verkennen die Struktur des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG Dieser Tatbestand setzt nämlich in objektiver Beziehung voraus, daß der Täter unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 UmsatzsteuerG. 1972 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer bewirkt. Gemäß § 21 Abs 1 UmsatzsteuerG. 1972 hat der Unternehmer binnen einem Kalendermonat und zehn Tagen nach Ablauf eines Kalendermonats (Voranmeldungszeitraum) eine Voranmeldung abzugeben, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Umsatzsteuer (Vorauszahlung) selbst zu berechnen hat, und innerhalb derselben Frist die Vorauszahlungzuentrichten. Für alle Abgaben, die - wie die Umsatzsteuervorauszahlungen - selbst zu berechnen sind, gilt, daß eine Abgabenverkürzung bewirkt ist, wenn die Abgabeganzoderteilweisenichtentrichtet (abgeführt) wurde (§ 33 Abs 3 lit b FinStrG). Das Vergehen nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG ist sohin vollendet, wenn die Vorauszahlung bis zu dem oben genannten Fälligkeitszeitpunkt nicht entrichtet ist (13 Os 16/81 und die dort zitierte Literatur und Rechtsprechung). Auf der inneren Tatseite genügt für die Pflichtverletzung bedingter Vorsatz, lediglich für die Bewirkung der Verkürzung ist Wissentlichkeit gefordert (Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch, Finanzstrafgesetz, Anm. bei E. 37 zu § 33, 7. Lieferung;
13 Os 92/83: argumento 'bewirkt und dies ... für gewiß hält'). Der Angeklagte mußte aber über eingehende Befragung in der Hauptverhandlung zugeben, daß er in Kenntnis seiner gesetzlichen Verpflichtung, der er in früheren Jahren (wenn auch angeblich schleppend) nachgekommen war, die Umsatzsteuervoranmeldungen in den aus dem Spruch ersichtlichen Monaten der Jahre 1980 bis 1982 teilweise überhaupt nicht oder erst verspätet abgegeben hat, wobei er wußte, daß infolgedessen auch keine Vorauszahlungen geleistet wurden (S. 51, 52, 53, 54, 57). Aus dieser Verantwortung konnten die Tatrichter im Zusammenhalt mit der langjährigen kaufmännischen und Geschäftsführererfahrung des Angeklagten (auch in steuerlichen Angelegenheiten - vgl. Anzeige S. 11) den Schluß ziehen, daß der Beschwerdeführer nicht nur seine im § 21 UmsatzsteuerG. 1972 normierten Pflichten vorsätzlich verletzt, sondern auch die durch die Unterlassung der Vorauszahlungen eingetretene Abgabenverkürzung wissentlich bewirkt hat (S. 75).
Mit dieser Urteilsannahme steht die vom Beschwerdeführer immer wieder hervorgekehrte Motivation seiner Handlungsweise (Arbeitsüberlastungen, Auslandsaufenthalte, von der Muttergesellschaft ausgehende wirtschaftliche Schwierigkeiten) ebensowenig im logischen Widerspruch wie das behauptete mangelnde überdenken der möglichen (straf-, zivil- und abgabenrechtlichen) Konsequenzen der Gesetzesverletzungen. Das Gericht war daher im Rahmen seiner Verpflichtung, in den Entscheidungsgründen zwar bestimmt, aber in gedrängter Form die für seine überzeugung maßgebenden Gründe anzuführen (§ 270 Abs 2 Z. 5 StPO), nicht gehalten, sich mit diesem für die Beurteilung der subjektiven Tatseite nicht relevanten Teil der Verantwortung auseinanderzusetzen.
Die in mängelfreier Beweiswürdigung getroffenen Konstatierungen reichen aber auch zur verläßlichen strafrechtlichen Beurteilung des Sachverhalts aus, weil es - entgegen den Beschwerdeausführungen - beim Tatbestand des § 33 Abs 2 lit a FinStrG nicht darauf ankommt, ob die Umsatzsteuer letztlich (im Weg der Schätzung oder infolge verspäteter Voranmeldung) bescheidmäßig festgesetzt und eingetrieben werden kann. Die vom Täter (allenfalls wirklich erwartete) bescheidmäßige Festsetzung der Vorauszahlungen durch das Finanzamt nach Ablauf der Voranmeldungs-(zugleich Vorauszahlungs-)frist vermag an der schon durch die Nichtentrichtung der Vorauszahlung bei Fälligkeit (wissentlich) bewirkten Abgabenverkürzung nichts zu ändern. Es hat daher auf die Strafbarkeit des vom Beschwerdeführer zugestandenen und vom Gericht festgestellten Verhaltens keinen Einfluß, ob und aus welchen Gründen Teile der Umsatzsteuer dem Fiskus endgültig entgangen sind und ob die spätere Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft vom Vorauswissen des Angeklagten umfaßt war. Feststellungen in dieser Richtung konnten somit unterbleiben.
Die Nichtigkeitsbeschwerde greift folglich weder aus der Sicht der Mängelrüge noch aus derjenigen der Rechtsrüge durch. Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten gemäß § 33 Abs 5 FinStrG (zweifacher Verkürzungsbetrag beträgt 3,782.814 S) eine Geldstrafe von 800.000 S, im Fall der Uneinbringlichkeit vier Monate Ersatzfreiheitsstrafe, und wertete als erschwerend die Höhe des hinterzogenen Abgabenbetrags, als mildernd das Geständnis und die Unbescholtenheit auch in verwaltungsrechtlicher Hinsicht. Der Angeklagte beantragt mit seiner Berufung die Herabsetzung der Geldstrafe unter gleichzeitiger bedingter Nachsicht, während das Berufungsbegehren des Finanzamts Linz als Finanzstrafbehörde erster Instanz auf schuldangemessene Erhöhung der Geldstrafe lautet. Nur der Berufung des Angeklagten kommt teilweise Berechtigung zu. Was die Höhe der verhängten Strafe anlangt, entspricht sie nicht ganz einem Fünftel der höchstzulässigen Geldstrafe, womit den in der Berufung des Angeklagten angeführten, vom Erstgericht aber ohnehin gewürdigten schuldmildernden Umständen (Unbescholtenheit, Handeln primär zum Vorteil der Dienstgebergesellschaft) ebenso Rechnung getragen wurde wie dem Einwand des Finanzamts Linz, daß die Verfehlungen durch längere Zeit fortgesetzt wurden. Es bestand daher keine Veranlassung, das Strafausmaß zu verändern.
Das Begehren auf bedingte Strafnachsicht ist gemäß § 26 Abs 1 FinStrG im gerichtlichen Finanzstrafverfahren ebenfalls an der Norm des § 43 Abs 1 StGB zu messen. Dabei kommt allerdings der - insoweit unwiderlegt gebliebenen - Verantwortung des Berufungswerbers, er sei primär zum Techniker ausgebildet und zur Begehung dieses Finanzvergehens nur infolge überforderung durch die ihm als leitendem Angestellten (S. 23) zugemuteten umfänglichen, wirtschaftlich immer problematischer werdenden Geschäftsführeraufgaben veranlaßt worden, entscheidende Bedeutung zu. Unter Berücksichtigung der (auch finanzstrafbehördlich) unbescholtenen Persönlichkeit des Angeklagten und des Umstands, daß das Finanzamt Linz die (schon seit dem Jahr 1980 andauernden) Gesetzesverletzungen erst zum Anlaß eines Strafverfahrens nahm, als infolge Konkurses der Gesellschaft ein endgültiger Steuerausfall zu befürchten war, liegen trotz der Höhe des Verkürzungsbetrags in diesem besonders gelagerten Fall sowohl in spezial- als auch in generalpräventiver Hinsicht die Voraussetzungen für die bedingte Strafnachsicht vor. Dem Berufungsbegehren des Angeklagten konnte sonach in diesem Umfang entsprochen werden.
Nach den Ergebnissen des Finanzstrafverfahrens (der Konkursakt lag dem Obersten Gerichtshof nicht vor) kann mit diesem Vergehen eine endgültige Abgabenverkürzung verbunden sein und der nunmehr rechtskräftig verurteilte Berufungswerber für diesen Steuerausfall zur Haftung herangezogen werden (§ 11 BAO.). Darum wird das Erstgericht nach der Feststellung eines wirklichen Einnahmenausfalls über die Erteilung einer Weisung gemäß § 26 Abs 2 FinStrG auf Entrichtung der sodann mit Haftungsbescheid (§ 224 Abs 1 BAO.) geltendzumachenden Abgabenschuld zu beschließen haben (§ 494 StPO; 9 Os 6/83, 12 Os 74/76).
Anmerkung
E04504European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1984:0130OS00192.83.0405.000Dokumentnummer
JJT_19840405_OGH0002_0130OS00192_8300000_000