TE Vwgh Erkenntnis 2005/6/7 2001/14/0086

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Veröffentlicht am 07.06.2005
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §280;
EStG 1988 §2 Abs2;
EStG 1988 §2 Abs3 Z3;
EStG 1988 §2;
EStG 1988 §23 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Sulyok, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde des J S in I, vertreten durch Mag. Mathias Kapferer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Anichstraße 24, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungssenat I) vom 4. Juli 2000, Zl. RV299/1-T7/99, betreffend Einkommensteuer 1993 bis 1995, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.172,88 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 22. Dezember 1993 teilte der Beschwerdeführer dem Finanzamt mit, dass er am 1. Dezember 1993 zu den beiden, schon bisher von ihm betriebenen Kaffeehäusern, einen weiteren Gewerbebetrieb, nämlich den der "Trödlerei", mit dem Standort in der M.-Straße 4 "eröffnet" habe. Am 10. Februar 1994 erfolgte die Anmeldung zum Gewerberegister.

In seinen Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1993 bis 1995 wies der Beschwerdeführer für die "Trödlerei" jeweils durch Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen ermittelte Verluste von 597.086,30 S (1993), 2.502 S (1994) und 25.292 S (1996) aus.

Im Zuge einer im Jahr 1997 durchgeführten, die Jahre 1993 bis 1995 betreffenden abgabenbehördlichen Prüfung stellte der Prüfer u.a. fest, dass es sich bei der "Trödlerei" um keinen Betrieb im Sinne des Einkommensteuergesetzes handeln würde. Den 1993 geleisteten Anzahlungen für Waren in Höhe von 578.860 S stünden nach einem mittlerweile vergangenen Zeitraum von vier Jahren keine Einnahmen gegenüber. Eine ernstlich angestrebte Betriebseröffnung sei aus diesem Verhalten nicht zu ersehen. Der in den Jahren 1994 und 1995 (für den Betriebsstandort M.-Straße 4) angefallene Pachtaufwand in Höhe von 119.769 S bzw. 164.286 S sei als Aufwand eines der vom Beschwerdeführer betriebenen Kaffeehäuser behandelt worden, weil die Räumlichkeiten in dieser Zeit als Lagerraum für das Cafe gedient hätten.

Das Finanzamt folgte den Prüfungsfeststellungen und erließ für die Jahre 1993 bis 1995 nach Wiederaufnahme der Verfahren gemäß § 303 Abs. 4 BAO neue Sachbescheide, in denen der Ansatz der Verluste aus dem Altwarenhandel unterblieb.

Die gegen die geänderten Sachbescheide vom Beschwerdeführer erhobene Berufung wurde mit Berufungsvorentscheidung vom 5. Mai 1999 mit der Begründung abgewiesen, dass der vorliegende Sachverhalt nicht auf eine ernstlich angestrebte Betriebseröffnung schließen ließe. Mit Eingabe vom 2. Juni 1999 beantragte der Beschwerdeführer die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Am 24. August 1999 ordnete das Finanzamt eine Prüfung gemäß § 99 Abs. 2 Finanzstrafgesetz für den Zeitraum der Jahre 1993 bis 1997 an. Im Zuge einer Hausdurchsuchung bei der B.-Brauerei seien Unterlagen beschlagnahmt worden, welche darauf hindeuteten, dass der Beschwerdeführer für seinen Gastgewerbebetrieb neben offiziellen Bierlieferungen auch Lieferungen ohne Rechnungen bezogen habe, die im Rechenwerk des Beschwerdeführers nicht erfasst worden seien. Unter Zugrundelegung der bei der B.-Brauerei beschlagnahmten EDV-Daten wurden im Prüfungsbericht vom 4. Februar 2000 näher dargestellte Zuschätzungen zum Umsatz und Gewinn aus dem Betrieb der beiden Kaffeehäuser vorgenommen. In der dem Prüfungsbericht angeschlossenen Niederschrift über die Schlussbesprechung vom 17. Dezember 1999 findet sich ein Hinweis auf einen abzugebenden Rechtsmittelverzicht.

