Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Juli 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Hörburger, Dr. Lachner und Dr. Brustbauer (Berichterstatter) als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Wittmann als Schriftführers in der Strafsache gegen Michael A u.a. wegen des Vergehens der gewerbsmäßigen gleichgeschlechtlichen Unzucht nach § 210 StGB. und eines anderen Delikts über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Michael A und Thomas B sowie über die Berufung des Angeklagten Jakob C gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Jugendschöffengerichts vom 12. Jänner 1984, GZ. 4 Vr 3172/83-24, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Kodek, des Angeklagten Thomas B sowie der Verteidiger Dr. Schlick und Dr. Mühl, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten Michael A und Jakob C, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.
Den Berufungen der Angeklagten Michael A und Jakob C wird nicht Folge gegeben.
Der Berufung des Angeklagten Thomas B wird teilweise Folge gegeben und die über ihn verhängte Strafe gemäß § 31 StGB. unter Bedachtnahme auf die Urteile des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 30. Juni 1983 4 Vr 3429/82
und vom 9. November 1983, 13 E Vr 3813/83, auf 6 (sechs) Monate
herabgesetzt.
Im übrigen wird der Berufung des Angeklagten Thomas B nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO. fallen den Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden: der Jugendliche Michael A des Vergehens der gewerbsmäßigen gleichgeschlechtlichen Unzucht nach § 210
StGB., die Erwachsenen Jakob C und Thomas B (dieser als Gehilfe) des Verbrechens der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Jugendlichen nach § 209 StGB., B auch (als Anstifter) des Vergehens der gewerbsmäßigen gleichgeschlechtlichen Unzucht nach § 210 StGB. schuldig erkannt. A und B bekämpfen die sie betreffenden Schuldsprüche mit Nichtigkeitsbeschwerden aus Z. 9 lit. a, B auch aus Z. 5 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO.
Zur Beschwerde des Angeklagten A:
Rechtliche Beurteilung
Die Rechtsrüge geht dahin, daß Gewerbsmäßigkeit seines Verhaltens nicht angenommen hätte werden dürfen, weil er nur gelegentlich und fallweise gleichartige Taten begangen hätte, wogegen das angeführte Merkmal voraussetze, daß durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme gegeben sei (S. 138). Dabei übersieht der Angeklagte zweierlei: Erstens, daß die Legaldefinition des § 70 StGB. die Absicht des Täters genügen läßt, sich durch die wiederkehrende Verübung der strafbaren Handlung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen; zweitens die ausdrückliche Urteilsfeststellung (S. 113), daß die Taten AS durchaus von einer solchen Absicht getragen waren. Zugleich hat das Jugendschöffengericht das Verhalten des Beschwerdeführers vor (Entweichen aus dem Elternhaus, Mangel an Barmittel) und nach der Tat (freimütiges Geständnis, das im nachhinein aus Angst vor dem Vater abgeschwächt wurde) ausreichend berücksichtigt (S. 118). Wenn A demgegenüber meint, seine Abwesenheit von zu Hause, verbunden mit seinem wirtschaftlichen Engpaß, begründe noch nicht jene die Gewerbsmäßigkeit tragenden Feststellungen, wendet er sich unzulässig gegen die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanz.
Zur Beschwerde des Angeklagten B:
Die Ausführungen der Mängelrüge erschöpfen sich zur Gänze im Versuch, in einer im Nichtigkeitsverfahren unzulässigen Art die Beweiswürdigung des Schöffengerichts anzufechten, welches seine entscheidungswesentlichen Feststellungen gegenständlichenfalls vor allem auf die für glaubwürdig befundenen Angaben des Michael A vor der Polizei gegründet hat.
Mit seiner auf den Schuldspruch wegen des Verbrechens der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Jugendlichen (§ 209 StGB.) zielenden Rechtsrüge (§ 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO.) wendet sich B dagegen, daß er schon durch das Bekanntmachen der Unzuchtspartner (C und A) zu den daraufhin folgenden gleichgeschlechtlichen Unzuchtshandlungen am 1. Juni 1983 und am 12. (oder 26.) Juni 1983 beigetragen habe, denn deren Verhalten sei von ihrem freien Willensentschluß bestimmt gewesen und vorliegend hätte die Vollendung des ersten Unzuchtsakts (am 1. Juni 1983) 'erst Stunden nach dem Bekanntmachen', die zweite Unzuchtshandlung überhaupt mehrere Tage später stattgefunden. Abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer hiebei verschweigt, daß er nach den Urteilsfeststellungen A geradezu animiert hat, sich mit dem als homosexuell bekannten C einzulassen (S. 111), verlangt der dritte Fall des § 12 StGB. keineswegs, daß die geleistete Hilfe für die Ausführung der Haupttat notwendig ist (LSK. 1978/69). Genug daran, daß - wie im Urteil festgestellt - die Beihilfe des Nichtigkeitswerbers bei der Verübung der Haupttaten noch wirksam war (S. 114).
