Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Juli 1984 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Steininger (Berichterstatter), Dr. Reisenleitner, Dr. Felzmann und Hon.Prof.Dr.Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Lurz als Schriftführerin in der Strafsache gegen Erich A wegen des Vergehens des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach § 15, 269 Abs. 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 9. April 1984, GZ 11 b Vr 2099/83-22, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Hauptmann, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Hubalek zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der 36-jährige Erich A des Vergehens des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach § 15, 269 Abs. 1 erster Fall StGB (I/) und des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 und Abs. 2 erster Fall StGB (II/) schuldig erkannt.
Mit seiner auf die Z 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft der Angeklagte (nur) den Schuldspruch wegen versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt. Dieses Vergehen wird ihm deshalb angelastet, weil er am 27. September 1983
in Wiener Neustadt versucht hat, die Polizeibeamten Bezirksinspektor Reinhard B und Inspektor Konrad C dadurch mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich seiner Festnahme und Eskortierung zur Bundespolizeidirektion Wiener Neustadt, zu hindern, daß er Inspektor C zur Seite stieß, flüchtete und schließlich nach neuerlicher Festhaltung um sich schlug und gegen die Beamten trat. Als Begründungsmangel (Z 5) macht er geltend, das Erstgericht habe seine Annahme, Inspektor C sei infolge eines Stoßes des Angeklagten gegen eine Hausmauer 'getaumelt' (S 157), 'aktenwidrig' (gemeint: unzureichend) begründet, weil ein solches 'Taumeln' in den Zeugenaussagen keine Deckung finde; darnach sei C 'lediglich gegen die Mauer seitlich gefallen', woraus sich aber eine geringere (und daher - nach Ansicht des Beschwerdeführers - zur Hinderung einer Amtshandlung nicht geeignete) Intensität der Gewaltanwendung ergebe. Dabei übersieht der Beschwerdeführer allerdings, daß er nach den - insoweit unbekämpft gebliebenen - weiteren Urteilskonstatierungen zur Hinderung der Amtshandlung nicht nur den Beamten C zur Seite gestoßen, sondern nach seiner neuerlichen Festnahme umsichgeschlagen und gegen die Beamten getreten, somit auch auf diese Weise Gewalt angewendet hat.
Solcherart kommt aber der Intensität des (vorangegangenen) Stoßes gegen C - als bloß einer von mehreren Gewalthandlungen gegen die Polizeibeamten - gar keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu, müßte doch der Schuldspruch selbst bei Entfall der (allein) bekämpften Feststellung, Inspektor C sei durch den Stoß gegen eine Hausmauer 'getaumelt', dennoch bestehen bleiben.
Rechtliche Beurteilung
Die Mängelrüge muß daher versagen.
Soweit der Angeklagte hingegen in seiner Rechtsrüge (Z 9 lit. a) meint, er habe durch sein Verhalten die Durchführung der Amtshandlung bloß verzögert oder erschwert, diese somit nicht gehindert, sondern lediglich behindert, weshalb auch von einem Versuch in Richtung des Tatbestands des § 269 Abs. 1 StGB nicht gesprochen werden könne und er freigesprochen werden hätte müssen, so unterliegt er einem grundlegenden Rechtsirrtum, weil er nämlich die Voraussetzungen für die Deliktsvollendung mit jenen für den Deliktsversuch verwechselt. Vollendet ist das Delikt nach § 269 Abs. 1 StGB (erst), wenn der Täter durch seinen Widerstand wenigstens eine (zeitlich nicht ganz unbedeutende) Unterbrechung der Amtshandlung erreicht hat; hat er dagegen den an sich ununterbrochenen Ablauf der Amtshandlung bloß verzögert oder deren Durchführung lediglich erschwert, ohne daß es ihm (entsprechend seinem Tatplan) gelungen ist, einen (wenn auch nur vorübergehenden) Abbruch derselben zu erzwingen, dann kam es zwar nicht zum Eintritt des verpönten Erfolgs, es liegt jedoch Deliktsversuch vor (vgl. SSt 47/21; Leukauf- Steininger Kommentar 2 § 269 RN 14 und 27), weil der Täter seinen Entschluß, einen Beamten mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung an einer Amtshandlung zu hindern, jedenfalls durch eine der Ausführung unmittelbar vorangehende Handlung betätigt hat (§ 15 Abs. 2 StGB). Eben dies hat das Schöffengericht festgestellt und daher zutreffend die Tat als versuchten Widerstand gegen die Staatsgewalt beurteilt. Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war demnach zu verwerfen.
Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 28, 269 Abs. 1 erster Strafsatz StGB zu einer Freiheitsstrafe von 9 (neun) Monaten. Dabei wertete es als erschwerend die einschlägigen Vorstrafen und das Zusammentreffen zweier strafbarer Handlungen, als mildernd hingegen das reumütige Geständnis zum Vorwurf nach § 198 Abs. 1 und 2 StGB, den Umstand, daß der Widerstand gegen die Staatsgewalt beim Versuch geblieben ist, und daß der Angeklagte zu diesem Faktum einen gewissen Beitrag zur Wahrheitsfindung geleistet hat. Die Berufung des Angeklagten, mit welcher er die Herabsetzung der Freiheitsstrafe und die Gewährung bedingter Strafnachsicht begehrt, ist nicht begründet.
Auch wenn die beiden Vorstrafen wegen § 81 StG schon mehrere Jahre zurückliegen, so darf doch nicht übersehen werden, daß der Berufungswerber auch darnach wiederholt wegen Körperverletzungsdelikten abgestraft wurde, also Angriffe gegen die körperliche Integrität anderer Menschen und somit strafbare Handlungen begangen hat, die auf derselben schädlichen Neigung beruhen wie der ihm vorliegend angelastete Widerstand gegen die Staatsgewalt. Das Schöffengericht hat daher zu Recht auch diese Vorstrafen als erschwerend gewertet, sodaß die erstgerichtlichen Strafzumessungsgründe keiner Korrektur bedürfen. Davon ausgehend erweist sich aber die verhängte Strafe als tatschuldangemessen und täterpersönlichkeitsgerecht, sodaß kein Anlaß zu ihrer Reduktion bestand. Dem Begehren um bedingte Strafnachsicht hinwieder stehen die mehrfachen Vorstrafen des Berufungswerbers entgegen, angesichts welcher keineswegs angenommen werden kann, daß die bloße Androhung der Strafe genügen werde, den Berufungswerber von weiteren Straftaten abzuhalten.
Auch der Berufung mußte somit zur Gänze ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.
Anmerkung
E04732European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1984:0090OS00085.84.0703.000Dokumentnummer
JJT_19840703_OGH0002_0090OS00085_8400000_000