Am 20. Dezember 1999 wurde vom steuerlichen Vertreter des Beschwerdeführers eine "Niederschrift über die Erklärung von Rechtsmittelverzichten gemäß § 255 Abs. 2 BAO" mit folgendem Wortlaut unterschrieben:

"Ich verzichte auf das Rechtsmittel der Berufung gegen folgende Bescheide sowie die auf Grund nachstehender Übersicht der Bemessungsgrundlagen, Abgabenhöhen und Abweichungen von den bisherigen Festsetzungen zu erteilenden Bescheide.

1993: Gewerbesteuer

1993 bis 1998: Umsatzsteuer und Einkommensteuer".

Die besagte Niederschrift enthält weiters eine Darstellung der geänderten Bemessungsgrundlagen und Abgaben, wobei bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens die erklärten Verluste aus dem Altwarenhandel nicht berücksichtigt wurden.

Mit Schriftsatz vom 23. März 2000 nahm der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers zum abgegebenen Rechtsmittelverzicht dahingehend Stellung, dass bei Beendigung der Schlussbesprechung allen Beteiligten klar gewesen und außer Zweifel gestanden sei, dass in dem Rechtsmittelverzicht keine Zurücknahme der gegen die Einkommensteuerbescheide 1993 bis 1995 "betreffend Trödelei" erhobenen Berufung gelegen sei. Man sei sich darüber einig gewesen, dass die Entscheidung, ob der Altwarenhandel als Einkunftsquelle anzuerkennen sei, auf Grund des anhängigen Rechtsmittels der Abgabenbehörde zweiter Instanz obliegen werde. In ihrem Bericht habe die Prüferin auch festgehalten, dass für die Jahre 1993 bis 1995 die auf Grund der Wiederholungsprüfung vorzunehmenden Änderungen im Wege der Berufungsentscheidung zu berücksichtigen seien.

Diese Ausführungen wurden von der Prüferin bestätigt.

In der mündlichen Berufungsverhandlung vom 14. Juni 2000 bestritt der Beschwerdeführer die Wirksamkeit des Rechtsmittelverzichtes mit dem Vorbringen, dass ihm bei der Schlussbesprechung ein Nachforderungsbetrag von 1,9 Mio. S genannt worden sei und ihn sein steuerlicher Vertreter vor Unterfertigung des Rechtsmittelverzichtes nicht vom tatsächlich höheren Nachforderungsbetrag unterrichtet habe. Der Vertreter sei angesichts des höheren Nachforderungsbetrages nicht dazu berechtigt gewesen, auf die Erhebung eines Rechtsmittels zu verzichten. Ein Entzug der Vertretungsvollmacht sei jedoch - so der Beschwerdeführer auf ausdrückliche Nachfrage in der mündlichen Berufungsverhandlung - zu keinem Zeitpunkt erfolgt. Über Vorhalt, welche Einwendungen gegen die Schätzung der Bemessungsgrundlagen erhoben würden, erklärte der Beschwerdeführer, er bekämpfe die Schätzung "samt und sonders". Eine von der Prüferin der Schätzung zu Grunde gelegte Liste der Biereinkäufe bei der B.-Brauerei habe auch Einkäufe mit der Bezeichnung "F.T." enthalten, die fälschlicherweise dem Beschwerdeführer zugerechnet worden seien. Die Liste weise inhaltliche Mängel auf, sodass es nicht angehe, lediglich die "F.-Lieferungen" auszuscheiden und sie ansonsten der Schätzung der Bemessungsgrundlagen zu Grunde zu legen. Zur Ausformulierung seiner Einwände durch den steuerlichen Vertreter werde beantragt, mit der "Berufungsentscheidung zuzuwarten."

