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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §68 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde der M Z in T, vertreten durch Draxler & Partner, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Reichsratsstraße 11/4, gegen den Bescheid des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom 14. Dezember 2000, Zl 239198/1-II/C/13-2000, betreffend zwangsweise Einräumung von Dienstbarkeiten nach dem Eisenbahnenteignungsgesetz (mitbeteiligte Partei: R KG), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 330,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 6. November 2000, mit dem der mitbeteiligten Partei die Inanspruchnahme von Grundstücken der Beschwerdeführerin durch zwangsweise Einräumung der Dienstbarkeiten der Duldung, Errichtung und Erhaltung sowie des Betriebes der Einseilumlaufbahn N bewilligt worden war (insbesondere durch Duldung der Seilbahnüberführung, der Überspannung mit Seilen, der Freihaltung von Baumwuchs, des Begehens und Befahrens der Trasse zu Kontroll- und Wartungszwecken, zur Bergung der Fahrgäste bei Unbeweglichkeit der Seilbahn und zur Vornahme von Seilzugsarbeiten, Reparaturarbeiten und von Begrünungen), gemäß § 66 Abs 4 AVG in Verbindung mit § 18 Abs 4 Eisenbahnenteignungsgesetz, BGBl Nr 71/1954 idF BGBl I Nr 156/1998 (EisbEG), ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.
Das Berufungsvorbringen, wonach eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz deshalb gegeben sei, weil der Verhandlungsleiter weder nach Tunlichkeit darauf hingewirkt habe, dass ein Einverständnis unter den Parteien erzielt werde, noch die für die Entscheidung über die begehrte Enteignung maßgebenden Verhältnisse ermittelt habe, und die Lokalisierung der Dienstbarkeit aus dem Bescheid nicht ersehen werden könne, sei unberechtigt: Die mitbeteiligte Partei habe durch die Konzessionsverleihung, die voraussetze, dass öffentliche Interessen nicht entgegenstünden oder das öffentliche Interesse an der Erbauung und dem Betrieb der geplanten Eisenbahn (Seilbahn) die entgegenstehenden Interessen überwöge, das Enteignungsrecht nach Maßgabe des EisbEG erhalten. Aus einem dem Bescheid beigeschlossenen Lageplan sei der Umfang und die Lokalisierung der eingeräumten Dienstbarkeiten ersichtlich, überdies das genaue Flächenausmaß der Beanspruchung im Bescheid selbst angeführt. Der Bescheidspruch sei ausreichend konkretisiert, zumal sich aus dem zugrunde gelegten Lageplan und der bereits rechtskräftigen Baugenehmigung die näheren Einzelheiten der Form und Ausgestaltung des genehmigten Projekts und damit der Umfang der Beanspruchung der Liegenschaften, also der eingeräumten Dienstbarkeiten, klar ergebe. Unzutreffend sei auch das Vorbringen, der Verhandlungsleiter erster Instanz habe nicht nach Tunlichkeit dahin gewirkt, dass eine Einverständnis unter den Parteien erzielt werde. Wiederholte Versuche der mitbeteiligten Partei, den Abschluss eines Vertrages zu erreichen, seien fehlgeschlagen. In der Verhandlung vom 3. August 2000 habe die Beschwerdeführerin zunächst keinen Einwand gegen die Überspannung ihrer Liegenschaften erklärt, einen solchen vielmehr erst am 7. August 2000 mit dem Hinweis auf die Rechtsnatur der mitbeteiligten Partei als Kapitalgesellschaft erhoben. Zu einer weiteren am 12. Oktober 2000 durchgeführten Verhandlung sei die Beschwerdeführerin nicht gekommen, sodass schon deshalb dem Verhandlungsleiter die Erzielung einer Einigung nicht möglich gewesen sei.
Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der gegen diesen Bescheid zunächst an ihn erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 27. Februar 2001, B 143/01, ab und trat sie gemäß Art 144 Abs 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Die Beschwerdeführerin ergänzte ihre Beschwerde und beantragte die Aufhebung des angefochtenen Bescheids wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten unvollständig - es fehlten insbesondere die erstinstanzlichen Akten und Berufungsschrift - vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die Beschwerdeführerin macht zunächst geltend, die belangte Behörde habe den relevanten Sachverhalt hinsichtlich des öffentlichen Interesses am gegenständlichen Seilbahnprojekt nicht ermittelt, sich vielmehr mit dem Hinweis darauf begnügt, dass im Konzessionsverfahren das notwendige öffentliche Interesse festgestellt worden sei. Hätte sie den Sachverhalt im notwendigen Ausmaß erhoben, hätte sich ergeben, dass das Vorliegen eines öffentlichen Interesses überhaupt zu bezweifeln sei.
