Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 12.Juli 1984 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schneider als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller (Berichterstatter), Dr. Reisenleitner, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Diexer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Markus A (und einen anderen) wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Markus A gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Jugendschöffengerichtes vom 2.Februar 1984, GZ 27 Vr 4704/83-44, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Stöger, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten Markus A auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 11.Juni 1964 geborene Mechanikergeselle Markus A des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer bedingt nachgesehenen Geldstrafe verurteilt, weil er am 14.Juli 1982 in Innsbruck im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit dem (deshalb mit demselben Urteil bereits rechtskräftig abgeurteilten, zur Tatzeit noch jugendlichen) Rudolf R*** als Mittäter (§ 12 StGB) die Adelheid B durch Schüsse aus einer Luftdruckpistole und einem Luftdruckgewehr am Körper (vorsätzlich) verletzt hatte (Steckschuß im Bereich des linken Oberarms).
Nach den wesentlichen, diesem Schuldspruch zugrundeliegenden Feststellungen hatten die beiden Angeklagten C und A am späten Nachmittag des 14.Juli 1982 nach vorheriger Absprache, die mit Arbeiten in dem Garten der Wohnhausanlage in Innsbruck, Ing. Etzelstraße Nr. 49, beschäftigte (damals 43-jährige) Hausfrau Adelheid B in das Gesäß zu schießen, mit einem Luftdruckgewehr der Marke Diana (Kaliber 4,5 mm) aus einem offenen Fenster der in der vorerwähnten Wohnhausanlage gelegenen Wohnung des Rudolf C abwechselnd auf die etwa 24 m entfernte (S. 29) Adelheid B einige Schüsse abgegeben. Während der Angeklagte A die Frau verfehlte, traf sie der Mitangeklagte C am linken Oberarm, wodurch Adelheid B eine dem Grad nach leichte, mit einer Gesundheitsstörung und Berufsunfähigkeit als Hausfrau in der Dauer von nicht mehr als drei Wochen verbundene Schußwunde in Form einer etwa 2 cm tiefen Verletzung des Unterhautzellgewebes erlitt. Zur subjektiven Tatseite nahm das Erstgericht als erwiesen an, daß beide Angeklagten auf Adelheid B gezielte Schüsse abgaben, die Frau auch - entsprechend ihrer vorherigen mündlichen Absprache -
treffen wollten und der Eintritt einer Körperverletzung bei dem Tatopfer zumindest von ihrem bedingten Vorsatz umfaßt war (S. 205, 207 und 209).
Rechtliche Beurteilung
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte Markus A mit einer auf § 281 Abs 1 Z 9 lit b und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der jedoch Berechtigung nicht zukommt. Soweit der Beschwerdeführer sein Tatverhalten in rechtlicher Beziehung bloß als Versuch einer Körperverletzung (§ 15, 83 Abs 1 StGB) gewertet wissen will (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO), vermag er einen dem Erstgericht unterlaufenen Rechtsirrtum nicht darzutun. Denn mit seiner Auffassung, daß ihm die allein vom Mitangeklagten C herbeigeführte Schußverletzung der Adelheid B aus dem Titel einer Mittäterschaft strafrechtlich nicht zugerechnet werden könne, weil er selbst mit den von ihm abgegebenen Schüssen die Frau nicht getroffen und daher auch nicht verletzt habe, verkennt er das Wesen der Mittäterschaft:
Diese Form der Beteiligung mehrerer an einem Delikt setzt nämlich nur ein einverständliches Zusammenwirken in der Ausführungsphase der Tat durch unmittelbare Mitwirkung an der Tatausführung voraus; keineswegs ist aber, wie der Beschwerdeführer meint, für die Annahme einer Mittäterschaft erforderlich, daß jeder Mittäter das gesamte Tatbild (vorliegend etwa durch eigenhändige Herbeiführung des angestrebten Verletzungserfolgs) verwirklichen muß. Jeder Mittäter haftet vielmehr auch für den Tatbeitrag des anderen bei Ausführung der Straftat und damit für den gesamten, von ihrem gemeinsamen Vorsatz umfaßten Erfolg (Leukauf-Steininger 2 , RN. 10 zu § 12 StGB und die dort zitierte Judikatur). Im Licht dieser in Lehre und Rechtsprechung unbestrittenen Grundsätze kann auf Grund des Urteilssachverhalts eine Mittäterschaft des Beschwerdeführers und somit auch seine strafrechtliche Verantwortlichkeit für den wenn auch letztlich nur durch einen Schuß seines Komplizen C herbeigeführten Verletzungserfolg nicht zweifelhaft sein; hat doch auch der im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit dem Mitangeklagten C handelnde Beschwerdeführer, wie er in seiner Rechtsrüge ausdrücklich einräumt, durch die von ihm abwechselnd mit dem Mitangeklagten C auf Adelheid B abgegebenen Schüsse Ausführungshandlungen zwecks Herbeiführung einer im gemeinsamen Vorsatz beider Angeklagten gelegenen Verletzung dieser Frau gesetzt und sich solcherart in der Ausführungsphase durch unmittelbare Mitwirkung an der Tat beteiligt. Mit Recht hat daher das Erstgericht auch dem Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt der Mittäterschaft die durch einen Schuß des Mitangeklagten C bewirkte und im gemeinsamen Vorsatz beider Angeklagten gelegene Körperverletzung der Adelheid B strafrechtlich zugerechnet und auch hinsichtlich des Beschwerdeführers einen Schuldspruch wegen des vollendeten Deliktes nach § 83 Abs 1 StGB gefällt.