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen und die Einkommensteuer der Jahre 1993 bis 1995 unter Zugrundelegung der in der Niederschrift vom 20. Dezember 1999 vorgenommenen Schätzungen der Umsätze und Gewinne der beiden Gastgewerbebetriebe neu bemessen. Sachverhaltsbezogen wird im angefochtenen Bescheid zum Punkt "Trödlerei" ausgeführt, der Beschwerdeführer habe zwar im Jahr 1994 Räumlichkeiten für den beabsichtigten Handel mit Antiquitäten und Bekleidung in Bestand genommen, das Mietobjekt tatsächlich aber als Lagerraum für das in derselben Gebäudeetage betriebene Cafe verwendet. Am 31. Dezember 1993 habe der Beschwerdeführer Anzahlungen an zwei englische Unternehmen in Höhe von 271.950 S bzw. 126.910 S sowie an Jürgen H. (150.000 S) und Alois W. (30.000 S) in Österreich geleistet. Die anbezahlten Möbelstücke seien bis zum Zeitpunkt der mündlichen Berufungsverhandlung nicht geliefert worden. Bei den an W. bezahlten Betrag habe es sich um eine Anzahlung für eine zukünftig vorzunehmende Restaurierung von Stühlen gehandelt. Der Beschwerdeführer habe die Verzögerung der Betriebseröffnung damit erklärt, dass er (zunächst) die geplante Generalsanierung des Gebäudes, in dem sich die für den Altwarenhandel geplanten Räumlichkeiten befänden, abwarten wollte. Die Hausverwaltung habe die Sanierung jedoch immer wieder verschoben, sodass sich der Beschwerdeführer nach Auftreten eines Wasserschadens schließlich dazu entschlossen habe, die nötigen Sanierungsarbeiten selbst durchführen zu lassen. Er habe im Jänner 1996 einen Architekten beauftragt. Diese Beauftragung habe sich - so der Beschwerdeführer in seinen Eingaben - in der Folge jedoch als Fehlgriff erwiesen. Nachdem der Architekt bis Sommer 1997 noch immer keine Ausschreibung vorgenommen habe, habe er eine neue Firma beauftragt, die im Frühjahr 1998 mit dem Umbau hätte beginnen sollen. Da gleichzeitig auch das Kaffeehaus umgebaut hätte werden sollen, habe er sich entschlossen, die "Trödlerei" erst mit der Neukonzeptionierung des Kaffeehauses - die jugendliche "Publikumsstruktur des Cafes" würde sich sehr störend auf den Geschäftsverlauf des Ladens auswirken - zu eröffnen. Im Oktober 1998 sei das Mietverhältnis vom Hauseigentümer gekündigt worden. Zwar liege nach Ansicht des Beschwerdeführers kein Kündigungsgrund vor, doch sei die Dauer des gerichtshängig gemachten Mietstreites nicht absehbar. Ohne den Ausgang des Gerichtsverfahrens abzuwarten, habe sich der Beschwerdeführer dazu entschieden, die Sanierung durchzuführen. Mit Schreiben vom 15. März 2000 habe der Beschwerdeführer mitgeteilt, dass die Räumlichkeiten in der M.-Straße nunmehr fast fertig gestellt seien. Da es dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei, Herrn M. (einen der Empfänger der Anzahlungen) in England ausfindig zu machen, habe er unter Inkaufnahme beträchtlicher Kosten einen Londoner Anwalt mit der Suche nach Herrn M. beauftragt. Das Ergebnis dieser Ermittlungen sei ernüchternd gewesen. Herr M. werde als Betrüger und Dieb beschrieben und sei am 10. Juli 1995 in Konkurs gegangen. Die Kaufsumme von 50.000 Pfund sei für den Beschwerdeführer somit verloren. Für die kommenden Wochen sei die Lieferung der von den beiden anderen Firmen gekauften Möbel beabsichtigt. Der bedrohliche Kündigungsprozess des Hauseigentümers hinsichtlich der Mieträumlichkeiten in der M.- Straße würde ihm allerdings nach wie vor nur ein "äußerst behutsames und überschauliches geschäftliches Weitermachen" erlauben. In der mündlichen Berufungsverhandlung vom 14. Juni 2000 habe der Beschwerdeführer Fotos von Möbeln vorgelegt, die er bei der Firma T. angezahlt habe und dazu ausgeführt, dass er mehr Möbel angezahlt habe, als auf den Fotos ersichtlich seien. Eine Liste über die kaufgegenständlichen Möbelstücke sei nicht angefertigt worden, weil die Anzahlungen im Vertrauen zu den jeweiligen Verkäufern erfolgt seien. Die Möbel seien sodann in einer Ecke zusammengestellt worden. Die Menge der angezahlten Möbelstücke könne er jedoch nicht beziffern. Die Anzahlung bei M. sei auch für den Ankauf von Schreibtischen erfolgt, welche erst auf Antiquitätenmärkten besorgt werden sollten. Die Mieträumlichkeiten seien nunmehr fertiggestellt und würden derzeit leer stehen. Der Beschwerdeführer habe beabsichtigt, die Möbel zu Ostern aus England zu holen, doch sei dieses Vorhaben daran gescheitert, dass sämtliche Flüge ausgebucht gewesen seien. Ein Teil der Ware wäre auch im Inland abzuholen. Die Eröffnung des Antiquitätengeschäftes wäre mit weiteren Kosten für zwei Mitarbeiter und notwendigen Investitionen von etwa 70.000 S verbunden.

