TE OGH 1984/8/9 12Os115/84

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.08.1984
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.August 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral (Berichterstatter), Hon.Prof.Dr.

Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Felzmann als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Wittmann als Schriftführer in der Strafsache gegen Julia A wegen des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 2 StGB. über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 2. Dezember 1982, GZ. 10 E Vr 1668/79-33, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kodek, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 2.Dezember 1982, GZ. 10 E Vr 1668/79-33, mit dem die mit Urteil desselben Gerichtes vom 8.Mai 1980

gewährte bedingte Strafnachsicht der über Julia A verhängten fünfmonatigen Freiheitsstrafe widerrufen wurde, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 53 Abs. 3 StGB.

Dieser Beschluß und alle darauf basierenden Verfügungen und Beschlüsse werden aufgehoben und es wird gemäß § 292 StPO. zu Recht erkannt:

Der Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft vom 1.Dezember 1982 wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Die am 3.Mai 1944 geborene Julia A wurde mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 8.Mai 1980, GZ. 10 E Vr 1668/79-21, des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 2 StGB. (mit einem Schaden von mindestens 49.600 S) schuldig erkannt und (unter Anrechnung der Vorhaft vom 6.Mai 1980, 10.10 Uhr, bis 8.Mai 1980, 15.30 Uhr) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten verurteilt. Gemäß § 43 (Abs. 1) StGB. wurde diese Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen; gleichzeitig wurde Julia A die Weisung erteilt, 'binnen zwei Jahren den Schaden nach Kräften gutzumachen' (S. 68).

Am 28.Juni 1982 teilte die B GesmbH. dem Gericht auf Anfrage mit, daß Julia A 'seit Kreditaufnahme' elf Teilzahlungen von zusammen

15.401 S, im Jahre 1982 aber erst eine Zahlung in der Höhe von 1.500 S geleistet hat (S. 81). Auf Grund dieser Mitteilung beantragte die Staatsanwaltschaft Klagenfurt am 7.Juli 1982 die förmliche Mahnung der Verurteilten (S. 82). Das Landesgericht Klagenfurt entsprach diesem Antrag in der Weise, daß es am 9.Juli 1982 an Julia A ein Schreiben nachstehenden Inhaltes richtete:

'Es wird Ihnen die förmliche Mahnung erteilt, den Schaden bei der B Ges.m.b.H., Wien 1, Operngasse 6, in der Höhe von restliche 34.199 S binnen einem Monat gutzumachen.

Gründe der bisherigen Nichtzahlung wollen bekanntgegeben werden' (S. 83).

Dieses Schreiben wurde Julia A am 20.September 1982 eigenhändig zugestellt (RS. bei ON. 29).

Am 5.November 1982 veranlaßte das Landesgericht Klagenfurt Erhebungen der Bundespolizeidirektion Klagenfurt über den Umfang der Schadensgutmachung, die ergaben, daß Julia A nach dem 15.Februar 1982 keine Zahlungen an die Z-Bank geleistet hat. über ihre Einkommensverhältnisse wurde berichtet, daß sie in der Zeit vom 1. Dezember 1979 bis zum Tage der Berichterstattung durch die Bundespolizeidirektion Klagenfurt (am 24.November 1982) nur 16 Monate einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nachgegangen war und zuletzt ca. 6.000 S monatlich netto verdiente. Nach den Angaben der Verurteilten sei sie ständig krank gewesen und habe auch für ihre studierende Tochter Elvira A, geboren 2.Mai 1964, zu sorgen (S. 89).

Auf Grund dieses Erhebungsergebnisses beantragte die Staatsanwaltschaftschaft Klagenfurt am 1.Dezember 1982 den Widerruf der bedingten Strafnachsicht (S. 90).

Mit Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 2.Dezember 1982 wurde, ohne daß die Verurteilte gemäß § 495 Abs. 3 StPO. vor der Entscheidung gehört worden oder ausgesprochen worden wäre, daß diese Anhörung ohne unverhältnismäßigen Aufwand nicht durchführbar sei, die mit dem eingangs bezeichneten Urteil gewährte bedingte Strafnachsicht mit der Begründung widerrufen, daß Julia A in den Jahren 1979 bis 1982 'überwiegend in Beschäftigung stand', derzeit ein monatliches Nettoeinkommen von ca. 6.000 S beziehe und 'trotz förmlicher Mahnung vom 9.Juli 1982 den noch gutzumachenden Schadensbetrag von 34.199 S' innerhalb eines Monats zu begleichen, diesen nicht bezahlt habe. Dieser am 6.Dezember 1982 der Verurteilten zugestellte Beschluß ist unangefochten rechtskräftig geworden (S. 91, 92).