Unter § 210 StGB. wird dem Beschwerdeführer angelastet, am 23. Juni 1983
A mit der Aufforderung, gegen Entgelt gleichgeschlechtliche Unzucht zu treiben und ihm das Entgelt zu überbringen, zur gewerbsmäßigen gleichgeschlechtlichen Unzucht am 23. und 24. Juni 1983 bestimmt zu haben.
B verneint die hier unterlegte Anstiftung, weil er den A nicht zu einer individuell bestimmten strafbaren Handlung verleitet habe. Dem ist zu entgegnen, daß inhaltlich des Urteils die Aufforderung des Beschwerdeführers an A, er möge 'in den Stadtpark gehen und dort Geld auftreiben' (S. 112), im Zusammenhang (S. 111) dahin zu verstehen war, daß A dort gegen Entgelt gleichgeschlechtliche Unzucht treiben und solcherart Barmittel beschaffen sollte. Damit war das von A zu verübende Delikt nicht nur der Art nach, sondern auch mit den wesentlichen Umständen seiner Verwirklichung in der Vorstellung des Beschwerdeführers skizzenhaft umrissen, ohne daß es erforderlich gewesen wäre, daß die Haupttat dem Anstifter nach Zeit und Ort und in ihre!sonstigen Einzelheiten bekannt war (LSK. 1976/226; vgl. EvBl. 1982 Nr. 10).
Gleichermaßen im Unrecht befindet sich der Beschwerdeführer, wenn er meint, daß der Schuldspruch ob §§ 12, 210 StGB. an Feststellungsmängeln leide, welche die subjektive Tatseite betreffen. Daß B den Jugendlichen A durch die soeben wiedergegebene Aufforderung zur Ausübung der entgeltlichen gleichgeschlechtlichen Unzucht - und zwar erfolgreich - angestiftet hat, hat das Erstgericht mehrfach festgestellt. Die Darlegung an anderer Stelle der Urteilsgründe, daß der Beschwerdeführer einen Erfolg seiner Bestimmung 'zumindest annehmen mußte' (S. 115), bezieht sich im Kontext nicht auf die Anstiftung als solche, sondern betrifft vom Gerichtshof angestellte - rechtlich belanglose - Erwägungen über die Selbsteinschätzung seines E bflusses auf A durch den Nichtigkeitswerber zur Tatzeit.
Für die Annahme des Vorsatzes des Beschwerdeführers auf die gewerbsmäßige Begehung der gleichgeschlechtlichen Unzucht durch A würde freilich der Umstand, daß eine gewerbsmäßige Verübung nach der Lage des Falls nicht auszuschließen war, nicht hinreichen. Das Gericht hat aber weitere Feststellungen dahin getroffen, daß A vom Beschwerdeführer dazu animiert wurde, sich mit homosexuellen Personen einzulassen und mit diesen gegen Entgelt gleichgeschlechtliche Unzucht zu treiben, um mit diesem Entgelt während seiner Abwesenheit von zu Hause seinen (des A) Lebensunterhalt zu bestreiten und im übrigen auch ihm Geldbeiträge zukommen zu lassen (S. 111); ferner, daß B den A durch die Aufforderung, gegen Entgelt gleichgeschlechtliche Unzucht zu treiben und ihm dieses Entgelt zu überbringen, zur Ausführung der gewerbsmäßigen gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Unbekannten bestimmt hat (S. 114).
Hilfsweise meint der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang, daß selbst unter der Annahme, daß auch bei ihm, wie bei A, das Merkmal der Gewerbsmäßigkeit vorhanden gewesen wäre, er dennoch nur nach §§ 214 oder 216 StGB. zu bestrafen sei (Pallin im WK., RZ. 2 zu § 210 StGB.). Dieser Ansicht kann nicht beigepflichtet werden. Die bei den Tatbeständen des Besonderen Teils des Strafgesetzbuchs grundsätzlich mögliche Täterschaftsform der Anstiftung (§ 12, zweiter Fall, StGB., siehe auch § 33 Z. 4 StGB.) ist bei der gewerbsmäßigen gleichgeschlechtlichen Unzucht (§ 210 StGB.) weder begrifflich noch dem Gesetzeswortlaut zufolge ausgeschlossen, sofern nur die Schuld (§ 14 Abs. 2 StGB.) des Anstifters sich auf die Gewerbsmäßigkeit erstreckt (LSK. 1977/359).
Zu jenen Ausführungen seiner Rechtsrüge schließlich, mit denen auch B mit gleichen Argumenten wie A dessen gewerbsmäßiges Handeln zu bestreiten versucht, genügt es, zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde des Letztgenannten zu verweisen.
Zu den Berufungen:
Das Jugendschöffengericht verurteilte A nach § 210 StGB. (§ 11 JGG.) zu einer dreimonatigen, C nach § 209 StGB. (§ 41 StGB.) zu einer fünfmonatigen und B nach § 209 StGB. (§ 28 StGB.) zu einer siebenmonatigen Freiheitsstrafe, deren Vollzug es bei A und C für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah.
