Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 24.Mai 1984 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Friedrich, Dr. Hörburger und Dr. Lachner (Berichterstatter) als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Korschelt als Schriftführerin in der Strafsache gegen Friedrich A wegen des Verbrechens der Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen nach § 83 Abs 1, 85 Z. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom 4.Jänner 1984, GZ 11 a Vr 928/82-44, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Hauptmann, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Oehlzand zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 9.Mai 1949 geborene beschäftigungslose Friedrich A des Verbrechens der Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen nach § 83 Abs 1, 85 Z. 1 StGB (Punkt I 1 a des Urteilssatzes) sowie der Vergehen der schweren Körperverletzung nach § 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB (Punkt I 1 b), der Körperverletzung nach § 83 Abs 1
StGB (Punkt 2) und der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (Punkt II) schuldig erkannt.
Laut Punkt I des Urteilssatzes liegt ihm zur Last, folgende Personen vorsätzlich am Körper verletzt zu haben:
1) in der Nacht zum 30.April 1982 in Unterretzbach durch Versetzen von Schlägen a) den Herbert B, der dadurch eine Gehirnerschütterung, eine Kopfprellung im rechten Stirnbereich, Blutergüsse im Bereich beider Augen, eine 3 cm lange Schnittwunde im Bereich des rechten unteren Augenlides sowie mehrere Hautabschürfungen im Nasenbereich erlitt, wobei die Tat für immer eine schwere Schädigung des Sehvermögens infolge Verlustes des rechten Auges zur Folge hatte, b) den Edwin C, der dadurch Brüche des linken Schlüsselbeines und des Nasenbeines, eine Rißquetschwunde im Bereich des Hinterkopfes und eine Prellung des rechten Stirnbereiches mit Bluterguß des oberen Augenlides, sohin an sich schwere Verletzungen, erlitt;
2) am 28.Oktober 1982 in Korneuburg Oskar D durch Versetzen von Schlägen mit der flachen Hand in das Gesicht, die eine leichte Schädel- und Nasenbeinprellung sowie Nasenbluten zur Folge hatten. Zu Punkt II des Urteilssatzes wurde Friedrich A schuldig erkannt, am 5. November 1982 in Korneuburg vorsätzlich eine fremde Sache beschädigt zu haben, indem er sein Abendessen (Gemüseeintopf) an die Wand des Haftraumes im kreisgerichtlichen Gefangenenhaus Korneuburg warf, wodurch die Mauer verunreinigt wurde.
Rechtliche Beurteilung
Den Schuldspruch zu den Punkten I 1 a und 2 sowie II bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z. 5, 9 (lit a) und 10 des § 281 Abs 1 StPO
gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt. Einen Begründungsmangel (Z. 5) erblickt der Beschwerdeführer zunächst in der seiner Ansicht nach unzureichenden und unvollständigen Erörterung seiner psychischen Verfassung, insbesondere eines Schockzustandes, den er infolge Bestätigung seiner Verurteilung (zum AZ. 11 a Vr 326/82 des Kreisgerichtes Korneuburg zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe) durch das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht am 20.Oktober 1982, sohin 'kurz' vor den Straftaten laut Punkt I 2 und II des Urteilssatzes, erlitten haben will, und jenes seelischen Ausnahmezustandes, in welchem er sich zur Zeit der Straftaten laut Punkt I 1 a und I 2 des Urteilssatzes jeweils wegen eines Angriffes auf die Ehre seiner Lebensgefährtin Inge E befunden haben soll. Insoweit ist aber die Beschwerde deshalb nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil ihr in keiner Weise zu entnehmen ist, welche Verfahrensergebnisse das Erstgericht übergangen haben oder inwiefern die Urteilsbegründung mit den Gesetzen der Logik oder mit allgemeiner Lebenserfahrung in Widerspruch stehen sollte. Davon abgesehen hat sich das Erstgericht mit der geistig seelischen Verfassung des Angeklagten ohnehin eingehend auseinandergesetzt (S. 338, 345
f.), wobei es insbesondere dem Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen (S. 223 f. i.V.m. ON 25) folgte, der das Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen des Schuldausschließungsgrundes nach § 11 StGB verneint hat; der Annahme eines Verletzungsvorsatzes aber steht ein derartiger Gemütszustand von vornherein in keiner Weise entgegen.