In rechtlicher Hinsicht wird im angefochtenen Bescheid sodann ausgeführt, eine gewerbliche Tätigkeit liege bereits in der Vorbereitungsphase, sohin vor Erzielung der ersten Einnahmen vor, wenn sich der innere Entschluss des Steuerpflichtigen zur Aufnahme der werbenden Betätigung durch entsprechende Handlungen dokumentiere und der Steuerpflichtige zielstrebig auf die Betriebseröffnung hinarbeite. Bei einer sich über mehrere Jahre erstreckenden Vorbereitungsphase werde besonders darauf zu achten sein, ob die Handlungen des Steuerpflichtigen die eindeutige Absicht der künftigen Betriebseröffnung erweisen.

Im gegenständlichen Fall habe der Beschwerdeführer weder in den Streitjahren noch später den Handel mit Altwaren tatsächlich eröffnet. Er habe lediglich Anzahlungen für Möbelstücke geleistet, welche er nicht einmal zahlenmäßig habe beziffern können. Die für den Antiquitätenhandel angemieteten Räumlichkeiten seien tatsächlich für das Kaffeehaus verwendet worden. Eine zielstrebige Vorbereitung einer Betriebseröffnung liege nach Ansicht der belangten Behörde nicht vor. Der Beschwerdeführer habe im Jahr 1993 einmalig in beträchtlicher Höhe Anzahlungen für Möbel und in geringerem Maße für Restaurierungsarbeiten geleistet, ohne Umfang und genaue Zusammensetzung der "Bestellung" festzuhalten. Die Zahlungen seien ohne Festlegung konkreter Liefertermine und ohne jegliche Absicherung gegenüber den Lieferanten erfolgt. Vom Konkurs eines seiner Lieferanten habe der Beschwerdeführer erst fünf Jahre später erfahren. Die jahrelangen Bemühungen des Beschwerdeführers um Anmietung und Sanierung von bislang nicht eingerichteten Räumen sowie die Anzahlung der Möbel ließen nach Ansicht der belangten Behörde objektiv noch keinen ausreichenden Zusammenhang mit einem geplanten Antiquitätenhandel erkennen. Dass die sanierten Räume, sofern die Kündigung des Bestandverhältnisses "abgewendet" werden könne, künftig als Geschäftsräume nutzbar seien und auch die angezahlten Möbelstücke als Handelswaren verwendet werden können, reiche dazu nicht aus.

