Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 12.April 1984
unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Bernardini, Dr. Müller, Dr. Schneider und Dr. Brustbauer als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Brandstätter als Schriftführers in der Strafsache gegen Josef A wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach § 146, 147 Abs 3 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengerichts vom 18. Oktober 1983, GZ. 5 Vr 2988/83-25, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Schneider, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Schlick und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Gehart, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der zuletzt arbeits- und unterstandslose Josef A, geboren am 20.Jänner 1933, des Verbrechens des schweren Betrugs nach § 146, 147 Abs 3 StGB (A), des Vergehens des Diebstahls nach § 127 Abs 1 StGB (B I) und des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach § 125, 126 Abs 1 Z. 5 StGB (B II) schuldig erkannt. Darnach hat er in Graz vom 24. Februar bis 19.August 1981 Gertrude B unter Vortäuschung seiner Rückzahlungsfähigkeit und seines Rückzahlungswillens mit Bereicherungsvorsatz verleitet, ihm in siebzehn Teilbeträgen eine Darlehenssumme von insgesamt 145.700 S auszuzahlen (A) und im August 1983 in mindestens sechs Angriffen unbekannt gebliebenen Benützern öffentlicher Telefonautomaten (richtig: der Post- und Telegrafendirektion Graz) Geldbeträge in insgesamt 5.000 S nicht übersteigender Höhe mit Bereicherungsvorsatz weggenommen (B I), wobei er durch Zerreißen von Telefonbüchern und Verstopfen der Telefonautomaten fremde bewegliche Sachen vorsätzlich beschädigte (unbrauchbar machte), einen Schaden unter 5.000 S herbeiführte und die Sachbeschädigung (teilweise) an einer für öffentliche Zwecke bestimmten Fernsprechanlage beging (B II).
Diese Schuldsprüche ficht der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z. 5 und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde an. Der Schuldspruch nach § 127 Abs 1 StGB (B I) wird als widersprüchlich und unzureichend begründet (§ 281 Abs 1 Z. 5 StPO) unter Hinweis darauf, daß einmal unterlegt werde, er habe versucht, Geldbeträge aus den Telefonautomaten zu entnehmen, und später von tatsächlich entnommenen Beträgen ausgegangen werde (S. 166), bekämpft.
Rechtliche Beurteilung
In dieser sicherlich mißverständlich formulierten Urteilspassage kann aber noch kein Widerspruch im Rang einer Nichtigkeit erblickt werden, weil sich aus Spruch und Begründung des Urteils, die als eine Einheit zu lesen sind, eindeutig ergibt, daß das Schöffengericht davon ausging, daß es dem Angeklagten zumindest in sechs Fällen gelungen ist, durch seine Manipulationen den Rückgabemechanismus auszulösen und sich die im Apparat aufgestauten Münzen anzueignen (S. 166 mitte). Wie die Beschwerde selbst einräumt, beruft sich das Gericht zur Begründung dieser Urteilsannahme - wenn auch in gedrängter Form (§ 270 Abs 2 Z. 5 StPO) - auf die (in der Hauptverhandlung verlesenen - S. 157) Erhebungen der Polizei und die (bereits im Vorverfahren abgelegten und in der Hauptverhandlung wiederholten - ON. 10, 12, S. 156, 157) Aussagen der Zeugen Karl C und Rupert D (S. 165 unten, 166 oben) und verweist darüber hinaus auf ein (nicht 'echtes') Teilgeständnis des Angeklagten vor der Polizei (S. 164 in Verbindung mit S. 166). Aus der Kombination dieser aktenkundigen Beweisergebnisse konnte aber - den Beschwerdeausführungen zuwider - denkrichtig der Schluß gezogen werden, daß der Angeklagte die Automatendiebstähle nicht nur versucht hat, sondern zumindest (siehe die Schadenssumme von 23.770
S - S. 157) in sechs Fällen auch zum Erfolg gekommen ist. Der von der Polizei bei einer Tat beobachtete Karl C gab sofort nach seiner überführung an, daß auch der Angeklagte - den er nur vom Sehen, aber nicht namentlich kannte - in wenigstens sechs bis sieben Fällen genau so wie er selbst Münzen aus den Automaten holte (S. 19, 23
in ON. 9, S. 100, 156). Er erkannte den Angeklagten bei einer Streifung durch Graz am 26.August 1983, um 11,05 Uhr sofort und die Polizei fand bei diesem nicht nur die entsprechenden Werkzeuge sondern auch einen Kleingeldbettag von 7 S. Darauf gab der Beschwerdeführer zu, tatsächlich Geldbeträge aus Automaten geholt zu haben, dies jedoch nicht in Diebstahlsabsicht (S. 23, 25, 27 in ON. 9), was er schon bei seiner niederschriftlichen Vernehmung um 21,15 Uhr dieses Tages wieder bestritt (S. 33 in ON. 9). Soweit die Beschwerde die Angaben des Zeugen Karl C als 'außerordentlich bedenklich', 'äußerst vage', und objektiv 'nicht belegbar' qualifiziert, zeigt sie keinen formalen Begründungsmangel auf, sondern unternimmt nur den Versuch, die Beweiswürdigung in Zweifel zu ziehen.
Gleiches ist der zum Schuldspruch B II ausgeführten Mängelrüge zu erwidern, weil durch die zitierten Beweisergebnisse auch diese Tathandlungen belegt und das Erstgericht in freier Beweiswürdigung hierauf seine überzeugung gestützt hat, die durch die Schadensermittlungen bestätigt erscheinen.