Soweit sich der Beschwerdeführer in seiner Rechtsrüge über die im Ersturteil - mit dem Hinweis auf die auch insoweit geständige Verantwortung der beiden Angeklagten - mängelfrei begründete Feststellung eines bewußten und gewollten Zusammenwirkens der beiden Angeklagten hinwegsetzt und ein einverständliches Vorgehen bei der abwechselnden Abgabe der Schüsse auf Adelheid B unter Vernachlässigung der im Ersturteil ausdrücklich festgestellten vorherigen Absprache negiert, weil jeder von ihnen für sich allein und unabhängig vom anderen den Willensentschluß zur Tatausführung gefaßt hätte, bringt er die Rechtsrüge nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung, weil er nicht, so wie dies zu einer solchen gehört, den festgestellten Sachverhalt mit dem darauf angewendeten Strafgesetz vergleicht, sondern von urteilsfremden Annahmen ausgeht. Es versagt aber auch das weitere Argument des Beschwerdeführers, daß von einem bewußten und gewollten Zusammenwirken zwischen ihm und C im Sinn einer Mittäterschaft und demnach von einem gemeinsamen Vorgehen gegen Adelheid B schon deshalb nicht gesprochen werden könne, weil sie beide nicht gleichzeitig, sondern abwechselnd auf die Genannte geschossen hätten; setzt doch die Annahme einer Mittäterschaft, wie bereits dargelegt, entgegen der vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang vertretenen Auffassung, nicht ein (zeitmäßig völlig) gleichzeitiges Vorgehen der Mittäter, sondern bloß eine Beteiligung (Mitwirkung) in der (nicht einmal notwendiger Weise ganzen) Ausführungsphase der Tat in Form einer Ausführungshandlung voraus.
Der vom Beschwerdeführer aus der Z 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO reklamierte (sachliche) Strafausschließungsgrund nach § 42 StGB setzt - kumulativ mit den übrigen darin angeführten Voraussetzungen - u.a. eine geringe Schuld des Täters voraus (§ 42 Abs 1 Z 1 StGB). Davon kann aber nur bei einem erheblichen Zurückbleiben des tatbildmäßigen Verhaltens des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt gesprochen werden. Die Anwendung des § 42 StGB ist entsprechend dem dieser Bestimmung zugrundeliegenden Gedanken der mangelnden Strafwürdigkeit der Tat auf Fälle zu beschränken, die sowohl nach dem Grad der Schuld des Täters als auch der mit der Tat verbundenen Sozialschädlichkeit und ihrem Störwert für die Umwelt deutlich unter der Norm liegen (LSK. 1984/5;
Leukauf- Steininger 2 , RN. 9 zu § 42 StGB). Dies trifft aber - wie hier -
im Falle der Abgabe von Schüssen gegen einen Menschen nicht zu. Dazu kommt, daß angesichts der dem Grade nach zwar noch leichten, aber doch mit einer Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit (als Hausfrau) in der Dauer von etwa drei Wochen verbundenen Körperverletzung der Adelheid B von bloß unbedeutenden Tatfolgen (§ 42 Abs 1 Z 2 StGB) nicht die Rede sein kann (vgl. dazu auch 13 Os 40, 41/83).
Soweit sich hingegen der Beschwerdeführer auch im Rahmen der Z 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO noch darauf beruft, daß ihm eine Tatfolge im Sinn des § 42 Abs 1 Z 2 StGB nicht angelastet werden könne, weil er bloß den Versuch einer Körperverletzung (§ 15, 83 Abs 1 StGB) zu verantworten habe und seine strafrechtliche Haftung für den eingetretenen (von ihm aber nicht bewirkten) Verletzungserfolg aus dem Titel der Mittäterschaft zu Unrecht angenommen worden sei, geht er, wie bereits dargelegt, von einer verfehlten Rechtsmeinung aus.
Entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Auffassung war daher, aber auch mangels geringer Schuld für die von ihm angestrebte Anwendung des § 42
StGB kein Raum.
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Markus A war sohin zu
verwerfen.
Markus A und Rudolf C wurden gemäß § 369 StPO zur Zahlung eines Teilschmerzengeldes von 1.000 S an die Privatbeteiligte Adelheid B verurteilt. In Begründung hiezu führte das Schöffengericht aus, daß gemäß § 1301 ABGB. für einen widerrechtlich zugefügten Schaden mehrere Personen verantwortlich werden können, zu dem sie, wie hier, gemeinsam, unmittelbar oder mittelbar, beigetragen haben. Nach § 1302 ABGB. trete in einen solchen Fall bei vorsätzlicher Begehung mehrerer Täter deren Solidarhaftung ein (S. 213).
Die Berufung des Angeklagten A, die sich gegen das ihn treffende Adhäsionserkenntnis wendet, hält an dem schon in Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde entkräfteten Einwand fest, daß der Berufungswerber unmittelbar die Verletzung der Adelheid B nicht bewirkt habe und daher für diese Verletzung auch zivilrechtlich nicht hafte. Wie jedoch bereits dargetan, steht seine strafrechtliche Haftung für diesen vorsätzlich herbeiführten Deliktserfolg fest. Aus dieser aber folgt, wie das Schöffengericht zutreffend ausgesprochen hat, gemäß § 1301, 1302 ABGB. die solidarische Haftung auch des Markus A, der die Höhe des angesprochenen Betrags anerkannt hat (S. 196) und den Zuspruch nur dem Grund nach bekämpft.
Auch der Berufung war daher ein Erfolg zu versagen.
Anmerkung
E04610European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1984:0130OS00044.84.0712.000Dokumentnummer
JJT_19840712_OGH0002_0130OS00044_8400000_000