Unter dem Punkt "Zuschätzungen" verweist der angefochtene Bescheid auf die im Prüfungsbericht vom 4. Februar 2000 getroffenen Sachverhaltsfeststellungen sowie die rechnerische Ermittlung der Zuschätzungsbeträge, welche, soweit die Streitjahre 1993 bis 1995 behandelt würden, Bestandteil des angefochtenen Bescheides seien. Dem in der mündlichen Berufungsverhandlung am 14. Juni 2000 gestellten Antrag auf Vertagung der mündlichen Verhandlung zwecks Ausformulierung der Einwendungen gegen die Schätzung habe die belangte Behörde nicht entsprochen, weil der steuerliche Vertreter niederschriftlich erklärt habe, auf das Rechtsmittel der Berufung gegen die Bescheide u.a. betreffend Einkommensteuer 1993 bis 1995 zu verzichten. Der konkrete Nachforderungsbetrag sei nicht in der Besprechung vom 17. Dezember 1999, sondern dem Protokoll zufolge, erst in der Niederschrift vom 20. Dezember 1999 fixiert worden. Ein bei der Schlussbesprechung u.a. genannter Nachforderungsbetrag von etwa 1,9 Mio. S habe sich auf die steuerlichen Auswirkungen ohne Ansatz von Sicherheitszuschlägen bezogen und sei dem Beschwerdeführer zudem vorbehaltlich einer erst noch vorzunehmenden genauen Berechnung mitgeteilt worden. Solcherart sei der "Rechtsmittelverzicht" rechtsgültig zustande gekommen. Hinsichtlich der Einkommensteuer 1993 bis 1995 sei allerdings zu beachten, dass ein Verzicht auf die Einbringung einer Berufung wegen des schon anhängigen Berufungsverfahrens gar nicht möglich gewesen sei. Es habe sich daher lediglich die Frage erhoben, ob die vorbehaltlos abgegebene Erklärung, auf ein Rechtsmittel zu verzichten, in Ansehung der Einkommensteuer 1993 bis 1995 nicht die Zurücknahme der bei der Finanzlandesdirektion anhängigen Berufung gegen die Bescheide beinhaltet habe. Nach übereinstimmenden Angaben sowohl des steuerlichen Vertreters als auch der Betriebsprüferin sei mit der gewählten Formulierung eine Zurücknahme der wegen der Behandlung der Verluste aus der "Trödlerei" anhängigen Berufung nicht beabsichtigt gewesen. Vielmehr habe der Verzicht auf ein Rechtsmittel nur in Bezug auf die Feststellungen der letzten Betriebsprüfung gelten sollen. Die belangte Behörde werte den Verzicht auf die Einbringung von Berufungen daher nicht als Zurücknahme der bereits anhängigen Rechtsmittel. Dies bedeute jedoch nicht, dass der Verzichtserklärung überhaupt keine rechtliche Bedeutung zukäme. Der Beschwerdeführer habe durch seinen steuerlichen Vertreter förmlich erklärt, die Zuschätzungen bei den Gewinnen der beiden Kaffeehäuser und die daraus resultierenden Änderungen der Einkommensteuerbescheide anzuerkennen. Damit seien die - wenngleich erst in der Berufungsentscheidung vorzunehmenden - Gewinnerhöhungen außer Streit gestellt worden. Eine solcherart erfolgte Beschränkung der Streitpunkte auf die Frage der steuerlichen Anerkennung der Verluste aus der "Trödlerei" könne nicht widerrufen werden. Einwendungen gegen die Schätzung seien daher auf Grund der Verzichtserklärung vom 20. Dezember 1999 verfahrensrechtlich nicht mehr zulässig.

Im Übrigen habe der Beschwerdeführer seine in der mündlichen Berufungsverhandlung vorgebrachten Einwendungen gegen die Schätzung - die bei der B.-Brauerei erhobenen EDV-Daten seien mit Fehlern behaftet - schon bei der Schlussbesprechung vorgetragen und dennoch einen Rechtsmittelverzicht angekündigt. Solcherart seien neue Tatsachen und Beweismittel nach Abschluss des Betriebsprüfungsverfahrens bzw. nach der Abgabe des Rechtsmittelverzichtes nicht hervorgekommen. Abweichend von den Feststellungen im Betriebsprüfungsbericht seien zu Gunsten des Beschwerdeführers bei der Einkommensteuerfestsetzung für 1993 und 1995 näher dargestellte geringfügige Änderungen vorzunehmen.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1. Altwarenhandel:

Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde in diesem Punkt vor, sie sei zu Unrecht vom Vorliegen von Liebhaberei ausgegangen. Dieser Vorwurf verkennt, dass die belangte Behörde eine Liebhabereibeurteilung gar nicht vorgenommen hat. Wie im angefochtenen Bescheid zu Recht ausgeführt wird, hat vor eine Prüfung von erklärten (negativen) Einkünften nach den Gesichtspunkten der Liebhaberei zunächst die Beurteilung der Frage zu treten, ob der Abgabepflichtige die zu prüfenden Ergebnisse überhaupt auf Grund einer Betätigung in einer der gesetzlich aufgezählten Einkunftsarten "erwirtschaftet" hat. Angesichts der Geltendmachung der Ergebnisse der Streitjahre als Einkünfte aus Gewerbebetrieb setzt dies nach § 23 Z 1 EStG 1988 voraus, dass die (negativen) Einkünfte aus einer selbstständigen, nachhaltigen Betätigung erzielt wurden, die mit Gewinnabsicht unternommen wurde und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr dargestellt hat (vgl. dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Oktober 1996, 94/13/0165, und vom 18. März 1997, 96/14/0045).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs liegt eine gewerbliche Tätigkeit bereits in der Vorbereitungsphase, sohin vor Erzielung der ersten Einnahmen vor, wenn sich der innere Entschluss des Steuerpflichtigen zur Aufnahme der werbenden Betätigung durch entsprechende Handlungen dokumentiert und der Steuerpflichtige zielstrebig auf die Betriebseröffnung hinarbeitet. Bei einer über einige Jahre hinausgehenden Vorbereitungsphase wird dabei besonderes Gewicht darauf zu legen sein, dass auf Grund der bereits gesetzten Handlungen des Steuerpflichtigen die eindeutige Absicht der künftigen Betriebseröffnung erweislich ist (vgl. in jüngerer Zeit das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Oktober 2004, 98/14/0126).

Bei der Beurteilung der "Zielstrebigkeit" geht es nicht darum, dem Abgabepflichtigen eine bestimmte von der Abgabenbehörde als wirtschaftlich zweckmäßig erachtete Gestaltung der Vorbereitungsphase vorzugeben, sondern darum, die nach außen in Erscheinung getretene Vorgangsweise des Abgabepflichtigen daraufhin zu untersuchen, ob sie auf die Aufnahme einer gewerblichen Tätigkeit gerichtet ist, also im Wesentlichen um die Abgrenzung zum außerbetrieblichen Bereich (in diesem Sinne vgl. insbesondere das oben angeführte hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 2004).

Im Beschwerdefall vertrat die belangte Behörde die Ansicht, die vom Beschwerdeführer gesetzten Maßnahmen ließen "objektiv noch keinen ausreichenden Zusammenhang mit einem geplanten Antiquitätenhandel erkennen". Sie schloss dies daraus, dass die Anzahlungen für die Beschaffung der Handelsware bereits am 31. Dezember 1993, somit zu einem Zeitpunkt erfolgt seien, als der Beschwerdeführer noch nicht im Besitz der in Aussicht genommenen Geschäftsräumlichkeiten gewesen sei. Im Folgenden sei die "Beschaffung und Sanierung der erforderlichen Geschäftsräume derart schleppend vonstatten" gegangen, dass von einem zielgerichteten kaufmännischen Verhalten keine Rede sein könne.