Die Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z. 9 lit a StPO) stellt in Frage, ob die dem Urteilsspruch zu B I zugrundeliegende Tathandlung als 'Wegnehmen' im Sinn des § 127 Abs 1 StGB anzusehen sei (ohne eine Alternative zu benennen). Damit wird ein Subsumtionsfehler nicht aufgezeigt. Unter Gewahrsam im strafrechtlichen Sinn ist die tatsächliche, unmittelbare, nicht durch das Medium einer anderen Person vermittelte Herrschaft über eine Sache zu verstehen (EvBl 1975/230), somit die Möglichkeit, über die Sache tatsächlich zu verfügen. Wirft der Benützer eines öffentlichen Telefonautomaten eine Münze ein, gelangt diese in den Gewahrsam desjenigen, dem die Nutzung des Automaten zusteht, im gegebenen Fall in den Gewahrsam der Post- und Telegrafendirektion für die Steiermark (10 Os 41/83, Leukauf-Steininger 2 RN. 15, 16, 28 zu § 127 StGB). Wer diesen Gewahrsam gegen den Willen des Gewahrsaminhabers bricht, um sich die Sache selbst anzueignen, begeht Diebstahl. Diese Rechtsansicht ist auch in der Lehre unbestritten, wo lediglich die Frage aufgeworfen wird, inwieweit in diesen Fällen die Qualifikation nach § 129 Z. 1 StGB
vorliegt (vgl. Kienapfel, BT. II RN. 70 zu § 129 StGB, Bertel im WK.
RZ. 21, 22 zu § 129 StGB). Das ist aber in diesem Fall nicht zu prüfen, weil der Beschwerdeführer ohnehin nur nach § 127 Abs 1 StGB
verurteilt wurde.
Der Beschwerde kann aber auch nicht gefolgt werden, wenn sie, ebenfalls den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z. 9 lit a StPO reklamierend, Feststellungsmängel zur subjektiven und objektiven Täuschung der Gertrude B (genau besehen, eher Begründungsmängel) aufzeigen will. Das Schöffengericht nahm die bewußte Täuschung der Frau über den Rückzahlungswillen und die Zahlungsfähigkeit des Beschwerdeführers ausdrücklich deshalb als erwiesen an, weil der Angeklagte nicht nur zugesagt hat, die Darlehensbeträge bald zurückzuzahlen, sondern der Frau überdies die Ehe versprach, obwohl er verheiratet war, den Verkauf einer Eigentumswohnung im Wert von 280.000
S in Aussicht stellte, obwohl im diese Wohnung niemals gehörte, und die Zeugin durch laufende, auch briefliche Versprechungen immer weiter vertröstete (S. 165). Daß es gerade diese gekonnt vorgetragenen Vorspiegelungen waren, die Gertrude B zur (fortgesetzten) Darlehensgewährung veranlaßten, somit kausal für deren vermögensschädigenden Handlungen waren, hat das Erstgericht auf deren als glaubwürdig beurteilte Zeugenausssage (ON. 11 und S. 154 bis 156) mängelfrei gestützt (S. 164 unten), so daß alle diesbezüglichen Einwände sowohl aus der Sicht eines formalen als auch eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrunds einer Prüfung nicht standhalten.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Josef A wurde nach § 147 Abs 3 StGB zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Bei der Strafzumessung wurden als erschwerend die einschlägigen Vorstrafen, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit zwei Vergehen und die Wiederholung der betrügerischen Handlungen, als mildernd kein Umstand gewertet. Dem Begehren der Berufung auf Strafherabsetzung kommt Berechtigung nicht zu.
Wenn der Berufungswerber glauben machen will, zu den Betrügereien habe Gertrude B selbst durch ihre Nachlässigkeit eine verlockende Gelegenheit geboten (§ 34 Z. 9 StGB), verkehrt er die für einen Heiratsschwindler typischen Täuschungshandlungen, deren Intensität auch aus den im Akt erliegenden Briefen abgeleitet werden kann und denen die (erst kürzlich verwitwete und vereinsamte) Frau erlegen ist, ins Gegenteil. Wenn auch eine gewisse wirtschaftliche Not als Tatmotiv vorgelegen sein mag, kann von drückender, nicht selbst verschuldeter Not schon deshalb nicht die Rede sein, weil der Angeklagte - wie er selbst zugibt eine Notstandsunterstützung bezog (vgl. S. 8, 22 im Akt 11 U 687/81 des Bezirksgerichts für Strafsachen Graz). Die nahe der Untergrenze des bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe reichenden Strafrahmens angesetzte Unrechtsfolge erscheint daher nicht reduktionsbedürftig.
Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß das Urteil des Bezirksgerichts für Strafsachen Graz vom 27.Juli 1983, AZ. 1 U 783/83, rechtskräftig seit 13.Oktober 1983, zum vorliegenden im Verhältnis des § 31 StGB steht. Denn bei sorgfältiger Abwägung des Schuld- und Unrechtsgehalts der dem Angeklagten laut angefochtenem Urteil zur Last liegenden Taten erscheint die Freiheitsstrafe von zwei Jahren auch aus dem Blickwinkel des § 40 StGB gerecht.
Anmerkung
E04541European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1984:0130OS00031.84.0412.000Dokumentnummer
JJT_19840412_OGH0002_0130OS00031_8400000_000