Ebensowenig läßt die Mängelrüge (Z. 5) erkennen, wodurch dem Schöffensenat, als er einen Verletzungsvorsatz bei den Urteilstaten laut Punkt I 1 a, I 1 b und I 2 aus der Vorgangsweise des Angeklagten ableitete, ein Verstoß gegen Denkgesetze und gegen Erfahrungsgrundsätze unterlaufen sein soll; auch dieser Einwand ist daher mangels Substantiierung einer sachbezogenen Erörterung nicht zugänglich. Mit der Aussage des Zeugen Helmut F (S. 125) über eine Gewalttätigkeit und (angebliche) sadistische Veranlagung des Oskar D aber durfte sich das Erstgericht im Urteil gar nicht auseinandersetzen, weil diese in der Hauptverhandlung am 4.Jänner 1984
nicht zur Verlesung gelangte; nicht entscheidungswesentlich schließlich ist es, ob die vom Angeklagten nach Maßgabe der Verletzungsfolgen jedenfalls mit beträchtlicher Wucht gegen das Gesicht des D geführten Schläge, wie in Punkt I 2 des Schuldspruchs anklagekonform angeführt, mit der flachen Hand oder, wie in der Urteilsbegründung (S. 339, 347) in übereinstimmung mit den Angaben des Verletzten Oskar D (S. 124) festgestellt, mit der Faust geführt wurden.
überdies wendet sich der Angeklagte gegen die Urteilsannahmen zur objektiven Tatseite der Verletzungsdelikte I 1 a und I 2, indem er - unter Bezugnahme auf den von der Auseinandersetzung mit Oskar D bis zur ärztlichen Befunderstattung (S. 75) verstrichenen fünftägigen Zeitraum, auf die diesem Befund zufolge schon vor dem erwähnten Vorfall vom 28.Oktober 1982
von D geäußerten Klagen über Kopfschmerzen und auf die Dürftigkeit der vom einschreitenden Justizwachebeamten, sohin von einem Laien gemachten Wahrnehmungen über die Verletzungen des genannten Häftlings (S. 63) - auf die theoretische Möglichkeit hinweist, daß B und D ihre Verletzungen auch ohne sein Zutun erlitten haben könnten; damit bringt er jedoch den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund (Z. 5) abermals nicht zur gesetzmäßigen Darstellung. Denn mit dem Hinweis, daß die Verfahrensergebnisse auch für ihn günstigere Schlußfolgerungen tatsächlicher Natur zugelassen hätten, unternimmt er nur den unzulässigen und damit unbeachtlichen Versuch, die Beweiswürdigung des Schöffengerichts zu bekämpfen.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers sind ferner die zum Schuldspruch wegen Sachbeschädigung getroffenen Feststellungen zur objektiven Tatseite frei von entscheidungswesentlichen Begründungsmängeln: Die Urteilsannahme, daß der Haftraum (an einer Zellenwand) wegen der gegenständlichen Tat neu ausgemalt werden mußte (S. 339), findet im Akteninhalt hinreichend Deckung (S. 83 f.); insoweit das Urteil in diesem Belang 'aktenwidrig' sein, also Verfahrensergebnisse unrichtig wiedergeben sollte, ist der Beschwerde neuerlich nicht zu entnehmen. Zur Erörterung der Verantwortung des Angeklagten aber, im betreffenden Haftraum selbst Reinigungs- (Aufräumungs-) Arbeiten durchgeführt zu haben (S. 124), würde in diesem Zusammenhang nur dann Anlaß bestanden haben, wenn er die Behauptung aufgestellt hätte, im Zuge dieser Arbeiten ohneweiteres auch zur völligen Beseitigung der Verunstaltung der Zellenwand imstande gewesen zu sein; mit Indizien für die Möglichkeit einer Wiederherstellung des früheren Zustandes ohne nennenswerten Aufwand hätte sich nämlich das Schöffengericht gegebenenfalls aus Gründen, die im folgenden noch zu erörtern sein werden, in der Tat auseinandersetzen müssen. Die erwähnte Verantwortung des Angeklagten liefert aber keine solchen Anhaltspunkte.