Der Beschwerdeführer rügt in diesem Zusammenhang zu Recht, dass sich die belangte Behörde mit seinem Vorbringen zu den Ursachen der Verzögerung nicht auseinander gesetzt habe. Bereits in der Eingabe an das Finanzamt vom 22. Dezember 1993 wird ebenso wie in der Gewerbeanmeldung vom 10. Februar 1994 als Betriebsstandort des Handelsgewerbes die M.-Straße 4 angegeben, im "Situationsbericht Trödlerei" vom 30. Juni 1997 ist davon die Rede, dass die Mietvertragsverhandlungen im Herbst 1993 bereits "mehr oder weniger" abgeschlossen gewesen seien und der Beschwerdeführer in der Meinung, sofort zum 1. Jänner 1994 einziehen zu können, begonnen habe, sich "geschäftlich umzusehen". Die Mietvertragsverhandlungen hätten sich dann doch als schwieriger herausgestellt, sodass der Mietvertrag erst im Sommer 1994 tatsächlich zustande gekommen sei. "Ende 94 bis Herbst 95" hätten gesundheitliche Probleme den Beschwerdeführer an weiteren geschäftlichen Aktivitäten gehindert. In der Berufung vom 4. Dezember 1997 wurde vorgebracht, dass die "Hausverwaltung" in der Folgezeit eine Generalsanierung des Hauses geplant habe, welche der Beschwerdeführer vor der Geschäftseröffnung habe abwarten wollen. Da die "Hausverwaltung" die geplante Generalsanierung aber immer wieder verschoben habe, habe der Beschwerdeführer im Februar 1996 die Sanierung schließlich selbst in Angriff genommen. Trotz Akontierung des Honorars habe der Architekt die Ausschreibung nicht vorangetrieben, sodass der Beschwerdeführer im Frühjahr 1998 eine "neue Firma" mit dem Umbau beauftragt habe. Im Telefonat vom 13. Juni 2000 wurde auf die zwischenzeitig erfolgte (vom Beschwerdeführer bekämpfte) Kündigung des Mietvertrages durch den Hauseigentümer verwiesen.

Vor dem Hintergrund dieses Vorbringens ist die behördliche Feststellung, der Beschwerdeführer habe die Beschaffung der erforderlichen Geschäftsräume nicht in einer Weise betrieben, welche auf die Absicht einer künftigen Betriebseröffnung schließen ließe, nicht nachvollziehbar. In welchem anderen Zusammenhang als mit der Aufnahme des Altwarenhandels die Bemühungen des Beschwerdeführers um den Abschluss eines Mietvertrages und die Sanierung des Mietobjektes stehen könnten, ist dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen. Insbesondere wurde auch nicht festgestellt, dass diese Aktivitäten des Beschwerdeführers von vornherein gesetzt worden wären, um (weiteren Lager-)Raum für das im selben Gebäude vom Beschwerdeführer betriebene Kaffeehaus oder (privaten) Wohnraum zu schaffen. Bemerkt wird, dass nach dem in den Verwaltungsakten einliegenden Mietvertrag vom 30. Juni/5. Juli 1994 ausdrücklich vereinbart war, dass der Beschwerdeführer das Geschäftslokal "nur für eigene Geschäftszwecke, nämlich als Geschäftslokal für den Handel mit Antiquitäten und Bekleidung (Country living)" benützen darf und der Mieter zur Kenntnis nimmt, dass die Geschäftsbranche des Mieters für die Vermieterin wichtig und bedeutsam sei, da sie einen vorgegebenen, auch mit anderen Mietern im Haus vereinbarten Branchenmix aufrecht erhalten müsse.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher in diesem Punkt als unzureichend begründet.

2. Zuschätzungen:

Gemäß § 289 Abs. 2 BAO ist die Abgabenbehörde zweiter Instanz berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde erster Instanz zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Berufung als unbegründet abzuweisen.

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde von dieser Befugnis Gebrauch gemacht und die Einkommensteuerbescheide der Streitjahre 1993 bis 1995 insofern abgeändert, als sie den Feststellungen einer Wiederholungsprüfung folgend Hinzuschätzungen zu den vom Beschwerdeführer erklärten Einkünften aus dem Betrieb zweier Kaffeehäuser vornahm. Die vom Beschwerdeführer in der mündlichen Berufungsverhandlung gegen die Schätzung vorgebrachten Einwendungen wurden von der belangten Behörde mit der Begründung als unbeachtlich betrachtet, dass der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers im Rahmen der abgabenbehördlichen Prüfung einen "Rechtsmittelverzicht" abgegeben habe. Da zu diesem Zeitpunkt bereits ein Rechtsmittel betreffend die Einkommensteuerfestsetzung 1993 bis 1995 anhängig gewesen sei, läge zwar kein Rechtsmittelverzicht im Sinne des § 255 Abs. 1 BAO vor, dennoch habe dieser "Rechtsmittelverzicht" auf das anhängige Verfahren insoweit rechtliche Bedeutung, als die in der Berufungsentscheidung vorzunehmenden Gewinnerhöhungen vom Beschwerdeführer damit außer Streit gestellt worden und Einwendungen gegen die Schätzung daher verfahrensrechtlich nicht mehr zulässig seien.

