TE OGH 1984/5/3 12Os165/83

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Veröffentlicht am 03.05.1984
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Mai 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Dr. Kießwetter, Hon.Prof.Dr.Steininger (Berichterstatter) und Dr. Lachner als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Nittel als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gottfried A wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 5. Oktober 1983, GZ 20 i Vr 1889/83-56, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Bassler, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten und seines Verteidigers zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden Urteil wurde der 42-jährige Gottfried A des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er am 7. Feber 1983 in Wien seine Ehefrau Hildegard A absichtlich am Körper schwer verletzt, indem er aus nächster Entfernung gegen sie zwei gezielte Schüsse aus einem Kleinkalibergewehr abfeuerte, wodurch Hildegard A eine Steckschußverletzung im vorderen Brustbereich erlitt. Den Geschwornen war anklagekonform eine Hauptfrage wegen Verbrechens des versuchten Mordes (§ 15, 75 StGB) gestellt worden. Diese Hauptfrage wurde von ihnen einstimmig verneint. Ebenso wurde die erste Eventualfrage in Richtung des Verbrechens des versuchten Totschlags (§ 15, 76 StGB) von den Geschwornen verneint, und zwar im Stimmenverhältnis von 2 Ja- gegen 6 Nein- Stimmen. Die (dritte) Eventualfrage in Richtung des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung (§ 87 Abs 1 StGB) haben die Geschwornen hingegen mit 6 Ja- zu 2 Nein-Stimmen bejaht. Die übrigen Eventualfragen (Nr 2 in Richtung der gefährlichen Drohung nach § 107 StGB; Nr 4 in Richtung der schweren Körperverletzung nach § 83 Abs 1, 84 Abs 1 und Abs 2 Z 1 StGB; Nr 5 in Richtung fahrlässiger Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und Abs 4 StGB) blieben demgemäß unbeantwortet. Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Z 8 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, wobei er rügt, daß die den Geschwornen zur Eventualfrage 5 (in Richtung der fahrlässigen Körperverletzung) erteilte Rechtsbelehrung unrichtig sei, weil darin, ebenso wie zur Eventualfrage 4 (in Richtung der schweren Körperverletzung nach § 83 Abs 1, 84 Abs 1 und Abs 2 Z 1 StGB) zwar der Begriff der Fahrlässigkeit verwendet, dieser aber nicht erläutert werde. Diese Unvollständigkeit komme einer Unrichtigkeit der Rechtsbelehrung gleich; wäre die Rechtsbelehrung richtig und vollständig gewesen, hätten die Geschwornen die Eventualfrage 5 bejaht.

Rechtliche Beurteilung

Die Rüge ist im Ergebnis unberechtigt.

Der Begriff der Fahrlässigkeit wurde den Geschwornen nämlich bereits im Zusammenhang mit der Belehrung zur Eventualfrage 4 hinreichend erläutert, indem darauf hingewiesen wurde, daß ein qualifizierender Erfolg vom Täter wenigstens fahrlässig herbeigeführt worden und für ihn subjektiv vorhersehbar gewesen sein muß; der Täter habe hiefür grundsätzlich nur dann einzustehen, wenn der Erfolg innerhalb des von ihm eingegangenen Gefahrenrisikos gelegen und nicht bloß infolge einer ganz außergewöhnlichen Verkettung für ihn nicht vorhersehbarer Umstände eingetreten sei (S 9 unten der Rechtsbelehrung).

In dieser, wenn auch knappen Erläuterung sind aber die wesentlichen Kriterien der Fahrlässigkeit hinreichend beschrieben, zumal daraus - auch für den Laien verständlich - zu entnehmen ist, daß Fahrlässigkeit einen Verstoß gegen die objektiv gebotene Sorgfalt, also gegen jenes Maß an Sorgfalt, das gefährliche Risken hintanhalten soll, erfordert und der Täter subjektiv befähigt und im konkreten Fall auch in der Lage gewesen sein muß, sich entsprechend diesen Sorgfaltsanforderungen zu verhalten. Daß diese Erläuterung der Fahrlässigkeit nur bei der Eventualfrage 4, deren Beantwortung entfiel, gegeben wurde, schadet nicht, weil die Rechtsbelehrung als Ganzes zu beurteilen ist und die zusammenfassende Erläuterung wiederholt vorkommender Begriffe an bloß einer Stelle der Rechtsbelehrung zulässig ist (vgl. Mayerhofer/Rieder, StPO, Nr 49, 50, 53 zu § 345 Z 8). Auch die Niederschrift der Geschwornen (§ 331 Abs 2 StPO), die einen Prüfstein dafür bildet, ob die Geschwornen die ihnen erteilte Rechtsbelehrung verstanden haben (Mayerhofer/Rieder a.a.0. Nr 16, 17 zu § 331), läßt erkennen, daß die Geschwornen die Rechtsbelehrung verstanden haben, weil sie zureichende Hinweise auf jene Erwägungen enthält, die die Geschwornen hinsichtlich eines absichtlichen (also vorsätzlichen) Handelns des Beschwerdeführers anstellten und die sie zu ihrem Votum (stimmenmehrheitliche Bejahung der Eventualfrage nach dem Vorsatzdelikt des § 87 Abs 1 StGB) veranlaßten.

So gesehen ist aber die Rechtsbelehrung nicht mit dem behaupteten, eine Nichtigkeit bewirkenden Mangel behaftet.

In den einleitenden Ausführungen der Nichtigkeitsbeschwerde, mit welchen der Beschwerdeführer darzutun versucht, daß er ohne Verletzungsabsicht gehandelt habe, weshalb er richtigerweise nur wegen fahrlässiger Körperverletzung schuldig zu sprechen gewesen wäre, kann eine gesetzmäßige Ausführung eines der im § 345 StPO angeführten Nichtigkeitsgrundes von vornherein nicht erblickt werden; das Vorbringen stellt sich vielmehr ausschließlich als eine Bekämpfung der allein den Geschwornen zukommenden Beweiswürdigung dar, sodaß darauf nicht einzugehen ist.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach zu verwerfen. Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten nach § 87 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 5 (fünf) Jahren. Dabei wertete es als erschwerend die massiven, zahlreichen einschlägigen Vorstrafen und den Umstand, daß die Tathandlung gegenüber der eigenen Gattin gesetzt wurden, als mildernd hingegen die Fürsorge für das Opfer nach der Tat und die hochgradige Erregung des Angeklagten zur Tatzeit.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der Strafe an.

Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.

Die von der Berufung ins Treffen geführten mildernden Umstände, nämlich die Fürsorge des Berufungswerbers für die Verletzte und dessen hochgradige Erregung zur Tatzeit (wegen des ungewissen Schicksals seiner minderjährigen Tochter) hat das Erstgericht ohnedies entsprechend berücksichtigt. Soweit der Berufungswerber aber darüber hinaus auch seine Sorgepflicht für seine Ehefrau und die Tochter als mildernd berücksichtigt wissen will, so übersieht er, daß Sorgepflichten nach dem Gesetz keinen besonderen Milderungsgrund darstellen und deshalb als Strafzumessungstatsache zu Recht nicht berücksichtigt wurden.

Für die Strafbemessung fällt vorliegend aber zu Lasten des Berufungswerbers vor allem entscheidend ins Gewicht, daß er mehrfach wegen Gewaltdelikten vorbestraft ist und abermals in gravierender Weise gegen einen anderen Menschen tätlich geworden ist, woraus - auch in Verbindung mit dem psychiatrischen Sachverständigengutachten (S 243, 245) - auf eine latente Neigung zu aggressiven Entladungen geschlossen werden muß, auf welche mit einer entsprechend strengen Strafe reagiert werden muß. Die solcherart manifeste Schwere der personalen Täterschuld läßt daher das vom Erstgericht gefundene Strafmaß als nicht überhöht erscheinen, sodaß der Berufung ein Erfolg versagt bleiben mußte.

Es war daher insgesamt über die Rechtsmittel des Angeklagten spruchgemäß zu erkennen.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E04558

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0120OS00165.83.0503.000

Dokumentnummer

JJT_19840503_OGH0002_0120OS00165_8300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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