Das weitere Vorbringen der Mängelrüge, eine 'strafrechtlich relevante Verunstaltung der Mauer' sei nicht vorgelegen, stellt der Sache nach eine Rechtsrüge (Z. 9 lit a) dar, die im übrigen dahin ausgeführt wird, der geringe Umfang der ihm angelasteten Verschmutzung der Zellenwand lasse die vom Erstgericht (vgl. S. 349) getroffene Unterstellung unter die Begehungsform der Verunstaltung im Sinn des § 125 StGB nicht zu. Dieser Rechtsansicht des Beschwerdeführers kann jedoch nicht gefolgt werden: Eine Sache wird verunstaltet, wenn ihre äußere Erscheinung verändert wird, ohne daß ihre Brauchbarkeit eine Beeinträchtigung erfährt. Hierin muß insoweit ein Eingriff in die Substanz liegen, als die Sache in schwer reversibler Weise umgeformt oder verändert wird, wodurch Interessen des Berechtigten beeinträchtigt werden. Das Beschmutzen einer Sache (insbesondere das Bekritzeln oder Beschmieren einer Wand) kann darnach unter Umständen ein Verunstalten darstellen (EBRV. 1971, 263). Ob die Verschmutzung eine strafrechtlich relevante Intensität erreicht und damit als Verunstaltung im Sinn des § 125
StGB zu beurteilen ist, hängt aber weniger von ihrer (absoluten) räumlichen oder flächenmäßigen Ausdehnung als vielmehr in erster Linie vom Vorliegen einer Beeinträchtigung berechtigter Interessen des Geschädigten ab. Eine solche Beeinträchtigung setzt einerseits einen ins Gewicht fallenden Auffälligkeitswert der Veränderung und andererseits ein wirtschaftlich nicht völlig zu vernachlässigendes Ausmaß jenes Aufwandes an Material, Arbeit oder Zeit voraus, der zur Beseitigung des Eingriffes erforderlich ist.
Nach den Urteilsfeststellungen mußte die gegenständliche Zellenwand mit Dispersionsfarbe neu ausgemalt werden, weil sie vom Inhalt der gegen sie geschleuderten (vollen) Schüssel (mit Gemüseeintopf) bis zur in zwei Meter Höhe befindlichen Decke bespritzt war. Somit kann im gegebenen Fall weder von einer wegen ihres geringen Auffälligkeitswertes zu vernachlässigenden Beeinträchtigung der äußeren Erscheinung dieser Sache noch von einem nicht ins Gewicht fallenden Arbeitsaufwand für die Wiederherstellung des früheren Zustandes die Rede sein, zumal nach einer vom Erstgericht verwerteten Aufstellung (S. 84) nicht weniger als immerhin sechs Stunden Arbeitszeit aufgewendet werden mußten. Zu Recht wurde daher die Verschmutzung der Wand als Verunstaltung im Sinn des § 125 StGB beurteilt, ohne daß es hiezu noch weiterer Feststellungen über das (genaue) Ausmaß der mit Essen bespritzten Fläche bedurft hätte. Die in bezug auf die Fakten I 1 a und I 2 des Urteilssatzes ausgeführte Rechtsrüge (Z. 10) hinwieder wird vom Angeklagten insoweit nicht zu prozeßordnungsgemäßer Darstellung gebracht, als er, von den Urteilsfeststellungen abweichend, seine Verletzungs- 'Absicht' (gemeint: Verletzungsvorsatz) negiert und - teils auch in Verkennung der rechtlichen Gleichwertigkeit der Begehungsformen des § 83 StGB (vgl. Leukauf/Steininger Kommentar 2 RN. 10, Mayerhofer/Rieder 2 Nr. 1 jeweils zu dieser Gesetzesstelle) - demgemäß eine Beurteilung dieser Tathandlungen nach § 83 Abs 2 StGB oder als das (schon wegen des Eintritts von wenigstens fahrlässig herbeigeführten Verletzungsfolgen nicht in Betracht kommende) Vergehen nach § 115 StGB mit der Begründung anstrebt, er habe sie nur mit Mißhandlungsvorsatz begangen.