Gemäß § 255 Abs. 1 BAO kann auf die Einbringung einer Berufung verzichtet werden. Der Verzicht ist schriftlich oder zur Niederschrift zu erklären. Er ist gemäß Abs. 2 leg.cit. nur rechtswirksam, wenn aus der Verzichtserklärung hervorgeht, dass dem Verzichtenden im Zeitpunkt ihrer Abgabe der Inhalt des zu erwartenden Bescheides, bei Abgabenbescheiden die Grundlagen der Abgabenfestsetzung, bekannt waren. Eine trotz Verzicht eingebrachte Berufung ist unzulässig (Abs. 3 leg.cit.).

Im Beschwerdefall ist die Erklärung, auf die Einbringung einer Berufung gegen die "zu erteilenden Bescheide" zu verzichten, in Bezug auf die Einkommensteuerfestsetzung für die Jahre 1993 bis 1995 nicht zum Tragen gekommen, weil (allenfalls mit Berufung bekämpfbare) geänderte erstinstanzliche Einkommensteuerbescheide gar nicht erlassen wurden.

Von einer Zurücknahme der schon anhängigen Berufung (§ 256 BAO) ist die belangte Behörde im Hinblick auf den Wortlaut der Erklärung und die festgestellte Absicht des Erklärenden und des Erklärungsempfängers, der Streit über die Einkunftsquelleneigenschaft der "Trödlerei" solle von der Berufungsbehörde entschieden werden, nicht ausgegangen. Folglich hat sie auch keine Formalentscheidung getroffen und die (schon anhängige) Berufung als unzulässig zurückgewiesen oder das Berufungsverfahren eingestellt, sondern hat die Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung im Rahmen ihrer nach § 289 Abs. 2 BAO bestehenden Befugnisse übernommen und inhaltlich über die Berufung abgesprochen. Sie hat die Erklärung des Beschwerdeführers, auf Rechtsmittel zu verzichten, als im anhängigen Berufungsverfahren abgegebene Prozesserklärung verstanden, die Schätzung des Gewinnes aus dem Betrieb der beiden Kaffeehäuser außer Streit zu stellen. Ein derartiges "Außer-Streit-stellen" bewirkt, dass die Abgabenbehörde ohne Verfahrensrechte des Abgabepflichtigen zu verletzen, auf die Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung verweisen und diese ohne weitere eigene Tatsachenfeststellungen ihrer Entscheidung zu Grunde legen kann. Eine Bindung des Berufungswerbers an derartige Prozesserklärungen sieht die Bundesabgabenordnung allerdings nicht vor. Gemäß § 280 BAO hat die Abgabenbehörde zweiter Instanz auf neue Tatsachen, Beweise und Anträge, die ihr im Laufe des Berufungsverfahrens zur Kenntnis gelangen, Bedacht zu nehmen, auch wenn dadurch das Berufungsbegehren geändert oder ergänzt wird. Ein Neuerungsverbot besteht nicht. Damit ist es dem Abgabepflichtigen aber auch möglich, Tatbestände, über deren Vorliegen bereits Einvernehmen erzielt wurde, bis zum Ergehen der Berufungsentscheidung neuerlich in Streit zu ziehen. Dies hat die belangte Behörde verkannt, was den angefochtenen Bescheid ebenfalls mit Rechtswidrigkeit belastet.

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage kann eine Auseinandersetzung mit dem Beschwerdevorbringen zur Frage, ob überhaupt ein wirksamer Rechtsmittelverzicht abgegeben wurde, unterbleiben. Zu ergänzen bleibt, dass mit dem angefochtenen Bescheid nicht über einen Sicherstellungsauftrag abgesprochen wurde, sodass das diesbezügliche Beschwerdevorbringen ins Leere geht.

Da eine Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes einer Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeht, war der angefochtene Bescheid aus den unter Punkt 2 dargelegten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 7. Juni 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2001140086.X00

Im RIS seit

30.06.2005

Zuletzt aktualisiert am

02.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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