Dieses Vorbringen ist nicht zielführend.
Wie die Beschwerdeführerin in der Sachverhaltsschilderung ihrer an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde selbst vorbringt, wurde der mitbeteiligten Partei die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung für das Projekt erteilt und ist diese in Rechtskraft erwachsen. Im Baugenehmigungsbescheid nach § 35 Eisenbahngesetz liegt aber die Feststellung, dass das öffentliche Interesse an der Durchführung des Bauvorhabens die entgegenstehenden Interessen überwiegt; darin eingeschlossen ist die Feststellung, dass die Inanspruchnahme der Liegenschaften der betroffenen Grundeigentümer im überwiegenden öffentlichen Interesse liegt. Der Eigentümer der durch den rechtskräftigen Baugenehmigungsbescheid betroffenen Liegenschaft kann deshalb im Enteignungsverfahren nicht mehr einwenden, die Inanspruchnahme liege nicht im öffentlichen Interesse (vgl die hg Erkenntnisse vom 5. März 1997, Zl 96/03/0276, und vom 9. Oktober 1996, Zl 92/03/0221).
Im Übrigen rügt die Beschwerdeführerin, dass die belangte Behörde ihr stetes Bemühen um die Herstellung einer gütlichen Einigung mit der mitbeteiligten Partei nicht ausreichend gewürdigt habe. Sie habe die privatrechtliche Einräumung einer Dienstbarkeit nicht grundsätzlich abgelehnt.
Auch dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Gemäß § 16 Abs 1 EisbEG hat der Verhandlungsleiter nach Tunlichkeit dahin zu wirken, dass ein Einverständnis unter den Parteien erzielt werde. Diese Bestimmung entspricht dem verfassungsrechtlichen Gebot der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit von Eigentumseingriffen. Das bedeutet aber nicht, dass eine Enteignung bzw die zwangsweise Einräumung von Dienstbarkeiten nur dann zulässig wäre, "wenn die privatrechtliche Einräumung einer entsprechenden Dienstbarkeit (vom betroffenen Liegenschaftseigentümer) grundsätzlich abgelehnt wird", wie die Beschwerdeführerin meint. Das Bemühen um eine privatrechtliche Einigung über die Einräumung von Dienstbarkeiten muss nämlich auch dann scheitern, wenn der betroffene Liegenschaftseigentümer die Dienstbarkeit zwar nicht "grundsätzlich" ablehnt, aber eine Einigung über die Höhe einer zu leistenden Entschädigungszahlung nicht zustande kommt.
Die belangte Behörde hat darauf verwiesen, dass nach dem Fehlschlagen von wiederholten Versuchen die Einräumung einer Dienstbarkeit durch Vertrag zu erreichen, auch im verwaltungsbehördlichen Verfahren vom Verhandlungsleiter keine Einigung herbeigeführt habe werden können, zumal die Beschwerdeführerin zur letzten Verhandlung (am 12. Oktober 2000) nicht erschienen sei.
Dieser Beurteilung tritt die Beschwerdeführerin nicht substantiiert entgegen: Warum eine Einigung zwischen den Parteien schon dadurch zustande gekommen sei, dass der Geschäftsführer der mitbeteiligten Partei "eine Übereinkunft über die Höhe der Entschädigung für die Benützung meiner Grundstücke in den Raum gestellt" habe, und die Beschwerdeführerin "stets bereit war, die gewünschten Dienstbarkeitsrechte an die (mitbeteiligte Partei) abzutreten und lediglich über die Frage der Entschädigung Uneinigkeit herrschte", ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht ersichtlich. Auch aus dem von der Beschwerdeführerin vorgelegten Schreiben der mitbeteiligten Partei vom 26. Oktober 2000 ist keine solche Einigung ersichtlich.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl II Nr 333/2003, wobei für die nur unvollständige Vorlage der Verwaltungsakten keine Kosten zuzusprechen waren.
Wien, am 8. Juni 2005
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der BehördeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2001030096.X00Im RIS seit
03.07.2005