TE OGH 1984/5/22 9Os16/84

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.05.1984
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Mai 1984 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Steininger (Berichterstatter), Dr. Horak, Dr. Reisenleitner und Dr. Felzmann als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Lurz als Schriftführerin in der Strafsache gegen August A wegen der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 und § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 24. Oktober 1983, GZ 10 Vr 2848/77-115, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Knob, des Angeklagten August A und des Verteidigers Dr. Gatternig, jedoch in Abwesenheit eines Vertreters der Finanzstrafbehörde zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die Geldstrafe auf 22 (zweiundzwanzig) Millionen Schilling und die für den Fall der Uneinbringlichkeit an deren Stelle tretende Ersatzfreiheitsstrafe auf 8 (acht) Monate herabgesetzt.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der nunmehr 53-jährige Kaufmann August A (im zweiten Rechtsgang neuerlich) der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG (A/) und nach § 33 Abs 2 lit. a FinStrG (B/) schuldig erkannt. Von der Anklage des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3 StGB wurde er hingegen gemäß Par 259 Z 2 StPO freigesprochen.

Inhaltlich des Schuldspruchs hat August A in der Steiermark und in Wien als verantwortlicher Generalbevollmächtigter der Firmen B***-GesmbH und P***-H***-

F***-GesmbH zu seinem und der Gesellschafter

Vorteil als Abgabenpflichtige des Finanzamtes Graz-Stadt bzw. des Finanzamtes für Körperschaften in Wien A/ unter Verletzung der Offenlegungs- und Wahrheitspflicht (§ 119 BAO) für das Jahr 1975 die Umsatzsteuer um 1,179.783 S vorsätzlich verkürzt;

B/ für die Jahre 1976 und 1977 unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 UStG 1972 entsprechenden Voranmeldungen Verkürzungen von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer durch Geltendmachung ungerechtfertigter Vorsteuerabzüge (§ 33 Abs. 3 lit. d FinStrG) in der Gesamthöhe von 31,900.436 S bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß gehalten.

Der Angeklagte bekämpft diesen Schuldspruch mit einer auf die Z 4, 5 und 9

lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Einen Verfahrensmangel (Z 4) erblickt der Beschwerdeführer in der Abweisung seiner in der Hauptverhandlung gestellten Anträge auf neuerliche Einvernahme des Zeugen Hans Dieter B, auf Beischaffung der Strafakten gegen den Genannten vom Landesgericht für Strafsachen Wien und auf Vernehmung des Zeugen Dr. Hans-Peter C (S 30, 31/III). Er wurde jedoch durch das bezügliche Zwischenerkenntnis (S 33/ III) in seinen Verteidigungsrechten nicht beeinträchtigt:

Rechtliche Beurteilung

Wenn der Beschwerdeführer vermeint, die (neuerliche) Vernehmung des Zeugen Hans Dieter B wäre 'insbesondere zu dem Zweck erforderlich gewesen, wie es überhaupt zur Erstellung der Umsatzsteuererklärung 1975, sowie zur Ausfüllung der Voranmeldungen gekommen ist', so übersieht er, daß für die Prüfung der Berechtigung eines Antrages stets die Verfahrenslage im Zeitpunkt der Antragstellung und die hiebei ins Treffen geführten Gründe maßgebend sind, wogegen erst im Rechtsmittelverfahren vorgebrachte Umstände keine Berücksichtigung finden können (vgl. Mayerhofer-Rieder, StPO, § 281 Z 4, E Nr 40, 41). Bei Stellung des in Rede stehenden Beweisantrages hat aber der Verteidiger des Angeklagten die Einvernahme des Zeugen B nur begehrt, weil diesem bei der letzten Verhandlung (gemeint S 329 ff/II) 'kein Vorhalt nach § 153 StPO gemacht wurde', wähend er in Ansehung der übrigen, in der Verfahrensrüge relevierten Beweisanträge als Beweisthema lediglich allgemein 'die steuerlichen Belange' angegeben hat (S 30, 31/III). Da das Erstgericht eine (neuerliche) Einvernahme des Zeugen B nur zum Zwecke des Vorhalts des § 153 StPO mit Recht abgelehnt hat und auch sonst nicht gehalten war, die beantragten Beweise durchzuführen, weil anläßlich der Antragstellung in keiner Weise dargetan worden ist, inwieweit das Ergebnis der begehrten Beweisaufnahmen für die Lösung der Schuldfrage von Bedeutung sein sollte, muß die Verfahrensrüge demnach versagen.