Julia A hat die Strafe noch nicht verbüßt (Aufschub des Strafvollzuges aufgrund eines Gnadengesuches der Verurteilten; S. 95, 97).

Rechtliche Beurteilung

Der Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 2.Dezember 1982, GZ. 10 E Vr 1668/79-33, womit die mit Urteil desselben Gerichtes vom 8. Mai 1980

gewährte bedingte Strafnachsicht der über Julia A verhängten fünfmonatigen Freiheitsstrafe widerrufen wurde, steht mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Gemäß § 53 Abs. 3 StGB. hat das Gericht u.a. die bedingte Strafnachsicht zu widerrufen und die Strafe vollziehen zu lassen, wenn der Rechtsbrecher während der Probezeit eine Weisung des Gerichtes trotz förmlicher Mahnung aus bösem Willen nicht befolgt. Der Widerruf nach dem ersten Fall der zitierten Gesetzesstelle setzt sohin die Erteilung einer förmlichen Mahnung und die nachfolgende Nichtbefolgung der - durch die Mahnung noch einmal nachdrücklich in Erinnerung gebrachten - Weisung aus bösem Willen voraus. Zwar liegen im vorliegenden Fall die formellen Voraussetzungen eines Widerrufs nach dieser Gesetzesstelle vor. Denn mit dem zu eigenen Handen zugestellten Schriftstück des Landesgerichtes Klagenfurt vom 9. Juli 1982 wurde Julia A förmlich ermahnt, den restlichen Schaden in der Höhe von 34.199 S binnen einem Monat gutzumachen. Entgegen der von der Generalprokuratur in ihrer gemäß § 33 Abs. 2 StGB. erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde vertretenen Meinung, die sich auf Kunst, WK. § 53 StGB. RN. 15 ff., gründet (die weiteren Zitate stützen diese Rechtsansicht nicht), ist weder dem Wortlaut noch dem Sinn des Gesetzes zu entnehmen, daß die 'förmliche Mahnung' zwingend (auch) eine ausdrückliche Androhung des Widerrufes der bedingten Strafnachsicht für den Fall der (weiteren) Nichtbefolgung der Weisung enthalten muß. Dem Gesetz ist vielmehr entsprochen, wenn dem Verurteilten in förmlicher Weise (schriftlich oder mündlich) die erteilte Weisung noch einmal nachdrücklich in Erinnerung gebracht und er solcherart daran gemahnt wird, ihr zu entsprechen; eines Hinweises auf die Folgen ihrer (weiteren) Nichtbefolgung bedarf es hiebei - anders als bei Erteilung der Weisung (vgl. § 492 Abs. 2 StGB.) - nicht (abweichend, jedoch ohne Begründung 11 Os 101/83). Dennoch erfolgte der Widerruf vorliegend - wie die Generalprokuratur im übrigen zutreffend aufzeigt - zu Unrecht. Das Gericht hat es nämlich unterlassen, die nach dem Gesetz erforderliche Prüfung durchzuführen, ob die Verurteilte den Weisungen des Gerichtes 'aus bösem Willen' nicht nachkam.

Diese Prüfung war im vorliegenden Fall umso mehr geboten, weil nach der aktenkundigen wirtschaftlichen Lage der Verurteilten der Auftrag, binnen einem Monat 34.199 S zu zahlen, als unerfüllbar zu beurteilen ist und die Nichterfüllung dieses Auftrags schon aus diesem Grund nicht als böswillig im Sinne des § 53 Abs. 3 StGB. gewertet werden durfte.

Durch den Widerruf der bedingten Strafnachsicht ohne überprüfung und Feststellung des Vorliegens aller im § 53 Abs. 3 StGB. normierten Voraussetzungen wurde das Gesetz daher in eben dieser Bestimmung zum Nachteil der Verurteilten verletzt.

Die Probezeit lief am 11.Mai 1983 ab, ein Widerruf ist nicht mehr zulässig (§ 56 StGB.; siehe auch die im Akt erliegende Strafregisterauskunft vom 2.Februar 1984, ON. 36).

Es war daher aufgrund der von der Generalprokuratur erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes spruchgemäß zu entscheiden, ohne daß es auch noch einer überprüfung bedarf, ob mit Grund von der Anhörung der Verurteilten vor der Entscheidung über den Widerruf der bedingten Strafnachsicht (§ 495 Abs. 3 StPO.) Abstand genommen wurde.

Anmerkung

E04626

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0120OS00115.84.0809.000

Dokumentnummer

JJT_19840809_OGH0002_0120OS00115_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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