TE Vwgh Beschluss 2005/6/7 AW 2005/05/0054

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Veröffentlicht am 07.06.2005
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Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82009 Bauordnung Wien;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
10/10 Grundrechte;

Norm

BauO Wr §42 Abs1;
StGG Art5;
VwGG §30 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag 1. der A,

2. des Dr. K, 3. der Mag. S, 4. des Prof. A, 5. des Ing. W, 6. des Dr. B, 7. der I, 8. der J, 9. des Dr. G, 10. Dr. H, 11. Mag. U, alle vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt, der gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 7. Oktober 2004, Zl. MA 64- EE 13/1/2002, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligten Partei: P GmbH, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt), erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag stattgegeben.

Begründung

Die Beschwerdeführer wehren sich gegen die mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Enteignung der den Beschwerdeführern gehörigen Liegenschaft EZ 3371 Grundbuch S, Grundstück Nr. 376/6 im Ausmaß von 47 m2. Die Enteignung erfolgte in Anwendung des § 42 Abs. 1 der Bauordnung für Wien über Antrag der Mitbeteiligten zur Einbeziehung in einem zu schaffenden Bauplatz. Nach Abtretung ihrer ursprünglich an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde wiederholten die Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgerichtshof den Aufschiebungsantrag. Der angefochtene Bescheid sei einem Vollzug zugänglich, da er den Auftrag enthalte, die Beschwerdeführer müssten binnen zwei Wochen nach Erhalt der Entschädigung den Enteignungsgegenstand räumen. Andererseits müssten die Enteignungsgegner binnen zwei Jahren um Baubewilligung ansuchen. Dadurch könnte eine nicht mehr rückgängig zu machende Situation geschaffen werden, die den Rechtsschutzzweck des Beschwerdeverfahrens teilweise bis gänzlich obsolet machen würde. Einzelne Beschwerdeführer wohnen selbst in der gegenständlichen Wohnhausanlage; deren Gartengrundstück sei von der Enteignung betroffen. Es stehe die Frage einer substanziellen Entwertung ihrer eigenen Wohnungen auf dem Spiel, sowohl was das zu erwartende Sinken des Verkehrswertes durch einen jedes Grün aufzehrenden Nachbarbau, als auch was ihre ideelle Wohnqualität betreffe. Die Enteignungswerberin hingegen betreibe geschäftsmäßige Immobilienentwicklung und im gegenständlichen Fall offenkundig auch eine Immobilienspekulation. Das rein kaufmännische Bestreben der Enteignungswerberin, durch gezielten Ankauf-Verkauf von Grundstücken und deren Aufwertung durch "Liegenschaftsentwicklung" Geschäfte zu machen, sei gegenüber dem existenziellen Eigeninteresse der Beschwerdeführer an unbeeinträchtigter Erhaltung ihrer selbst bewohnten Eigentumswohnungen nicht schutzwürdig. Die Beschwerdeführer seien zwischenzeitig von der Enteignungswerberin mit dem Versuch bedrängt worden, durch gerichtlichen Erlag der Enteignungsentschädigung den originären Eigentumserwerb eintreten zu lassen, um solcherart vollendete Tatsachen zu schaffen; diesbezüglich wurde ein ablehnender Beschluss des Bezirksgerichtes Hietzing vorgelegt (die Ablehnung war allein darauf gestützt, dass der Verfassungsgerichtshof der gegenständlichen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zugebilligt hatte). Es bestehe die Gefahr, dass die Enteignungswerberin im Rekursverfahren den Erlag und damit die Enteignung der Beschwerdeführer noch vor Erledigung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde durchsetzen und vollendete Tatsachen schaffen könne, die irreversibel seien.

Während sich die belangte Behörde nicht gegen die Bewilligung einer aufschiebenden Wirkung aussprach, beantragte die mitbeteiligte Enteignungswerberin die Abweisung des Antrages. Bereits seit einer mit Bescheid vom 3. November 1980 erfolgten Grundabteilung sei allen Miteigentümern und Voreigentümern bekannt, dass das gegenständliche Grundstück als Bauplatzteil in der Folge mit einzubeziehen sei. Auf Grund des seit 1991 gültigen Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes weise das gegenständliche Grundstück die Widmung "Wohngebiet-Bauklasse II" auf. Ein unverhältnismäßiger Nachteil auf Seiten der Beschwerdeführer liege nicht vor; es handle sich beim streitgegenständlichen Grundstück seit Jahrzehnten um eine Baulücke, die von den Beschwerdeführern nie genutzt worden sei, zumal sie seit Jahren mit einer Bebauung rechnen müssten. Dies hätten sie auch durch einen "Gegenenteignungsantrag" bescheinigt, womit sie selbst dokumentiert hätten, dass sie eine Bebauung der Baulücke durchführen wollten. Dem gegenüber entstünde auf Seiten der Enteignungswerberin bei Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ein weiterer erheblicher vermögensrechtlicher Nachteil allein durch die jährlich steigenden Baukosten und die mangelnde Benützungsmöglichkeit.

Gemäß § 30 Abs. 1 VwGG kommt den Beschwerden eine aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes nicht zu. Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührter Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Zwingende öffentliche Interessen wurden nicht geltend gemacht; es ist daher zu prüfen, ob mit der Ausübung der eingeräumten Berechtigung durch die Enteignungswerberin für die Enteignungsgegner ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem durchaus vergleichbaren Fall (auch damals ging es um eine Enteignung zwischen Privaten, also nicht etwa zu Gunsten eines Straßen- oder Eisenbauvorhabens) im Beschluss vom 30. März 1993, Zl. AW 93/05/0011, ausgesprochen, dass eine Enteignung stets als ein schwer wiegender Eingriff in die Rechtssphäre des Betroffenen als unverhältnismäßiger Nachteil im Sinne des Gesetzes zu qualifizieren sei. Ohne die Interessen der mitbeteiligten Partei an einer raschen Umsetzung der Enteignung und der damit verbundenen Rechtswirkungen zu verkennen, müsse die vorzunehmende Interessenabwägung daher zu Gunsten der Beschwerdeführer ausfallen, solle der Enteignung nicht der Charakter als ultima ratio genommen werden.

Diese Erwägungen treffen auch für den vorliegenden Fall zu, weshalb dem Antrag stattzugeben war.

Wien, am 7. Juni 2005

Schlagworte

Interessenabwägung Unverhältnismäßiger Nachteil

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:AW2005050054.A00

Im RIS seit

23.09.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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