In Ausführung der Mängelrüge (Z 5) behauptet der Beschwerdeführer, die Urteilsbegründung sei undeutlich, unvollständig, widersprüchlich und offenbar unzureichend. Das bezügliche Vorbringen erschöpft sich jedoch zum Großteil in dem im Rechtsmittelverfahren gegen schöffengerichtliche Urteile unzulässigen und daher unbeachtlichen Versuch, die gemäß § 258 Abs. 2 StPO den Tatrichtern vorbehaltene freie Beweiswürdigung zu bekämpfen. Das erkennende Gericht hat hiebei zwar alle bedeutsamen Beweismittel zu berücksichtigen und zu prüfen, muß sich im Urteil aber nicht mit allen Details der Verfahrensergebnisse auseinandersetzen, die (isoliert betrachtet) unter Umständen zum Vorteil (oder zum Nachteil) des Angeklagten ausgelegt werden könnten. Vielmehr genügt es, wenn der in 'gedrängter Darstellung' (§ 270 Abs. 2 Z 5 StPO) abgefaßten Urteilsbegründung entnommen werden kann, welche (entscheidenden) Tatsachen aus welchen (denkrichtigen) Gründen als erwiesen oder als nicht erwiesen angenommen wurden. Dieser Verpflichtung hat das Erstgericht entsprochen. Es hat sich insbesondere in durchaus zureichender Weise mit der Verantwortung des Angeklagten auseinandergesetzt, dabei jedoch - ungeachtet der ohnedies in den Kreis seiner Erwägungen einbezogenen (vgl. S 44/III) Behauptung des Angeklagten, während des Tatzeitraums zeitweise im Ausland gewesen zu sein und sich im übrigen in steuerlichen Belangen zur Gänze auf seinen Steuerberater Hans Dieter B verlassen zu haben - die überzeugung gewonnen, daß sowohl Monika und Manfred A als insbesondere auch Hans Dieter B nur nach den ihnen zur Verfügung gestellten Unterlagen und in untergeordneter Stellung nach den Weisungen des faktisch sämtliche Geschäfte der Firmen B*** G***-GesmbH und P***H***

F***-GesmbH eigenständig führenden Angeklagten

tätig wurden, sodaß dieser allein für die - (nur) formal von Manfred A unterschriebene - Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 1975 und für die monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen für die Jahre 1976 und 1977 einzustehen hat. Darüber hinausgehender Erörterungen, insbesondere auch über den genauen Fluß der Informationen, bedurfte es der vom Beschwerdeführer vertretenen Ansicht zuwider nicht, zumal den bezüglichen Urteilsausführungen mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen ist, daß letzten Endes alle Informationen auf den Angeklagten zurückgingen, der sämtliche Fäden in der Hand hielt und allein für die gesamte Geschäftstätigkeit und für die gegenüber den Finanzbehörden abgegebenen Erklärungen verantwortlich war (vgl. S 40, 48 f/III).

Die weiteren Beschwerdeausführungen aber, die sich gegen jene (dem Urteilsspruch entsprechenden) Feststellungen richten, die das Erstgericht auf die Erhebungen der Finanzbehörden, die bezüglichen Beilagen und auf die Aussage des Zeugen Dr. D gestützt hat, sind mangels entsprechender Substantiierung einer sachbezogenen Erörterung überhaupt unzugänglich, zumal ihnen nicht entnommen werden kann, worin im gegebenen Zusammenhang die behauptete Unvollständigkeit gelegen sein soll.

Soweit der Beschwerdeführer mit seiner Mängelrüge schließlich die vom Erstgericht zur subjektiven Tatseite getroffenen Feststellungen bekämpft und dabei die vom erkennenden Senat aus dem Wissen des Angeklagten über das 'Funktionieren von Umsatzsteuerjahreserklärungen bzw. Umsatzsteuervoranmeldungen' sowie aus dem wiederholten Operieren mit Scheinrechnungen gegenüber den Finanzbehörden auf den Vorsatz des Angeklagten gezogenen Schlüsse als nicht zwingend bezeichnet, übersieht er, daß eine (hier vorliegende) denkrichtige Urteilsbegründung genügt, wogegen der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO auf die Behauptung, daß aus den Beweisergebnissen auch andere (für den Angeklagten günstigere) Schlußfolgerungen hätten gezogen werden können, nicht gestützt werden kann. Da die bezüglichen, gegen die Feststellung, daß der Angeklagte über die umsatzsteuerlichen Vorgänge Bescheid wußte, gerichteten Beschwerdeausführungen demnach lediglich auf einen unzulässigen Angriff auf die erstgerichtliche Beweiswürdigung hinauslaufen, können sie auch unter dem Gesichtspunkt des Par 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO nicht zum Erfolg führen.