Dem in diesem Zusammenhang erhobenen Einwand des Beschwerdeführers schließlich, gegen B keinesfalls überlegt sowie ohne Benützung eines Tatwerkzeugs und schon aus diesem Grund nicht mit Verletzungs- 'Absicht' vorgegangen zu sein, ist zu erwidern, daß (auch) der nach § 83 Abs 1 StGB
tatbestandsmäßige Vorsatz überlegtes Handeln nicht voraussetzt; es genügt vielmehr die (bei Körperverletzung sogar den Regelfall bildende) spontane Fassung des Tatentschlusses (vgl. Leukauf/Steininger a.a.O. RN. 22 § 5).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war sohin zu verwerfen.
Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 28, 85 StGB zu zwei Jahren Freiheitsstrafe. Ferner wurde gemäß § 21 Abs 2 StGB seine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet.
Bei der Strafbemessung wertete das Schöffengericht die Provokation durch Oskar D, den Umstand, daß beim Angeklagten bei Begehung von aggressiven Handlungen nahezu ein völliger Verlust der Hemminstanzen eintritt und den Umstand, daß die vorliegenden Straftaten (mit Ausnahme der Sachbeschädigung laut Faktum II) gemäß § 31 StGB schon im (früheren) Verfahren zum AZ. 11 a Vr 326/82 des Kreisgerichtes Korneuburg hätten abgeurteilt werden können, als mildernd, die einschlägigen, bereits die Voraussetzungen des § 39 StGB erfüllenden Vorstrafen sowie das Zusammentreffen eines Verbrechens mit drei Vergehen hingegen als erschwerend.
Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung der über ihn verhängten Freiheitsstrafe an, wogegen die Staatsanwaltschaft mit ihrem Rechtsmittel deren Erhöhung begehrt.
Den Berufungen kommt keine Berechtigung zu.
Eine unvollständige Feststellung der relevanten Strafbemessungstatsachen wird von keinem der beiden Berufungswerber behauptet. Sie bedürfen jedoch insoweit einer Korrektur, als im Rahmen der Erschwerungsgründe unberücksichtigt blieb, daß auch das Körperverletzungsdelikt (§ 83 Abs 1 StGB) laut Punkt I 2 des Urteilssatzes erst nach dem vorerwähnten Urteil begangen und eben diese Straftat wie auch die Sachbeschädigung kurze Zeit nach dieser Verurteilung während des (daraufhin eingeleiteten) Strafvollzuges verübt wurden. Nichtsdestoweniger ergibt ein sachgemäßes Abwägen der demnach vorliegenden Erschwerungs- und Milderungsumstände, daß die vom Erstgericht ausgesprochene Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren - zumal unter Bedacht sowohl auf die besondere Persönlichkeitsartung des Angeklagten als auch auf sein erheblich belastetes Vorleben - nach seiner tat-und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) nicht zu gering, aber auch keineswegs zu hoch ausgemessen wurde.
Den Berufungen mußte daher gleichfalls ein Erfolg versagt bleiben.
Anmerkung
E04801European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1984:0120OS00043.84.0524.000Dokumentnummer
JJT_19840524_OGH0002_0120OS00043_8400000_000