Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Juni 1984 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Steininger (Berichterstatter), Dr. Schneider, Dr. Reisenleitner und Dr. Felzmann als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Lurz als Schriftführerin in der Strafsache gegen Udo A wegen des Vergehens der versuchten Täuschung nach § 15, 108 Abs. 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten sowie über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Jugendschöffengericht vom 6. Dezember 1983, GZ 27 Vr 3288/83-8, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Erster Generalanwalt Dr. Nurscher, und des Verteidigers Dr. Wilfing, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil zur Gänze, sohin auch im Schuldspruch einschließlich des Ausspruchs gemäß § 13 JGG, aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Der Angeklagte wird mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde sowie mit seiner Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 2. April 1966 geborene Udo A des Vergehens der versuchten Täuschung nach § 15, 108 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er (im Juli 1983 in Innsbruck) 'absichtlich dem Staat in seinem Recht, nicht zum Verkehr zugelassene und die Zulassungsvoraussetzungen nicht erfüllende Fahrzeuge vom öffentlichen Verkehr auszuschließen, dadurch einen Schaden zuzufügen versucht, daß er ein Fahrzeug, das infolge der Veränderung als Motorrad galt, im öffentlichen Straßenverkehr benützte, sohin Straßenaufsichtsorgane durch Täuschung über Tatsachen zu einer Unterlassung, die den Schaden herbeiführen sollte, nämlich der Kontrolle und den Ausschluß des Fahrzeuges vom Verkehr, zu verleiten gesucht' (S 33).
Von dem weiteren Anklagevorwurf (vgl. S 15), (im Juli 1983 in Innsbruck) eine nach der Anbringung eines Beglaubigungszeichens, nämlich der Begutachtungsplakette, wesentlich veränderte Sache, nämlich das B Vespa 50
S, T 4.585, in welches er anstelle des Originalsatzes von 50 ccm einen solchen von 110 ccm eingebaut hatte, im Rechtsverkehr gebraucht (und dadurch das Vergehen der Fälschung öffentlicher Beglaubigungszeichen nach § 225 Abs. 2
StGB begangen) zu haben, wurde Udo A gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 5, 9 lit. a und 9 lit. b StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Die Staatsanwaltschaft hinwieder wendet sich mit Nichtigkeitsbeschwerde gegen den Freispruch, wobei sie den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO geltend macht. Nach den - zusammengefaßt wiedergegebenen - Urteilsfeststellungen hat der Angeklagte Ende Juni 1983 in Innsbruck sein Motorfahrrad (§ 2 Z 14 KFG) der Marke Vespa, Type 50 S, für das das Kennzeichen T
4.585 zugewiesen und an dem eine Begutachtungsplakette (§ 57 a KFG) angebracht war, durch Austausch des 50 ccm Motors, den er durch einen 110 ccm-Satz ersetzte, derart verändert, daß es ab diesem Zeitpunkt die Zulassungsvoraussetzungen für ein Motorfahrrad nicht mehr erfüllte, sondern als Motorrad galt (§ 2 Z 15 KFG). Dieses Kraftrad (§ 2 Z 4 KFG) benützte er sodann bis zu seiner Kontrolle am 12.
Juli 1983 im öffentlichen Straßenverkehr, wobei er 'die Absicht' hatte, durch die Benützung des (veränderten) Kraftrades 'mit dem Mopedkennzeichen' (gemeint: Kennzeichentafel für Motorfahrräder; § 49 Abs. 4 KFG) im Verkehr Polizeibeamte (über das Vorliegen der Zulassungsvoraussetzungen eines derart veränderten, als Motorrad geltenden Kraftrades, insbesondere das aufrechte Bestehen einer Haftpflichtversicherung, und die Zulässigkeit des Lenkens eines derartigen Kraftfahrzeuges ohne Lenkerberechtigung; vgl. § 64 Abs. 1 KFG) zu täuschen (S 39).
Nicht nachzuweisen war - so stellt das Erstgericht in Ansehung des Freispruches fest -, daß der Angeklagte den Motorsatz austauschte, 'um dieses Moped im Rechtsverkehr im Sinne des § 225 Abs. 2 StGB zu gebrauchen und sie' (gemeint ersichtlich: die Begutachtungsplakette) 'insbesondere einem Beamten vorzuweisen'. Da er 'nie die Absicht hatte, das Moped mit dem veränderten Motorsatz im Rechtsverkehr zu gebrauchen', sei auch 'unerheblich, auf welche Form die Begutachtungsplakette an den Angeklagten ausgefolgt wurde' (S 39).