Das angefochtene Urteil leidet aber auch nicht, wie der Beschwerdeführer mit Berufung auf diesen Nichtigkeitsgrund und auch bereits mit Teilen seines dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO zugeorndeten Beschwerdevorbringens vermeint, an Feststellungsmängeln im Sinne des § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO. Dem Beschwerdevorbringen zuwider sind die Urteilskonstatierungen weder in Ansehung der objektiven noch der subjektiven Tatseite zu allgemein gehalten. Vielmehr wurden ohnedies alle für die rechtliche Beurteilung des Straffalles entscheidenden Tatsachen festgestellt.

Insbesondere ist dem Urteil, das einerseits auf die bezüglichen Bescheide (vgl. ON 106/II) Bezug nimmt (S 45/III) und andererseits zum Ausdruck bringt, daß die darin enthaltenen (dem Inhalt des Urteilsspruchs entsprechenden) Feststellungen vollinhaltlich in das Urteil übernommen werden (S 50/III), im Sinne des § 55 FinStrG auch das Ergebnis der rechtskräftigen endgültigen Umsatzsteuerfestsetzung für das Jahr 1975 zu entnehmen.

Der Einwand, das Erstgericht habe angenommen, daß die Umsatzsteuer im Rahmen beider Gesellschaften verkürzt worden sei, geht angesichts der ausdrücklichen Urteilsfeststellung, daß für das Jahr 1975 als abgabepflichtige Firma für die verkürzte Umsatzsteuer nur die Firma B*** nicht jedoch auch die Firma P***

F***-GesmbH in Betracht komme (S 42/III),

ins Leere.

Richtig ist, daß die Bestimmung des § 55 FinStrG wohl für die Umsatzsteuer, nicht aber für die Umsatzsteuervorauszahlungen gilt. Das hinderte jedoch das Erstgericht keineswegs daran, auch in letzterer Beziehung dem Grunde und der Höhe nach vom Ergebnis der abgabenbehördlichen Erhebungen auszugehen (vgl. hiezu die Ausführungen in der im ersten Rechtsgang ergangenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes, GZ 9 0s 8/82-10, S 433, 434/II d.A) und die dort getroffenen Feststellungen zu seinen eigenen zu machen (S 50/III).

Da demnach auch in dieser Beziehung von einem Feststellungsmangel keine Rede sein kann, war die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach § 33 Abs. 5 FinStrG unter Bedachtnahme auf §§ 20, 21 FinStrG zu einer Geldstrafe in der Höhe von 40 (vierzig) Millionen Schilling, im Uneinbringlichkeitsfall 10 (zehn) Monate Ersatzfreiheitsstrafe. Dabei wertete es als erschwerend das Zusammentreffen zweier Finanzvergehen und den langen Deliktszeitraum, als mildernd hingegen die bisherige Unbescholtenheit des Angeklagten.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der Geldstrafe und der Ersatzfreiheitsstrafe an.

Der Berufung kommt Berechtigung zu.

Das Schöffengericht hat die besonderen Strafzumessungsgründe im wesentlichen richtig und vollständig festgestellt. Soweit es allerdings bei seinen Strafzumessungserwägungen auch darauf Bezug nimmt, daß gegen den Angeklagten neuerlich eine Voruntersuchung wegen gleichartiger Verfehlungen anhängig ist, und diesem Umstand bei der Gewichtung der Schuld des Angeklagten Bedeutung beimißt, so übersieht es, daß - worauf die Berufung zutreffend hinweist - die Berücksichtigung neuer Anschuldigungen, solange sie nicht zu einem Schuldspruch geführt haben, der Unschuldsvermutung widerspricht und daher verfehlt ist. Davon abgesehen erweist sich aber das Ausmaß der vom Erstgericht verhängten Geldstrafe auch deshalb als überhöht, weil es (entgegen der Vorschrift des § 23 Abs.3 FinStrG) den persönlichen Verhältnissen und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Angeklagten nicht entsprechend Rechnung trägt. Diese Umstände bedingen vielmehr eine angemessene Reduzierung der Geldstrafe, wobei nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes ein Betrag, der etwa einem Drittel des Zweifachen des Verkürzungsbetrages (bzw. der ungerechtfertigten Abgabengutschrift) entspricht, (noch) schuldangemessen ist.

Die Geldstrafe war daher auf das aus dem Spruch ersichtliche Ausmaß herabzusetzen.

Aber auch das Ausmaß der vom Erstgericht verhängten Ersatzfreiheitsstrafe erscheint etwas überhöht; es war deshalb auf 8 Monate zu reduzieren.

Insgesamt war demnach über die Rechtsmittel des Angeklagten spruchgemäß zu erkennen.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E04659

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0090OS00016.84.0522.000

Dokumentnummer

JJT_19840522_OGH0002_0090OS00016_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten