Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 11.April 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Wrabetz als Schriftführer in der Strafsache gegen Franz A wegen des Vergehens der Freiheitsentziehung nach dem § 99 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 19. Jänner 1984, GZ 11 Vr 1.992/83-31, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Ersten Generalanwaltes Dr. Nurscher, des Angeklagten Franz A und des Verteidigers Dr. Imre zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird teilweise und zwar dahin Folge gegeben, daß die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf fünf Monate herabgesetzt wird.
Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 18.November 1958 geborene Baggerführer Franz A im zweiten Rechtsgang (abweichend von der auf das Verbrechen der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach den § 15, 202 Abs 1 StGB lautenden Anklage) des Vergehens der Freiheitsentziehung nach dem § 99 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 4.Juni 1983 in Entschendorf (Steiermark) die Edith B widerrechtlich festgehalten und ihr dadurch die persönliche Freiheit entzogen hatte. Nach den Feststellungen des Schöffengerichtes war der Angeklagte in den späten Abendstunden des 4.Juni 1983 durch ein Fenster in das Anwesen B zunächst in der aus den äußeren Umständen erkennbaren Absicht eingedrungen, mit Eleonore B, der Mutter der Edith B, zu der er seit längerer Zeit intime Beziehungen unterhielt, geschlechtlich zu verkehren (vgl. auch S 177). Er traf jedoch auf die am 19.Mai 1966 geborene Edith B, die er an den Oberarmen ergriff und in die Küche drängte, wo er sie gegen ihren Willen festhielt und zu einem Geschlechtsverkehr zu überreden suchte. Er erklärte dabei sinngemäß, nicht gegen ihren Willen vorgehen zu wollen. Er bog sie zweimal rücklings über den Küchentisch, betastete sie zweimal kurz über der Kleidung an der Brust und versuchte, sie zu küssen, wurde jedoch von Edith B abgewehrt. Schließlich gab er nach etwa fünf Minuten sein Vorhaben auf, wobei offen bleibt, ob er dies wegen des Widerstandes der Edith B oder deshalb tat, weil er die Reaktion der Nachbarn auf das Schreien des Mädchens bemerkt hatte (S 171 bis 173).
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der Berechtigung nicht zukommt.
Der auf Z 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Einwand des Beschwerdeführers, es sei aktenwidrig, wenn das Schöffengericht feststelle, Edith B habe während der Belästigungen durch den Angeklagten nach ihrer Mutter gerufen und ihr mitgeteilt, sie könne nicht zu ihr kommen, weil sie vom Angeklagten festgehalten werde (S 3 der Urteilsausfertigung), übersieht, daß das Erstgericht diese Feststellung auf die Aussage der Zeugin Eleonore B vor der Gendarmerie stützen konnte (S 13). Ob der Angeklagte die Edith B, nachdem er sie zum zweiten Mal über den Küchentisch gedrückt hatte, sogleich losließ, oder ob er sie auch danach noch kurze Zeit an den Armen festhielt, ist - wie sich aus den folgenden Erörterungen zur Rechtsrüge ergeben wird -
nicht entscheidungswesentlich.
Der Urteilsbegründung haften somit die behaupteten formalen Mängel
im Sinn der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO nicht an.
In seiner Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) vertritt der Beschwerdeführer die Ansicht, seine Tätlichkeiten gegen Edith B seien qualitativ nicht mit einer Gefangennahme oder einem Gefangenhalten zu vergleichen, sondern bloß als derber Annäherungsversuch aufzufassen, der auch von Edith B nicht einmal als kurzfristige Behinderung ihrer Bewegungsfreiheit empfunden worden sei.
Auch diesem Vorbringen kommt keine Berechtigung zu. Die Tathandlung des Vergehens der Entziehung der persönlichen Freiheit muß sich, wenn sie nicht in einem Gefangenhalten besteht, qualitativ diesem Zustand annähern. Unwesentliche Beeinträchtigungen oder ein bloßes Erschweren der Bewegungsfreiheit, ohne sie ganz aufzuheben, genügen in der Regel nicht.
Durch die Verwendung des Wortes 'Freiheitsentziehung' im Gesetz wird das erforderliche Element einer gewissen Dauer ebenso wie das der Schwere und Ernstlichkeit des Angriffs unterstrichen (Kienapfel, BT I, RN 703 zu § 99 StGB).
Nun drang vorliegend der betrunkene Angeklagte bei Nacht in das Wohnhaus von Eleonore und Edith B ein und hielt Edith B etwa fünf Minuten in der Küche fest, wobei er sie zweimal über den Küchentisch drückte. Der Zeugin kam die Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit zu Bewußtsein, was sich schon aus der Dauer des Angriffes, ihrem Hilfeschrei - S 171 d.A - und dem vorerwähnten Zuruf an ihre Mutter ergibt. Dazu kommt, daß die zur Tatzeit 17-jährige Edith B dem betrunkenen Angeklagten allein gegenüberstand. Ihre Mutter hatte nämlich, um Hilfe zu holen, das Haus verlassen (S 173 d.A). Das festgestellte Verhalten wurde daher unter Berücksichtigung der Begleitumstände der Tat (Kienapfel, BT I, RN 704 zu § 99 StGB) rechtsrichtig als Vergehen nach dem § 99 StGB beurteilt (Mayerhofer-Rieder, ENr. 3 zu § 99 StGB).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war darum zu verwerfen.
über den Angeklagten wurde nach dem § 99 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten verhängt. Das Erstgericht wertete bei der Strafbemessung als erschwerend die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende Vorstrafe und als mildernd das Geständnis des effektiven Sachverhaltes im Vorverfahren.
Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung der über ihn verhängten Freiheitsstrafe und die Gewährung bedingter Strafnachsicht an.
Die Berufung ist nur teilweise berechtigt.
Die Strafzumessungsgründe wurden in erster Instanz im wesentlichen richtig erfaßt. Doch wurde offenbar zu wenig berücksichtigt, daß der Unrechtsgehalt der Tat kein allzu hoher ist. Demgemäß war das Strafausmaß etwas zu reduzieren.
Dem weiteren Berufungsbegehren konnte jedoch nicht entsprochen werden, weil im Hinblick auf die einschlägige Vorbelastung des Angeklagten Erwägungen der Spezialprävention einer Anwendung des § 43 Abs 1 StGB entgegenstehen.
Mithin war wie im Spruch zu erkennen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der zitierten Gesetzesstelle.
Anmerkung
E04710European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1984:0110OS00039.84.0411.000Dokumentnummer
JJT_19840411_OGH0002_0110OS00039_8400000_000