Rechtliche Beurteilung
Zutreffend wendet die Staatsanwaltschaft gegen den Freispruch ein, daß dem Erstgericht in Ansehung des Begriffes 'Gebrauch im Rechtsverkehr' im Sinne des § 225 StGB ein Irrtum unterlaufen ist. Gemäß § 225 Abs. 2 StGB ist (unter anderem) zu bestrafen, wer eine nach der Anbringung eines Beglaubigungszeichens wesentlich veränderte Sache im Rechtsverkehr gebraucht. Unter Gebrauch im Rechtsverkehr ist dabei jede mit Rücksicht auf den Inhalt des öffentlichen Beglaubigungszeichens rechtserhebliche Verwendung zu
verstehen (vgl. ÖJZ-LSK 1977/183, ÖJZ-LSK 1978/204 = EvBl 1978/176
und ÖJZ-LSK 1978/386 = JBl. 1979, 272;
Leukauf-Steininger, Kommentar 2 § 223 RN 32 und § 225 RN 10). Dazu genügt es, den Inhalt des Beglaubigungszeichens einem anderen zugänglich zu machen;
nicht erforderlich ist, daß der andere das Beglaubigungszeichen tatsächlich wahrgenommen oder eingesehen hat. Daher liegt - entgegen der Meinung des Erstgerichtes - in der Teilnahme am Verkehr auf öffentlichen Straßen mit einem Motorfahrrad (§ 2 Z 14 KFG), das nach Anbringung einer (für jedermann sichtbaren) diesbezüglichen Begutachtungsplakette durch den Einbau eines Motors (mit einem Hubraum von 110 ccm) eines Motorrades (§ 2 Z 15 KFG) wesentlich verändert wurde, ein Gebrauchen einer nach Anbringung des Beglaubigungszeichens wesentlich veränderten Sache im Rechtsverkehr (vgl. Leukauf- Steininger a.a.0. § 223 RN 34), womit der Angeklagte vorliegend - ausgehend von den Urteilskonstatierungen - den objektiven Tatbestand des § 225 Abs. 2 StGB verwirklicht hat. Zur Erfüllung des subjektiven Tatbestands reicht - wie die Staatsanwaltschaft zutreffend aufzeigt - vorsätzliches Handeln schlechthin aus (§ 5 Abs. 1 StGB); nicht erforderlich ist, daß es dem Täter darauf ankommt, den tatbildmäßigen Erfolg herbeizuführen (§ 5 Abs. 2 StGB).
Dessen ungeachtet ist aber eine abschließende (meritorische) Beurteilung der Sache noch nicht möglich:
§ 225 Abs. 3 StGB definiert öffentliche Beglaubigungszeichen dahin, daß darunter jedes Zeichen zu verstehen ist, das ein Beamter innerhalb seiner Amtsbefugnisse oder eine mit öffentlichem Glauben versehene Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises an einer Sache in der vorgeschriebenen Form angebracht hat, um eine auf die Sache bezügliche Tatsache zu bestätigen.