Dabei fielen als erschwerend nur bei B die Deliktshäufung sowie sein kriminelles Vorleben ins Gewicht, mildernd waren hingegen das Teilgeständnis AS und CS, bei diesem auch die bisherige Unbescholtenheit, bei jenem noch die aufgestoßene Gelegenheit, bei B das Alter unter 21 Jahren.
Mit ihren Berufungen streben alle drei Angeklagten eine Strafherabsetzung, A hilfsweise auch die Anwendung des § 13 JGG., C überdies die Verhängung einer Geldstrafe und B die Gewährung der Rechtswohltat der bedingten Strafnachsicht an.
Die Einwirkung BS auf A wurde bei letzterem ersichtlich auch als mildernd gewertet (Gelegenheit). Im Hinblick auf die gewerbsmäßige Tatbegehung kann von einer Unbesonnenheit indessen keine Rede sein. Auch sind die im Vorjahr (1983) begangenen Delikte nicht deshalb schon vor längerer Zeit gesetzt. Da der Gesetzgeber die männliche homosexuelle Prostitution pönalisiert hat, sind die dafür zu verhängenden Strafen aus dem Grund der gleichmäßigen Gesetzesanwendung an den allgemein geltenden Regeln der Strafzumessung (§§ 32 ff. StGB.), nicht aber - wie der Berufungswerber A meint - an seinen eigenen überlegungen zur Strafwürdigkeit solchen Verhaltens auszurichten. Angesichts der Begehung der Taten im stadtbekannten Homosexuellenmilieu bedurfte es aus generalpräventiven Gründen (§ 13 JGG.) der Verhängung einer Strafe, die in dem bezüglich A geschöpften Ausmaß keineswegs überhöht war.
Wenngleich das undifferenziert als kriminell bezeichnete, jedoch nicht durch einschlägige Vorstrafen belastete Vorleben BS nicht weiter als erschwerend zu werten war (§ 33 Z. 2 StGB.), fällt ihm der Umstand, daß er die treibende Kraft der von A begangenen Taten war, noch zusätzlich als erschwerend zur Last (§ 33 Z. 3, 4 StGB.). Auch eine allenfalls für A gegebene verlockende Gelegenheit zur Tat war nur auf die Hilfeleistung BS zurückzuführen und kann diesem daher nicht als mildernd zugute gehalten werden.
Wenn schließlich B im Urteil konkrete Umstände vermißt, die bei ihm die Anwendung des § 43 StGB. gehindert hätten, genügt es, ihn darauf zu verweisen, daß er, seine Bekanntschaft zu Homosexuellen nützend, einen dem Elternhaus entwichenen, nicht einmal noch Fünfzehnjährigen mit diesem Milieu aus eigener Gewinnsucht in Verbindung gebracht hat. Einem derart verwerflichen deliktischen Treiben kann nur mit einer unmittelbar zu vollziehenden Strafe Einhalt geboten werden. Allerdings war gemäß § 31 StGB. auf die im Spruch zitierten Verurteilungen BS (§§ 15, 269 Abs. 1, 83 Abs. 1 StGB.: 4 Monate Freiheitsstrafe, wobei die seinerzeit gewährte bedingte Strafnachsicht bereits widerrufen worden ist; §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB.: Geldstrafe von 80
Tagessätzen zu je 60 S) Bedacht zu nehmen und die Zusatzstrafe in vorschriftsmäßiger Abwägung nach § 40 StGB. mit sechs Monaten auszumessen.
Soweit C auf seinen bisher ordentlichen Lebenswandel verweist und demgemäß den Milderungsgrund nach § 34 Z. 2 StGB. begehrt, übersieht er, daß ihm dieser Milderungsgrund unter dem Titel der Unbescholtenheit ebenso zugute gehalten wurde, wie auch sein Teilgeständnis als mildernd gewertet worden ist.
Soweit er aber eine verlockende Gelegenheit als mildernd im Zusammenhang mit dem Verhalten des alkoholisierten A reklamiert, verschweigt er, daß er diesen in seinem Absteigquartier zum Alkoholgenuß verführt hat (S. 112).
Insbesondere die Tatwiederholung in einer eigens von C zu diesem Zweck eingerichteten Örtlichkeit verlangt schon aus spezialpräventiven Gründen (§ 37 Abs. 1 StGB. die Androhung einer (in dieser Situation als tdrückender empfundenen) Freiheitsstrafe (vgl. LSK. 1983/168), die in dem vom Jugendschöffengericht gefundenen Ausmaß ohnehin außerordentlich mild (§ 41 StGB.) ausgefallen ist.
Anmerkung
E04611European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1984:0130OS00076.84.0726.000Dokumentnummer
JJT_19840726_OGH0002_0130OS00076_8400000_000