TE OGH 1984/4/11 10Os38/84

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Veröffentlicht am 11.04.1984
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. April 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Lachner und Hon.Prof.Dr.Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Nittel als Schriftführerin in der Strafsache gegen Franz A wegen Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs. 1 StGB (§§ 15, 75 StGB) über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Kreisgericht St. Pölten vom 14. Dezember 1983, GZ 24

Vr 523/83-37, nach Anhörung der Generalprokuratur in

nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Text

Gründe:

Das Geschwornengericht ordnete auf Grund eines Antrages des Staatsanwalts gemäß § 429 Abs. 1 StPO die Unterbringung des am 20. April 1953 geborenen Landwirtes Franz A jun. in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs. 1 StGB an, weil er unter dem Einfluß eines seine Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes am 19. April 1983 in Kerschenbach, Gemeinde St. Veit/Gölsen, versuchte, Nachgenannte durch Messerstiche gegen den Hals vorsätzlich zu töten, und zwar 1./ Franz A sen., der zwei ca. 12 cm lange, bis zu 3 cm tiefe Schnitte im Nahbereich der Halsschlagader erlitt, und 2./ Leopoldine A, die eine Schnittverletzung am Mittelfinger der linken Hand erlitt, mithin Taten beging, die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind (§§ 15, 75 StGB).

Die Geschwornen hatten die auf Mordversuch an Franz und Leopoldine A gerichteten Hauptfragen I und II ebenso wie die Zusatzfrage III nach Vorliegen einer die Zurechnungsfähigkeit zur Tatzeit ausschließenden Geisteskrankheit einstimmig bejaht.

Dieses Urteil bekämpft der Betroffene mit einer formell auf die Z 5 (der Sache nach jedoch auf die Z 6) des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, in der er sich lediglich gegen die Abweisung seines Antrages auf Stellung einer Eventualfrage danach wendet, ob er Franz und Leopoldine A leicht verletzte (S 22/II). Deren Zulassung hätte den Geschwornen die Möglichkeit gegeben, die Tat auch unter dem Gesichtspunkt des § 83 StGB zu prüfen. Bei Annahme dieses Tatbestandes wäre aber mangels geeigneter Anlaßtat die Einweisung gemäß § 21 Abs. 1 StGB unzulässig gewesen. Dazu ist vorweg festzuhalten, daß die Fragestellung an die Geschwornen nur aus der Z 6 des § 345 Abs. 1 StPO bekämpft werden kann (Mayerhofer-Rieder, E.Nr. 5 / Abs. 2 / zu § 345 Abs. 1 Z 5 StPO u. a.), und zwar selbst dann, wenn der Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung kein Begehren auf Abänderung oder Ergänzung des Fragenschemas gestellt hat (SSt 22/41); ein Zurückgreifen auf die vom Beschwerdeführer herangezogene Gesetzesstelle (§ 345 Abs. 1 Z 5) ist demnach nicht erforderlich, ja sogar unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Vergreifen im geltend zu machenden Nichtigkeitsgrund schadet zwar dem Beschwerdeführers nichts, dennoch ist aber die Beschwerde im Ergebnis nicht berechtigt, weil sie nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt ist.

Eine Fragestellung in die aufgezeigte Richtung hätte vorausgesetzt, daß in der Verantwortung des Angeklagten (hier: des Betroffenen) oder im Beweisverfahren Umstände hervorgekommen sind, wonach die ihm zur Last gelegte Tat unter ein anderes Strafgesetz fiele (§ 314 Abs. 1 StPO). Das bloße Bestreiten des Tötungsvorsatzes durch den eines Mordversuches Beschuldigten verpflichtet den Schwurgerichtshof nicht zur Stellung einer Frage nach einem Körperverletzungsdelikt (vgl. SSt 39/13); desgleichen bilden allfällige diesbezügliche Mutmaßungen (noch) kein zur Stellung einer Eventualfrage unerläßliches Tatsachensubstrat (RZ 1978/54). Vielmehr muß eine solche Annahme bereits in den näheren Bereich der Möglichkeit gerückt sein (LSK 1978/139 =

EvBl. 1978/119).

Gewiß bedarf es auch bei einem geisteskranken (und daher nicht zurechnungsfähigen) Täter eines Täterwillens, der einem geistig gesunden Menschen als Vorsatz zuzurechnen wäre. Ein solcher wird - angesichts der aus dem psychischen Ausnahmezustand zur Tatzeit in der Regel folgenden Unfähigkeit des Betroffenen, selbst anzugeben, ob dieser Wille auf Tötung oder (nur) Verletzung seiner Eltern gerichtet war - demzufolge im allgemeinen aus dem Tatgeschehen oder anderen Indizien erschlossen werden müssen. Lassen diese bei realistischer Betrachtung des objektiven Geschehens andere Varianten des Vorsatzes als im Antrag gemäß § 429 Abs. 1 StPO geschildert naheliegend erscheinen, dann wird allerdings eine Fragestellung auch in diese Richtung geboten sein (vgl. 10 0s 18/84).

Vorliegend war nun nach der Art der Stichführung mit einem Messer, mit dem in der Vorwoche in Anwesenheit des Beschwerdeführers Schweine geschlachtet wurden (S 39/I), und mit Rücksicht auf den von ihm selbst berichteten Gedanken an Selbstmord, den er durch Aufschneiden der Halsschlagader begehen wollte (S 8/II, 87, 91/I), ein anderer Schluß als der auf das Vorliegen eines Tötungswillens nicht indiziert. Dies hat der Schwurgerichtshof richtig erkannt und daher mit insofern zutreffender Begründung die Stellung einer Eventualfrage abgelehnt.

Indem nun die vorliegende Beschwerde überhaupt keinerlei Verfahrensergebnisse bezeichnet, aus denen (positiv) ein (bloßer) Verletzungsvorsatz abgeleitet werden könnte, sondern - insoferne unerheblich, weil es dabei (bloß) um die Voraussetzungen für die Bejahung der jedenfalls zu stellenden Hauptfragen geht - nur (negativ) das Vorliegen von Beweisergebnissen für den dem Betroffenen angelasteten Tötungsvorsatz bestreitet, läßt sie in Bezug auf die behauptete Verletzung des § 314 StPO jegliche Substantiierung vermissen.

Da demnach mangels prozeßordnungsgemäßer Ausführung eines Nichtigkeitsgrundes eine meritorische Behandlung der Nichtigkeitsbeschwerde nicht in Betracht kommen kann, war dieses Rechtsmittel gemäß §§ 344, 285 d Abs. 1 Z 1 StPO in Verbindung mit § 285 a Z 2 StPO bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Zur (meritorischen) Entscheidung über die Berufung (RZ 1977/141) werden die Akten in sinngemäßer Anwendung der §§ 344, 285 b Abs. 6 StPO dem zur Entscheidung hierüber an sich zuständigen Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Anmerkung

E04713

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0100OS00038.84.0411.000

Dokumentnummer

JJT_19840411_OGH0002_0100OS00038_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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