Dieser Legaldefinition zufolge kommen als Träger der Beglaubigungsfunktion, die in einem an einer Sache angebrachten Zeichen zum Ausdruck kommt, Beamte im Rahmen ihrer Amtsbefugnisse und Privatpersonen mit gesetzlich ausdrücklich verliehener Beglaubigungsbefugnis innerhalb des ihnen zugewiesenen Geschäftskreises in Betracht. Dieser Voraussetzung werden die vom Landeshauptmann gemäß § 57 a KFG zur (wiederkehrenden) kraftfahrgesetzlichen Begutachtung und Bestätigung dieser Überprüfung durch Anbringung einer Begutachtungsplakette ermächtigten Vereine und Gewerbetreibenden gerecht, die insoweit (wenn auch als Private) kraft Gesetzes zur Mitausübung des hoheitlichen Rechts der Zulassung von Kraftfahrzeugen zum Verkehr auf öffentlichen Straßen und zur Bestätigung des Vorliegens einer der Zulassungsvoraussetzungen berufen sind (vgl. hiezu auch EvBl 1981/161 zu § 1
AHG). Demgemäß sind die von ihnen (ihrem Personal) unter Inanspruchnahme der Ermächtigung (§ 57 a Abs. 2 KFG) nach erfolgter Begutachtung an einem Kraftfahrzeug angebrachten Begutachtungsplaketten (§ 57 a Abs. 5 KFG) öffentliche Beglaubigungszeichen im Sinne des § 225 Abs. 3 StGB (vgl. hiezu mit ausführlicher Begründung JBl 1984, 156 = ÖJZ-LSK 1984/12; ebenso auch Leukauf-Steininger, a.a.0. § 225 RN 4, 5; Steininger in ÖJZ 1980, 483 und in Bezauer Tage 1979, 167 f; aM Kienapfel WK § 225 Rz 11, 20). Lediglich jenen Plaketten, die gemäß § 57 a Abs. 6 oder Abs. 9 KFG an den Zulassungsbesitzer ausgefolgt und damit weder von einem Beamten noch von einer kraft Gesetzes mit öffentlichem Glauben versehenen Person am Kraftfahrzeug angebracht werden (und die sich von den oben erwähnten Plaketten dadurch unterscheiden, daß sie mit dem Kennzeichen des betreffenden Kraftfahrzeuges versehen sein müssen), mangelt es - eben weil ihre Anbringung nicht durch eine Beglaubigungsperson und im übrigen ohne vorausgegangene Begutachtung erfolgt - am Charakter eines öffentlichen Beglaubigungszeichens, sodaß Manipulationen an oder mit derartigen Plaketten nur als Verwaltungsübertretung nach § 134 KFG (und nicht als Fälschung öffentlicher Beglaubigungszeichen nach dem § 225 StGB) strafbar sind (Leukauf-Steininger, a.a.0. § 225 RN 4).
Da es das Erstgericht unterlassen hat, Feststellungen darüber zu treffen, wer im vorliegenden Fall die Begutachtungsplakette an dem Motorfahrrad angebracht hat, kann eine Entscheidung in der Sache selbst noch nicht eintreten. Es war vielmehr der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Folge zu geben, das angefochtene Urteil zur Gänze, sohin auch in seinem Schuldspruch, einschließlich des Ausspruches nach § 13 JGG, aufzuheben und die Sache an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Dies aus folgenden Erwägungen:
Sollte die in Rede stehende Begutachtungsplakette an dem Motorfahrrad von einer Behörde oder von einer hiezu ermächtigten Person angebracht worden sein, hätte der Angeklagte ausschließlich das Vergehen der Fälschung öffentlicher Beglaubigungszeichen nach § 225 Abs. 2 StGB zu verantworten, weil das Delikt nach § 225 StGB - von seltenen Ausnahmen abgesehen - ebenso wie jenes nach § 223 StGB in der Regel die Täuschung über Tatsachen mit einem daraus resultierenden Schaden an irgendwelchen Rechten impliziert und (als zudem mit strengerer Strafe bedrohter Tatbestand) mit dem lediglich als subsidiären (Auffang-)Tat bestand gedachten Vergehen der Täuschung nicht tateinheitlich zusammentreffen kann (vgl. ÖJZ-LSK 1980/155 = SSt 51/33; ÖJZ 1980/167 /
Oberlandesgericht Wien / ; Kienapfel WK § 225 Rz 43; 13 0s 29/84 / erliegend in 27 Vr 2006/83 des Landesgerichtes Innsbruck/ ). Der Angeklagte wäre daher für den Fall eines neuerlichen Schuldspruchs richtigerweise entweder des Vergehens der Fälschung öffentlicher Beglaubigungszeichen nach § 225 Abs. 2 StGB oder des Vergehens der versuchten Täuschung nach § 15, 108 Abs. 1 StGB (vgl. hiezu ausführlich 13 0s 29/84) schuldig zu erkennen, wobei allerdings ein förmlicher (Qualifikations-)Freispruch von der Anklage wegen eines der beiden Delikte bei der von Anklage und Erstgericht irrig angenommenen Idealkonkurrenz zu unterbleiben hätte.
Im Hinblick auf die Kassierung (auch) des Schuldspruchs und des Ausspruchs gemäß § 13 JGG war der Angeklagte mit seinen Rechtsmitteln auf die getroffene Entscheidung zu verweisen. Es war demnach spruchgemäß zu erkennen.
Anmerkung
E04728European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1984:0090OS00053.84.0619.000Dokumentnummer
JJT_19840619_OGH0002_0090OS00053_8400000_000